Im Kampf gegen Corona. Von Daniela Weichhold
Es war der 1. Januar 2015, als ich am Busbahnhof Columbus im Bundesstaat Georgia ankam. Auf dieser USA-Reise wollte ich einige Monate am Uchee Pines Institut in Alabama als Volontärin aushelfen. Ich war also auf dem Weg zurück in meine »alte Heimat«. Denn hier hatte ich bereits zwischen 2006 und 2008 eine Ausbildung in Gesundheitsmission absolviert. Schon im Vorfeld meiner Rückkehr war ich in Kontakt mit Mircea Dragomir gewesen, dem Administrator des dortigen Lifestyle Centers. Nun holte er mich vom Busbahnhof ab.
Er erzählte mir, dass er und seine Frau Valentina ursprünglich aus Rumänien kamen. 1986 waren sie in die USA eingewandert. So freute ich mich darüber, dass es auf dem Campus noch andere Europäer gab. Ich empfand dies als verbindendes Element, auch wenn die Dragomirs schon viele Jahre nicht mehr in Europa gelebt hatten.
Gott treu in Rumänien
Mircea Dragomir wurde 1952 im kommunistischen Rumänien geboren und wuchs mit seiner Schwester und seinen beiden Brüdern auf. Im Alter von 15 Jahren nahm er Jesus Christus in sein Leben auf, und ließ sich im Untergrund taufen; denn Minderjährigen war dies nicht erlaubt.
Er blieb seinem Glauben stets treu, obwohl dies für ihn Opfer bedeutete. So konnte er sein Studium an einer technischen Hochschule in Bukarest nicht abschließen, da er das Sabbatgebot nicht brechen wollte. Als Wehrdienstverweigerer verbrachte er dann insgesamt fünf Jahre im Gefängnis. Von dieser Zeit erzählte er ab und an Geschichten. Es war interessant zu hören, wie Gott ihn dort bewahrt hatte und wie er trotz widriger Umstände ein Zeugnis für seine Mitgefangenen sein konnte.
Heirat und Exodus
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis lernte er Valentina kennen, und sie heirateten im Jahr 1986. Auf der Suche nach Religionsfreiheit gelang ihnen im selben Jahr die Auswanderung in die Vereinigten Staaten, und 1988 wurde ihre Tochter Abigail geboren.
Gesundheitsmission in Alabama und Kentucky
Nach einigen Jahren im kalifornischen Loma Linda kamen sie 1992 nach Uchee Pines, wo Bruder Mircea sich in Gesundheitsmission ausbilden ließ, um dann als Lifestyle-Berater und später als Supervisor im Gesundheitszentrum tätig zu sein. Ab 1999 leitete das Ehepaar dann sogar ein eigenes kleines Lifestyle Center in Kentucky, bevor sie zehn Jahre später wieder nach Uchee Pines zurückkehrten.
Verlags- und Lehrdienst für Rumänien
Gleich nach ihrer Einwanderung in die USA hatten sie ihren eigenen Verlagsdienst begonnen: Sie übersetzten Bücher von Ellen White sowie Gesundheitsbücher von Dr. Agatha Thrash ins Rumänische. Diese Schriften verbreiteten sie nach dem Fall des Kommunismus in Rumänien. Zwischen 1995 und 1999 reisten sie immer wieder in ihr Heimatland, um dort zusammen mit anderen Missionaren einen gesunden Lebensstil sowie die Anwendung von natürlichen Heilmitteln zu unterrichten.
Vorbild und Ermutigung
Es war Bruder Mircea immer eine Freude, Menschen dabei zu helfen, wieder gesund zu werden. Stets war er bereit, tatkräftig einzuspringen, wenn Not am Mann war. War nicht genügend männliches Personal da, um die Gesundheitsgäste zu behandeln, oder fehlte in der Küche Personal, scheute er sich nicht mitzuhelfen. Es machte ihm auch große Freude, Kinder zum Strahlen zu bringen.
Mircea Dragomir liebte sein tägliches Bibelstudium, und auch in der Gemeinde war er engagiert, vor allem im Bereich Religionsfreiheit. Zusammen mit seiner Frau half er viel im Gartenbau auf Uchee Pines.
Wieder zwei Jahre in Uchee Pines
Da es für mich damals eine große Bereicherung war, im Lifestyle Center mitzuhelfen, und dort auch dringend Hilfe benötigt wurde, verlängerte ich schließlich mehrmals meinen Aufenthalt. Europa besuchte ich immer nur kurz, und schon war ich wieder in Uchee Pines auf dem Campus. Erst im Sommer 2017 würde ich endgültig nach Brüssel zurückkehren, um meine Arbeit bei der Europäischen Kommission wieder aufzunehmen. So hatte ich die Gelegenheit, eng mit Bruder Mircea und seiner Frau zusammen zu arbeiten und sie besser kennen zu lernen.
