Mit geschlossenen Augen, völlig entspannt und teilnahmslos saßen die Probanden da. Das EEG zeigte ausnahmslos gleichmäßige Alpha-Wellen. Sobald die Personen etwas betrachteten oder an etwas Bestimmtes dachten, veränderte sich auch das Hirnstrommuster je nach gestellter Aufgabe entsprechend. Das Netzwerk des Gehirns hat Sherrington mit dem Bild eines »Zauberwebstuhls« zu beschreiben versucht, »in dem Millionen von Weberschiffchen hin- und hersausen und ein ständig wechselndes, bedeutsames Muster weben, das ein harmonisches Gesamtbild ergibt.«1
Jede gedankliche Aufmerksamkeit schafft spezifische Hirnstrommuster in Raum und Zeit. Darüber herrscht in Fachkreisen Einigkeit.2
Wenn uns für eine bestimmte Aufgabe die nötigen Gehirnzellen und die dazugehörigen Vernetzungen fehlen, kann unser Gehirn, wie das Beispiel des asiatischen Kindes in Teil 1 dieser Serie gezeigt hat, die fehlenden Strukturen nachbilden. Das geschieht, indem wir uns ebenso wie das Kind gedanklich auf die gestellte Aufgabe konzentrieren. Sind die Strukturen schon vorhanden, werden diese durch entsprechendes Denken aktiviert.
Dr. John Eccles und B. Libet haben festgestellt, dass bestimmte Gedanken entsprechende Veränderungen der Hirnströme bewirken. Beispielsweise reicht schon der Gedanke daran, einen Finger zu bewegen, um sofort das elektrische Potenzial in der motorischen Hirnrinde zu verändern, der für die Fingerbewegung verantwortlich ist.3
Eine ganze Reihe von Studien haben sich mit diesem Thema befasst.4 Moderne Bildgebungsverfahren wie Positronenemissionstomographie (PET) haben gezeigt, wie gedankliche Aktivität dazu führt, dass gewisse Areale im Gehirn stärker durchblutet werden.5 Denkvorgänge, wie z. B. konzentrierte Aufmerksamkeit, haben demnach tatsächlich entsprechende Nervenreaktionen im Gehirn zur Folge.
Somit können wir die These aufstellen, dass wir durch gezielte Aufmerksamkeit willentlich jeden Bereich des menschlichen Gehirns aktivieren können. Diese Hirnbereiche lassen uns sogleich spüren oder »erleben«, womit wir uns beschäftigen. Die Summe dieser Erlebnisse wiederum bildet die Grundlage unseres Charakters und unserer Persönlichkeit. Deshalb gibt uns wahrscheinlich der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer auch den Rat: »Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.« (Römer 12,2 Luther 1984)
Belastende Zwangsgedanken
Ein besorgter Pastor kam zu mir in die Behandlung. Er hörte Stimmen, war sich aber nicht sicher, ob es sich um echte Stimmen oder einfach nur um sehr bestimmende und aufdringliche Gedanken handelte – Halluzinationen oder Zwangsvorstellungen? Er konnte sich das Auftreten dieser »Stimmen« nicht erklären, sich dem Trommelfeuer dieser Befehle aber auch nicht entziehen. Er war zu Tode erschrocken. Immer wieder hörte er: »Lästere den Geist, lästere den Geist!«* Was sollte er tun, um seine Gedanken wieder kontrollieren zu können?
Die beste Waffe
Die Bibel gibt uns ein paar ganz konkrete Empfehlungen.
Erstens rät uns Gott, »jeden Gedanken gefangen zu nehmen« (2. Korinther 10,5). Das ist machbar, weil Gott uns mit den Möglichkeiten dazu ausgestattet hat. Wir können durch einen Willensakt, durch unsere Entscheidungsfähigkeit, das Gehirn dazu bewegen, unseren innersten Wunsch zu erfüllen.
Zweitens werden wir daran erinnert, dass diese Art Krieg nicht mit weltlichen Waffen geführt wird, sondern mit Waffen, die im Dienst für Gott stark genug sind, um Festungen zu zerstören, Gedanken und alles Hohe, das sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt (2. Korinther 10,4.5). Es geht um einen geistlichen Kampf. Gott wird unser geistliches Denken stärken, wenn wir unseren Willen in seinen Dienst stellen. »Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als auch das Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen.« (Philipper 2,13) »Christus in euch« (Kolosser 1,26-29).
Drittens werden wir aufgefordert, unsere Gedanken gefangen zu nehmen »zum Gehorsam gegen Christus« (2. Korinther 10,5).
Wir können uns für Jesus oder seinen Feind entscheiden. Zwar können beide unser Denken beeinflussen, denn sie wollen unser Herz gewinnen, aber wir dürfen uns mit unserem freien Willen entscheiden.
