Das Kreuz im Leben eines Jesusjüngers: Freud oder Leid?

Das Kreuz im Leben eines Jesusjüngers: Freud oder Leid?
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Das Geheimnis des Sieges. Von Ellet Waggoner

Leider unterscheiden viele zwischen dem Kreuz von Jesus und ihrem eigenen Kreuz. Dabei kann uns nur ein Kreuz begegnen: sein Kreuz. Wenn wir das begreifen, wird es uns Leben und Freude bedeuten.

Der HERR legt uns keine eigenen Kreuze auf, keine kleinen maßgeschneiderten Kreuze, dem einen dies, dem anderen das. Man kann das Kreuz nicht von Jesus trennen. Er ist gekreuzigt, der einzige Gekreuzigte. Welches Kreuz uns auch begegnet, es muss das Kreuz von Jesus sein. Dieses Kreuz begleitet uns ständig. In seinem Kreuz finden wir ihn selbst.

EINHEIT MIT GOTT DURCHS KREUZ

Was bekommen wir durchs Kreuz? Vergebung der Sünden, Versöhnung. »Denn auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte.« (1. Petrus 3,18) »Um die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz.« (Epheser 2,16) Es ist also das Kreuz, dass uns mit Gott vereint und eins macht. Jedes echte Kreuz bedeutet für uns daher Leben; denn es führt uns zu Gott. Gibt uns Gott zum Beispiel neue Aufgaben oder zeigt er uns Sünden, damit wir ihnen den Rücken kehren: Immer wieder begegnen wir Dingen, die gegen unsere Gewohnheiten sind, uns gegen den Strich gehen. Entweder wir beugen uns bedrückt und freudlos darunter und stöhnen über unseren Glauben, sodass uns alle unseren Unmut anmerken, oder wir harren geduldig im Dienst für Jesus aus in der Hoffnung, einst etwas Besseres zu empfangen, sobald wir aus diesem schweren Dienst entlassen werden. Ein ganz anderer Weg aber ist, in diesem Kreuz Heil, Frieden und Ruhe zu finden, weil wir in diesem Kreuz das Kreuz von Jesus erkennen.

DAS KREUZ OHNE JESUS

Nehmen wir einmal an, wir sind geizig. Nun, wir wissen, dass man für Gottes Sache Opfer bringen muss. Also müssen auch wir etwas geben. Wir stöhnen darüber, schrecken davor zurück, ringen uns aber schließlich doch nach langem Hin und Her dazu durch, etwas zu spenden. Ach, was für ein schweres Kreuz tragen wir doch!

Oder nehmen wir den Sabbat als typisches Beispiel. Den Sabbat des HERRN zu halten, stört im Geschäftsleben. Immer wieder stolpern wir über dieses Kreuz. Doch es steht uns deutlich vor Augen: »Der siebte Tag ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes.« (2. Mose 20,10) Wenn wir den Sabbat nicht halten – so unsere Angst –, gehen wir verloren. Um der Verdammnis zu entrinnen, willigen wir ein und halten den Sabbat: ein allwöchentliches Kreuz! Ach wie unbequem und lästig es doch ist! Sicherlich werden wir einst reichlich dafür belohnt werden. Denn es ist ja so schwer!

Weit gefehlt! Wenn wir das Kreuz auf diese Weise tragen, dann ist es unser eigenes Kreuz. Wir haben Jesus ausgeklammert. Doch Rettung können wir nur im Kreuz von Jesus finden.

Mit tausend anderen Dingen ist es genauso. Wir klagen darüber und können uns nur durch Willenskraft dazu zwingen, diese Kreuze zu schultern, die bittere Arznei zu schlucken. Aber wir trösten uns: Einst wird alles ein Ende haben! In Gottes Reich werden wir so etwas Schweres nicht mehr erleben.

Vielleicht habe ich das Ganze etwas überzeichnet. Doch viele Menschen, die sich Christen nennen, haben eine solche Vorstellung vom Christsein. Wir singen von den kommenden Freuden und vermitteln der Welt den Eindruck, dass es keine Freuden in der Gegenwart gäbe. Es herrscht die Vorstellung, die Freude werde einst umso größer sein, je schwerer das Kreuz ist.

