Ihr Einfluss lässt sich nicht leugnen. Von Kai Mester
Lesezeit: 10 Minuten
Eine neue Jesus-Verfilmung macht von sich reden: The Chosen. Aufgrund der wenigen Jesus-Verfilmungen, die ich als Jugendlicher gesehen hatte, wollte ich erst gar nicht hineinschauen. Inhaltlich besser kann diese Verfilmung kaum sein, dachte ich. Mel Gibsons Passion Christi habe ich bis heute bestreikt, weil die »Faszination« an dem grausamen Aspekt des Opfertodes von Jesus mir fremd ist.
Das völlig Neue an The Chosen ist nun der Seriencharakter. Sieben Staffeln zu je 8 Filmen sollen es werden. Drei Staffeln sind seit 2020 bereits erschienen. Aufgrund von Empfehlungen lieber Menschen begann ich die Serie zu schauen und bin bisher drangeblieben, habe alle Teile mehrmals geschaut und viele Making-of-Videos. Warum?
Serie mit Potenzial
Weil die Serie tatsächlich das Potenzial hat, die Weltgeschichte zu beeinflussen. Weil sie aus adventistischer Perspektive äußerst interessant ist. Weil sie meinen Blick auf die Evangelien ungeahnt erweitert hat. – Aber eins nach dem anderen:
Teil einer endzeitlichen Entwicklung?
Wir haben in den letzten Jahrzehnten erlebt, wie sich die Christenheit immer weiter von Gott und der Bibel entfernt hat. Selbst in den »christlichen« USA ist der Anteil an Atheisten an der Bevölkerung stetig gestiegen. Die biblische Prophetie sagt jedoch voraus, dass die ganze Welt in den Bann christlicher Propaganda geraten wird und sich davon sogar gegen die religiöse Minderheit der Sabbathalter aufbringen lässt. Doch wie soll das geschehen, wenn der Anteil der Menschen stetig sinkt, die sich als Anhänger von Jesus verstehen?
Siebenten-Tags-Adventisten erreichen mit ihrer Botschaft vor allem christlich vorgeprägte Menschen. Ja, viele suchende Menschen, die sich taufen lassen, haben vorher schon Erfahrungen in anderen Kirchen gesammelt. Doch The Chosen erreicht auch viele Menschen, die das Christentum nicht wirklich kannten oder für die es emotional negativ besetzt war. Das macht hellhörig.
Ist The Chosen eine teuflische Verführung oder wirkt Gottes Geist durch diese Serie?
Prüft alles!
Die Bibel ermutigt uns: »Prüft alles und das Gute behaltet.« (1. Thessalonicher 5,21) Dennoch sollte man sich die wenigsten Spielfilme anschauen. Bei den allermeisten reicht ein Blick in die Rezensionen, um zu erkennen, dass man mit ihnen keine Zeit zu verbringen braucht. Außerdem wird in den meisten Filmen so viel Sünde dargestellt und sogar verherrlicht, dass man besser einen großen Bogen um sie macht.
Bei The Chosen haben sich allerdings ein paar evangelikale Gläubige unter Gebet zusammengetan, um Jesus und seine Botschaft den Menschen näher zu bringen. Dabei legen sie eine Professionalität, Hingabe und Methodik an den Tag, die beeindruckend ist. Als Menschen können wir nicht ins Herz schauen; den Grad der Selbstlosigkeit ihrer Motive kennt daher allein Gott. Dennoch lassen sich die Filme an ihrem Inhalt prüfen.
Leichter verständlich durch persönliches Andocken
Wie kann man aber eine Serie mit insgesamt 54 Filmen über Jesus drehen, die im Schnitt 50 Minuten dauern? So viel Material bieten doch die Evangelien gar nicht. Nun, die Filmemacher haben sich die Freiheit genommen, die Information der Evangelien als Grundgerüst zu nehmen für plausible Lebensgeschichten der 12 Jünger und anderer Menschen, die Jesus begegneten. Dadurch identifiziert sich der Zuschauer mit ihnen und die bekannten Bibelstellen entfalten eine starke emotionale Wucht. Er dockt an die Bibel an.
Adventistische Perspektive
Als Adventist schaut man diese Serie natürlich mit kritischen Augen. In welche Richtung geht das alles? Werden hier Irrlehren und biblische Unwahrheiten propagiert? Welcher Geist weht hier?
Musik
Am meisten verstört der Titelsong im Michael-Jackson-Stil und ein paar andere Lieder aus The Chosen, die sich allerdings auf die Eingangs- und Ausgangsmusik und ganz wenige Szenen in den ersten drei Staffeln beschränken. Die Musiker möchten damit nach eigenen Aussagen deutlich machen, dass die Jesus-Geschichte nicht verstaubt und veraltet ist, sondern sehr modern und heute relevant. Immerhin, die Produktion stammt von Evangelikalen, deren Musikkultur ich nicht teile. Ich teile aber auch nicht die Kultur des Blutvergießens und der Vielehe zu Zeiten des alten Israel. Dennoch glaube ich, dass Gott auch durch aufrichtige Menschen in anderen Kulturen arbeiten kann.
