Tipps für Familien, Ehen und alle Beziehungen. Von Jim Hohnberger
Lesezeit: 13 Minuten
Das Prinzip der Beziehungen: Von Eltern und Kindern bis zu unseren Mitmenschen
Dieses Prinzip, das für Eltern-Kind-Beziehungen gilt, kann ebenso auf unsere Ehen, unseren Umgang mit unserem Pastor, der Gemeindeleitung, Freunden oder Arbeitskollegen angewendet werden. Es betrifft aber auch andere zwischenmenschliche Beziehungen.
Eine Lektion aus dem Alltag
Am 12. Dezember 1981 lebte ich in Wisconsin und arbeitete in einem Büro in Seamore. An diesem Morgen begann mein Tag routiniert: Ich holte die Post ab, bearbeitete sie im Büro, nahm Anrufe entgegen, und die gewohnte Tagesroutine nahm ihren Lauf.
Doch so gegen drei Uhr nachmittags begann die Energie nachzulassen. Obwohl ich weiterhin freundlich zu meinen Kunden war, dachte ich nur daran, endlich nach Hause zu kommen und mich in meinen Lieblingssessel zu setzen. Einfach entspannen, ohne Maske, ohne Anforderungen. Doch zuhause wartete eine wichtige Erfahrung auf mich.
Ein Vierjähriger voller Vorfreude
Mein Sohn Matthew war damals vier Jahre alt und überglücklich, als seine Mutter ihm erzählte: »Weißt du, dass Vater in vier Tagen Geburtstag hat?« Voller Begeisterung fragte er: »Was machen wir für ihn?« Von da an war er Feuer und Flamme und bereitete mit viel Liebe ein ganz besonderes Geschenk vor.
Er malte Bilder, bastelte kleine Kunstwerke aus Dingen, die er draußen in der Natur gesammelt hatte, und packte alles sorgfältig in einen Schuhkarton. Den beklebte er noch liebevoll – sein Geschenk war bereit.
Die Ungeduld eines Kindes
Aber kann ein Vierjähriger wirklich vier Tage warten, bis er sein Geschenk überreichen darf? Natürlich nicht! Matthew platzte beinahe vor Aufregung und wollte unbedingt darüber sprechen.
Ein enttäuschender Moment
An dem besagten Abend kam ich nach Hause, erschöpft und in Gedanken versunken. Ich begrüßte kurz meine Familie, ging ins Wohnzimmer und ließ mich müde in meinen Sessel fallen.
In diesem Moment kam Matthew die Treppe heruntergelaufen – mit seinem Schuhkarton in den Händen. Ich sehe ihn noch vor mir: seine strahlenden Augen, voller Freude und Stolz. »Papa, was meinst du, was ich hier für dich habe? Ein Geburtstagsgeschenk! Willst du es aufmachen?«
Doch ich, zu müde und gereizt, reagierte abweisend: »Matthew, ich bin müde. Außerdem habe ich doch gar keinen Geburtstag! Lass mich in Ruhe.«
Gebrochene Kinderherzen
Matthew schaute zu Boden. Die ganze Freude und Liebe in seinem Gesicht erlosch. Ich hatte ihn verletzt. Es war ein Stich ins Herz zu sehen, wie mein kleiner Sohn still in die Küche zurückging – wie ein begossener Pudel.
Und ich? Ich hatte meine Ruhe.
Die verborgenen Wunden in unseren Familien
Liebe Freunde, solche Momente, in denen wir das Herz unserer Kinder oder Angehörigen verletzen, geschehen leider in vielen Familien. Oft unbewusst hinterlassen wir Wunden, die lange Zeit schmerzen können.
Doch wie finden wir einen Weg aus dieser Misere? Wir brauchen einen Retter, der uns in jeder Lebenslage bewahren und leiten kann. Die Bibel sagt: »Ein gekränkter Bruder [sei es ein Sohn, eine Tochter oder ein Ehepartner] ist abweisender als eine feste Stadt.« (Sprüche 18,19) Was für ein eindringlicher Vergleich!
Die Konsequenzen von Verletzungen
Stell dir vor, ich hätte so weitergemacht, wie an jenem Abend, an dem ich meinen Sohn enttäuschte. Jahr um Jahr hätte ich durch Unachtsamkeit sein Herz weiter verletzt. Irgendwann hätte ich mich gefragt: Warum rebelliert mein Sohn? Warum komme ich nicht mehr an ihn heran? Warum hört er mir nicht zu? Warum will er nichts mehr mit mir zu tun haben?
