Viele Sabbathalter hatten bisher mit diesem Thema wahrscheinlich noch keine Berührung. Es handelt sich jedoch um eine Lehre mit dramatischer Tragweite. Das, was alle Siebenten-Tags-Adventisten gleich welcher Richtung miteinander verbindet, der Sabbat, wird hier in Frage gestellt. Aber nicht, indem der Sonntag als richtiger Ruhetag hingestellt wird, wie es die meisten christlichen Kirchen tun. Auch wird nicht die Lehre verkündigt, im Neuen Testament gebe es keinen biblisch verordneten Ruhetag mehr, jeder Tag sei gleich, wie es beispielsweise die Mormonen oder die Zeugen predigen. Sondern:
Der Mondsabbat stellt sich vor
Neumond. An diesem Tag wird wie an einem Sabbat geruht. Danach schließen sich vier Wochen an, die alle mit einem Sabbat enden. Dann folgt wieder der heilige Neumondtag, sodass die Sabbate immer am 8./15./22. und 29. eines Monats liegen, der mit Neumond als Tag 1 beginnt. Aufgrund astronomischer Gegebenheiten muss jedoch manchmal nach den vier Wochen ein Schalttag eingefügt werden, damit der Neumondtag auch tatsächlich mit dem Neumond, dem ersten Erscheinen der zarten Mondsichel, zusammenfällt.
Bei dieser Kalenderform fällt der Sabbat jeden Monat auf einen anderen Wochentag unseres Kalenders. Den meisten Menschen, Christen und Adventisten wird sie sicher sehr eigentümlich vorkommen, und doch wird sie neuerdings weltweit von einzelnen Adventisten und kleinen mondsabbathaltenden Gruppierungen vertreten. Um das zu veranschaulichen, hier eine Grafik:
Anhand dieser Grafik wird deutlich, wie der Mondsabbat in jedem Mondzyklus auf einen anderen Wochentag fällt. Nur relativ selten liegt er an einem Samstag. Geruht würde an allen Mondsabbaten und Neumondtagen.
Eine besondere »Gemeinde Gottes«
Nur wenige Siebenten-Tags-Adventisten wissen, dass im Jahr 1863 nicht nur unsere Freikirche gegründet wurde, sondern auch die so genannte Gemeinde Gottes des siebenten Tages (Church of God, Seventh Day). Das war ein Zusammenschluss von sabbathaltenden Adventisten, die Ellen Whites Schriften ablehnten. Diese Gemeinde zählt heute ca. 300.000 Mitglieder.
Clarence Dodd und die Sacred-Name-Bewegung
Ein Mitglied dieser Kirche namens Clarence Orvil Dodd gründete 1937 die Zeitschrift The Faith (Der Glaube). Diese Zeitschrift begann wie keine andere die Lehre zu vertreten, dass Gottes heiliger Name unbedingt auszusprechen sei, und das möglichst in seiner richtigen Form.
Dadurch entstand die Sacred-Name-Bewegung, die sich in der Christenheit am deutlichsten gegen die jüdische Auffassung stellt, Gottes Namen aufgrund seiner Heiligkeit gar nicht auszusprechen, zumal man die genaue Aussprache nicht mehr kenne. Sie ermutigt vielmehr zu seiner häufigen, ehrfurchtsvollen und originalgetreuen Aussprache. Auch die korrekte Aussprache des Namens Jesu ist den Anhängern dieser Bewegung wichtig.
Die biblischen Feste
Ebenso setzte sich Dodd seit 1928 sehr dafür ein, statt der heidnisch-christlichen Feste die mosaisch-biblischen Festtage zu halten. Diese Lehre griff vor allem Herbert Armstrong von der Weltweiten Kirche Gottes auf und verbreitete sie durch die Zeitschrift Klar und Wahr. Dieselbe Lehre findet ihre Anhänger aber auch vereinzelt unter Siebenten-Tags-Adventisten.
Jonathan Brown und der Mondsabbat
Die Sacred-Name-Bewegung hat sich überkonfessionell weiterentwickelt bis hinein in pfingstlerische Kreise. Ein Anhänger dieser Bewegung ist Jonathan David Brown, Mitglied der Jesus-Music-Band Seth, Produzent der christlichen Rockgruppe Petra, in der die bekannte Sängerin Twila Paris und andere christliche Sänger sangen. Jonathan David Brown war nun der erste, der die Lehre vom Mondsabbat, die sich inzwischen in alle möglichen Kreise von Sabbathaltern ihren Weg bahnt, schriftlich verbreitete.
Richtet sich der Sabbat nach dem Mond?
