Missverständnis gelöst, Lüge entlarvt! Von Ellen White
Bei Jesu erstem Kommen bedeckte tiefe Finsternis das Erdreich und Dunkel die Völker (Jesaja 60,2). Licht und Wahrheit schienen die Menschen verlassen zu haben; Satan schien unangefochten zu regieren. Rivalisierende Sekten existierten, und unter denen, die sich Gottes Diener nannten, offenbarte sich Überlegenheitslust sowie Macht- und Positionsstreben. Menschenseelen, die sich nach Licht sehnten, waren völlig ratlos und voller Kummer. Viele seufzten: »Was ist Wahrheit?« (Johannes 18,38) Es herrschte Unkenntnis. Doch viele suchten nach etwas Besserem, nach Licht, das die moralische Finsternis der Welt erhellen würde. Sie sehnten sich danach, den lebendigen Gott zu erkennen und fest an ein Leben nach dem Grab zu glauben.
Der verheißene Messias
Unter den Nichtjuden gab es Männer, die voraussagten, ein inspirierter Lehrer würde mit der Wahrheit kommen. Und unter den Juden gab es Personen, die sich ihre Unbescholtenheit bewahrt hatten und mit großer Erwartung das verlässliche prophetische Wort lasen, das auf die Ankunft des Erlösers hinwies. Sie freuten sich über die Verheißung Gottes an seinen Knecht Mose: »Ich will ihnen einen Propheten, wie du es bist, aus der Mitte ihrer Brüder erwecken und meine Worte in seinen Mund legen; der soll alles zu ihnen reden, was ich ihm gebieten werde. Und es wird geschehen, wer auf meine Worte nicht hören will, die er in meinem Namen reden wird, den will ich dafür zur Rechenschaft ziehen!« (5. Mose 18,18.19)
Sie lasen, wie der HERR ihn salben wird, »den Armen frohe Botschaft zu verkünden … zu verbinden, die zerbrochenen Herzens sind, den Gefangenen Befreiung zu verkünden und Öffnung des Kerkers den Gebundenen, um zu verkündigen das angenehme Jahr des HERRN« (Jesaja 61,1.2). Sie lasen, wie »er auf Erden das Recht« gründen würde, »und die Inseln … auf seine Lehre warten«, »wie Heidenvölker … zu seinem Licht kommen, und Könige zu dem Glanz, der über ihm aufgeht« (Jesaja 42,4; 60,3).
Schlichteste Umstände
Genau so, wie es die Prophetie vorhergesagt hatte, kam der Messias dann auch. Er war der »Weg, die Wahrheit und das Leben« (Johannes 14,6) und die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit vertrieben die moralische Finsternis. Die aufrichtigen Herzen erkannten die Wahrheit. Da ihm der äußere Glanz und weltliche Größe fehlten, äußerte sich das Volk aber abfällig über ihn. Zweifel und Kritik trafen ihn von allen Seiten. Doch Jesus selbst hatte sich die Umstände für sein Leben ausgewählt. Er hatte sich die bescheidensten Umstände ausgesucht, die es in der Gesellschaft gab. Zwar war er die himmlische Majestät und wusste, dass man die Welt mit Prachtentfaltung beeindrucken konnte, mit Glanz und Größe; doch Jesus ehrte alle, auf die diese Welt mit Verachtung herabsieht. Jesu Geburtsort hatte keinerlei Bequemlichkeiten geschweige denn Reichtümer oder Luxus zu bieten. Sein ganzes Leben auf dieser Welt passte zu den bescheidenen Umständen seiner Kindheit.
Der Heiland der Welt wollte, dass nichts Irdisches die Menschen zu ihm ziehen würde. Allein das Licht und die Schönheit der himmlischen Wahrheit sollte die Anziehungskraft darstellen. Mit äußerem Glanz, mit weltlicher Ehre, von der sich Menschen beeindrucken lassen, würde er sich nicht umgeben. Er war für jedermann zugänglich und lehrte die reinen, erhabenen Grundsätze der Wahrheit als das Einzige, was Aufmerksamkeit verdient.
