Wie Kinder und Jugendliche Gott im Alltag erfahren. Von Anika Luft
Es war an einem sehr heißen Tag. Ich wartete gerade auf den Schulbus, als eine ältere Frau an der Bushaltestelle vorbeikam. Sie warf einen kurzen Blick auf mich und blieb stehen. Ihr Herz schien überzufließen von tiefem Mitgefühl. Sie musterte mich kurz und sagte: »Du tust mir leid, du musst immer so lange auf den Bus warten!« Ich war erstaunt, dass sie mich so freundlich ansprach. Zu dieser Zeit hatte ich gerade die Grundschule abgeschlossen und begann mit der Realschule. Ich war ungefähr 11 Jahre alt. Zögernd sagte ich: »Ja, das stimmt.« Aber ich ging nicht weiter darauf ein, und die Frau ging weiter.
Während der 5. und 6. Klasse sah ich die Frau öfter, und immer, wenn ich sie sah, musste ich an diese Begegnung mit ihr denken. Während der folgenden zwei Jahre wirkte Gott sehr an meinem Herzen. Durch verschiedene Umstände entstand in mir der Wunsch, mehr auf Menschen zuzugehen und ihnen etwas von Jesus weiterzugeben. Aber ich hatte ein Problem: Ich hatte Angst aufzufallen! Ich war damals 13 Jahre alt und in der 7. Klasse. So bat ich Gott, mir diese Angst zu nehmen und die Frau, die so nett zu mir war, wieder an der Bushaltestelle vorbeizuschicken. Allerdings unter einer Bedingung: Ich wollte an diesem Tag allein an der Bushaltestelle sein, oder zumindest die erste. Tage, ja sogar Wochen verstrichen, aber ich sah die Frau nicht wieder. So vergaß ich meinen Entschluss. Aber die ganze Zeit über lagen in meiner Tasche immer gute Hefte zum Weitergeben bereit.
Es war Herbst geworden. Als ich von der Schule kam, pfiff mir der Wind um die Ohren. Plötzlich sah ich die ältere, kleine Frau den Weg vom Supermarkt zur Bushaltestelle nach oben kommen. Da fiel es mir wieder ein: »Ich hatte ja einen Entschluss gefasst! Oh nein, was sollte ich jetzt machen?« Ich zog einige Heftchen aus meiner Jackentasche, steckte sie aber nach kurzem Überlegen wieder ein. In meinem Herzen begann ein Kampf! Weil die Frau sehr langsam ging, hatte ich viel Zeit zum Überlegen. Würde ich die Gelegenheit nutzen, die Gott mir geschenkt hatte, oder würde ich wie schon so manches Mal kneifen? Ich war allein; diese Bedingung war also erfüllt! Gott hatte alles so gemacht, wie ich es erbeten hatte. Also zog ich die Heftchen wieder aus meiner Jackentasche und suchte mir das Heft »Die Einladung« heraus, ein Kapitel aus dem Leben Jesu von Ellen White. Die Frau kam immer näher. Ich drehte mich zur ihr um und sagte: »Entschuldigung, aber Sie hatten mich mal so nett angesprochen. Dafür möchte ich Ihnen gern dieses Heft schenken.« »Steck’s hier hinein!« antwortete sie und öffnete ihre Einkaufstüte. Mir fiel ein Stein vom Herzen! Sie hatte das Heft genommen!
Damals dachte ich, es wäre vielleicht meine letzte Begegnung mit ihr, aber es sollte anders kommen. Als ich wieder einmal an der Bushaltestelle stand, kam sie mit einer Geschenktüte daher. Sie überreichte mir die Tüte und sagte: «Du hast mir doch schon mal das schöne Heftchen gegeben. Ich möchte dir nun auch eine Freude machen!« Zuhause angekommen packte ich die Tüte aus. Ich fand einen Loop-Schal, eine Mütze und Stulpen darin. Alles passte farblich gut zusammen. So erlebte ich buchstäblich den Bibelvers aus Prediger 11,1, wo es heißt:
»Sende dein Brot übers Wasser, so wirst du es nach langer Zeit wiederfinden.«
Schreibe einen Kommentar