Meine persönliche Reise zu einem liebevollen Glauben: Ich wollte ein Mann sein

Meine persönliche Reise zu einem liebevollen Glauben: Ich wollte ein Mann sein
privat

Streng und scheinbar behütet religiös aufgewachsen, ließ ich alles hinter mir, bevor ich Jesus wirklich begegnete. Von Yaneesha Wanchope

Lesezeit: 11 Minuten

Ich hatte viele, viele Jahre ein völlig falsches Bild von Gott. Urteilend, kontrollierend, herrschsüchtig, streng, egoistisch und irrational – all das hielt ich für den wahren Charakter Gottes. Es fiel mir schwer zu glauben, dass er etwas anderes war als dieser ungerechte Richter, der nur darauf wartete, mich für all meine »Sünden« zu bestrafen. 26 Jahre meines Lebens lebte ich mit dieser Vorstellung von Gott, und wehrte mich innerlich gegen alles, was mir als »christusähnlich« vermittelt wurde.

Interessanterweise bin ich heute auf der anderen Seite des Feldes, und zwar in seiner Mannschaft! Wenn ich gerade nicht »spiele« bin ich ein leidenschaftlicher Fan und genieße jede Minute unserer gemeinsamen Zeit! Wie bin ich aber dahin gekommen, dass ich seine Gegenwart nicht mehr meide, sondern sie sogar genieße? Dass ich mit ihm täglich rede, statt ihn zu ignorieren? Ihn nicht mehr hasse, sondern liebe? Ihn verstehe, statt ihn zu verurteilen? Hier ist meine Geschichte:

Kindheitserlebnisse: Von Costa Rica nach Neuengland

Ich wurde in Limón, im mittelamerikanischen Costa Rica, geboren. Ich war das erste von zwei Kindern, die als Teenager in der High School viel Spaß miteinander hatten. Meine Mutter war Siebenten-Tags-Adventistin, die meinen Vater zu Gott brachte. Später führte mein Vater meinen Bruder und mich zu Gott, als wir noch sehr jung waren. Ich erinnere mich an meine frühe Kindheit nur noch verschwommen. Wir zogen ständig um, bis meine Eltern sich finanziell stabilisierten und uns in eine eigene Wohnung bringen konnten. Auf dem Boden zu schlafen und unsere Eltern erst zur Schlafenszeit zu sehen, war für meinen kleinen Bruder und mich normal. Unsere älteren Cousinen und Cousins kümmerten sich um uns, brachten uns zur Schule und holten uns wieder ab.

Meine Eltern arbeiteten Doppelschichten, bis sie schließlich in der Lage waren, uns in eine eigene Wohnung nach Neuengland, genauer nach Boston, im US-Bundesstaat Massachusetts zu bringen. Das war aufregend. Doch dann beschlossen meine Eltern, sich zu trennen. Also lebte ich mit meiner Mutter, meiner Großmutter und meinem Bruder zusammen, während mein Vater am Wochenende zu Besuch kam, um uns in den Gottesdienst mitzunehmen. Den Gottesdienst fand ich meist langweilig. Wir sangen, lasen, hörten zu, standen auf, setzten uns wieder, beteten und wiederholten dies stundenlang. Das war anstrengend – zumindest für meinen kindlichen Kopf.

Faszination auf den ersten Blick

So verlief mein Leben, bis etwas Seltsames passierte, das mich den Rest meines Lebens begleiten sollte. Ich war in der 4. Klasse, etwa 8 oder 9 Jahre alt. Frau D brachte gelegentlich ihren 17-jährigen Sohn und ihre Tochter mit in die Klasse. Alle Mädchen in der Klasse waren sofort von ihrem Sohn fasziniert, während ich von ihrer Tochter beeindruckt war. Ihre Schönheit haute mich völlig um. Ich musste sie immer wieder anschauen. Aber zu dieser Zeit, in so jungen Jahren, wusste ich nicht, was das bedeutete. Ich wusste nur sofort, dass ich anders empfand, als die anderen Mädchen.

Immer mehr Einschränkungen daheim

Schnell vorgespult: Ich war jetzt 11 Jahre alt. Meine Eltern versöhnten sich wieder, packten uns ein und zogen über 1000 Meilen in den Süden nach Gwinnett, Georgia, um unser Leben noch einmal neu zu beginnen.

Als ich in die Pubertät kam, wurden meine gleichgeschlechtlichen Anziehungen immer stärker, und meine Eltern wurden gleichzeitig in ihrem Glauben immer strenger. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie verstanden, was bei mir vor sich ging, bevor ich es selbst begriff. Denn unsere Hausregeln wurden auf Schritt und Tritt strenger. Wir gingen nicht nur sabbats in den Gottesdienst, sondern auch noch mittwochs und freitagabends, wo auch Gottesdienste stattfanden. Jeden Morgen und Abend machten wir Familienandacht. Weltliche Musik war tabu. Die Kleidung musste sehr züchtig sein. Wir aßen vegan, weil meine Eltern es so beschlossen, und Übernachtungen oder Kinobesuche kamen gar nicht in Frage. Auch durften wir nur mit bestimmten Kindern spielen, die von meinen Eltern »genehmigt« waren.

