… der einzige Weg zur göttlichen Gerechtigkeit. Von Ellen White
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Zur Zeit des alten Israels sandte Gott zu gewissen Zeiten Propheten und Boten in seinen Weinberg, um seinen Anteil von seinen Weingärtnern entgegenzunehmen. Diese Boten mussten leider feststellen, dass alles für einen falschen Zweck verwendet wurde. Daher inspirierte sie Gottes Geist, das Volk vor seiner Untreue zu warnen. Aber obwohl den Leuten ihr unrechtmäßiges Verhalten vor Augen geführt wurde, beharrten sie darin, und wurden nur noch eigensinniger. Bitten und Argumente halfen nichts. Sie verabscheuten die Zurechtweisung.
Was Gott erduldet
»Als die Zeit der Früchte herbeikam«, sagte der Messias in dem Gleichnis vom Weinberg, »sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, damit sie seine Früchte empfingen. Da nahmen die Weingärtner seine Knechte: Den einen schlugen sie, den zweiten töteten sie, den dritten steinigten sie. Abermals sandte er andere Knechte, mehr als die ersten; und sie taten mit ihnen dasselbe.« (Matthäus 21,34-36)
Paulus berichtet, wie die Gottesboten behandelt wurden. »Frauen erhielten ihre Toten durch Auferstehung zurück«, erklärte er, »andere dagegen, die auch Gott vertrauten, wurden zu Tode gefoltert. Sie hofften auf eine bessere Auferstehung, als nur ihre Freiheit wiederzuerlangen. Wieder andere ertrugen Spott und Auspeitschungen, Ketten und Gefängnis. Sie wurden gesteinigt, zersägt und mit dem Schwert umgebracht. Heimatlos zogen sie umher, in Schaf- und Ziegenfelle gehüllt, Not leidend, bedrängt, misshandelt. Die Welt war es nicht wert, solche Menschen zu tragen, die in Wüsten und Bergen, in Höhlen und Schluchten umherirren mussten.« (Hebräer 11,35-38)
Jahrhunderte lang beobachtete Gott mit Geduld und Nachsicht diese grausame Behandlung seiner Gesandten. Er sah, wie man sein heiliges Gesetz brach, verachtete und mit Füßen trat. Die Bewohner der Welt zu Noahs Zeit wurde mit einer Flut hinweggefegt. Aber als die Erde wieder bevölkert war, entfernten sich die Menschen erneut von Gott und begegneten ihm mit großer Feindseligkeit, kühn boten sie ihm die Stirn. Die von Gott aus der ägyptischen Knechtschaft befreit wurden, traten in dieselben Fußstapfen. Auf die Ursache folgte jedoch die Wirkung; die Erde wurde verderbt.
Gottes Regierung in der Krise
Gottes Regierung kam in die Krise. Die Kriminalität auf Erden nahm überhand. Die Stimmen derer, die menschlichem Neid und Hass zum Opfer fielen, schrien unter dem Altar nach Vergeltung. Der ganze Himmel war auf Gottes Wort hin bereit, seinen Auserwählten zu Hilfe zu kommen. Ein Wort von ihm, und die Blitze des Himmels wären auf die Erde gefallen und hätten sie mit Feuer und Flammen erfüllt. Gott hätte nur zu sprechen brauchen, es hätte gedonnert und geblitzt, die Erde hätte gebebt und alles wäre zerstört worden.
Das Unerwartete geschieht
Die himmlischen Intelligenzen waren auf eine furchtbare Bekundung göttlicher Allmacht gefasst. Jede Bewegung wurde mit großer Besorgnis beobachtet. Man erwartete, dass Gerechtigkeit geübt würde, dass Gott die Bewohner der Erde bestrafen würde. Doch »Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.« (Johannes 3,16) »Ich werde meinen geliebten Sohn schicken. Vor ihm werden sie Respekt haben.« (Lukas 20,13 NL) Wie unfassbar barmherzig! Der Messias kam nicht, um die Welt zu verurteilen, sondern um sie zu retten. »Darin besteht die Liebe, dass nicht wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat zur Versöhnung für unsere Sünden.« (1. Johannes 4,10)
Das himmlische Universum staunte gewaltig über Gottes Geduld und Liebe. Um die gefallene Menschheit zu retten, wurde Gottes Sohn Mensch und legte seine Königskrone und sein königliches Gewand ab. Er wurde arm, damit wir durch seine Armut reich würden. Da er mit Gott eins war, war nur er in der Lage, die Erlösung zu vollbringen. Mit diesem Ziel willigte er tatsächlich ein, mit dem Menschen eins zu werden. Mit seiner Sündlosigkeit würde er jede Übertretung auf sich nehmen.