Häretische Sätze
In insgesamt bisher 24 Filmen gab es zwei Sätze, die ich grenzwertig fand. Eine Aussage von Jesus konnte man so verstehen, als ob sein Vater Josef bereits im Himmel ist, eine andere, als ob wir bis zur Wiederkunft immer wieder in Sünde fallen. Andererseits wird der Sabbat ausführlich und ansprechend dargestellt und die Befreiung von Sünden, Egoismus und falschen religiösen Vorstellungen zieht sich durch die ganze Serie.
Bin überrascht
Bei jedem neuen Teil warte ich auf den Moment, wo die Serie einen Weg einschlägt, der ins Verderben führt, und sei es auch nur in das weniger offensichtliche Verderben eines päpstlich-christlichen Verständnisses; doch jedes Mal bin ich positiv überrascht, wie gut die biblische Botschaft dem Zuschauer nahegebracht wird.
Für Kirchenfremde
Daher habe ich die Serie schon Menschen empfohlen, wo ich spürte, dass klassische Missionsliteratur bei ihnen aus verschiedenen Gründen ziemlich chancenlos ist. Oder Menschen, die trotz langer Jahre Beschäftigung mit geistlichen Themen, emotional immer weiter abrutschen. Und erstaunlicherweise kommt die Serie bei ihnen gut an und die Suche nach einer persönlichen Erfahrung mit Jesus hat (wieder) begonnen.
Hintergrundinfos
Die Schauspieler und viele Mitarbeiter kommen aus ganz unterschiedlichen religiösen Hintergründen. Vor allem der Hauptdarsteller Jonathan Roumie ist ein sehr frommer Katholik und Papstverehrer, was aufhorchen lässt. Seine Rollen und seine Social Media Präsenz außerhalb von The Chosen geht in der Tat in eine bedenkliche Richtung. Auch ist der Vater des Regisseurs Dallas Jenkins einer der beiden Autoren von Left Behind. Durch dieses Buch und seine Verfilmung trat die Irrlehre der Heimlichen Entrückung leider ihren Siegeszug im Christentum an. Das ändert aber nichts daran, dass es dem Sohn von Jerry Jenkins gelungen ist, das Drehbuch mit zwei Kollegen so zu schreiben und die Schauspieler so zu führen, dass Menschen zum biblischen Jesus gezogen werden. Dallas wirkt sehr zielstrebig in dem, was er mit der Serie erreichen will, nämlich, dass die Serie die Menschen dazu bringt, wieder die Bibel zu lesen, zu beten und ein Leben mit Gott zu führen.
Verführung oder Hilfestellung?
Wenn das Drehtempo beibehalten wird und sich das Projekt weiter so finanziert, dass die Filme kostenlos über die Chosen-App verfügbar bleiben, dann könnte die letzte Staffel im Jahr 2027 erscheinen. Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob die Serie die Menschen letztlich zum Papst und seiner Endzeitagenda oder weiter zu Jesus führt und eine Hilfe bei der Vorbereitung auf seine Wiederkunft ist.
Satans vorletzter Verzweiflungsakt?
Könnte es sein, dass die kommende Krise samt Sonntagsgesetz und Todeserlass der vorletzte Verzweiflungsakt Satans sein wird? (Sein allerletzter Verzweiflungsakt wird der Angriff aufs Neue Jerusalem sein.)
Als das Christentum die Welt eroberte, nachdem Jesus ins himmlische Heiligtum auffuhr, war Satan gezwungen, seine Strategie zu ändern: Er verfolgte Gottes Volk nicht mehr durch weltliche Imperien, sondern richtete seinen Thron im Herzen des Christentums auf: in Rom. Er musste sich ein christliches Gewand anziehen, um seinen Einfluss nicht zu verlieren. Er agierte durch den Papst als Stellvertreter Christi auf Erden.
Als die Reformation die Bibel wieder in den Sprachen der Menschen verfügbar machte, war die römisch-katholische Kirche wieder zu einer Strategieänderung gezwungen: Sie engagierte sich plötzlich selbst bei Bibelübersetzungen, und heute studieren so viele Katholiken wie noch nie die Bibel in Hauskreisen und ihrer persönlichen Andacht.
Zwischenzeitlich mag Satan durch Charles Darwin, Friedrich Nietzsche, Karl Marx, Richard Dawkins und andere versucht haben, das Christentum wieder auch von außen zu zerstören. Doch Gott hat noch ein großes, zerstreutes Volk in vielen Kirchen und Glaubensgemeinschaften – und er gebraucht sie in dem Maße, wie sie sich gebrauchen lassen. Die finsteren Mächte setzen sich mit großem Einfallsreichtum dafür ein, diese Bemühungen für sich zu kapern. Die charismatische Verführung war für alle Christen gedacht, die sich nach Erweckung und einem zweiten Pfingsten sehnten. Doch ihre Auswüchse sind oft so abstoßend gewesen, dass ein Großteil der Christenheit damit nichts zu tun haben will.