Übernatürliche Zeichen
Obwohl er unter so schlichten Verhältnissen auf die Welt kam und so anspruchslos lebte, ließ Gott ihn nicht ohne Zeugen: Die Himmelsfürsten ehrten ihn. Wunder am Himmel und Zeichen auf Erden bezeugten seine Macht und Majestät. Bei seiner Taufe hörten die Umstehenden eine Stimme vom Himmel: »Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.« (Matthäus 3,17) Das helle Licht Gottes umgab ihn in Gestalt einer Taube aus glänzendem Gold. Johannes erklärte: »Das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, sollte in die Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, doch die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.« (Johannes 1,9-11)
Repräsentant des unsichtbaren Gottes
Jesus kam, um den Vater zu repräsentieren. In ihm sehen wir das Bild des unsichtbaren Gottes. Er umhüllte seine Göttlichkeit mit Menschlichkeit und kam in die Welt, um die falschen Ideen zu zerstreuen, die Satan in den Köpfen der Menschen über Gottes Charakter hatte wuchern lassen. Wir hätten Gottes Glanz nicht sehen können, ohne zu sterben, wenn er nicht in Jesus verschleiert gewesen wäre. Doch da er in ein menschliches Gewand gehüllt war, können wir uns unserem Erlöser nähern. Wir werden aufgefordert den HERRN, unseren Vater, in der Person seines Sohnes zu schauen. Jesus kam im Gewand des Fleisches, sein Glanz war durch seine menschliche Gestalt gedämpft. Auf diese Weise konnte der verlorene Mensch mit ihm kommunizieren, ohne zu sterben. Durch Jesus können wir etwas von dem verstehen, der »herrlich in Heiligkeit« ist (2. Mose 15,11). Jesus ist die mystische Leiter, die wir ersteigen können, um den Glanz des unendlichen Gottes zu schauen. Im Glauben sehen wir Jesus, der zwischen Mensch und Gott steht und Gott mit dem Menschen verbindet, die Erde mit dem Himmel.
Satans Gegenangriff
Jesus kam, um den gefallenen Menschen zu retten. Satan stellte sich ihm mit erbittertem Zorn auf dem Schlachtfeld entgegen. Denn der Feind wusste, dass der Mensch mit Macht und Verstand ausgerüstet wird, sobald göttliche Stärke zur menschlichen Schwäche hinzukommt. Dann könnte er aus der Gefangenschaft ausbrechen, in der er ihn gefangen hielt. Satan suchte jeden Lichtstrahl von Gottes Thron abzufangen. Er suchte seinen Schatten auf die Erde zu werfen, damit Menschen die wahren Bilder von Gottes Charakter wieder aus den Augen verlieren und die Erkenntnis Gottes auf der Erde ausstirbt. Er hatte lebenswichtige Wahrheit so mit Irrtum vermischt, dass sie ihre Bedeutung einbüßte.
JHWHs Gesetz wurde mit nutzlosen Forderungen und Traditionen belastet; Gott wurde als strenger, fordernder, rachsüchtiger und willkürlicher Herrscher dargestellt. Er wurde als ein Gott beschrieben, der Freude an den Leiden seiner Geschöpfe hat. Genau die Eigenschaften, die Satans Charakter ausmachten, lastete der Böse Gott an.
Gottes lebendige Verkörperung
Jesus kam, um die Menschen über den Vater aufzuklären, ja um ihn richtig vor den gefallenen irdischen Kindern zu repräsentieren. Engel konnten Gottes Charakter nicht vollkommen darstellen; aber Jesus, Gottes lebendiger Verkörperung, konnte diese Aufgabe nicht misslingen. Nur indem er sich ihren Augen sichtbar und vertraut machte, konnte er die Menschen wieder auf den richtigen Kurs bringen und ihnen helfen, Kurs zu halten. Damit der Mensch das Heil empfängt, kam er direkt zum Menschen und wurde einer von ihnen.
Gottes wahres Wesen
Der Vater offenbarte sich in Jesus als ein Wesen, das völlig verschieden ist von dem Wesen, das Satan von ihm zeichnet. Jesus sagte: »Niemand erkennt den Vater als nur der Sohn und der, welchem der Sohn es offenbaren will.« (Matthäus 11,27) Die Liebe, die Jesus für das gefallene Geschlecht zeigte in seinem Leben der Selbstverleugnung und Leiden, ist die Offenbarung der Liebe des Vaters für die sündige und gefallene Welt. Jesus ertrug Schande, Kummer und Tod für alle, die seine Liebe verachten und seine Barmherzigkeit mit Füßen treten. Mit seinem eigenen Blut bezahlte er am Kreuz von Golgatha die Schuld für die Übertretung des Menschen.
Satans Strategie
Die Menschen seines eigenen Volkes, die Führer der Nation, waren so von den Täuschungen Satans gefangen, dass der Erlösungsplan für das gefallene Geschlecht ihnen unverständlich und unerklärlich schien. Der Mensch war Gottes Kunstwerk, geschaffen nach seinem Bilde, ausgestattet mit Gaben und für ein höheres Schicksal bestimmt. Doch Satan arbeitet daran, Gottes Bild auszuradieren und dem Menschen stattdessen sein eigenes Bild aufzuprägen.
Das ultimative Himmelsgeschenk
Jesus erniedrigte und demütigte sich, nahm die menschliche Natur auf sich und durch die Vereinigung Gottes mit dem Menschen suchte er den moralischen Wert des Menschen zu heben. Der ganze Himmel wurde in dem Geschenk ausgegossen, das Gottes lieber Sohn darstellte. Durch den Glauben an ihn kann der Sünder gerecht werden, und Gott kann gerecht bleiben, wenn er den Sünder gerecht macht. Denn Jesus hat die Sünden der Reumütigen gesühnt.