HEIDNISCHE ODER PÄPSTLICHE BUẞE

Doch das hat mit Christentum nichts zu tun. Es ist pures Heidentum! Das ist nicht christlicher als der Mann, der Steine in seine Stiefel legt und damit auf Wallfahrt geht. Je schlechter es ihm unterwegs geht, umso besser wird er sich fühlen, wenn die Reise vorüber ist. Das Einzige, was ihn von vielen Christen unterscheidet, ist seine eigentümliche Art der Buße.

Viele übernehmen eine Aufgabe wie ein Gestrafter und meinen damit, ihr ewiges Heil zu erwirken. Diese Buße haben wir alle schon mehr oder weniger erlebt. Denn sie liegt dem Menschen. Auf diese Weise täuscht Satan uns. Es ist ihm gleich, welche Kreuze wir tragen. Es macht ihm sogar Spaß zu sehen, wie Menschen unter ihrem Glauben leiden. Womit wir uns herumschlagen, mögen tatsächlich Dinge sein, die Gott von uns fordert. Aber er fordert von uns nicht, dass wir uns selber geißeln oder auf Knien eine Wallfahrt unternehmen. Der einzige Unterschied zwischen unserer stöhnenden Pflichterfüllung und dem Mann, der sich selbst geißelt und das Büßergewand trägt, besteht darin, dass wir uns als Bußübungen das auswählen, was Gott fordert, während jener Mann etwas auswählte, was der HERR nicht gefordert hat. Dennoch meinen wir, wir wären besser als er!

FEINDSCHAFT GEGEN JESUS

Beide versuchen ein Kreuz zu tragen, das mit dem Kreuz von Jesus nichts zu tun hat. Die Menschen bitten den HERRN, ihr Sündopfer anzunehmen. Jedes Kreuz, das Menschen auf diese Weise tragen, ist schwer. Ginge es beim Kreuztragen nur darum, würden diese Kreuze ihren Zweck erfüllen. Denn sie sind bitter und grausam genug. Beim Kreuztragen muss es also noch um etwas anderes gehen.

Landläufig wird davon ausgegangen, dass alles Unbequeme, dem Menschen gerne aus dem Weg gehen, ein Kreuz ist. Und manche Menschen erfüllen ihre Pflichten wie ein katholischer Mönch, der härene Gewänder wegen des ständig unangenehmen Gefühls auf der Haut trägt.

Ganz gleich, wie viel man über den HERRN spricht oder wie sehr man betont, dass man an Jesus glaubt, ganz gleich ob man sich Christ nennt: Wer neben dem Kreuz von Jesus noch andere Kreuze aufrichtet, der ist in Wirklichkeit sein Feind.

Obwohl der römische Katholizismus viel mit Jesus und mit Kreuzen zu tun hat, wissen wir doch, dass Jesus in diesem System selbst nicht zu finden ist. Natürlich haben viele einzelne Katholiken Jesus im Herzen und viele weitere würden ihn gerne kennen, doch als System mit seinen auferlegten Bußübungen neigt der Katholizismus dazu, das Kreuz von Jesus zu verdecken und auszuklammern. Daher muss der Einzelne sein eigenes Kreuz tragen und für seine eigenen Sünden sühnen. Oft meinen die Menschen dabei dann auch noch das Kreuz von Jesus zu tragen!

Heute machen Tausende so genannte Protestanten praktisch dasselbe, während sie sich gleichzeitig vom Papsttum distanzieren. Die Menschen meinen diese Kreuze würden sie dem HERRN näher bringen. Nach dem Motto »Kein Kreuz, keine Krone« betrachtet man größeres Leid als Vorbote für größere Freud. »Heute ist die Zeit der Leiden, doch einst werden wir in die Zeit der Freude eintreten. So lasst uns durchhalten! Sicher werden diese Kreuze uns Gott näher bringen.«

Doch wie sehr wir uns auch bemühen, sogar durch Dinge, die an und für sich richtig sind, wir kommen dem HERRN einfach nicht näher. Wir sehnen uns danach und sind doch so weit von ihm entfernt. Wenn das so ist, dann ist Jesus nicht an unserem Kreuz. Auch wenn wir noch so davon überzeugt sind, dass wir an Jesus glauben und sein Kreuz tragen. Denn wenn Jesus an unserem Kreuz wäre, hätte es uns näher zu Gott gebracht. Das Problem ist, dass unser Kreuz an die Stelle des Kreuzes von Jesus getreten ist. Es wurde uns zum Ersatz.