Meine Eltern hatten solche Angst, dass meine Seele durch den schlechten Einfluss anderer verdorben werden könnte, dass meine Mutter mir täglich gefühlt Hunderte Male sagte: »Durch Anschauen werden wir verwandelt. Was wir anschauen, verändert uns. Womit wir uns beschäftigen, das prägt uns.« Insgeheim verdrehte ich die Augen und sagte es ihr jedes Mal leise nach, wenn sie mich dazu aufforderte. Aber ehrlich gesagt dachte ich bei mir selbst: Wenn jemand hier ein schlechter Einfluss ist, dann bin ich selbst der schlechte Einfluss, nicht meine Freundinnen.

Ich hatte eine beste Freundin, die ich bis heute sehr schätze. Wir verbrachten die meiste Zeit zusammen, aber meine Eltern entschieden, mich aus dem Kirchenchor zu nehmen, weil auch sie dort mitsang. Ich durfte sie unter keinen Umständen sehen oder mit ihr sprechen. Kurz darauf wurde mein soziales Leben abrupt beendet, als sie beschlossen, meinen Bruder und mich zu Hause zu unterrichten. »Als Achtklässlerin zu Hause unterrichtet zu werden, ist das Schlimmste, was mir passieren kann«, dachte ich. Jeden Morgen schaute ich aus dem Fenster und sah die Nachbarskinder in den gelben Schulbus steigen, in dem ich so sehr mitfahren wollte. Das Leben in diesem Jahr war für mich wie ein Gefängnis.

Meine geheime Flucht

Manche sagen vielleicht, ich dramatisiere, aber genau so fühlte es sich für mich an. Was meine Eltern jedoch nicht wussten, war, dass ihre Bemühungen, mich von meiner besten Freundin fernzuhalten, vergeblich waren, denn ich fand einen perfekten Weg, um der Überwachung zu entgehen, sobald die Nacht hereinbrach. Jede Nacht wartete ich bis Mitternacht, wenn meine Eltern sich im Tiefschlaf befanden. Dann nutzte ich diese Nachtstunden, um entweder meine beste Freundin anzurufen oder online mit einer Frau zu chatten, mit der ich eine Fernbeziehung begonnen hatte. Damals war ich ein 12-jähriges Mädchen, gab mich ihr gegenüber aber als 26-jähriger Mann aus.

Es wird öffentlich

Den größten Teil meiner Teenager- und jungen Erwachsenenjahre verbrachte ich in meinem Zimmer, hielt virtuell mit diesen Frauen aus aller Welt Kontakt, bis ich geoutet wurde und beschloss, meine Wahrheit zu leben und die Gemeinde zu verlassen. Ich verließ die Kirche, weil ich dachte, ich wüsste, wie Gott über Homosexuelle denkt. Ich fühlte mich von meiner Familie abgelehnt, also lehnte ich Gott ab. Da meine Familie sehr religiös war, dachte ich, Gott hätte die gleiche Meinung über mich wie sie – er sei von mir angewidert, enttäuscht, über mich beschämt. Also sagte ich der konservativen Erziehung mit großem Enthusiasmus Lebewohl und wandte mich »großartigeren« Dingen zu – so dachte ich zumindest.

Meine Partyjahre

Bald fühlte ich mich sehr wohl, die Rolle eines Mannes zu übernehmen. Es gab mir Sicherheit, dort fühlte ich mich am wohlsten. Aber aus irgendeinem Grund war ich zutiefst verletzt, wenn jemand mein Geschlecht verwechselte oder mich mit dem falschen Pronomen bezeichnete. Ich hatte mehrere Beziehungen, aber immer nur eine. War ich gerade mal Single, dann suchte ich auch intensiv nach der nächsten Partnerin. Ich ging auf Partys, nahm Drogen und lebte das Leben, das ich immer leben wollte, von dem ich immer geträumt hatte. Das war zwischen meinem 18. und 26. Lebensjahr. Aber selbst als ich es erreicht hatte, war Glücklichsein immer noch keine Realität für mich. Ich hatte Momente des Glücks, Momente der Freude, Momente des Spaßes und der Aufregung, aber sie hielten immer nur so lange an wie die Party, die Reise oder das besondere Ereignis. Ich hatte die Freiheit, zu tun, was ich wollte, wann ich wollte. Meine Eltern predigten mir nicht mehr ständig Jesus, aber trotzdem war ich unglücklich.

Absturz in die Depression

Mit der Zeit wurde mein Leben plötzlich von einer überwältigenden Traurigkeit erfasst. Damals war es schwer für mich zu verstehen, denn ich hatte alles erreicht, was ich mir jemals im Leben gewünscht hatte. Seit meinem 18. Lebensjahr stand ich auf eigenen Füßen, meine Eltern lagen mir nicht mehr in den Ohren und unterwarfen mich keinen »einschränkenden Regeln und Vorschriften« mehr. Ich hatte mein eigenes Auto, war in einer Beziehung mit einer wunderschönen Frau und war ein erfolgreicher und bekannter veganer Koch und Restaurantbesitzer in Costa Rica. Das Leben war großartig, ich hatte nicht viel zu beklagen. Als mich diese bedrückende Traurigkeit jedoch überkam, war ich völlig ratlos. »Warum bist du traurig, Yaneesha?«, fragte ich mich wiederholt. »Was ist los, warum fühlen wir uns so?« Ich konnte meine eigene Frage nicht beantworten.