Der Mondsabbat wird oft mit 1. Mose 1,14 begründet. Dort werden Sonne und Mond eine Funktion bei der Zeitbestimmung von Festen (hebr. מועדים mo‘adim), Tagen und Jahren zugewiesen. Da die Sonne zur Bestimmung von Tagen und Jahren ausreicht, muss der Mond wohl zur Bestimmung von Festen gedacht sein. In 3. Mose 23 wird der Sabbat scheinbar zu diesen mondabhängigen Festen dazugerechnet. Das ist ein wichtiges Argument in der Lehre vom Mondsabbat. Doch in zahlreichen anderen Texten werden die Sabbate von den Festen (מועדים mo‘adim) ausdrücklich unterschieden: 1. Chronik 23,31; 2. Chronik 2,4; 8,13; 31,3; Nehemia 10,34; Klagelieder 2,6; Hesekiel 44,24; 45,17; Hosea 2,13. Und an keiner Stelle wird der Sabbat ausdrücklich Fest (מועד mo‘ed) genannt.
Der Sabbat ist zwar auch eine Festzeit, aber eine besondere. Gerade dadurch, dass er sich nicht nach dem Mond richtet und seinen Rhythmus allein aus der Tatsache der Sechs-Tage-Schöpfung nimmt, wird er ja erst zu dem Gedenktag, der er ist. Der Sabbat und mit ihm auch die Sieben-Tage-Woche sind deshalb so besonders, weil sie überhaupt keine astronomische Grundlage haben. Die Sieben-Tage-Einteilung ist willkürlich und richtet sich eben nicht nach den Mondphasen. Damit lenkt sie die Aufmerksamkeit von den Gestirnen als Gottes Schöpfung weg und konzentriert sich ganz auf den Schöpfer. Wäre es anders, dann ließe sich die Woche rein evolutionär erklären.
Man mag aus 1. Mose 1,14 tatsächlich auf die Wichtigkeit des Mondes für den Kalender schließen und den jüdischen Lunisolarkalender wertschätzen, nach dem sich die jüdischen Feste richten. Aber über Mondsabbate, die mit einigen Schalttagen zwischen die Sieben-Tage-Wochen eingeschoben werden, sagt dieser Vers nichts.
Ehren wir den Saturn?
Mondsabbatanhänger kritisieren unser Sabbatverständnis, indem sie darauf hinweisen, dass Samstag (Saturday) der Tag des Saturn sei. Wir würden durch unser Sabbathalten also den grausamen Gott Saturn verehren, der alle seine Söhne außer Jupiter verspeiste. Dabei wird übersehen, dass der Wochensabbat viel älter ist als seine namentliche Verbindung mit dem Gott Saturn. Historiker gehen davon aus, dass die Römer die Sieben-Tage-Woche von den Juden übernahmen und den Wochentagen Namen ihrer eigenen Götter gaben. Außerdem weiß man, dass die alten Römer unter ihren Göttern gerade Saturn mit dem Gott der Juden verglichen und deshalb den Samstag dem Saturn weihten. Aber das hat mit der eigentlichen Bestimmung des Wochensabbats nichts zu tun.
Im Hebräischen gibt es nämlich die Verbindung der Wochentage mit bestimmten Gottheiten gar nicht, wie wir es in den meisten europäischen Sprachen haben. Hier heißen die Tage: erster Tag, zweiter Tag, dritter Tag, vierter Tag, fünfter Tag, sechster Tag, Sabbat. So ist jeder Wochentag bereits auf den kommenden Sabbat ausgerichtet und bestätigt damit die Gültigkeit des Wochensabbats.
Wo sind die geschichtlichen Beweise?
Weder die Karäer, die sich strenger nach dem Mond richten als das traditionelle Judentum, noch andere jüdische Sekten in der Geschichte haben je den Mondsabbat gehalten. Selbst die Apostel richteten sich nach dem jüdischen Festkalender ihrer Zeit. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie eine Kalenderreform anstrebten. Woher nimmt man also die Sicherheit, dass der Mondsabbat tatsächlich der biblische Sabbat sei?
Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37–100 n. Chr.) berichtet: »Es gibt keine einzige Stadt der Griechen oder Barbaren oder eines anderen Volkes, in die unser Brauch, am siebten Tag zu ruhen, nicht vorgedrungen wäre!« (Mark Finley, The Almost Forgotten Day, Arkansas: Concerned Group, 1988, Seite 60)
Der römische Autor Sextus Iulius Frontinus (40–103 n. Chr.) schrieb, dass sie »die Juden am Tag des Saturns angriffen, an dem es ihnen verboten ist, irgendetwas Ernsthaftes zu tun.« (Samuele Bacchiocchi, A New Attack Against the Sabbath – Part 3, 12. Dezember 2001) Es ist nicht bekannt, dass der Saturntag sich nach dem Neumond gerichtet hätte.
