Zehn Tage Gemüse und Wasser waren nicht der einzige Grund für Daniels überragende Geistesleistungen. Von Alonzo Jones
Der richtige Stellenwert der Bibel in der Erziehung wird deutlich, wenn man drei Dinge erkennt: Die Bibel ist ein ausgesprochen pädagogisches Buch. Sie verfolgt ein klares pädagogisches Ziel und sie ist dem Prinzip einer ganzheitlichen Erziehung verpflichtet.
Dass dies alles auf die Bibel zutrifft, zeigt ihr Inhalt zu Genüge. Um dies auf möglichst begrenztem Raum zu verdeutlichen, greifen wir uns ein Bibelbuch heraus, das gleich in mehrfacher Hinsicht ein zentrales Bibelbuch ist: das Buch Daniel.
Das Buch Daniel wurde besonders für die letzten Tage geschrieben; denn als Daniel dem König Nebukadnezar seinen großartigen Traum erklärte, sagte er, Gott habe »dem König Nebukadnezar kundgetan, was in künftigen Zeiten geschehen soll« (Daniel 2,28). Der Engel erläuterte bei der Erklärung der Visionen, dass er Dinge verständlich machen würde, die Gottes Volk »am Ende der Tage« (Daniel 10,14) erleben würden. Am Schluss des Buches wurde Daniel befohlen, »diese Worte [zu verbergen] und dies Buch [zu versiegeln] bis auf die letzte Zeit« (Daniel 12,4); »geh hin, Daniel, denn es ist verborgen und versiegelt bis auf die letzte Zeit« (Daniel 12,9).
Demnach ist das Buch Daniel besonders für die letzten Tage bestimmt und enthält für sie besonders bedeutungsvolle Prinzipien und Prophezeiungen, darunter vor allem die pädagogischen Grundsätze. Diese Prinzipien wurden gegeben, um die Menschen in den letzten Tagen der Erde aus Katastrophen und Zerstörung zu retten, die die Katastrophen und die Zerstörung Babylons um ein Vielfaches übertreffen. Wer diese Prinzipien ignoriert, bringt so viel mehr Unheil über sich, wie globale Zerstörung mehr als lokale Zerstörung ist und ewiges Verderben mehr als irdisches Verderben.
Körperliche und geistige Fitness
Als Nebukadnezar, der König von Babylon, Jerusalem zum ersten Mal eroberte, »befahl [er] Aspenas, dem Obersten seiner Eunuchen, dass er ihm etliche von den Söhnen Israels bringen solle, die von königlichem Samen und von den Vornehmsten sein sollten, junge Männer ohne Makel, schön von Gestalt und klug in aller Weisheit, einsichtsvoll und des Wissens kundig, die tüchtig wären, im Palast des Königs zu dienen, und dass man sie in der Schrift und Sprache der Chaldäer unterwiese.« (Daniel 1,3.4)
»Ohne Makel« und »schön von Gestalt« – das erforderte, dass sie körperlich gesund, gut gebaut und ebenmäßig sein sollten.
Die Wörter, die in Vers 4 mit »Weisheit«, »Einsicht« und »Wissen« übersetzt werden und auf Hebräisch da’at, madda und chokhma lauten, sind eng verwandt, wobei das zweite die Bedeutung des ersten erweitert, und das dritte die Bedeutung des zweiten. Das Wort, das mit »Weisheit« wiedergegeben wird, bedeutet »Kenntnis, Verstehen und Intelligenz«, also das Vermögen festzustellen, welches Wissen nützlich ist und die Fähigkeit und Kapazität solch ein Wissen zu erwerben.
Das mit »Einsicht« übersetzte Wort bezieht sich auf »Verstand oder Denken« und meint ein Wissen, das durch Denken und praktische Anwendung erworben wurde.
Das Wort, das mit »Wissen« übersetzt ist, bedeutet »Können, Fähigkeit, Geschicklichkeit, Scharfsinn, Klugheit, Urteilsfähigkeit«; und wird durch »Wissenschaft« gut wiedergegeben. Hier ist also ein ausgewähltes und systematisiertes Wissen gemeint.
Die Auswahlkriterien König Nebukadnezars für diese jungen Männer waren körperliche Gesundheit und eine gute Figur. Sie sollten geistig agil sein, schnell feststellen, welches Wissen nützlich ist. Es sollte ihnen leicht fallen, solches Wissen durch Nachdenken und praktisches Anwenden zu erwerben. Auch sollten sie das erworbene Wissen verknüpfen, klassifizieren und systematisieren können.
Sinn fürs Praktische
Außerdem sollten sie in allen diesen Dingen »tüchtig« sein. Was sie wussten, durfte nicht nur bloßes Kopfwissen sein. Die Fähigkeit zur Beobachtung und Anwendung sollte vielmehr so ausgebildet sein, dass sie das Gelernte im Alltag anwenden konnten. So tüchtig und so praktisch veranlagt sollten sie sein, dass sie ihr Wissen im täglichen Leben zu ihrem Vorteil überall gebrauchen konnten. An alle Umstände oder Situationen sollten sie sich anpassen können, damit sie Herr und nicht Sklave der Umstände oder Situationen wären.
