Sie erlebte hautnah und aktiv, was es bedeutet, die Strapazen der Flüchtlinge zu lindern. Von Heidi Kohl
Viele Wochen beobachtete ich, was sich hier in Österreich bezüglich Flüchtlinge tut. Zuerst das Chaos in Nickelsdorf, das wiederum gezeigt hat, dass Politiker oft nur auf ihren guten Ruf bedacht sind, aber kaum den Mut haben rasche Sofortmaßnahmen zu ergreifen.
Ein Heer an Freiwilligen machte sich auf den Weg, um den armen Menschen zu helfen, ihnen ein Stück Brot zu geben, und ein Glas Wasser, Kleidung oder ein tröstendes Wort mit einem warmen Händedruck.
Nach Spielfeld an der slowenischen Grenze
Nun kam die Flüchtlingskrise ganz nahe an unsere Haustür. Spielfeld ist ca. 20 Kilometer von meinem Zuhause, der Gesundheitsschule Bethel, entfernt. Nach einem Aufruf nach freiwilligen Helfern, machte ich mich auf, um dort den Flüchtlingen zu dienen.
Jeden Tag stand ich um drei Uhr morgens auf, hatte meine stille Zeit mit Gott, richtete mein Essen her und fuhr eine Stunde auf den kurvigen Weinstraßen nach Spielfeld. Dort meldete ich mich zum Einsatz.
Ich begegnete strengen Kontrollen durch die Polizei und das Bundesheer lenkte die Flüchtlingsmassen, damit sie sich nicht gegenseitig erdrückten. Mütter warfen ihre Kinder den Soldaten in die Hände, damit diese nicht erdrückt würden. Gestank schlug mir entgegen – Lagergestank. Überall Müll und Unrat und Lärm als ich an den Großzelten vorbeiging.
Registrierung als Helferin
Es war noch finster und mir war es mulmig im Magen, als ich zum ersten Mal dorthin unterwegs war. Überall Polizei und Bundesheer. Ich kam bei der Einsatzleitung vom Roten Kreuz an, wurde als Helfer registriert, bekam eine Helferweste und wurde in Richtung Küchenzelt und Essenausgabe geschickt. Dort packte ich einfach an, schnitt Kartons auf, zerteilte Bananenkränze, füllte Wasserflaschen nach und holte das Toastbrot aus der Verpackung.
Bei den Babys
Ungefähr nach zwei Stunden kam ein Helfer zu mir, mit der Bitte, bei den Babys auszuhelfen, dort seien zu wenige Helfer. Hier wurde ich erst so richtig mit der Not konfrontiert. Ich stand dort, wo der Ausgang des Zeltes war, und alle Flüchtlinge an mir vorbei mussten. Es waren Tausende jeden Tag. Eiskalte Luft strömte in das Zelt und ich wärmte mir meine Hände am heißen Topf, in dem die Babyflascherln warm gehalten wurden. Ich wurde um Windeln gefragt, Taschentücher, Feuchttücher, Binden und bald merkte ich, dass es an allem mangelte. Nun rief ich den Missionsleiter unserer Gemeinde an und fragte, ob wir hier helfen könnten. Sofort sagte er mir eine Geldsumme zu, sodass ich Babysachen kaufen konnte.
Am nächsten Tag kam ich dann schwer bepackt an der Grenze an. Auch andere sah ich mit schweren Taschen zu den Zelten eilen. Die Helfer konnten angesichts der Not nicht gleichgültig bleiben. Jeder versuchte etwas aufzutreiben, um die Not zu lindern. Denn diese hörte ja nicht auf. Jeden Tag kamen Tausende neue Gesichter, gezeichnet durch Strapazen und Not, schmutzig, hungrig und traurig. Manche hatten nur Schlappen an, froren, hatten nur einen dünnen Pulli am Leib und wickelten sich in eine Decke ein. Mit dem Teller Essen, den sie nun bekamen und dem Sackerl Proviant saßen sie dann im Freien in der Kälte dichtgedrängt am Boden und aßen ihre Mahlzeit.
