Von der Weisheit Menschenherzen zu erreichen: Sich Türen offenhalten

Von der Weisheit Menschenherzen zu erreichen: Sich Türen offenhalten
Adobe Stock - Elena Schweitzer

Was wir vom Apostel Paulus lernen können. Von Ellen White

Zur Seelengewinnung ist Taktgefühl und Weisheit erforderlich. Der Heiland unterdrückte nie die Wahrheit, aber er sagte sie stets in Liebe. In seinem Umgang mit andern war er sehr einfühlsam, immer freundlich und rücksichtsvoll. Er wurde nie grob, sprach nie unnötigerweise ein strenges Wort, verursachte keinem empfindsamen Menschen unnötig Schmerz.

Menschliche Schwachheit tadelte er nicht. Dafür rügte er furchtlos Heuchelei, Unglauben und Sünde; die scharfen Worte des Tadels aber sprach er mit Tränen in den Augen aus. Er ließ die Wahrheit nie grausam erscheinen, sondern bekundete immer seine tiefe Zuneigung zu den Menschen. Jede Seele war ihm wertvoll. Er trat mit göttlicher Würde auf, beugte sich aber mit äußerst liebevollem Mitgefühl und großer Achtung zu jedem Mitglied der Gottesfamilie hinab. Alle Menschen waren für ihn Seelen, die es zu retten galt.

Paulus war taktvoll

Der Prediger soll nicht meinen, dass den Ungläubigen die ganze Wahrheit auf einmal und bei jeder Gelegenheit gebracht werden müsse; er sollte sorgfältig abwägen, wann er spricht, was er sagt und was er lieber unerwähnt lässt. Das hat nichts mit Täuschung zu tun; auch Paulus ging so vor. »Denn obwohl ich frei bin von jedermann«, schrieb er an die Korinther, »habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden … damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi –, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.« (1. Korinther 9,19-22)

Paulus begegnete den Juden nicht so, dass er ihr von Vorurteilen geprägtes Misstrauen erregte. Er sagte ihnen nicht gleich, dass sie an Jesus von Nazareth glauben müssten, sondern sprach zunächst von den Prophezeiungen, die vom Messias, von seiner Mission und seinem Werk redeten. Schritt für Schritt führte er seine Zuhörer weiter und zeigte ihnen, wie wichtig es ist, Gottes Gesetz zu ehren. Er zollte dem Zeremonialgesetz die gebührende Achtung und zeigte, dass Jesus das jüdische System und den Opferdienst eingesetzt hatte. Allmählich kam er dann zur ersten Ankunft des Erlösers und bewies, wie sich im Leben und Sterben Jesu jede Einzelheit des Opferdienstes erfüllt hatte.

Bei den Nichtjuden pries Paulus zuallererst Jesus und erklärte ihnen erst dann die verbindlichen Forderungen des Gesetzes. Er zeigte, wie das vom Kreuz auf Golgatha reflektierte Licht dem gesamten jüdischen System Bedeutung und Glanz verlieh.

So wirkte der Apostel auf unterschiedliche Weise und passte seine Botschaft den gegebenen Verhältnissen an. Nach geduldiger Arbeit war er dann auch sehr erfolgreich, obwohl es trotzdem viele gab, die sich nicht überzeugen ließen. Auch heute finden sich viele, die man auf keinem Weg von der Wahrheit überzeugen kann. Gottes Mitarbeiter suchen jedoch nach der besten Methode, um weder auf Vorurteilen beruhendes Misstrauen noch Streitlust zu erregen. Gerade hier haben einige Fehler begangen. Indem sie ihrer eigenen Neigung folgten, haben sie Türen verschlossen, durch die sie mit einer anderen Methode Herzen gewonnen hätten und durch diese wiederum noch mehr Herzen.

Gott zu dienen, heißt vielseitig zu sein, nicht in einer einseitigen, klischeehaften Weise zu arbeiten, ohne Verständnis dafür, dass es die Wahrheit auf verschiedene Weise zu bringen gilt, und zwar je nach Zielgruppe und Situation.

