Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gab es zu Milch und Eiern keine Alternativen. Welche Schlüsse ziehen wir aus den Prinzipien der bekannten Gesundheitsautorin im Umgang mit veganer Ernährung? Von Ellen White mit ergänzenden Überlegungen (kursiv) von Kai Mester
Die folgende Auswahl von Aussagen der Autorin ist nach Jahreszahlen geordnet und zeigt ihre Grundsätze und ihren gesunden Menschenverstand. Wer vegan lebt, muss sich vor Mangelernährung schützen. Ein ideologischer Ansatz hat schon so manchem Veganer viel Leid gebracht. Dabei soll diese Ernährungsform Gesundheit und Lebensqualität steigern.
1869
»Tiere, die Milch geben, sind nicht immer gesund. Sie können krank sein. Einer Kuh kann es am Morgen scheinbar gut gehen und doch kann sie noch vor dem Abend sterben. In diesem Fall war sie am Morgen schon krank, was sich, ohne dass man es ahnen konnte, auf die Milch ausgewirkt hat. Die Tierschöpfung ist krank.« (Testimonies 2, 368; vgl. Zeugnisse 2)
Grund Nummer eins für den Verzicht auf Milch ist in Ellen Whites Verständnis die Gesundheit. Pflanzliche Kost kann den Menschen vor den zunehmenden Krankheiten in der Tierwelt schützen und das Leiden der Tiere verringern. Sobald vegane Ernährung aber der Gesundheit schadet und dadurch Leid vergrößert, hat sie ihr Ziel verfehlt.
1901
Auszug aus einem Brief an Dr. Kress: »Verzichte unter keinen Umständen auf die Nahrungskategorie, die für gutes Blut sorgt! … Wenn du merkst, dass du körperlich schwach wirst, ist es lebenswichtig, dass du sofort etwas tust. Nimm in deine Ernährung wieder Nahrungsmittel auf, die du gestrichen hast. Das ist unerlässlich. Besorge dir Eier von gesunden Hühnern; Verzehre diese Eier gekocht oder roh; verrühre sie ungekocht mit dem besten unvergorenen Wein, den du finden kannst! So wird dein Organismus mit dem versorgt, was ihm fehlt. Zweifle nicht einen Augenblick daran, dass dies der richtige Weg ist [Dr. Kress folgte diesem Rat und nahm diese Rezeptur regelmäßig ein bis zu seinem Tod 1956 im Alter von 94 Jahren.] … Wir schätzen deine Erfahrung als Arzt. Dennoch sage ich, dass Milch und Eier Bestandteil deiner Ernährung sein sollten. Gegenwärtig [1901] kann man auf sie noch nicht verzichten und die Lehre, dass man auf sie verzichten müsse, sollte nicht verbreitet werden. Du läufst Gefahr, eine zu radikale Sicht der Gesundheitsreform zu vertreten und dir eine Ernährung zu verordnen, die dich nicht am Leben erhält …
Warum konnte man Anfang des 20. Jahrhunderts »noch« nicht auf Milch und Eier verzichten? Offensichtlich enthalten Milch und Eier lebensnotwendige Nährstoffe, die in der normalerweise verfügbaren pflanzlichen Kost fehlen. Daran hat sich grundsätzlich bis heute nichts geändert. Wer vegane Ernährung praktiziert, ohne dieses Verständnis zu haben, läuft Gefahr gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Nicht immer lassen sich die lebensgefährlichen Schäden rückgängig machen, sind sie erst einmal eingetreten. Wissenschaftlich nachgewiesen ist inzwischen, dass Veganer Vitamin B12 supplementieren müssen, um gesund zu bleiben. Körperliche Schwäche ist ein Alarmzeichen für Veganer, das man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.