Die Strategie lautet: »Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!« (Römer 12,21)
Strategie gegen Zwänge
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf ermutigte ich den Pastor, dem Trommelfeuer der Gedanken durch wiederholtes Aufsagen eines Bibelverses, der genau das Gegenteil ausdrückt, zu begegnen: »Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.« (Psalm 103,2)
Er könne diesen Vers immer aufsagen, sobald der unwillkommene Befehl in seinen Gedanken wieder auftauchen sollte. Ich versicherte ihm, dass er auf diese Weise schon bald ein seltsames Gefühl unmittelbar vor dem Auftreten der Zwangsgedanken verspüren würde. Dadurch würde er im Laufe der Zeit ein immer schärferes Frühwarnsystem entwickeln und diesen oder ähnliche Verse bereits aufsagen, bevor der unwillkommene Befehl ihn anfängt zu belästigen. Natürlich kannte er den Bibelvers, er hatte aber noch nie daran gedacht, ihn therapeutisch einzusetzen.
Ich sagte ihm, er könne den Vers in Gedanken sehr oft wiederholen und sich dabei bewusst an alles Gute erinnern, was er bisher empfangen durfte. Dadurch würden sich die Worte des Bibelverses mit tiefem Sinn füllen, und die emotionalen Reaktionsmuster seines Gehirns würden aktiviert werden. Seine Bewunderung für Gott als Geber aller guten Gaben würde dadurch immer größer werden. Das entstehende Reaktionsmuster im Gehirn würde eine lobende und anbetende Einstellung fördern. Er würde in diesem Krieg auf Gottes Seite kämpfen.
Ich empfahl ihm, den ganzen Psalm 103 zu lesen, um ihn für die zahlreichen guten Gaben zu sensibilisieren, die uns Gott schenkt. Dadurch würde er den Herrn viel häufiger loben und preisen. Seine Dankbarkeit für Gottes Segnungen würde sich vertiefen und eine enge Freundschaft zwischen ihm und Gott sich entwickeln. Die Bibel verheißt: »Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und er rettet sie.« (Psalm 34,8)
Schon nach wenigen Stunden hörte das Trommelfeuer auf, die Angst verschwand und sein Gesicht hellte sich auf. Seine Frau bestätigte mit großer Erleichterung und Freude die Veränderung, die in ihrem Mann vor sich gegangen war. Nach ein paar Tagen unterstützender Therapie mit derselben Ausrichtung brauchte er keine Therapiestunden mehr.
Vorbeugen ist besser als Heilen
»Nichts fördert körperliche und seelische Gesundheit so sehr wie ein dankbarer und lobender Geist … Es ist ein Naturgesetz, dass unsere Gedanken aktiver und unsere Gefühle stärker werden, wenn wir sie ausdrücken.« (Ministry of Healing, 251)
Heilsam sind auch die zahlreichen Verheißungen, die Gott uns in der Bibel gegeben hat. Am besten, wir machen uns mit so vielen von ihnen wie möglich vertraut. Lassen wir unseren Blick von diesen Verheißungen auf den göttlichen Schöpfer lenken, auf den großen Arzt und Helfer! Studieren wir die Bibel mit dem Ziel, Gott besser kennen zu lernen und seine bleibende, in uns wohnende Gegenwart zu erfahren! Dann können wir dieselbe Heilung erleben, die unzählige Menschen erfuhren, als Gottes Sohn über diese Erde schritt, und die auch heute viele Tausende erleben.
Im nächsten Artikel erfahren wir mehr über den freien Willen und welche Rolle er bei den faszinierenden Heilungsprozessen im Gehirn spielt.
* [Anm. der Redaktion: Offensichtlich lag bei dem Patienten auch ein Missverständnis über die unverzeihliche Lästerung des Geistes vor, wie Jesus sie in Matthäus 12,31-32 beschreibt. Dabei geht es nämlich nicht, um eine durchaus vergebbare verbale Entgleisung oder Verirrung, sondern um eine aus tiefer Überzeugung kommende, endgültige Verweigerung gegenüber dem einzigen Mittel, durch das Gott unser Herz erreichen kann: dem Heiligen Geist.]
1) Sherrington, Charles Scott, Man on His Nature, London 1951.
2) Hg.: Haken, Hermann, Complex Systems: Operational Approaches in Neurobiology, Physics and Computers, Berlin 1986, Proc. Roy. Soc. London, 1987, S. 227, 411-428; Eccles, John Carey, How the Self Controls Its Brain, New York 1994.
3) Eccles, Kap. 8.
4) Libet, Benjamin in: The Principles of Design and Operation of the Brain, Hgs: Eccles, John Carey, Otto Detlev Creutzfeldt, Berlin 1990, S. 185-211
5) Eccles, S. 174-175.
Gekürzt aus: Elden M. Chalmers, Healing the Broken Brain, Science and the Bible Reveal How the Brain Heals, Remnant Publications, Coldwater, Michigan, 1998, S. 13-18.
Zuerst im Deutschen erschienen in Unser festes Fundament, 2-2003, S. 8-9.
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