Die detaillierte Liste in der Schrift und die strenge und gründliche Prüfung, die sie bestehen mussten, untermauert alles, was wir gesagt haben. Das waren tatsächlich die Kriterien, nach denen der König sich die jungen Männer auswählte. König Nebukadnezar hatte pädagogische Vorstellungen auf höchstem Niveau. Sie waren viel fortgeschrittener als das Bildungssystem selbst der führenden Colleges und Universitäten der Vereinigten Staaten.
Trotz dieses hohen Niveaus waren Daniel, Hananja, Mischael und Asarja dazu in der Lage, die Prüfung erfolgreich zu bestehen. Wo hatten diese jungen Männer nur die dafür nötige Erziehung her? Es lohnt sich, dieser Frage auf den Grund zu gehen, gerade heute, wo wir die Antwort besonders brauchen; denn dies alles wurde besonders für die letzte Zeit geschrieben.
Wo genossen nun Daniel und seine drei Gefährten die Erziehung, die sie befähigte, die Prüfung durch König Nebukadnezar zu bestehen? Wo erhielten sie eine Ausbildung, die sie »klug in aller Weisheit, einsichtsvoll und des Wissens kundig« und »tüchtig« (Daniel 1,4) machte in all diesen Dingen?
Die Prophetenschulen
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: in einer »Prophetenschule«, jenen Schulen in Israel, die Gott selbst ins Leben gerufen hatte. In Jerusalem gab es nämlich zu dieser Zeit eine »Prophetenschule«. Aus dem 18. Jahr Josias, des Königs von Juda, nur 15 Jahre vor der Gefangenschaft des Daniel, wird von einer solchen Schule in Jerusalem berichtet.
Im 18. Jahr des Josia fand der Hohepriester Hilkija bei der von Josia angeordneten Reparatur und Reinigung des Tempels von den Gräueln des Manasse und Amon eine Kopie des Pentateuchs, dem »Buch des Gesetzes des HERRN, das durch Mose gegeben war« (2. Chronik 34,14). Hilkija »gab das Buch [dem Schreiber] Schafan«. »Schafan aber brachte es zum König« und »las vor dem König daraus vor« (Vers 18). »Und als der König die Worte des Gesetzes hörte, zerriss er seine Kleider« (Vers 19) und befahl dem Hohepriester Hilkija und dem Schreiber Schafan und anderen: »Geht hin, befragt den HERRN für mich und für die Übriggebliebenen von Israel und Juda über die Worte des Buches, das gefunden ist.« (Vers 21)
»Und Hilkija und die Leute, die der König bestimmt hatte, gingen zu der Prophetin Hulda … die in Jerusalem wohnte in der Schule; und sagten ihr dies.« (Vers 22 King James; das hebräische Nomen mishne/mishna leitet sich vom Verb shana »zum zweiten Male tun, wiederholen, lehren, lernen« ab und kann daher auch mit »Schule« wiedergegeben werden.)
In Jerusalem gab es also eine Schule, in der die Prophetin »wohnte«. Das weist diese Schule sofort als Prophetenschule aus, denn das, was diesen Schulen den Namen gab, war der Prophet, der in dieser Schule wohnte und unter Gottes Führung diese Schule leitete. Auch bei zwei anderen Begebenheiten wird dies deutlich: In 1. Samuel 19,20 wird von der »Schar der Propheten« gesagt: »Samuel war ihr Aufseher« (unrev. Luther). Auch in 2. Könige 6,1-6 begegnen wir »den Prophetenjüngern«. Hier wohnt der Prophet Elisa bei ihnen, denn sie sagen zu ihm: »Der Raum, wo wir mit dir wohnen, ist uns zu eng.« (Vers 1, King James)
Wir finden also drei Prophetenschulen zu drei verschiedenen Zeiten: der Zeit Samuels, der Zeit Elisas und der Zeit Josias. Jedes Mal wohnt ein Prophet in der Schule. Diese drei Abschnitte zeigen uns, warum diese Schulen Prophetenschulen genannt wurden. Sie zeigen uns auch, dass die Schule in Jerusalem, in der die Prophetin Hulda wohnte, genauso eine Prophetenschule war wie die Schule, in der der Prophet Elisa oder der Prophet Samuel wohnten. In einer solchen Prophetenschule also, in der Schule des HERRN, erhielten Daniel und seine drei Gefährten nach dem von Gott gegebenen Bildungssystem die Ausbildung, die in Daniel 1,4 beschrieben wird – eine Ausbildung, die sie »klug in aller Weisheit, einsichtsvoll und des Wissens kundig« und »tüchtig«« machte in all diesen Dingen. So waren sie in der Lage, die Prüfung erfolgreich zu bestehen, die für den Eintritt in die königliche Universität von Babylon erforderlich war.
Aus: A. T. Jones, The Bible in Education, Pacific Press, Oakland, Cal., S. 77-82
http://www.hoffnung-weltweit.de/UfF2000/5-2000/DANIELS%20AUSBILDUNG.pdf
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