Die Zeit wird kommen, wenn Milch nicht mehr so freizügig verwendet werden kann wie momentan noch. Die Zeit zum völligen Verzicht ist aber noch nicht gekommen. Eier entgiften. Zwar wurden Familien, in denen die Kinder von der Gewohnheit der Selbstbefriedigung abhängig, ja durchdrungen waren, vor dem Gebrauch dieser Nahrungsmittel gewarnt, aber wir brauchen es nicht als eine Abweichung von den Grundsätzen zu betrachten, wenn man Eier von Hühnern verwendet, die gut gehalten und richtig gefüttert werden …
Wann exakt diese Zeit eingetreten ist, seit der man den Milchkonsum einschränken sollte, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ob die Zeit zum völligen Verzicht schon da ist? Manche sagen ja. Wer weiterhin Milch und Eier zu sich nimmt, tut jedenfalls gut daran, auf Haltung und Ernährung der Kühe und Hühner zu achten. Denn hierin besteht das größte Problem einer vegetarischen, aber nicht veganen Kost.
Manche sagen, dass auch Milch aufgegeben werden sollte. Dieses Thema muss mit Vorsicht behandelt werden. Es gibt arme Familien, deren Ernährung aus Brot und Milch und falls erschwinglich auch aus etwas Obst besteht. Der völlige Verzicht auf Fleischwaren ist anzuraten, doch Gemüse sollte mit etwas Milch, Sahne oder etwas Gleichwertigem schmackhaft gemacht werden … Das Evangelium muss den Armen gepredigt werden, und die Zeit für die strengste Diät ist noch nicht da.
Nahrungsergänzung ist oft recht teuer. Ein ideologischer Veganismus, der Milch und Eier kategorisch ablehnt, wird minderbemittelten Familien nicht gerecht. Auch der Geschmack leidet, wenn man sparen muss. Hier bieten Milch und Eier aus eigener Produktion möglicherweise günstige Alternativen.
Die Zeit wird kommen, wenn wir einige der jetzt verwendeten Nahrungsmittel wie Milch, Sahne und Eier aufgeben müssen; doch meine Botschaft ist, dass man sich nicht frühzeitig in eine Trübsalszeit stürzen und sich so ums Leben bringen darf. Warte, bis der HERR dir den Weg ebnet! … Es gibt solche, die versuchen, sich von dem zu enthalten, was als schädlich bezeichnet wird. Sie versorgen ihren Organismus nicht mit der geeigneten Nahrung und werden deshalb schwach und arbeitsunfähig. Auf diese Weise gerät die Gesundheitsreform in Verruf …
Sich aus Angst vor Schaden dann erst recht zu schaden, das bringt nur die Selbstsucht fertig. »Wer sein Leben zu retten sucht, der wird es verlieren.« (Lukas 17,33) Statt Panik ist also Geduld und Verstand gefragt.
Ich wünsche zu sagen, dass Gott uns offenbaren wird, wann die Zeit da ist, wenn die Verwendung von Milch, Sahne, Butter und Eier nicht mehr ungefährlich ist. In der Gesundheitsreform sind Extreme ungut. Die Milch-Butter-Eier-Frage wird sich von selbst lösen …« (Letter 37, 1901; Manuscript Releases 12, 168-178)
Die Verwendung von Eier- und Milchprodukten ist schon längst nicht mehr ungefährlich. Daran besteht kein Zweifel. Aber die Frage, was zu tun ist, wird sich ohne radikale Maßnahmen lösen lassen. Wir können mit dem Thema unverkrampft und unideologisch umgehen, uns gegenseitig zu Toleranz untereinander und positiven Reformen im Alltag ermutigen.
»Wir sehen, dass das Vieh immer kränker wird. Die Erde selbst ist verdorben und wir wissen, dass die Zeit kommt, wenn es nicht mehr das Beste ist, Milch und Eier zu verwenden. Aber diese Zeit ist [1901] noch nicht da. Wir wissen, dass der HERR dann für uns sorgen wird. Vielen ist die Frage wichtig: Wird Gott einen Tisch in der Wüste bereiten? Ich denke, dass wir mit Ja antworten können, Gott wird sein Volk mit Nahrung versorgen.