Der Geschichtsschreiber Cassius Dio (163–229 n. Chr.) sagt: »So wurde Jerusalem genau am Saturntag zerstört, dem Tag, den die Juden bis heute am meisten verehren.« (Ibid.)
Tacitus (58–120 n. Chr.) schreibt über die Juden: »Man sagt, sie haben den siebten Tag ganz der Ruhe gewidmet, weil dieser Tag ihren Problemen ein Ende bereitet habe. Später hätten sie, weil ihnen der Müßiggang verlockend erschienen sei, auch jedes siebte Jahr der Faulheit geweiht. Andere behaupten, sie täten dies dem Saturn zu Ehren.« (The Histories, Buch V, zitiert in: Robert Odom, Sabbath and Sunday in Early Christianity, Washington D.C.: Review and Herald, 1977, Seite 301)
Philon von Alexandria (15 v. Chr.–40 n. Chr.) schreibt: »Das vierte Gebot bezieht sich auf den heiligen siebten Tag … Die Juden halten den siebten Tag regelmäßig nach einem Abstand von sechs Tagen.« (The Decalogue, Buch XX zit. in: ibid. S. 526) Diese besonders frühe Quelle weiß nichts von eingeschobenen Neumond- oder Schalttagen.
Machen diese Zitate nicht nachdenklich, wenn man zudem bedenkt, dass heute alle jüdischen Gruppierungen auf der ganzen Welt den Sabbat am Samstag halten? Juden haben nie darüber gestritten, wann der Sabbat zu halten ist, höchstens wie er zu halten ist und um welche Uhrzeit er am Freitag beginnt.
Jüdische Kalenderreform
Bei der jüdischen Kalenderreform von 359 n. Chr. wurde nicht etwa ein heute vermuteter Mond-Wochen-Rhythmus aufgegeben, sondern die natürliche Beobachtung des Mondes und der Gerste als Anhaltspunkte für die Neumonde und den Jahresanfang. Stattdessen berechnete man fortan die Neumonde und Schaltmonate astronomisch-mathematisch. Am Wochenzyklus änderte sich jedoch gar nichts.
Das Zeugnis des Talmud
Der Talmud schreibt äußerst detailliert über den Kalender, die Feste, den Neumond, den Wochensabbat. Warum wird dort nirgendwo etwas vom Mondsabbat erwähnt?
Wie kann der Neumond außerhalb des Wochenzyklus liegen, wenn man folgende Talmudzitate liest?
»Der Neumond unterscheidet sich von einem Fest … Wenn ein Neumond auf einen Sabbat fällt, so entschied das Haus Schammai, soll man in seinem Zusatzgebet acht Segnungen rezitieren. Das Haus Hillel entschied: sieben.« (Talmud, Eiruvin 40b) Nach der Lehre vom Mondsabbat könnte der Neumond jedoch gar nicht auf einen Sabbat fallen.
»Wenn der sechzehnte [beim Passahfest] auf einen Sabbat fällt, sollen sie (Teile des Passahlamms) am siebzehnten verbrannt werden, um weder den Sabbat noch das Fest zu brechen.« (Talmud, Pesachim 83a) Nach der Lehre vom Mondsabbat wäre der 16. aber immer der Tag nach einem Mondsabbat.
Die Zitate machen klar, dass der Sabbat nicht auf festen Tagen des Mondzyklus‘ lag, sondern sich davon unabhängig durchs Jahr bewegte.
Was bedeuten die babylonischen Wurzeln des Mondsabbats?
Angeblich gab es bei den Babyloniern einen ähnlichen Wochenrhythmus wie den von Mondsabbatanhängern vertretenen. Er begann ebenfalls mit einem Neumond und die letzte Woche im Monat hatte dann wie in der heutigen Mondsabbatlehre auch mehr als sieben Tage. Doch seit wann kann Babylon für uns irgendeine Vorbildfunktion haben?
Die Babylonier feierten ein schapatu genanntes Mondfest an jedem 7./14./21./28. eines Monats, also jeweils einen Tag früher als die angeblichen Mondsabbate. Manche Wissenschaftler vermuten zwar, die Israeliten hätten die Sabbatfeier vom Mondkult des Zweistromlandes übernommen und vom Mondzyklus losgelöst, als sie in Kanaan sesshaft wurden. Damit leugnen sie aber Gottes Existenz und erklären die jüdische Religion evolutionär, oder sie glauben nicht an die Inspiration der Schrift, die den Sabbat seit der Schöpfung kennt.
Wie passen die Achttagewochen zum vierten Gebot?
Wie müsste man sich an den Schalttagen verhalten, die manchmal am Ende eines Mondzyklus auftauchen? Sie wären keine Ruhetage, auch keine Arbeitstage. Im vierten Gebot heißt es aber: Sechs Tage sollst du arbeiten und am siebten ruhen! Warum gibt die Bibel da keine Anweisung?