ICH STATT JESUS

Wer hängt an unserem Kreuz? Das Ich. Die Macht des Kreuzes von Jesus ist die Macht seines Lebens, die Macht eines ewigen Lebens. Die Macht in unseren Kreuzen ist nur die Macht unseres eigenen Lebens. Sie ist bedeutungslos und kann uns Gott nicht näher bringen.

Wir haben uns an unser eigenes Kreuz genagelt und haben es mit dem Kreuz verwechselt, an dem Jesus hing. Damit haben wir uns an seine Stelle gesetzt. Wir selbst sind zum Antichristen geworden und haben gleichzeitig den Papst mit Steinen beworfen. Jesus sagte: »Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.« Wer also Steine wirft, der erklärt sich damit im Prinzip für sündlos. Denn das Kreuz ist ein Sündopfer und ein Sühneopfer, und wir tragen ja »das Kreuz« [und hätten uns damit von der Sünde befreit].

Haben wir die Aufgabe nicht gut erfüllt? Haben wir den unbequemen Dienst nicht selbstlos geleistet? Haben wir uns nicht selbst verleugnet? Haben wir uns nicht durch all diese Kreuze von Sünden befreit, sodass wir andere mit Steinen bewerfen dürfen?

Wieder mag ich etwas überzeichnen, und doch ist es das, wozu das natürliche Herz neigt. Viele, die Jesus wirklich gefunden haben, können bezeugen, dass es ihnen zuvor so ergangen ist. Viele durchleben diese Erfahrungen gerade jetzt und der Weg ist ihnen schwer, ermüdend und trügerisch.

NUR EIN KREUZ

Es gibt nur ein richtiges Kreuz auf der Welt und das ist das Kreuz von Jesus Christus: »Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!« (Matthäus 16,24) Wir haben oft gedacht, dass wir uns selbst verleugnen, als wir in Wirklichkeit gerade dabei waren, unser Ich zu füttern. Wir haben uns an die Stelle von Jesus gesetzt. Unsere Selbstverleugnung war nur Pharisäertum.

Die Menschen haben eine falsche Vorstellung von einem Pharisäer. Das Wort Pharisäer bezeichnete die Abgesonderten, die vermeintlich für das Gesetz und für Gott eiferten. Sie waren gar nicht so schlecht, wie man denkt. Im Leben eines Saulus waren äußerlich keine Unstimmigkeiten festzustellen. Als Pharisäer führte er vor den Menschen ein makelloses Leben. Doch als er sich selbst erkannte, sah er, dass alles Sünde war. Kein Autor beschreibt die Verderbtheit der menschlichen Natur so anschaulich wie der Apostel Paulus. Obwohl er alles durch Inspiration schrieb, zeichnete er doch auf, was er selbst erlebt hatte. Wenn er von Gottes wunderbarer Gnade erzählte, dann beschrieb er die Gnade, die er selbst erlebt hatte, als »größter Sünder« (1. Timotheus 1,15). Denn wer sündigt und das Gerechtigkeit nennt, der ist in der Tat der größte Sünder.

JESUS KENNEN

Nun muss sich jeder die Frage stellen: Lebt Jesus wirklich in mir? Bin ich mit ihm verbunden? Viele, die Jesus dienen, wagen nicht zu sagen, dass Jesus in ihnen lebt. Sie wissen nicht, dass Jesus eins mit ihnen ist.

Als wir unsere eigenen Kreuze trugen, konnten wir nicht sagen: »Christus lebt in mir.« (Galater 2,20) Daher waren wir von ihm getrennt und auch von seinem Kreuz. Das Ich stand an seiner Stelle, ein kraftloser, »äußerer Schein von Gottesfurcht« (2. Timotheus 3,5). Denn die Kraft der Gottesfurcht ist sein Kreuz. Wir verleugneten sein Kreuz und verleugneten daher auch die Kraft des Evangeliums.