Einige sagen: Die Böden seien ausgelaugt. Die pflanzliche Kost enthalte nicht mehr die Fülle an Nährstoffen wie einst. Magnesium, Kalzium, Eisen, Zink, Selen und andere Mineralien seien nicht mehr in den Konzentrationen wie früher in der Nahrung vorhanden. Doch Gott wird sein Volk versorgen.
In allen Teilen der Welt wird dafür gesorgt werden, dass Milch und Eier ersetzt werden können. Der HERR wird uns wissen lassen, wann die Zeit gekommen ist, um diese Nahrungsmittel aufzugeben. Er möchte alle spüren lassen, dass sie einen gnädigen himmlischen Vater haben, der sie in allem unterweisen will. Der HERR wird seinem Volk in allen Teilen der Welt Künste und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Ernährung schenken und sie darin unterrichten, wie sie die Produkte des Bodens als Nahrung verwenden können.« (Brief 151, 1901; Counsels on Diet and Food, 359; Bewusst essen, 157)
Worin bestanden und bestehen diese Künste und Fähigkeiten? In der Entwicklung von Soja-, Sesam- und anderen hochwertigen Naturkostprodukten? Im Erstellen von Nahrungsergänzung in Tabletten- und Pulverform? In der Vermittlung von Kenntnissen zur milchsauren Vergärung von Gemüse, um die Darmflora positiv zu beeinflussen, die viele Nährstoffe zu Vitalstoffen verstoffwechselt? Oder in anderen Erkenntnissen? Darauf wird hier keine Antwort gegeben. Es wird nur zu Vertrauen und Wachsamkeit aufgerufen.
1902
»Milch, Eier und Butter sollten nicht mit Fleisch auf eine Stufe gestellt werden. In manchen Fällen ist der Verzehr von Eiern vorteilhaft. Die Zeit ist [1902] noch nicht gekommen, wo Milch und Eier ganz aufgegeben werden sollten … Die Ernährungsreform ist als voranschreitender Prozess zu sehen. Bringt den Leuten bei, wie man Nahrung ohne Milch und Butter zubereitet! Sagt ihnen, dass bald die Zeit kommen wird, wo wir Eier, Milch, Sahne oder Butter nicht mehr gefahrlos verwenden können, weil die Krankheiten der Tiere im selben Maße zunehmen wie die Bosheit unter den Menschen. Die Zeit ist nahe, wo aufgrund der Bosheit der gefallenen Menschheit die ganze Tierschöpfung unter den Krankheiten leiden wird, die unsere Erde verfluchen.« (Testimonies 7, 135-137; vgl. Zeugnisse 7, 130-132)
Wieder wird zur veganen Ernährung wegen der Tierkrankheiten geraten. Deshalb sollte die vegane Kochkunst heute zu den Grundfertigkeiten gehören. Tatsächlich hat Gott inzwischen genügend Wege gefunden, sie nach und nach in allen Teilen der Welt populär zu machen. Denn die ovo-lacto-vegetarische Ernährung ist gefährlich geworden. Ein eingeschränkter Milch- und Eierkonsum kann aber unter Umständen immer noch die gesündeste Alternative sein.
1904
»Als ich in Cooranbong einen Brief erhielt, in dem ich erfuhr, dass Doktor Kress im Sterben lag, wurde mir in der Nacht mitgeteilt, dass er seine Ernährung ändern muss. Ein rohes Ei zwei- oder dreimal am Tag würde ihm die Nahrung geben, die er dringend brauchte.« (Letter 37, 1904; Counsels on Diet and Food, 367; vgl. Bewusst essen, 163)
1905
»Wer nur ein Teilverständnis der Reformgrundsätze besitzt, ist oft viel strenger als andere bei der Umsetzung seiner Ansichten, aber auch bei der Missionierung seiner Familie und seiner Nachbarn mit diesen Ansichten. Die Wirkung falsch verstandener Reformen, die sich in seiner eigenen fehlenden Gesundheit zeigt, und sein Bemühen, anderen seine Ansichten aufzuzwängen, vermitteln vielen eine falsche Vorstellung von der Ernährungsreform, sodass sie diese völlig ablehnen.