Was mir von Anfang an positiv auffiel war, dass die beiden als Team sehr harmonierten. Er kümmerte sich um den reibungslosen Ablauf in der Organisation der Gesundheitsprogramme und der betrieblichen Abläufe im Lifestyle Center. Valentina war damals für das Personal auf dem Campus zuständig und hatte immer ein offenes Ohr für die Nöte und Anliegen der Mitarbeiter. Regelmäßig kamen wir als Lifestyle-Berater mit den Dragomirs zusammen – nicht nur, um die anstehenden Aufgaben durchzusprechen, sondern auch um gemeinsam Bücher wie Auf den Fußspuren des Großen Arztes oder Ratschläge für die Gesundheit von Ellen White zu studieren. Bei diesen Versammlungen wurde viel gesungen. Bruder Mircea brachte uns immer wieder neue Lieder bei.
Corona macht Strich durch Rechnung
Diesen Sommer waren nun drei Jahre ins Land gegangen, nachdem ich Uchee Pines endgültig verlassen hatte. Sehr gerne hätte ich im Juni wieder meine alte Heimat in den USA besucht. Der Flug war schon gebucht, und meine Freunde auf Uchee Pines, einschließlich die Dragomirs, freuten sich auf mein baldiges Kommen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde aus diesen Plänen jedoch leider nichts.
Corona befällt Uchee Pines
Mitte Juli erfuhr ich dann von meinem ehemaligen Kollegen Ashwin, dass seit kurzer Zeit eine Art »Grippe« auf dem Campus umging, die sich schnell verbreitete. Auch ihn hatte es erwischt, wobei sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, dass es sich hier um Covid-19 handelte.
Ende Juli erreichte mich dann die Nachricht, dass sowohl Valentina als auch Mircea an Covid-19 erkrankt waren. Da es auch die männlichen Lifestyle-Berater getroffen hatte, war Bruder Mircea eine ganze Woche eingesprungen, um erkrankten Gesundheitsgästen Anwendungen zu geben.
Die Gäste wurden alle wieder gesund, trotz zahlreicher Vorerkrankungen (Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht etc.), mit denen sie nach Uchee Pines gekommen waren. Auch die Mitarbeiter erholten sich alle wieder. Mircea hatte keinerlei zugrundeliegende Erkrankungen, jedoch traf ihn das Virus so schwer, dass er schließlich auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt werden musste. Aufgrund seiner Konstitution hatten die Ärzte Hoffnung auf Genesung, leider schaffte er es jedoch nicht.
Tod eines Helden
Mircea Dragomir verstarb in den Morgenstunden des 18. August 2020 im Alter von 68 Jahren.
Bis dato hatte ich zwar mit Besorgnis die steigenden Zahlen der an Covid-19 verstorbenen Menschen verfolgt, aber weder meine Familie noch irgendjemand aus meinem Freundeskreis waren davon betroffen gewesen. Ich konnte und wollte es nicht glauben, dass hier ein Mensch, der so ein Segen in seinem Umfeld gewesen war, jetzt so mir nichts, dir nichts mitten aus dem Leben gerissen wurde.
Am schwersten ist so ein Verlust natürlich für den hinterbliebenen Ehepartner. Ich bewundere Valentina, wie sie alles aus Gottes Hand nimmt. Kurz nach dem Tod ihres Mannes schickte sie mir einen Abschnitt aus dem Schrifttum von Ellen White. Dort schrieb die Autorin über den Tod ihres eigenen Mannes, James White:
»Wie ein müder Krieger hat er sich schlafen gelegt. Zufrieden will ich auf seine Ruhestätte blicken. Der beste Weg, das Gedenken an ihn wachzuhalten, ist der, dass meine Söhne und ich seine Arbeit dort fortsetzen, wo er sie niedergelegt hat. In Jesu Kraft wollen wir sie zur Vollendung bringen. Dankbar schauen wir auf die Jahre seines Dienstes zurück. Ihm und Jesus zuliebe wollen wir aus seinem Tod etwas Unvergessliches lernen. Dieser Trauerfall soll uns freundlicher, sanfter, nachsichtiger, geduldiger und umsichtiger mit allen machen. Ich nehme mein Lebenswerk nun allein wieder in Angriff und vertraue fest darauf, dass mein Erlöser mir zur Seite steht. Der Kampf dauert nicht mehr lange; dann kommt Jesus wieder, und dieser Konflikt geht zu Ende. Dann wird unser letzter Einsatz gebracht sein im Werk mit Jesus für die Aufrichtung seines Reiches.« (Testimonies 1, 111)
Wahre Liebe
Mircea Dragomir gab sein Leben für seine Brüder. Er kümmerte sich um die Kranken und riskierte dabei seine eigene Gesundheit. Mögen sein Zeugnis und sein Lebenswerk viel Frucht bringen, die bis in die Ewigkeit reicht!
»Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.« (Johannes 15,13)
»Daran haben wir erkannt die Liebe, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen.« (1. Johannes 3,16)
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