Wir sind nur dann mit Jesus gekreuzigt, wenn wir mit ihm in der Kreuzigung eins sind. Er muss mit uns am Kreuz verschmelzen, denn es ist sein Kreuz. Der Mensch kann nicht gekreuzigt werden, wenn er nicht in Jesus gekreuzigt wird.

Mit ihm gekreuzigt, empfangen wir Tugend, denn dann bekommen wir die Tugend, die in Jesus ist. Diese Tugend ist Freiheit, Trennung von Sünde. Sie ist Erlösung, Leben, Freude, Frieden. Es ist also gar nicht so schwer, dass Kreuz zu tragen, wenn wir mit Jesus gekreuzigt sind. Denn er ist bei und in uns. Jetzt trägt Jesus das Kreuz und wir haben durch das Kreuz Freude im HERRN. Jesus hat für uns Frieden geschlossen durch das Blut seines Kreuzes.

Um der Sünde willen wurde Jesus gekreuzigt. Ohne diese Sünde hätte es kein Kreuz gegeben. Er trug unsere Sünde. Wunderbare Freude strömt uns daraus zu, dass wir als Sünder Jesus für uns beanspruchen dürfen mit den Worten: »Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.« (Galater 2,20) Wenn wir das als Sünder nicht beanspruchen dürfen, werden wir es nie beanspruchen können!

Noch in Sünden dürfen wir Jesus beanspruchen und ihn in uns aufnehmen. Wir wissen dies, weil der Heilige Geist sagt, dass es so ist. Der Mensch, der dem HERRN glaubt und dies beansprucht, findet darin ewige Kraft. »Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat um seiner großen Liebe willen, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren durch die Übertretungen, mit dem Christus lebendig gemacht.« (Epheser 2,4-5) Wir hätten nicht lebendig gemacht werden können mit ihm, wenn wir nicht mit ihm gestorben wären. Jesus hat sich mit uns im Tod vereint, ja im Tod der Übertretungen und Sünden und er trägt die Last in seinem eigenen Leib am Kreuz. So wie wir mit ihm gekreuzigt werden, leben wir auch mit ihm, von Sünde befreit.

GERETTET DURCH DAS LEBEN

Jesus ist als Retter für alle Menschen da. Er ist das »Lamm, das geschlachtet worden ist, von Grundlegung der Welt an« (Offenbarung 13,8). Johannes sagt: »Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten; und er ist das Sühnopfer für unsere Sünden.« (1. Johannes 2,1.2) »Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt durch den Glauben an sein Blut.« (Römer 3,24)

Sein Blut ist jetzt für uns vergossen. Er ist jetzt für uns erhöht. Zu wissen, dass sein Kreuz in jedem Herzen aufgestellt ist, dass er für uns gekreuzigt ist, macht aus den Kreuzen, denen wir begegnen eine Wonne: aus den Lasten, die zu tragen sind, den Gewohnheiten, die wir aufgeben müssen, als koste es uns unser Leben, macht es eine Freude. Jetzt sind diese Kreuze unser Leben.

Zu wissen, dass Jesus für uns gestorben ist, dass wir jetzt in ihm gekreuzigt sind, nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich, macht das Kreuz zu einer Freude für uns, denn wir finden Jesus darin und erleben Gemeinschaft mit ihm in seinem Tod. Wir leben gemeinsam mit ihm. Versöhnt durch sein Blut wissen wir, dass wir durch sein Leben gerettet werden. Wir nehmen das Kreuz auf uns und nehmen ihn dadurch in uns auf.

Wenn wir uns selbst verleugnen, ergreifen wir von ihm Besitz. Wenn wir unser Ich kreuzigen, nehmen wir sein Leben in uns auf. Das Leben, das wir mit ihm führen, ist weder hart noch unbequem. Es besteht auch nicht aus unangenehmen Aufgaben, die wir um der einstigen Freude willen tun, sondern es ist eine ständige Lebens- und Freudenquelle. Freudig und ohne Stöhnen trinken wir das Wasser aus der Heilsquelle. Wenn wir sein Kreuz tragen ist alles ganz anders. »So werden die Erlösten des HERRN zurückkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird über ihrem Haupt sein.« (Jesaja 51,11)

ELLET WAGGONER, The Cross of Christ, Oakland California: Pacific Press Publishing Company (1894), Seite 1-8 (komplett).

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