Die Aufgabe der Eltern ist es, sich selbst zu erziehen und auszubilden, damit sie auch ihre Kinder erziehen und ausbilden können. Eltern haben ja ihre eigenen erblichen Neigungen an ihre Kinder weitergegeben. Wenn sie sich also im Spiegel der Neigungen ihrer Kinder entdecken, sollten sie auch mit sich selbst konsequent sein, Jesus ihre Herzenstür öffnen und sich von seiner Liebe und Gnade erfassen lassen, damit sie seinen Willen tun und seine Wege gehen. Dann können sie auch ihren Kindern göttliche Anleitung geben.
Es ist ein Fehler, wenn Eltern auf jeden kleinen Fehler im Verhalten ihrer Kinder achten. Sie dürfen nicht ständig kritisiert werden. Doch wenn sie sehen, dass sich falsche Charakterzüge entwickeln, dann gilt es, alles daranzusetzen, das Falsche zu korrigieren, und zwar indem sie die genau entgegengesetzten Charakterzüge stärken. Wer diesen unangenehmen Entwicklungen mit grober Hand entgegentritt und mit den Kindern zu kämpfen anfängt über ihre anstößigen Charakterzüge, der fügt beim Versuch, ein Übel zu beseitigen, leicht noch ein zweites hinzu. Wenn Kinder zum Bösen neigen, ist es wichtig, ihre Gedanken von dem abzulenken, was ihre positive Entwicklung stört, und ihr Interesse in andere Bahnen zu lenken.
Beispiel Blumenzucht
Was ist bei der Zucht von Edelnelken, -rosen oder -lilien zu beachten? Der Gärtner weiß, womit er das Wachstum jedes Zweiges und Blattes so beeinflussen kann, dass Symmetrie und Formvollendung entstehen. Er weiß, dass es kein fester Griff oder Gewaltakt war – das hätte die Zweige nur zerbrochen –, sondern kleine, oft wiederholte Aufmerksamkeiten. Er feuchtete die Erde und schützte die Pflanzen vor starkem Wind und der brennenden Sonne, während Gott durch seine wunderbare Macht die Pflanzen wachsen ließ, bis sie in voller Pracht aufblühten. Man kann Eltern nur raten, bei ihren Kindern die Gärtnermethode anzuwenden. Wenn Jesu Gnade in ihren Herzen wirkt, werden sie sich bemühen, ihre Kinder auf vielfältige Art und Weise zu erziehen und auszubilden, um ihren Charakter nach dem göttlichen Modell zu formen. Eltern sollten erst ruhen, wenn sie das Bild des Göttlichen im Wesen ihrer Kinder sehen können. Dann dürfen sie alle Ehre für ihren Erfolg Gott geben, weil sie als Väter und Mütter durch Jesu Gnade zur Kindererziehung weise gemacht wurden.
Atmosphäre schaffen
Wo die Liebe zwischen Mann und Frau sowie Eltern und Kindern nicht gepflegt wird, kann kein glückliches Zuhause sein. Wenn die Eltern sich um sich selbst drehen und die Kinder in einer Atmosphäre heranwachsen, in der die Liebe nicht mit Worten und Taten der Zuneigung ausgedrückt wird, gilt es, die Atmosphäre daheim so schnell wie möglich zu ändern: Ihr Männer, liebt eure Frauen und ihr Frauen, ehrt eure Männer! Der Rettungsplan wurde gelegt, um den natürlichen Charakter umzuwandeln und ihn nach dem göttlichen Bild zu gestalten. Wenn Jesu Gnade ins Herz aufgenommen wird, erweicht sie alles Harte und besänftigt alles Raue und Unfreundliche. Dann wird daheim in allen Angelegenheiten ein höflicher Umgang herrschen. Vater und Mutter sind ja selbst nichts anderes als erwachsene Kinder. Zwar scheint großes Licht auf ihren Weg und sie haben viel Erfahrung. Dennoch entsteht selbst in ihrem Herzen so leicht Neid, Eifersucht und Argwohn! Ihre eigenen Fehler sind Grund genug zu lernen, bei Fehlverhalten der Kinder behutsam mit ihnen umzugehen.
