Musste Jesus wirklich mit der Versuchung kämpfen wie wir? Kann sein Sieg mir den Glauben schenken, dass die Sünde auch in meinem Alltag besiegt werden kann? Von Ellen White
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»Daher musste er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoher Priester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes. Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden.« (Hebräer 2,17.18 Luther 84)
Jesus kam in diese Welt und kleidete seine Göttlichkeit in Menschlichkeit, nahm menschliche Natur an. Er kam, um zu erleben, was der Mensch erlebt; um über den Boden zu gehen, auf dem Adam gefallen war; um sein Versagen wettzumachen. Er kam, um den Feind Gottes und der Menschen zu treffen und ihn zu besiegen. Durch seine Gnade würde der Mensch überwinden und schließlich mit ihm auf seinem Thron Platz nehmen können. Er stellte sich dem Kampf: Der Schauplatz der Kontroverse zwischen dem Lebensfürsten Jesus und dem Dunkelfürsten Satan sollte dieses Stäubchen sein, das sich Erde nennt. Der Mensch war durch Übertretung zum Sündenkind geworden, zum Gefangenen von Satan, dem Gottesfeind. Satan hatte Gottes Wesen im falschen Licht dargestellt, sodass der Mensch, der zu Gottes Ebenbild geschaffen war, die Liebe seines himmlischen Vaters in Frage stellte, seinem Wort misstraute und sich in Unglauben und Aufruhr gegen Gottes Anforderungen verrannte.
Der kosmische Konflikt
Jesus kam, um das Wesen des Vaters zu repräsentieren, den Menschen wieder für Gott zu gewinnen, ihn mit Gott zu versöhnen. Von sich aus bot er an, den Feind zu stellen und seine List zu entlarven. Dann würde der Mensch sich wieder frei entscheiden können, wem er dienen will. Satan war Luzifer, der Lichtbringer, gewesen. Er war für die Weitergabe von Gottes Glanz im Himmel verantwortlich und nach Jesus an Macht und Würde unübertroffen gewesen. In den Worten der Inspiration wird er beschrieben als »Siegel der Vollendung, voller Weisheit und vollkommener Schönheit!« (Hesekiel 28,12) Doch Luzifer entstellte die Schönheit und missbrauchte die Macht, die ihm der Schöpfer verliehen hatte. Sein Licht war Finsternis geworden. Als er durch seine Rebellion aus dem Himmel geworfen wurde, stand für ihn fest, er würde den Menschen zu seinem Opfer und die Erde zu seinem Reich machen. Er gab Jesus die Schuld an seinem Aufruhr. So abgrundtief war sein Hass auf Gott, dass er Jesus durch den Fall des Menschen zu verwunden suchte. Weil er im Glück und Frieden Edens ein Stück Seligkeit sah, die er für immer verloren hatte, wollte er in den Herzen der Kreaturen, die Gott geschaffen hatte, dieselbe Bitterkeit wecken, die er selbst verspürte. Dann würden sich ihre Lob- und Dankgesänge in Vorwürfe gegen ihren Schöpfer verwandeln.
Schauplatz Erde
Obwohl Gott den Menschen mit allem ausgestattet hatte, was zu seinem Glück beitrug, und obgleich die Erdbewohner nichts vom Bösen wussten, sperrten sie sich nicht gegen die Unterstellungen des Erzverführers, sondern stürzten aus ihrer aufrechten Stellung und schmeckten die Bitterkeit der Übertretung. Der Friede war gewichen, die Liebe entflohen; statt Einheit mit ihrem Schöpfer, hatten sie Schuldgefühle und Zukunftsangst und fühlten sich innerlich nackt. Das ist die Folge, wenn man Gottes gerechte Gebote bricht. Doch wer »sie befolgt, empfängt reichen Lohn« (Psalm 19,12).