Der Prediger steht vor einer schwierigen Aufgabe, wenn er auf Abneigung, Bitterkeit und Widerstand stößt. Vor allem braucht er die im folgenden beschriebene Weisheit. Sie ist »zuerst lauter, dann friedfertig, gütig, lässt sich etwas sagen, ist reich an Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei« (Jakobus 3,17) So wie der Tau und die milden Regenschauer sanft die kümmernden Pflanzen benetzen, so behutsam können seine Worte sein, wenn er die Wahrheit verkündet. Er will Seelen ja gewinnen, nicht abstoßen. Auch in Fällen, in denen er keine Erfahrung hat, ist geschicktes Handeln gefragt.

Viele Menschen sind durch die fehlende Geschicklichkeit und Weisheit der Diener Christi auf verkehrte Wege geraten und dadurch dem Reich Gottes verloren gegangen. Taktgefühl und gutes Urteilsvermögen vergrößern die Nützlichkeit des Mitarbeiters hundertfach. Spricht er die rechten Worte zur passenden Zeit und zeigt er den richtigen Geist, dann wird er einen wohltuenden Einfluss auf das Herz dessen ausüben, dem er versucht zu helfen.

Neulandmission

Arbeiten wir in neuen Feldern, so brauchen wir nicht zu meinen, es sei unsere Pflicht, den Zuhörern sofort zu sagen: Wir sind Siebenten-Tags-Adventisten; wir glauben, dass der siebente Tag der Sabbat ist; wir glauben nicht an die Unsterblichkeit der Seele. Das würde oft eine abschreckende Schranke zwischen uns und denen aufrichten, die wir zu erreichen suchen. Sprechen wir doch, wenn sich die Gelegenheit bietet, mit ihnen über Lehrpunkte, in denen wir übereinstimmen! Betonen wir die Notwendigkeit des praktischen Glaubens. Stellen wir unser Christsein unter Beweis, unsere friedvollen Absichten und unsere Liebe. Lassen wir sie sehen, dass wir gewissenhaft handeln. Auf diese Weise gewinnen wir ihr Vertrauen. Für die Lehren ist später noch genug Zeit. Zuerst gewinnt man das Herz, bereitet den Boden vor und dann sät man den Samen, indem man die Wahrheit liebevoll bringt, so wie sie in Jesus Christus ist. Gott hilft denen, die ihn um Weisheit bitten. Anstatt auf Gelegenheiten zu warten, gilt es, sie zu suchen und stets bereit zu sein, die eigene Hoffnung zu begründen. Bleibt das Herz des Dieners Jesu im Gebet zu Gott erhoben, so werden ihm die rechten Worte zur rechten Zeit geschenkt.

Versuchen wir hingegen, andere zurechtzuweisen oder zu ändern, sollten wir sehr vorsichtig mit unsern Worten sein, denn sie sind ein Geruch des Lebens zum Leben oder des Todes zum Tode. Viele sprechen, wenn sie einen Tadel oder Rat erteilen, in scharfen und strengen Worten, die verwundete Seelen nicht heilen können. Solche unpassenden Ausführungen verärgern die Gemüter und rufen in den Fehlgeleiteten Empörung hervor.

Wer die Grundsätze der Wahrheit vertreten will, benötigt das himmlische Öl der Liebe. Ein Tadel muss unter allen Umständen in Liebe ausgesprochen werden. Dann dienen Worte zur Besserung und verärgern nicht. Jesus wird durch seinen Heiligen Geist den Worten Kraft und Nachdruck verleihen. Das ist seine Aufgabe.

Aus: Gospel Workers 1915. Washington, D.C.: Review and Herald Publishing Association, 1948, p. 116-120; vgl. Diener des Evangeliums, Hamburg: Advent-Verlag (o. J.), S. 102-106.

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