Auf der Suche nach Freiheit
Dann hörte man wieder laute Schreie. Die Polizei rief zur Ordnung auf, weil sich jemand vordrängen wollte. Wie eine Herde Tiere wurden die Leute durch die Einsperrungen getrieben. Dann hörte ich lautes Rufen der Masse:
»Freedom, Freedom, Freedom!« Und ich dachte mir: »In welche Freiheit geht ihr? Wisst ihr wirklich wohin ihr geht? Freiheit wird es für euch nicht geben, nicht die, die ihr euch erwartet und wünscht.«
Die ersten Tage waren für mich erschütternd und die Bilder der Menschen mit ihren schwarzen Augen, dunkler Haut, Schleiern, armseliger Kleidung, hoffnungslosen Gesichtern, Kindern die weinten, Babys, die hungrig schrien, diese Bilder ließen mich bis in den Schlaf nicht los.
Am dritten Einsatztag, ich war jeden Tag schwer bepackt mit Babysachen zum Einsatzort unterwegs gewesen, als ich gerade wieder alle Babys abgefertigt hatte, froh, dass ich wieder einigen Flüchtlingen Taschentücher geben konnte, ging ich in den Aufenthaltscontainer um mein Frühstück einzunehmen.
Jeden Tag hatte ich dort wunderbare Begegnungen. Ich sprach mit Soldaten, Polizisten, freiwilligen Helfern und Putzfrauen.
Im Sanitätszelt
Doch dann gab es für mich plötzlich eine Wende, als sich ein Arzt im Container ein warmes Getränk holte. Als ich mich mit ihm über seine und meine Beweggründe des Helfens unterhielt, gab ich mich als Krankenschwester zu erkennen. Das hörte ein Rot-Kreuz-Leiter, der ebenfalls im Raum war. Sofort bat er mich, ins Sanitätszelt zu kommen, um bei den Kranken mitzuhelfen. Es gäbe zu wenig Krankenschwestern.
Nun stand ich jeden Tag im Rot-Kreuz-Sanitätszelt und arbeitete mit Sanitätern, Ärzten, Krankenschwestern und Übersetzern zusammen. Hier eröffnete sich mir ein weiterer tieferer Aspekt der Flüchtlingsdramatik.
Dankbar, dass ich helfen konnte, stand ich an den Liegen, behandelte die Leute, assistierte den Ärzten und holte Kleidung aus dem Caritaszelt. Bis zu 600 Leute wurden täglich untersucht und behandelt. Hochschwangere Frauen, Familien mit oft 3 Kindern, die alle grippale Infekte hatten, alte Leute mit Diabetes, ein Mann im Rollstuhl, das waren die täglichen Bilder. Die Babys waren unterkühlt, hatten rote Pos, nasse Kleidung und die meisten nicht einmal eine Mütze. Ich war dann immer so froh, wenn ich ein passendes Kleidungsstück finden konnte, um wenigstens etwas die Not zu lindern. Auch wenn es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war.
Dann kamen die Kamerateams vom ORF und filmten uns bei der Arbeit. mehrmals war auch ich als Helferin in den Nachrichtensendungen zu sehen.
Endzeit
Durch diese enorme Flüchtlingswelle und dem letzten Terrorakt in Paris können wir erkennen, wie sich die Weltlage Schritt für Schritt verändert. Und immer neue und strengere Gesetze entstehen, die unsere Freiheiten gravierend einschränken. Wir sehen, dass der Islam auch in dieser letzten Zeit auf der Erde eine Rolle spielt, abgesehen davon, wie arm jeder einzelne Flüchtling aus den Kriegsgebieten ist. Auf der einen Seite ist helfen angesagt und auf der anderen Seite, Wachsamkeit, um nicht unser Ziel aus den Augen zu verlieren.
»Der Name des HERRN ist eine feste Burg. Der Gerechte läuft dorthin und wird beschirmt.« (Sprüche 18,10) Möge Gott uns stark machen und auf den Spätregen vorbereiten, damit unser Zeugnis die Menschen wachrüttelt.
Fortsetzung: Wie Gott mich in seinem Werk gebraucht: Blüten, Broschüren und ein gesegnetes Stück Land
Quelle: Aus dem Rundbrief 67 vom 30. November 2015 von Hoffnungsvoll Leben.
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