Vielleicht hast du selbst schon einmal über diese Worte nachgedacht: »Ein gekränkter Bruder ist abweisender als eine feste Stadt.« Die Stadtmauern im alten Israel waren nahezu uneinnehmbar. Feindliche Heere mussten oft wochen- oder monatelang vor den Toren ausharren, um einen Weg hinein zu finden. »Und Streitigkeiten sind hart wie der Riegel einer Burg.« (Sprüche 18,19)
Ich habe beobachtet, dass diese biblische Wahrheit in den Gesichtern vieler junger Menschen geschrieben steht.
Wo liegt die Ursache?
Ich bin überzeugt, dass ein großer Teil der Verantwortung bei uns Eltern liegt – in unserem Verhalten, in unserem Umgang mit den Kindern. Wir sollten uns ehrlich fragen, was genau wir tun, das solche Mauern entstehen lässt.
Eine der Hauptursachen für Konflikte und Disharmonie in unseren Familien ist das Verletzen von Herzen. Doch was genau bedeutet das? Ich möchte dir zehn häufige Wege zeigen, wie wir Eltern unbewusst unsere Kinder verletzen. Außerdem werde ich auf die tiefgreifenden Folgen dieser Verletzungen eingehen und schließlich die Frage beantworten: Wie kommen wir da wieder heraus?
Mein persönlicher Wendepunkt
Dies war mein größter Kampf als Vater von zwei Söhnen. Gott hat mir gezeigt, wie oft ich ihren Herzen geschadet hatte. Als ich das erkannte, konnte ich nur noch beten: »HERR, vergib mir! Es tut mir leid, was ich meinen Kindern angetan habe.«
1. Dozieren statt Verstehen
Kinder brauchen oft weniger Belehrung und mehr Unterstützung, Mitgefühl und Verständnis. Doch anstatt zuzuhören, halten wir ihnen Predigten. Ich nenne das »Fingerausstrecken« (Jesaja 58,9). Wir dozieren, anstatt den Dialog so zu suchen, wie es in Jesaja 1,18 beschrieben wird: »Kommt, lasst uns miteinander rechten.«
Es geht hier um dein Kind – nicht um einen Untergebenen in einem Betrieb. Dennoch verhalten wir uns manchmal so, als wären wir der Chef: »Du hast zu tun, was ich dir sage!« Doch ist das der richtige Weg?
2. Harte Worte und übermäßige Kritik
Sätze wie diese sind Gift für die Herzen unserer Kinder:
- »Du Trottel!«
- »Bringst du auch mal was zustande?«
- »Kapierst du denn gar nichts?«
- »Kannst du nicht nachdenken, bevor du was tust?«
- »Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt!«
Ich gebe zu, dass ich selbst diesen letzten Satz oft benutzt habe. Doch Gott hat mich eines Besseren belehrt. Hatte ich es wirklich schon tausendmal gesagt? Vielleicht sechsmal, aber sicher nicht tausendmal. Solche Übertreibungen und harte Worte richten oft mehr Schaden an, als uns bewusst ist.
Wenn Kinder sich zurückziehen
Die Wirkung unserer Worte kann man mit einer Schildkröte vergleichen, die sich in ihren Panzer zurückzieht, weil sie bedroht wird. Wenn Kinder ständig mit Kritik und harschen Worten konfrontiert werden, ziehen sie sich emotional zurück. Sie verschließen sich vor uns – und das ist tragisch.
Ich sehe das oft bei den Seminaren, die wir halten: Kinder und Jugendliche, die so sehr verletzt wurden, dass sie sich in ihren inneren Panzer zurückgezogen haben. Das muss nicht sein!
Die Bibel und harte Erziehung
Es gibt einen weiteren erschreckenden Effekt: Manche Eltern nutzen die Bibel oder den Geist der Weissagung wie einen »Stock«, um ihre Kinder zurechtzuweisen. Doch das treibt sie nur noch weiter in ihren Panzer. Kein Wunder, dass sie irgendwann weder die Bibel noch geistliche Bücher lesen wollen.
Wir sollten uns dessen bewusst sein und lernen, sehr behutsam mit diesen Schätzen umzugehen. Statt unsere Kinder mit der Bibel zu bedrängen, sollten wir sie liebevoll inspirieren und ermutigen, den Glauben selbst zu entdecken.