Große Auswirkungen
Unser Verhalten daheim wird minutiös in den himmlischen Büchern verzeichnet. Die Heiligen des zukünftigen Himmels sind in ihren eigenen Familien auf Erden Heilige geworden. Wenn Väter und Mütter daheim echte Christen sind, werden sie auch fähige Gemeindeglieder sein. Dann können sie auch die Aufgaben in Gemeinde und Gesellschaft genauso gut erfüllen wie ihre familiären Angelegenheiten. Unser Glaube darf also für uns Eltern nicht nur ein Bekenntnis sein. Er soll Wirklichkeit werden! Sowie die Wahrheit ins innere Seelenheiligtum gebracht wird, hat sie aufs Leben eine wunderbare und starke Wirkung. Sie vertreibt Selbstliebe, Selbstnachsicht, hitziges und gereiztes Temperament, Empfindlichkeit und Stolz. Denn diese Dinge verbannen Jesus aus dem Herzen. Kommen sie im Leben zum Zuge, können bekennende Christen die tiefe Freude nicht erleben, die Jesu Diener frei macht. Wer sagt, er liebe die Wahrheit, setzt sie im praktischen Leben aber nicht um, der trägt ein schweres Joch. Er hält die Wahrheitsprinzipien für richtig, lebt sie jedoch nicht aus. Dadurch verliert er seinen Einfluss. Er ist den verschiedenen Launen seines eigenen natürlichen Charakters ausgeliefert und bringt Gott um den Dienst, für den dieser ihn mit Jesu kostbarem Blut erworben hat.
Erst wenn Christlichkeit ins Herz gepflanzt wird, kann sie das Leben steuern, denn das zu korrigierende Böse befindet sich im Herzen. Äußerlich fromm zu sein, ohne heilig dem HERRN zu sein, reicht nicht. Das wäre, wie wenn man den Becher nur außen spült, aber innen schmutzig lässt. Ein Glaube an Lehren, wie rein sie auch seien, kann keine Seele vor dem Tod bewahren, es sei denn, diese Lehren werden in Berührung mit dem Leben gebracht. Nur durchs Ausleben der Wahrheit wird das Herz rein.
Ungeteilte Hingabe
Ihr Eltern, studiert die Bibel, wenn ihr erfahren wollt, wie ihr eure Kinder in der »Unterweisung und Ermahnung« des HERRN erziehen könnt (Epheser 6,4 Fußnote)! Ihr könnt eure Kinder nicht weiter so ruckartig erziehen und gleichzeitig als treu und gewissenhaft vor Gott gelten. Kümmert euch um die Kinderseelen, für die ihr verantwortlich seid! Betrachtet es als eure Aufgabe vor Gott, eure Kinder zu nützlicher Arbeit auszubilden! Wenn sie ein Leben führen, in dem das Vergnügen zum Selbstzweck geworden ist, sind sie der Versuchung ausgesetzt. Bringt euren Kindern ordentliche Gewohnheiten bei, indem ihr sie lehrt, ihrem Alter entsprechend Verantwortung zu übernehmen! Erzieht sie zu Sparsamkeit, indem ihr ihnen beibringt, sich in ihren Bedürfnissen einzuschränken und ihre Schwäche für Kleidung und Urlaubsfreuden im Griff zu haben.