Warum wurde in 2. Mose 16 nicht darauf hingewiesen, dass mindestens einmal pro Monat am Rüsttag die drei- oder vierfache Menge Manna eingesammelt werden muss, wenn es wirklich ein langes Wochenende von zwei oder drei Tagen gegeben haben soll?
Wann genau ist Neumondtag?
Um den Neumond zu bestimmen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: astronomisch, mit dem Auge, in Israel oder dort, wo man lebt, etc. Nach welchem Maßstab müsste man sich richten? Im praktischen Leben können die Anhänger des Mondsabbats auf diese Weise mit ihrer Sabbatfeier um mindestens einen Tag auseinander liegen.
Ellen White und der Mondsabbat
Wie stehen die Mondsabbathalter zu folgenden Aussagen von Ellen White? »Der Wochenzyklus von sieben buchstäblichen Tagen, sechs zum Arbeiten und dem siebten zum Ruhen, hat seinen Ursprung in der großartigen Realität der ersten sieben Tage.« (Spiritual Gifts 3, 90)
»Dann wurde ich zurück zur Schöpfung gebracht und sah, dass die erste Woche, in der Gott das Schöpfungswerk in sechs Tagen vollbrachte und am siebten Tag ruhte, genau wie jede andere Woche war. Der große Gott hat in seinen Schöpfungstagen und seinem Ruhetag den ersten Wochenzyklus abgemessen, der als Modell aller folgenden Wochen bis zum Ende der Zeit dienen sollte.« (Spirit of Prophecy 1, 85)
Warum lasse ich mich aufs Glatteis führen?
Die geschichtliche Herkunft der Lehre vom Mondsabbat und die zahlreichen Fragen, die er aufwirft, zeigen, dass wir es nicht mit einer biblischen Lehre zu tun haben. Der Mondsabbat gehört somit in die Trickkiste des Feindes. Wer diese Lehre vertritt, sollte jedoch von uns nicht als Feind angesehen werden, sondern als Mensch, der besonders unserer Gebete und unserer Liebe bedarf. Haben wir nicht an uns selbst schon die Eigenschaften entdeckt, die Menschen zur Annahme dieser und anderer Irrlehren führen? Es kann dafür sehr edle Motive geben: Das Verlangen, auch gegen den Strom nur das zu tun, was dem eigenen Gewissen als Wahrheit erscheint. Oder: Das Feuer einer Hingabe, die Gott zeigen möchte, zu welchen Opfern sie bereit ist. Aber auch Gutgläubigkeit, die Sehnsucht nach dem Exzentrischen und leider allzu oft Stolz. Wie gesund sind meine Beziehungen in der Familie und Gemeinde? Kann es sein, dass ich bereits einen Randplatz in meinem sozialen Gefüge eingenommen habe, der bei mir eine Offenheit geschaffen hat für eine Lehre, die dazu geeignet ist, große Verwirrung in mein Arbeits-, Gesellschafts- und Gemeindeleben zu bringen? Der Teufel heißt nicht umsonst Diabolos, also Durcheinanderwerfer. Denn er möchte den Auftrag von Gottes Gemeinde gründlich durchkreuzen.
Prüfe mich, HERR!
Gutgläubigkeit ist unter Gläubigen leider besonders verbreitet: Man glaubt, ohne wirklich nachgeprüft zu haben. Man vertraut den Recherchen anderer, nicht weil ihre Argumente überzeugen, sondern weil sie irgendeine Saite in uns zum Klingen bringen. Adventisten sind »gläubige« Menschen, leider oft auch »leichtgläubige«. Je schwerer etwas umzusetzen ist, desto mehr fühlt man sich angespornt. Denn ich muss ja mein Ich überwinden! Vielleicht gehört das Martyrium schon zum Selbstbild? Mancher Außenseiter hat aus der Not eine Tugend gemacht und nimmt freiwillig Zuflucht zum Ausgefallenen, auch in seinem Glauben. Am schlimmsten: Wenn uns die Demut fehlt, werden wir trotz hoher Intelligenz und Wahrheitsliebe in die Irre gehen.
Die Gute Nachricht
Die Gute Nachricht: Gott weiß uns aus alledem zu retten, wenn wir uns ernsthaft nach Rettung sehnen und die Bereitschaft haben, seinen Willen auch gegen unseren Willen zu tun. Er wird uns Unterscheidungsvermögen schenken, Erkenntnis seines Willens, Ausgewogenheit und Demut in unserem Glaubensleben. Er wird auch Einsamkeit mit seiner Gegenwart füllen und uns trösten. Wenn wir sein Angesicht aufrichtig suchen, wird er uns – wenn nötig auch über Umwege – zum Ziel führen.
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