Der Fall des Menschen erfüllte den ganzen Himmel mit Trauer. Jesu Herz war berührt von unendlichem Mitgefühl für die verlorene Welt, das verdorbene Menschengeschlecht. Er sah den Menschen in Sünde und Elend stürzen und wusste, dass er nicht die moralische Kraft haben würde, um im eigenen Interesse seinen nicht-schlafenden Feind zu überwinden. In göttlicher Liebe und Anteilnahme kam er auf die Erde, um unsere Schlachten für uns auszutragen; denn er allein konnte den Widersacher besiegen. Er kam, um den Menschen mit Gott zusammenzuführen, reuigen Herzen göttliche Kraft zu schenken und von der Krippe bis nach Golgatha den Weg zu beschreiten, auf dem der Mensch wandert. Bei jedem Schritt war er dem Menschen ein perfektes Vorbild. In seinem Wesen trat zu Tage, was der Mensch werden kann, wenn er mit Gott eins ist.
Wer war Jesus?
Doch viele sagen, dass Jesus nicht war wie wir, dass er nicht so war, wie wir in der Welt, dass er göttlich war und wir deshalb nicht überwinden können, wie er überwand. Aber das stimmt nicht: » Im Übrigen wissen wir ja, dass er nicht die Natur der Engel angenommen hat, sondern die der Nachkommen Abrahams … Und weil er selbst gelitten hat und Versuchungen ausgesetzt war, kann er denen helfen, die ebenfalls Versuchungen ausgesetzt sind.« (Hebräer 4,16-18 Neue Genfer Übersetzung, Fußnote) Jesus kennt die Probleme des Sünders und seine Versuchungen. Er nahm unsere Natur an und wurde in allem versucht wie wir. Er weinte, war ein Mensch der Schmerzen und mit Leiden vertraut. Er lebte auf der Erde als Mensch und stieg als Mensch in den Himmel auf. Er vertritt die Menschheit als Mensch und lebt und tritt für uns ein als Mensch. Er kommt als Mensch mit königlicher Macht und Herrlichkeit wieder, um die aufzunehmen, die ihn lieben und für die er jetzt eine Stätte bereitet. Wir sollten jubeln und danksagen, dass Gott »einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch einen Menschen, den er dazu bestimmt hat.« (Apostelgeschichte 17,31)
Hätte Jesus sündigen können?
Wer behauptet, Jesus habe nicht sündigen können, kann auch nicht glauben, dass er die menschliche Natur angenommen hat. Jesus wurde tatsächlich versucht, nicht nur in der Wüste, sondern sein ganzes Leben lang. In allem wurde er versucht wie wir, und weil er mit Erfolg der Versuchung in jeder Form widerstand, war er uns ein perfektes Vorbild. Durch die umfassende Vorsorge, die für uns getroffen wurde, können wir »göttlicher Natur teilhaftig« werden und dem Verderben entfliehen, »das durch die Begierde in der Welt herrscht« (2. Petrus 1,4). Jesus sagt: »Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, so wie auch ich überwunden habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe.« (Offenbarung 3,21) Diese »anfängliche Zuversicht« dürfen wir »bis ans Ende standhaft festhalten« (Hebräer 3,14). Jesus befähigt uns zum Widerstand gegen Satans Versuchungen; denn er kam, um göttliche Kraft zu bringen, die sich mit menschlichem Einsatz verbindet.
Jesus sagte: »Ich und der Vater sind eins.« (Johannes 10,30) Er spricht sowohl von sich als auch vom Vater, wenn er von allmächtiger Gewalt spricht und für sich vollkommene Gerechtigkeit beansprucht. In Jesus wohnte »die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig« (Kolosser 2,9). Darum stand er, obwohl versucht in allem wie wir, vor der Welt unbefleckt von der Verderbnis, die ihn umgab. Auch wir dürfen Teilhaber dieser Fülle werden. Allein auf diese Weise wird es uns ermöglicht, so zu überwinden, wie Jesus überwand.
Quelle: »Tempted in All Points as We Are«, Bible Echo, 1. November 18
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