Wer die Gesundheitsgesetze versteht und sich von Grundsätzen leiten lässt, wird sowohl das Extrem der Zügellosigkeit als auch das der Einengung meiden. Er wählt seine Ernährung nicht bloß aus, um seinen Gaumen zu befriedigen, sondern damit sein Körper Aufbaunahrung erhält. Er möchte seine Kräfte im besten Zustand wissen, damit er Gott und den Menschen bestens dienen kann. Seine Lust auf Essen steht unter der Kontrolle von Verstand und Gewissen, sodass er sich eines gesunden Körpers und Geistes erfreuen darf. Er wird anderen mit seinen Ansichten nicht lästig und sein Beispiel ist ein Zeugnis zu Gunsten der richtigen Grundsätze. Solch ein Mensch hat einen großen Einfluss zum Guten.
In der Ernährungsreform liegt gesunder Menschenverstand. Das Thema darf auf breiter Grundlage und in der Tiefe studiert werden, ohne dass der eine den anderen kritisiert, weil er nicht in allem mit der eigenen Handhabung übereinstimmt. Es ist unmöglich eine Regel ohne Ausnahme aufzustellen und so die Gewohnheiten jedes Einzelnen zu regulieren. Keiner sollte sich zum Maßstab für alle anderen machen … Aber Menschen, deren blutbildende Organe schwach sind, sollten auf Milch und Eier nicht völlig verzichten, vor allem wenn andere Nahrungsmittel nicht greifbar sind, die die notwendigen Elemente liefern könnten.
Ernährungsfragen haben sich in Familien, Gemeinden und Missionsorganisationen schon als großer Stolperstein erwiesen, weil sie den Spaltpilz in ein ansonsten gutes Team von Mitarbeitern brachten. Deshalb ist Behutsamkeit und viel Gebet beim Umgang mit diesem Thema gefragt. Niemand sollte aufgrund seiner Ernährungsform suggeriert bekommen, er sei ein Adventist oder Christ zweiter Klasse. Wichtig ist auch, dass unsere Ernährungsform uns nicht zu asozialen Wesen macht, die Geselligkeit meiden, um Gewissenskonflikten aus dem Weg zu gehen. Oder anders herum: dass wir Geschwistern, die aus irgendeinem Grund eine besondere Ernährungsform praktizieren, keine ablehnenden Signale senden.
Man sollte jedoch große Sorgfalt walten lassen, die Milch von gesunden Kühen und die Eier von gesunden Hühnern zu besorgen, die gut genährt und gut versorgt sind. Die Eier sollten so gekocht werden, dass sie besonders leicht verdaulich sind … Wenn die Krankheiten bei den Tieren zunehmen, werden Milch und Eier immer gefährlicher werden. Man sollte sich darum bemühen, sie durch gesunde und preisgünstige Dinge zu ersetzen. Überall sollen die Menschen lernen, wie man so weit wie möglich ohne Milch und Eier dennoch bekömmliche und wohlschmeckende Nahrung kocht.« (Ministry of Healing, 319-320; vgl. Auf den Fußspuren des großen Arztes, 257-259; Der Weg zur Gesundheit, 241-244/248-250)
Vereinen wir uns also in dem Bemühen, Menschen für die vegane Kochkunst zu gewinnen! Das ist ein Auftrag, der Adventisten ganz deutlich durch Ellen White kommuniziert wird. Achten wir jeder für sich persönlich auf seine Gesundheit, damit die Menschen uns unser Anliegen auch abnehmen können! Lassen wir uns in beiden Punkten von der selbstlosen Liebe Jesu leiten!
Zitatensammlung zuerst im Deutschen erschienen in Fundament, 5-2006
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