3. Wenn ihre Meinung nicht zählt
Sätze wie diese hinterlassen tiefe Narben:
- »Es interessiert mich nicht, was du denkst!«
- »Das ist Quatsch.«
- »Unsinn!«
- »Woher hast du denn das?«
Versetze dich in die Lage eines Kindes, das solche Worte zu hören bekommt. Wie würde es sich fühlen? Abgelehnt – und das von den Menschen, die ihm eigentlich Liebe, Mitgefühl und Nähe vermitteln sollten. Es entsteht eine Distanz, die sich nur schwer überwinden lässt.
4. Zu beschäftigt für Aufmerksamkeit und Fürsorge
Hier erkenne ich mich selbst wieder: Ich bin ein effizienter Mensch, der immer vorwärtskommen möchte. Oft sehe ich mich nicht einfach durch ein Zimmer gehen, sondern fast schon rennen – immer auf ein Ziel fokussiert. Doch genau das wird manchmal zum Problem.
Meine Gedanken sind oft schon auf die nächste Aufgabe gerichtet, während meine Söhne versuchen, mit mir zu reden. Dieser innere Konflikt ist mir nur zu vertraut: Soll ich mich um das kümmern, was ich erledigen will, oder um das, was ich tun sollte?
Ein Beispiel: Nach dem Abendessen setzte ich mich hin, um diesen Vortrag vorzubereiten. Mein Sohn Andrew wollte mir jedoch von seinen Erlebnissen erzählen. Mein erster Impuls war, mich auf meine Notizen zu konzentrieren – schließlich war ich ja mit »Gottes Werk« beschäftigt. Aber dann spürte ich den Heiligen Geist, der mir zuflüsterte:
»Jim, ich werde mit dir sein, wenn du predigst. Du kannst das Manuskript zur Seite legen. Hör deinem Sohn zu – er möchte mit dir reden.« So schrieb schon der Apostel Jakobus: »Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.« (Jakobus 1,19)
Ich legte meine Arbeit beiseite und hörte Andrew zu. Und weißt du was? Diese Erfahrung war für uns beide wertvoller, als alles, was ich in diesem Moment hätte vorbereiten können.
Kinder brauchen Zeit – keine Ausreden
Wir dürfen unseren Kindern niemals den Eindruck vermitteln, dass wir so beschäftigt sind, dass wir keine Zeit für sie haben. Sätze wie »Später!« oder »Ich habe gerade keine Zeit« mögen unschuldig klingen, doch sie hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Kinder merken schnell, wenn die Welt mehr Zeit für sie hat als ihre Eltern. Und was passiert dann? Sie suchen sich Aufmerksamkeit und Gemeinschaft anderswo – bei weltlichen Freunden, Nachbarn oder anderen Einflüssen.
Wenn wir uns fragen, warum wir unsere Kinder an diese anderen Einflüsse »verlieren«, liegt die Antwort oft in unseren eigenen Prioritäten. Zeit mit unseren Kindern zu verbringen, sollte kein lästiges Hindernis sein, sondern unsere erste Aufgabe.
5. Harte Bestrafung im Zorn
Bete mit ihnen anstatt zu sagen: »Jetzt reicht’s!« Ich kann dir sagen: Es war extrem schwer für mich, als Gemeindeleiter in Wisconsin. Ich gab zahlreichen Interessierten Bibelstunden, betete mit ihnen, betete von der Kanzel aus. Es war unangenehm, fiel mir schwer und war demütigend für mich, meinen Sohn anzuschauen und mit ihm zu beten, wenn wir ein Problem hatten. Ebenso schwer war es für mich, mit meiner Frau in solchen Situationen zu beten.
Manchmal ist Bestrafung der einfachste Weg. Wir haben jedoch die Aufgabe, unsere Kinder zu Gott zu bringen, damit er sie ändern kann. Denn alle meine Härte und Bestrafung wird meine Söhne niemals verändern. Womöglich kann ich sie damit wie in der Armee befehligen, so dass sie in Zukunft besser marschieren, wenn Vater zuschaut. Doch ihr Herz ändert sich nicht. Gott sei Dank habe ich gelernt, mit meinen Kindern zu beten.
Bringen wir unseren Kindern bei, wie sie ihren Willen Jesus geben können? Ich spreche aus eigener Erfahrung. Ich bin nicht gegen Konsequenzen, wenn sie von Jesus geleitet sind und aus einem Herzen kommen, in dem Jesus wohnt. Gebete können das Kinderherz weich machen.