Eltern, die sich zur Wahrheit bekennen, sollten sich ernsthaft um die Rettung ihrer Kinder bemühen, indem sie in Wort und Tat vermitteln, dass »die Furcht des HERRN … der Anfang der Weisheit« ist (Psalm 111,10). Wirkt dabei mit Gott zusammen! Er sieht das Herz an. Haben die Eltern Gott ihr ganzes Herz übergeben? Schätzen die Eltern die unzähligen Segnungen, die er ihnen schenkt? Erziehen sie sich selbst, indem sie Gott Dankopfer bringen für alle seine Segnungen, bis ihre Liebe auf Himmlisches gerichtet ist statt auf Irdisches? Das Herz ist die Festung des gesamten Menschen. Solange es nicht ganz auf der Seite des HERRN steht, wird der Feind es zu seiner Festung machen. Keine menschliche Kraft kann ihn vertreiben; nur dem HERRN kann dies gelingen.
Es gibt zahlreiche bekennende christliche Eltern, die mit so vielen anderen Dingen beschäftigt sind, dass im Seelentempel für Jesus kein Platz mehr ist. Sie dienen ihren Idolen mit einer Hingabe, die allein Gott zukommen dürfte. Die Herzenstür ist für die Wahrheit verschlossen und Jesus wird im Geist, im Charakter und in den Handlungen falsch repräsentiert. Ihre Kinder sind unbekehrt, starrköpfig, lieben das Vergnügen und sind kein Aushängeschild für die Wahrheit. Wenn einige dieser jungen Leute durch Krankheit sterben würden, ohne vorher Gelegenheit zur Reue gehabt zu haben, wären sie verloren, für immer verloren. Sie schwelgen in weltlichen Torheiten und Vergnügungen, die sie nicht zur Gemeinschaft mit den himmlischen Engeln befähigen. Menschen gehen zugrunde, weil sie mit Gott und Jesus Christus, den er gesandt hat, keine praktischen Erfahrungen machen. Viele hören das Evangelium, nehmen es aber deshalb nicht als Wahrheit an, weil ihre Eltern sich den praktischen Glauben vom Leibe hielten. So bleibt die frohe Botschaft, die eigentlich jede Seele erwecken müsste, ohne Wirkung auf sie. Sie werden auf das Lamm Gottes hingewiesen, das die Sünden der Welt trägt, sagen aber, morgen sei noch genügend Zeit. Die Zaubermacht der Sünde hat sie fest im Griff. Da sie nicht Jesus und der Welt gleichzeitig dienen können, entscheiden sie sich für die Sünde und erhalten eben auch den entsprechenden Lohn.
Meine lieben Geschwister, wollen wir nicht zum Himmel blicken? Wollen wir nicht die hellen Strahlen der Gerechtigkeitssonne in die Gemächer unseres Herzens einlassen? Wollen wir nicht die Herzenstür für Jesus öffnen? Unter seinen Flügeln ist Heilung! Er wird die Freundlichkeit und Liebe in unseren Herzen entstehen lassen, die in unseren Familien gehegt werden und zu sehen sein sollte. Diese Liebe wird nicht nur unser Zuhause erfassen, sondern zu allen um uns her in der Gemeinde und in der Welt ausströmen. Das soll kein Plädoyer für weltliche Höflichkeit sein, sondern für die Höflichkeit, die jeder mit sich in die Wohnungen der Gesegneten nehmen darf.
Welches Licht der Sanftmut und Schönheit strahlte doch aus dem täglichen Leben unseres Retters und aus allen Kontakten, die er pflegte! Eine so vollkommene Illustration echter Höflichkeit wie Jesu beispielhaftes Leben hatte es nie zuvor gegeben. Er lädt die Eltern ein, zu ihm zu kommen und von ihm zu lernen, denn er ist sanftmütig und von Herzen demütig. Er sagt zu den Kindern: »Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes!« (Markus 10,14) Schickt sie nicht zu den Rabbinern, schickt sie nicht zu den Pharisäern, sondern bringt die kleinen Kinder zur Unterweisung und Erziehung zu Jesus!
Aus: Signs of the Times, 7. Mai 1894
Zuerst im Deutschen erschienen in Unser festes Fundament, 5-2004, S. 16-17.
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