Warum Gottes Respekt vor freiem Willen Raum für das Böse lässt. Der schmale Grat zwischen göttlicher Freiheit und kosmischem Chaos. Von Kai Mester
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Würde der allmächtige Gott mit dem geschaffenen Luzifer ein echtes Tauziehen veranstalten, dann wäre der Ausgang dieses Duells von vorneherein klar: Es wäre ein ungleicher Wettkampf. Natürlich ist Gott unendlich viel stärker als der Engel, der ihn vor dem ganzen Universum verklagt hat. Gott ist allmächtig, allwissend und allgegenwärtig. Nichts davon trifft auf Satan (das heißt »Angreifer«) auch nur im Ansatz zu.
Die Waffe der Liebe
Doch weil Gott Liebe ist, weil bei ihm der Zweck die Mittel eben nicht heiligt, weil er auf Gewalt, Manipulation und Zwang verzichtet und jedem geschaffenen Wesen den freien Willen geschenkt hat – auch Satan, sieht es manchmal so aus, als ob die finsteren Mächte Erfolg haben gegen ihren Schöpfer.
Abwärtsspirale
Aus der Wasserwüste auf diesem Planeten hatte Gott ein Paradies geschaffen. Doch die darauffolgenden ersten anderthalb Jahrtausende dieser Weltgeschichte waren laut Genesis – ausgelöst durch die Schlange – eine krasse Fehlentwicklung. Gott musste, um das Leid zu verkürzen, das grausame Ergebnis durch die Sintflut vorwegnehmen und alles wieder in eine Wasserwüste zurückverwandeln. Wahrscheinlich reichte es, dass er das hochkomplexe Zusammenspiel seiner Schöpfung an nur ganz wenigen sensiblen Punkten nicht mehr schützend steuerte. Das war Ausdruck seines Respekts vor dem freien Willen der Menschen, die ihn in ihrem Leben nicht mehr haben wollten. (Genesis 1–7)
Nur die Familie in der Arche mit den vielen Tieren überlebte die damals schon »apokalyptische« Wasserflut. Wie eine Aussaat begann danach das Leben neu auf der Erde. Aber allzu schnell nahm die Geschichte wieder dieselbe Richtung. Diesmal griff Gott schon nach wenigen Jahrzehnten ein und verwirrte die Sprache, um die sich im Turmbau zu Babel andeutende Abwärtsspirale zu verlangsamen. (Genesis 8–11)
Gott findet einen Freund
Mit Abraham gelang dann der Bund zwischen Gott und einem Menschen auf der Grundlage völliger Freiwilligkeit und schließlich echtem, tiefem Vertrauen. Doch es war erst Gottes unerschütterliche Treue zu Abrahams Familie, die später seinen Urenkel Josef zum Segen für Ägypten und die Nachbarländer werden ließ. Eine lichte Dynamik, die für das Reich der Finsternis zur Bedrohung wurde. (Genesis 12–50)
Befreiung durch den Exodus
Abermals holte der Feind zum Gegenschlag aus: Alle Israeliten wurden in Ägypten versklavt. Nur Gottes erneutes Eingreifen konnte sie nach vielen schweren Jahrzehnten durch Mose befreien. Er führte sie durchs Rote Meer und die Wüste ins gelobte Land. So viel Licht war von der Feuersäule und dem Berg Sinai ausgegangen, dass die Völker den Atem anhielten, sobald das Bundesvolk in ihre Nähe kam. Selbst die dicken Stadtmauern Jerichos boten keinen Schutz. (Exodus–Josua)
Jerusalem fällt
Es bedurfte nun einer Strategie, das Gottesvolk zu torpedieren, das ohnehin noch sehr wenig von Gottes barmherzigem Wesen verstanden hatte. Jetzt waren es nachwirkende ägyptische Konzepte und der Einfluss der Nachbarvölker, die sie immer wieder zum Bundesbruch verführten: die Monarchie mit Militär und Zwangsarbeit, der Götzendienst mit seinen lustbetonten Ausschweifungen, Unterdrückung der Schwachen und jede Form von Verbrechen. Das Ende vom Lied: Jerusalem wurde zerstört und seine Einwohner nach Babel verschleppt. Die finsteren Mächte hatten scheinbar wieder gewonnen. (Richter–2. Chronik)
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