Dallas Jenkins kommt aus einer evangelikalen Kirche, die sich ausdrücklich gegen die charismatische Vereinnahmung zur Wehr setzt. Wenn The Chosen tatsächlich den biblischen Jesus dem Menschen von heute wieder nahebringt, muss Satan wahrscheinlich seine Strategie erneut ändern, immer wieder, bis er sogar selbst als Jesus erscheint, um die Menschen davon abzuhalten, die volle Wahrheit zu finden.
Sein Ziel bleibt es, Christen gewaltbereit zu machen gegen die Menschen, die alle Gebote Gottes halten und tatsächlich ein Leben wie Jesus führen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht.
Buße und Gebet
Es ist an uns, Buße zu tun dafür, dass wir das Evangelium nicht wirkkräftiger in dieser Welt verkündigt haben. Weil seine Endzeitgemeinde den Laodizeaschlaf schlummert, muss Gott seine Kinder aus anderen Kirchen benutzen, um Menschen zu erreichen. Dennoch kann Gott jeden Einzelnen gebrauchen, der sich ihm hingibt.
Auch dürfen wir im Gebet dafür kämpfen, dass die finsteren Mächte weitgehend in Schach gehalten werden und das Evangelium nicht für ihre Zwecke benutzen können. Es wäre zu wünschen, dass die nächsten Staffeln von The Chosen weiter dem biblischen Jesus verhaftet bleiben und mit den christlichen Traditionen aufräumen, die sich um Jesus ranken. Aber es mag ein frommer Wunsch bleiben.
Bis jetzt sehe ich in The Chosen ein Werkzeug, dass Menschen, die fernab von Jesus und der Bibel stehen, Gott näherbringen kann, sodass sie überhaupt erst in die Lage versetzt werden, weitere Endzeitverführungen zu erkennen, selbst wenn diese sich in The Chosen tatsächlich noch manifestieren sollten.
Zubringer zu Jesus sein
Auf jeden Fall ist es heute an der Zeit wie nie zuvor, Jesus in den Evangelien zu studieren. Das Buch Sieg der Liebe (Leben Jesu), das ich mehrmals gelesen habe, hat mir sehr dabei geholfen, mich von den ansonsten recht kurzen biblischen Evangeliumstexten verändern zu lassen und Jesus in meinem Herzen Raum zu geben. Wenn Jesus in uns leben darf, dann sind wir für manche Menschen die einzige Bibel, die sie bis jetzt gelesen haben, und dienen so als Zubringer zur rettenden Wahrheit.
Auch The Chosen will Zubringer sein. Mögen wir den Balken aus unserem eigenen Auge ziehen, bevor wir den Splitter im Auge unserer evangelikalen Brüder ziehen. Gott hat uns mit kostbaren Wahrheiten ausgerüstet (Sabbat, sterbliche Seele, Sündenüberwindung, Lebensstil, Versiegelung, Spätregen). Es wird die Zeit kommen, wo diese Wahrheiten in aller Munde sein werden, wo viele vor die Entscheidung gestellt werden und den Spätregen empfangen. Viel wird dann davon abhängen, wie sehr Jesus in uns lebt.
The Chosen kann im Bildschirm-Zeitalter ein Hilfsspiegel dabei sein, der uns diagnostizieren lässt, wie selbstlos wir unterwegs sind. Auf jeden Fall aber ermutigt er dazu, uns wieder mehr mit den heiligen inspirierten Texten, dem eigentlichen Spiegel, zu beschäftigen. Jesus hat von sich deutlich gesagt: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zu Vater denn durch mich.« (Johannes 14,6) Er ist das Lebenswasser, das es zu finden und zu lieben gilt.
Tieferes Nachdenken über Jesus
Die Serie hat mir für mehrere Dinge die Augen geöffnet, die mir an sich nicht neu, aber doch in ihrer Tragweite emotional völlig verschlossen waren: Wie jung die Jünger wohl alle waren. Wie unterschiedlich im Charakter und Hintergrund. Wie vernetzend Jesus gearbeitet hat. Was für ein Spannungspotenzial darin lag. Was es hat auslösen müssen, wenn einer schon geheilt war, der andere aber noch nicht. Was es bedeutet, wenn immer mehr Menschen, ja Massen Jesus nachfolgten. Wie stark die Jünger ihre eigenen Vorstellungen ablegen mussten. Wie sehr sie die Verfolgung durch die geistlichen und weltlichen Behörden beunruhigt hat. Wie hilflos und verwundbar sie sich fühlen mussten, weil Jesus eben kein Waffenmessias war und vieles mehr.
Natürlich, hier haben die Drehbuchautoren viel erfunden. Aber plausibler und bibeltreuer hätte es wohl kaum gelingen können. Ich lese die Evangelien nun noch neugieriger, denn sie sind noch lebendiger für mich geworden.
Die ersten zwei Staffeln gibt es inzwischen auf Deutsch. Die dritte soll im Herbst erscheinen. Die vierte wird gerade gefilmt.
Ganz gleich, ob man sich nun die Serie anschauen will oder nicht, es bleibt spannend zu beobachten, wie sie die Gesellschaft beeinflusst und welche Rolle sie in den bevorstehenden endzeitlichen Entwicklungen spielen wird.
Schreibe einen Kommentar