6. Nein sagen ohne Grund
»Warum, Papa?« – »WEIL ICH ES GESAGT HABE!!!« Schon mal gehört? Viel besser, wir reden miteinander. Wenn unsere Kinder aus Rebellion handeln, brauchen sie klare Führung. Wollen sie wissen, warum etwas sinnvoll ist, haben wir die Chance, es zu erklären. Andernfalls behandeln wir sie möglicherweise wie die Schildkröte, die sich in ihren Panzer zurückzieht – und verletzen ihr Herz.
7. Keine Zeit für ihre Bedürfnisse
Die schlimmste Botschaft, die wir unseren Kindern senden können, ist: »Ich habe keine Zeit für dich.« Einmal wollten meine Jungs eine Fahrradtour machen, während ich gerade an einem Artikel arbeitete. Was sagte Gott? »Leg den Stift hin.« Der Stift repräsentierte die Arbeit, die ich für den HERRN tat. Doch Gott sagte: »Verbringe Zeit mit ihnen.«
Was, wenn ich zu Gott käme und er sagen würde: »Ich bin gerade beschäftigt, nicht jetzt, später.« Das würde mich enttäuschen. Doch Gott ist immer für uns da: »Ich werde dich nicht verlassen.« (Josua 1,5) Wir repräsentieren Gott bei unseren Kindern. Wenn wir keine Zeit für sie haben, suchen sie woanders nach dem, was sie bei uns nicht finden.
8. Sie vor andern bloßstellen
»Komm sofort hierher!« – »Setz dich ordentlich hin!« – »Benimm dich!« Warum nicht einfach sagen: »Matthew, können wir kurz draußen reden?« So habe ich es kürzlich gehandhabt. Wir hatten Besuch, und mein Sohn benahm sich unangemessen. Ich klopfte ihm leicht aufs Knie und flüsterte: »Geh mal kurz auf dein Zimmer.« Dort sprach ich mit ihm einfühlsam aber klar über sein Verhalten. Kinder können korrigiert werden, ohne vor anderen bloßgestellt zu werden. Die Art, wie wir es tun, entscheidet, ob wir ihr Herz verletzen oder sie in Liebe erziehen.
9. Sie wie ein Kind behandeln
Behandeln wir unsere Kinder mit Achtung, mit Geduld und Verständnis! Ist dir schon aufgefallen, dass alle bisher genannten Punkte ein Zurückstellen des Egos und das Absterben eigener Wünsche erfordern? »Ich bin mit Christus gekreuzigt.« (Galater 2,19) Dieser Vers ist in der Gegenwartsform. Es geht um das Aufgeben eigener Wünsche. Erst wenn wir sie im Glauben beiseitelegen, kann Jesus in jeder Situation durch uns wirken. Das ist der Weg des Glaubens.
10. Anschreien, wenn sie wissen, dass sie einen Fehler gemacht haben
Andrew säuberte unsere Schneefräse und steckte den Besenstil ins Gebläse, obwohl sich der Rotor noch drehte. Er zerstörte meinen teuren Besen. Als ich es sah, stand ich vor einer Entscheidung. Der Heilige Geist sprach zu mir. »Wirst du ihn anschreien?« Andrew wusste, dass er etwas Falsches getan hatte. Gott ermutigte mich: »Lächle ihn an, Jim.« Es gab keinen Grund, ihn zu korrigieren. Er hatte schon erkannt, was er angerichtet hatte. Ich sah es in seinem Gesicht, und es tat ihm leid. Deshalb sagte ich nichts. Beim Abendessen sagte er: »Es tut mir leid, Papa.« Manchmal brauchen unsere Kinder keine Worte, um zu wissen, was sie falsch gemacht haben. Er spürte bereits die Reue in seinem Herzen. Kennst du solche Momente auch?
Herzen auf dem Rückzug
Wenn ich dieses Thema anspreche, dann nicht, weil ich andere beobachtet habe. Ich habe mich zurückgezogen, mit Gott gesprochen und ihn gebeten: »HERR, zeige mir zehn Punkte.« Und er gab mir zehn Punkte aus meiner eigenen Erfahrung. Mein Gebet ist, dass der HERR auch zu deinem Herzen spricht und dir zeigt, wie du vielleicht unbewusst deine Kinder verletzt. Vielleicht zeigt dir der Heilige Geist noch andere Wege, wie das geschehen kann. Mehr über den Weg aus dieser Abwärtsspirale wieder heraus in Teil 2.
Fortsetzung folgt
Gekürzt und bearbeitet aus Unser festes Fundament 8-2000
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