Eine Liebe, die alles gibt
Die Liebe, die der Messias offenbarte, wird von sterblichen Menschen nicht verstanden. Sie ist ein unergründliches Geheimnis für den menschlichen Verstand. Der Gesalbte vereinigte wirklich die sündige Natur des Menschen mit seiner eigenen sündlosen Natur, weil er durch diesen Akt der Herablassung in die Lage versetzt wurde, über das gefallene Geschlecht seine Segnungen auszugießen. So hat er es uns ermöglicht, an seinem Wesen teilzuhaben. Indem er sich selbst zum Opfer für die Sünde machte, öffnete er einen Weg, auf dem die Menschen mit ihm eins werden können. Er versetzte sich in die Lage des Menschen und wurde leidensfähig. Sein ganzes irdisches Leben war eine Vorbereitung auf den Altar.
Der Gesalbte weist uns auf den Schlüssel all seines Leidens und seiner Erniedrigung hin: die Liebe Gottes. Im Gleichnis lesen wir: »Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen.« (Matthäus 21,37) Immer wieder war das alte Israel vom Glauben abgefallen. Der Messias kam, um zu sehen, ob er noch irgendetwas für seinen Weinberg tun konnte. In seiner göttlichen und menschlichen Gestalt stand er vor dem Volk und zeigte ihm seinen wahren Zustand.
Wer den Tod liebt, wird unter Tränen in ihn entlassen
Als die Weingärtner ihn sahen, sagten sie bei sich selbst: »Das ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbe an uns bringen! Und sie nahmen ihn und stießen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn.« (Vers 38.39) Der Messias kam zu den Seinen, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Sie vergalten ihm Gutes mit Bösem, Liebe mit Hass. Sein Herz war tief betrübt, als er sah, wie Israel immer weiter abrutschte. Als er über die geweihte Stadt blickte und an das Strafgericht dachte, das sie ereilen würde, schluchzte er: »Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden.« (Matthäus 23,37.38)
Der Gesalbte war »verachtet und von den Menschen verworfen, ein Mann der Schmerzen und mit Leid vertraut« (Jesaja 53,3). Böse Hände nahmen ihn fest und kreuzigten ihn. Über seinen Tod schreibt der Psalmist: »Es umfingen mich des Todes Bande, und die Fluten des Verderbens erschreckten mich. Des Totenreichs Bande umfingen mich, und des Todes Stricke überwältigten mich. Als mir angst war, rief ich den HERRN an und schrie zu meinem Gott. Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel, und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren. Die Erde bebte und wankte, und die Grundfesten der Berge bewegten sich und bebten, da er zornig war. Rauch stieg auf von seiner Nase und verzehrend Feuer aus seinem Munde; Flammen sprühten von ihm aus. Er neigte den Himmel und fuhr herab, und Dunkel war unter seinen Füßen. Und er fuhr auf dem Cherub und flog daher, er schwebte auf den Fittichen des Windes.« (Psalm 18,5-11)
Nachdem Jesus das Gleichnis vom Weinberg erzählt hatte, stellte er seinen Zuhörern die Frage: »Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt, was wird er mit den bösen Weingärtnern tun?« Unter denen, die dem Messias zuhörten, waren genau die Männer, die damals seinen Tod planten. Aber sie waren so in die Erzählung vertieft, dass sie antworteten: »Er wird den Bösen ein böses Ende bereiten und seinen Weinberg andern Weingärtnern verpachten, die ihm die Früchte zur rechten Zeit geben.« (Matthäus 21,41) Sie erkannten nicht, dass sie sich gerade ihr eigenes Urteil gesprochen hatten.
Fortsetzung folgt
Review and Herald, 17. Juli 1900
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