Ein unbegreifliches Geheimnis
Der einzige Plan, der gelegt werden konnte, um das Menschengeschlecht zu retten, war der Plan der Fleischwerdung, Erniedrigung und Kreuzigung des Gottessohnes, der himmlischen Majestät. Nachdem der Heilsplan feststand, hatte Satan keinen Grund mehr zu behaupten, Gott sei zu groß, als dass er sich um eine so unbedeutende Kreatur wie den Menschen kümmere. Die Erlösung des Menschen ist ein wunderbares Thema, auch die Liebe, die im Heilsplan für das gefallene Geschlecht offenbar wird. Sie kann nur am Kreuz von Golgatha gemessen werden. Die Tiefe dieser Liebe können selbst die Engel nicht ausloten. Dass Gott einwilligte, Fleisch zu werden und unter gefallenen Wesen zu wohnen, sie aus ihrer Hilflosigkeit und Verzweiflung zu heben, ist ein unbegreifliches Geheimnis. Er, dessen Reich ewig bleibt, dessen Herrschaft alle Generationen überdauert, machte sich selbst zur Sünde für uns, damit er alle erhöhe, die sich niederbeugen, und allen Leben schenke, die dem Tode geweiht sind.
Geoffenbarte Wahrheit und Liebe
Mögen doch die Menschen ihre Herzen öffnen und Gott so erkennen, wie ihn sein Sohn offenbart hat! Von menschlicher Philosophie unverdorben strömte die Wahrheit von Jesu Lippen. Seine Worte kamen vom Himmel. Nie hatten sterbliche Lippen solche Worte gesprochen, nie sterbliche Ohren sie gehört. Sein Herz war ein Altar, auf dem die Flamme unendlicher Liebe brannte. Güte, Barmherzigkeit und Liebe saßen in der Brust des Gottessohnes auf dem Thron. Mitten im menschlichen Lager richtete er seine Stiftshütte auf, neben den Zelten der Menschen schlug er sein Zelt auf, damit er unter ihnen wohne und sie mit seinem göttlichen Charakter und seiner übermenschlichen Liebe vertraut mache.
Der Tempel des lebendigen Gottes
Keiner kann Jesus lieben und ihm Ehre erweisen, ohne nicht zugleich dem unendlichen Gott zu dienen und ihn zu ehren. Alle, die Jesu Wesen und Auftrag wertschätzten, wurden mit Ehrfurcht und Staunen erfüllt, wenn sie ihn anschauten und spürten, dass sie den Tempel des lebendigen Gottes vor Augen hatten. Soldaten wurden gesandt, um den Sohn Gottes festzunehmen und den Tempel, in dem Gott wie in einem Schrein wohnte, zu zerstören. Doch als sie sich ihm näherten und die Worte göttlicher Weisheit hörten, die aus seinem Mund hervorgingen, waren sie fasziniert. Die Macht und Vorzüglichkeit seines Unterrichts erfüllte ihre Herzen und Sinne, und sie vergaßen völlig, weshalb sie eigentlich gekommen waren. Jesus offenbarte sich ihren Herzen. Göttlichkeit leuchtete durch seine menschliche Gestalt hindurch und sie kehrten so erfüllt mit diesen Gedanken zurück, so fasziniert von den Ideen, die er dargelegt hatte, dass die Führer Israels fragten: »Warum habt ihr ihn nicht gebracht?« Sie antworteten: »Nie hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch!« (Johannes 7,45.46) Sie hatten gesehen, was Priester und Führer nicht sehen wollten: einen Menschen, der von göttlichem Licht und Glanz durchdrungen war. Wer diesen Glanz schaut, der wird sich zu Jesus hingezogen fühlen, ihn lieben und den Vater, den er repräsentierte.
Es ist vollbracht: Alles Lob gehört Gott!
Jesus erhöhte Gottes Charakter. Ihm gab er alles Lob, ihm zollte er Anerkennung. Darin bestand der ganze Zweck seines Auftrags: Gott zu offenbaren und dadurch den Menschen wieder auf den rechten Weg zu bringen. In Jesus wurden dem Menschen die väterliche Gnade und die unübertreffliche Vollkommenheit des Vaters vor Augen gestellt. In seinem Gebet kurz vor seiner Kreuzigung erklärte er: »Ich habe deinen Namen … offenbar gemacht« »Ich habe dich verherrlicht auf Erden; ich habe das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tun soll.« (Johannes 17,6.4) Als das Ziel seines Auftrags erreicht war – Gott der Welt zu offenbaren – erklärte Gottes Sohn, dass sein Werk vollbracht sei und nun das Wesen des Vaters den Menschen offenbart ist.
Aus: Ellen White: »God Made Manifested in Christ«, in: Signs of the Times, 20. Januar 1890.
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