Eine wichtige Frage für dich, wenn sich unsere Gesellschaft polarisiert. Von Kai Mester
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Das Buch der Offenbarung macht eine verblüffende Prophezeiung: Am Ende der Zeit wird die entscheidende Frage nicht mehr lauten, auf welcher Seite einer Debatte wir stehen – politisch, gesellschaftlich oder religiös. Es wird um etwas Tieferes gehen: um Wesen. Um die Wesensart des Drachen – oder die Wesensart des Lammes. Und diese zwei Naturen stehen sich in allem gegenüber – so wie ihre beiden Städte: Babylon und das Neue Jerusalem.
Der Drache – das Gesicht des Zorns
Der Drache erscheint in der Offenbarung als ein gewaltiges Tier, das darauf lauert, ein Kind zu verschlingen (Offenbarung 12,3.4) – ein Bild für Jesus. Schonungslos entlarvt die Bibel ihn als Satan, den großen Verführer der Welt (Vers 9), den Ankläger der Gläubigen, der voller Zorn und Wut diejenigen verfolgt, die Gott treu bleiben (12,10–17).
Seine Stadt heißt Babylon – ein Machtzentrum, das schon seit Jahrhunderten die Völker und Machthaber verführt.
Und womit?
Mit dem „Zorneswein ihrer Hurerei“ (14,8). Mit dem süßen Gift religiöser Macht, geistlicher Untreue und menschlicher Selbstvergötterung.
Wer davon trinkt, verliert die Klarheit, das Gute vom Bösen zu unterscheiden.
So bringt der Drache Chaos – und zieht schließlich seine Opfer mit sich in den ewigen Untergang (20,8–9).
Sein Prinzip ist immer dasselbe: Wut und Zorn gebären Angst, Angst gebiert Hass, und Hass mündet in Terror.
Das Lamm – die Macht der Sanftmut
Ganz anders das eigentliche Ziel des Drachen: das Opfer, das er vernichten will. Als die Offenbarung den »Löwen aus dem Stamm Juda« ankündigt (5,5), rechnet jeder mit einem Herrscher, einem Eroberer. Doch die Überraschung ist vollkommen: Der Löwe zeigt sich als geschlachtetes Lamm (5,6) – wehrlos, friedlich, sanft.
Aber genau darin liegt Gottes Logik:
»Meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.« (2. Korinther 12,9)
Genauso besteht seine Armee nicht aus Kämpfern, die Leben nehmen, sondern aus Menschen, die – wie Jesus – ihr Leben für andere geben (6,9.11). Sie haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes (7,14), sie weinen wie Jesus um ihre Feinde (7,17), beten für sie (5,8) und »haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod« (12,11).
Ihre Waffen heißen Flucht (12,14), Martyrium (6,9; 18,24) und die geistliche Waffenrüstung mit dem »Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes« (Epheser 6,17). So bezeugen sie: Wir gehören zu Lamm. Denn sie »folgen dem Lamm nach, wohin es geht« (Offenbarung 14,4).
Die Revolution der Liebe
Das Programm des Lammes ist revolutionär: Feinde lieben, Hassern Gutes tun, Flucher segnen, für Beleidiger beten, Schlägern die andere Wange hinhalten, Räuber beschenken, Egoisten mit Barmherzigkeit begegnen.
Nur wer keine Angst mehr hat, kann so leben. Denn: »Liebe treibt die Furcht aus.« (1. Johannes 4,18)
Wer sich von Jesus die Angst vor dem Tod nehmen lässt (Hebräer 2,14.15), wird frei – frei von Zorn, frei von Bitterkeit, frei von Vergeltung. Sein Herz wird weich, sein Wesen von Erbarmen erfüllt.
Der Zorn Gottes – kein Gegenschlag, sondern Gericht
Wenn die Offenbarung vom Zorn Gottes und des Lammes spricht (6,16.17; 11,18; 14,10.19; 15,1.7; 16,1.19; 19,15), macht sie deutlich, dass das Ende des Drachen und seiner Anhänger schrecklicher sein wird als alles Leid, das sie anderen zugefügt haben.
Gott hat sein Lamm gerade deshalb gesandt, um sie davor zu bewahren. Denn seine Waffen sind nicht Tod und Vernichtung, sondern sein lebendiges Wort – ein Wort, das heilt, erleuchtet, verwandelt.
Die einzige Vernichtung, die wirklich bleibt, ist die Zurückweisung dieses Wortes. Wer das göttliche Licht ablehnt, erfährt Finsternis. Wer die Liebe verwirft, erlebt Zorn.
Wenn Jesus wiederkommt
Wenn Jesus am Ende der Zeit kommt, wird er kein Blut vergießen. Sein Kleid ist nur in sein eigenes Blut getaucht (19,3) – das Blut der Hingabe, nicht der Gewalt. Er kommt, um alle zu retten, die sich nach seiner Rettung sehnen.
Denn er selbst hat gesagt: »Und wer meine Worte hört und bewahrt sie nicht, den richte ich nicht; denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette. Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.« (Johannes 12,47.48)
Wenn der Zorn in die Gemeinde einzieht
Die Wut der Welt schleicht sich auch in die Gemeinde. Gesellschaftlichen Konflikte entzünden dort oft sogar dieselben Emotionen, dieselben Lager, denselben Tonfall.
Schon Paulus warnte davor – fast humorvoll, aber mit ernster Bedeutung: »Wenn ihr euch aber untereinander beißt und fresst, so seht zu, dass ihr nicht einer vom andern aufgefressen werdet.« (Galater 5,15)
Der Sieg der Sanftmut
Die Offenbarung zeigt uns, wer am Ende siegt: nicht der Drache, sondern das Lamm. Denn nur seine Wesensart überdauert den Zorn, wenn Gott die freie Entscheidung der Menschheit akzeptiert und seinen Geist völlig von den Sündern zurückziehen muss.
Wer sich an das Lamm hält, wird gereinigt von Angst, Hass und Gewalt – auch gegenüber sich selbst. Er bleibt unversehrt, unbefleckt, jungfräulich im Herzen (Offenbarung 14,4).
Und deshalb gilt der Ruf der Propheten heute wie damals:
»Fürchte dich nicht und lass dir nicht grauen! Denn der HERR dein Gott, wird selber mit dir ziehen und wird die Hand nicht abtun und dich nicht verlassen, bis du jedes Werk für den Dienst im Hause des HERRN vollendet hast. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Lass deine Hände nicht sinken! Denn der HERR, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland. Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein, er wird dir vergeben in seiner Liebe und wird über dich mit Jauchzen fröhlich sein. Wie an einem festlichen Tage nehme ich von dir hinweg das Unheil, dass du seinetwegen keine Schmach mehr trägst. Fürchte dich nicht, glaube nur! Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst!« (5. Mose 1,21; 31,6; 1. Chronik 28,20; Jesaja 41,10; 43,1; Zefanja 3,16; Markus 5,36; Offenbarung 2,10)

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