Seit vielen Jahren stellte sich mir immer wieder die Frage: Welche deutsche Bibelübersetzung nehme ich für die Bibelverse in den Artikeln unserer Zeitschrift? Viele Artikel waren Übersetzungen aus dem Englischen, und dort wurde fast ausschließlich die King James Version verwendet. Hin und wieder habe ich einen ganzen Versteil in deutschen Übersetzungen gar nicht gefunden oder der Sinn war einfach so, dass er nicht wiedergab, was der Artikelschreiber vermitteln wollte. So musste ich oft von Luther 1984 auf Luther 1912, Elberfelder, Bruns, Hoffnung für alle, etc. ausweichen, ja manchmal blieb mir nichts anderes übrig, als hinter den Bibeltext King James Version zu schreiben, woraufhin mich schon Leute gefragt haben, wo es denn diese deutsche Bibelübersetzung gebe.
Seit ich die Schlachter-Bibel in der Version 2000 benutze, gehören diese Probleme fast völlig der Vergangenheit an. Woran liegt das? Ganz einfach. Diese Bibelübersetzung ist einige der ganz wenigen gut lesbaren deutschen Versionen, die wie die King James Version auf dem sogenannten Textus Receptus beruhen, also den griechischen Manuskripten des Neuen Testaments, nach denen die protestantischen Reformatoren übersetzten.
Auch die Übersetzung der Waldenser basierte auf diesen Manuskripten. Ellen White schreibt darüber: »Die Waldenser waren unter den ersten Völkern in Europa, die eine Übersetzung der Heiligen Schrift besaßen. Jahrhunderte vor der Reformation verfügten sie über Bibelmanuskripte in ihrer Muttersprache. Sie besaßen die unverfälschte Wahrheit und zogen sich dadurch in besonderer Weise Hass und Verfolgung zu.« (The Great Controversy, 65; vgl. Der große Kampf, 65)
Inzwischen habe ich allerdings gemerkt, dass die calvinistische Prägung der Schlachter-Bibel es zuweilen doch nötig macht, andere Übersetzungen zurate zu ziehen (vgl. Römer 6,7) Bei Themen wie Vorherbestimmung, Rechtfertigung und Heiligung ist auf jeden Fall Vorsicht geboten.
Warum richten sich fast alle jüngeren Bibelversionen nicht nach dem Textus Receptus? Durch das Aufkommen der Textkritik, bei der man Einzelfunde von besonders alten Bibelmanuskripten bei der Erstellung eines griechischen Grundtextes berücksichtigte, erhielten Textabweichungen ein starkes Gewicht. Man meinte ganz wissenschaftlich: Je älter das Manuskript und je kryptischer, also unverständlicher die Formulierung, desto ursprünglicher ist die Version des entsprechenden Bibelverses.
Beruhend auf der Arbeit der Textkritiker Tischendorf, Westcott, Hort und Nestle entwickelte sich schließlich die griechische Ausgabe des NT von Nestle-Aland zum Standardtext für Theologen und Bibelgesellschaften. Bei den Übersetzungen Luther 1912, nichtrevidierte Elberfelder und Genfer 1905 sind bereits ein paar dieser Veränderungen zu finden. Alle jüngeren Übersetzungen richten sich fast völlig nach Nestle-Aland.
Mit diesen Aussagen sollen aber die Funde der alten Bibelmanuskripte nicht abgewertet werden. Denn sie haben das Vertrauen in die Bibel enorm gestärkt. Die Abweichungen sind gemessen an den Jahrhunderten, die die Manuskripte vom Alter her trennen, immer noch gering und die inhaltlichen Konsequenzen können bei vergleichendem Textstudium absolut in Grenzen gehalten werden.
Der Textus Receptus basiert auf der Mehrheit der Manuskripte byzantinischer Textüberlieferung aus der Region, in der die Urgemeinde besonders stark vertreten war. Die griechisch-orthodoxe Kirche fertigte später ständig Kopien dieser Manuskripte an, weil ihre Lebensdauer bei nicht mehr als 200 Jahren lag. Die lateinische Vulgata-Bibel und die neuen Übersetzungen sind jedoch stark von der alexandrinischen Textüberlieferung geprägt, von der einige uralte Handschriften aufgrund des trocken-heißen Klimas in Ägypten erhalten sind. Dass Alexandria allerdings eine Hochburg der Irrlehre war und die Manuskripte von dort als unzuverlässig und verfälscht galten, übersehen oder ignorieren die meisten Wissenschaftler.
Wer mehr über dieses Thema lesen möchte, kann sich im Internet unter www.das-wort-der-wahrheit.de/textus-receptus kundig machen oder den Artikel von Rudolf Ebertshäuser über Die Zuverlässigkeit des Textus Receptus lesen.
Es bleibt dem Leser selbst überlassen, diese Informationen zu beurteilen. Auf die gegenteilige Ansicht wird hier nicht verwiesen, weil sie wissenschaftlicher Standard ist. In der Regel hat kein Lager die ganze Wahrheit für sich gepachtet, sodass man die Sache differenziert sehen muss.
Eins ist allerdings klar: Den großen Kirchen und der Weltökumene scheint daran gelegen, dass die heutigen Übersetzungen nicht auf der Grundlage des Textus Receptus vorgenommen werden. Im Gegensatz dazu hat Ellen White fast alle Bibelverse in ihren Schriften der King James Version, also dem Textus Receptus entnommen. Da Englisch die Weltsprache der Endzeit ist und bleibt, wird dadurch der Wortlaut vieler wichtiger Verse nach dem Textus Receptus im Bewusstsein der Siebenten-Tags-Adventisten erhalten. Dass für uns Deutschsprachige nach langer Zeit wieder eine Textus-Receptus-Bibel veröffentlicht wurde, erleichtert uns den Zugang zu dieser Texttradition mit der Option, sie als Lieblingsübersetzung zu nutzen.
Die Sprache der Schlachterbibel 2000 ist übrigens teilweise weniger eigen und auch aktueller als die der Lutherübersetzung 1984, sie ist konservativer und gehobener als die der Hoffnung-für-alle-Bibel und vor allem trotz hoher Textgenauigkeit leichter verständlich als das NT der Elberfelderbibel. Ich kann sie also von ganzem Herzen den Lesern empfehlen.
Zuerst im Deutschen erschienen in Unser festes Fundament, 1-2004.
Schreibe einen Kommentar