Die Depression wurde schlimmer. Der Schmerz war nicht mehr nur emotional, sondern inzwischen auch körperlich. Meine Brust tat buchstäblich weh, genau da, wo mein Herz ist. Dieser starke Schmerz kam jetzt noch zu dieser allgegenwärtigen Traurigkeit hinzu. Weinen gehörte damals für mich zur Tagesordnung. Was ich damals nicht wusste, war, dass göttliche Traurigkeit zur Reue führt (2. Korinther 7,10). Obwohl es nicht so schien, arbeitete Gott daran, mein Leben zu retten, bevor ich es überhaupt merkte.

Eine Therapeutin mit besonderem Ansatz

Auf Anraten meiner Tante beschloss ich, zur Therapie zu gehen. Ich war verzweifelt und wollte Erleichterung von diesen emotionalen, mentalen und körperlichen Schmerzen. Sie waren inzwischen unerträglich geworden. Ich hatte den Punkt erreicht, an dem ich über den Tod nachdachte. »Wenn ich tot wäre«, dachte ich, »würde ich nicht mehr so fühlen … mein Schmerz würde verschwinden.« Ich versuchte zwar nie, mich umzubringen, aber sehnte dennoch den Tod als Erlösung herbei. »Dann kann ich endlich ausruhen«, dachte ich.

Meine erste Therapiesitzung war interessant. Man fragte mich, ob ich an Gott glaube, und meine Antwort war ja. Meine Therapeutin erklärte dann, dass sie einer überkonfessionellen Organisation angehören, aber mit und für die Patienten beten, weil sie glauben, dass Gott derjenige ist, der Leben wiederherstellt und verändert. Sie wollte also wissen, ob ich damit einverstanden sei. Ich stimmte zu. Ich war verzweifelt auf der Suche nach Hilfe. Mein Leben hatte ich auf meine Weise gelebt und war nun bereit, ihren Weg auszuprobieren.

Kehrtwende

Jesus persönlich zu treffen, war der Höhepunkt meines Lebens. Während einer dieser Sitzungen betete sie und bat Gott, mir seinen Willen für mein Leben zu zeigen. In diesem Moment zeigte mir Gott BUCHSTÄBLICH in Bildern, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich mich für ihn entscheiden würde. Was ich sah, passte mir erst nicht, denn es bedeutete, alles zu ändern und alles zu verlieren, wofür ich so hart gearbeitet hatte. Doch trotz meiner Unwilligkeit zur Veränderung entschied ich mich, seinen Weg zu gehen. Denn ich suchte verzweifelt nach einem Heilmittel für meine Depression. Ich hatte zwei Möglichkeiten: Jesus oder den Tod. Ich wählte Jesus.

Die gute Nachricht für mich

Das Schöne daran ist, dass er mir dort begegnete, wo ich war, und mir zeigte, wer er wirklich ist. Er zeigte mir, dass er mich niemals verlassen noch im Stich lassen würde (5. Mose 31,6). Er zeigte mir, dass er mich mit ewiger Liebe geliebt hat und mich daher in Liebe zu sich zieht (Jeremia 31,3). Er zeigte mir, dass mich nichts von Gottes Liebe trennen kann (Römer 8,31-39), dass er möchte, dass ich glücklich bin (Jeremia 29,11) und dass er einen speziellen Plan und eine Bestimmung für mein Leben hat (Römer 8,28). Gott sprach auf einer persönlichen Ebene zu mir und widersprach all meinen vorgefassten falschen Vorstellungen, die ich von ihm hatte. Mit seiner Hilfe habe ich mich entschieden, nach seinem Willen zu leben, weil ich das möchte, was er für mich möchte. Jetzt kann ich sagen, dass ich Frieden, Liebe und Freude gefunden habe (Galater 5,22-23). Frieden, den nur Gott mir geben konnte, denn bei Gott und nur mit ihm sind alle Dinge möglich (Matthäus 19,26).

Meine 5 Jahre seither

Dieser Weg mit Jesus ist bisher nicht einfach gewesen. Es sind nun fast 5 Jahre vergangen, seitdem ich Gott persönlich kennengelernt habe, und 2 Jahre, seit ich durch die Taufe öffentlich erklärt habe, dass mir Jesus über alles geht. Der Feind hat mir seitdem viele Herausforderungen entgegengestellt, aber was mich dazu bewegt hat, seine Hand nicht loszulassen, ist seine Gnade und Kraft (2. Korinther 12,9.10), die mich verändert haben, und der Frieden, der allen Verstand übersteigt (Philipper 4,7), den er mir geschenkt hat. »Nimm die Welt, aber gib mir Jesus« ist mein Leitmotiv und wird es immer sein. Amen.

Quelle: Coming Out Ministries Newsletter, September 2024.

www.comingoutministries.org

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