Heute weiht Papst Franziskus die Ukraine und Russland der Jungfrau Maria: Symbolische Kriegserklärung oder mystische Siegergeste?

Heute weiht Papst Franziskus die Ukraine und Russland der Jungfrau Maria: Symbolische Kriegserklärung oder mystische Siegergeste?
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Was weihen wir Gott? Von Kai Mester

Lesezeit: 6½ Minuten

Heute, am 25. März 2022 wird unter Leitung von Papst Franziskus die Marienweihe der Ukraine und Russlands vollzogen. Alle katholischen Bischöfe auf der Welt sind gebeten, bei diesem Ritus in ihren jeweiligen Diözesen mitzuwirken.

Das ist spannend. Viele Katholiken sehen in der heute stattfindenden Marienweihe ein großes Zeichen der Hoffnung.

Marienweihen seit 1982

Schon einmal hatte Papst Franziskus im Jahre 2013 Russland der Maria geweiht, doch kurz darauf holte sich Russland die Krim zurück. Auch Papst Johannes Paul II. hatte die russischen Völker zweimal der Maria geweiht, 1982 und 1984. Daher sehen viele Katholiken den Fall der Mauer (1989) und den Zusammenbruch der Sowjetunion (1991) als positive Folge dieser Weihe. Denn damals wurde der kommunistische Staatsatheismus besiegt. An seine Stelle trat schließlich der wiedererstarkende Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche und ein kapitalistisches Wirtschaftssystem.

Krieg der orthodoxen Kirchen?

Die Trennung eines Teils der ukrainisch-orthodoxen Kirchen vom Moskauer Patriarchat führte jedoch zu Spannungen zwischen den orthodoxen Kirchenleitungen in Konstantinopel/Istanbul und Moskau. Dies verhinderte bisher die große christliche Ökumene, von der Rom schon lange träumt. Denn Moskau sträubt sich.

Tauziehen zwischen Moskau und dem Westen

Ähnlich verhält es sich auf der politischen Weltbühne: Während viele ehemalige Ostblockstaaten und einige ehemalige Sowjetstaaten sich den westlichen Demokratien angeschlossen haben, sträubt sich auch hier Moskau. Die international nicht anerkannten Staaten Abchasien, Südossetien, Transnistrien, die Krimannexion und der Ukrainekrieg zeugen davon.

Nordkönig auf dem Weg zur Weltherrschaft

Die biblische Prophetie proklamiert jedoch einen Siegeszug des westlichen Bündnisses unter dem Symbol des kleinen Horns in Daniel 7, des Nordkönigs in Daniel 11 und der beiden Tiere in Offenbarung 13. Hier wird eine globale Weltherrschaft vorausgesagt, die wirtschaftliche und juristische Macht auf jeden einzelnen Menschen auf Erden ausüben wird (Offenbarung 13,15-17). Die Marienweihe wirkt auf dem Hintergrund dieser Prophetie wie eine neuerliche Absichtserklärung im nächsten Schritt auf dieses Ziel hin. Als Datum hat Papst Franziskus den Tag gewählt, an dem das Fest der Verkündigung des Herrn gefeiert wird, und zwar von der katholischen, anglikanischen und den orthodoxen Kirchen und sogar auch von manchen evangelischen Kirchen (neun Monate vor Weihnachten). Hier wird des Tages gedacht, an dem der Engel Gabriel der Maria erschienen ist.

Kriegsrhetorik

Am 13. März rief der Papst dazu auf, das Massaker in der Ukraine zu stoppen. Am 16. März betete er zu Gott, die Hand Kains zurückzuhalten. Gleichzeitig sprach er sich gegen die Produktion und den Kauf von Waffen aus. Joe Biden nannte Wladimir Putin am 17. März direkt einen mörderischen Diktator und einen ausgemachten Gangster. Niemand von uns möchte sich ausmalen, wie der Krieg weitergeht. Wie wird er enden? Wie viel Menschen müssen noch sterben?

Schwierige moralische Fragen

Die moralischen Fragen, die jeder Krieg aufwirft, sollten wir uns allerdings alle stellen: Was ist es genau, das zum Krieg führt? Finden wir diese giftige Wurzel auch in unserem eigenen Denken und Handeln? Mit welchem Recht verurteilen wir unsere Feinde? Wo liegt die eigentliche Lösung?

In der Regel ist es der Wunsch nach Selbstverteidigung oder Verteidigung eigener Interessen. Er führt dazu, dass man bereit ist, Dinge zu denken, zu sagen oder zu tun, die man eigentlich für verwerflich hält. Dinge, die der goldenen Regel aus der Bergpredigt zuwiderlaufen. Diese goldene Regel lautet: »Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!« (Lukas 6,31) Es ist eine traurige Tatsache, dass die meisten Menschen bereit sind, dem anderen wehzutun, wenn sie den Eindruck haben, damit ein schlimmeres Übel abzuwenden. Das geht soweit, dass im Extremfall sogar das Töten legitim wird.

Je höher die Position und je größer die Verantwortung, desto »schmutziger« wird scheinbar diese Arbeit. Der amerikanische Präsident Barack Obama genehmigte während seine Amtszeit von 2009–2016 laut www.thebureauinvestigates.com insgesamt knapp 1900 Drohnenangriffe in Somalia, Jemen, Pakistan und Afghanistan, die insgesamt nach verschiedenen Berichten zwischen 3829 und 7966 Menschenleben forderten. Das waren zehnmal so viele Angriffe wie unter Präsident George W. Bush, der sich allerdings durch das Guantanamo-Gefängnis bei vielen in Verruf gebracht hatte. Barack Obama versuchte es vergeblich zu schließen, reduzierte aber die Gefangenenzahl von 245 auf 41.

Besser einer als alle?

Das Prinzip, das schon der Hohepriester Kaiphas äußerte, scheint viele Regierende auf diesem Planeten zu bewegen: »Besser, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.« (Johannes 11,50) Bei diesem Prinzip werden Menschenleben gegeneinander abgewogen und Verbrechen mit einem höheren Ziel gerechtfertigt. Der Zweck heiligt eben die Mittel. Dass Kaiphas, ohne es zu wollen, damit auch eine wichtige Prophezeiung ausgesprochen hatte, ändert an der Verwerflichkeit seiner Argumentation nichts.

Selbstprüfung

In Situationen, wo wir Macht über Schwächere haben, können wir uns bei einem ähnlichen Denken ertappen. In mehr oder weniger guter Absicht werden oft Kinder von ihren Eltern, Frauen von ihren Männern, Untergebene von ihren Chefs usw. in irgendeiner Weise seelisch, immer noch zu oft auch körperlich verletzt. Die Landesgesetze machen da zum Teil Unterschiede und können viel eindämmen.

Feindesliebe

Die Bibel zeigt eine andere Lösung: »Überwinde das Böse mit Gutem.« (Römer 12,21) »Liebt eure Feinde.« (Matthäus 5,44) In diesem Sinne sind auch die folgenden Verse zu verstehen: »Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich lieb habe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.« (Jesaja 43,4) »Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung.« (Hebräer 9,22) Gottes Handeln erduldet das Leid auch in der Ukraine und beendet es nicht mit Gewalt, damit so viele Menschen, wie möglich gerettet werden können. Denn jeder Mensch ist sein Kind und ist wertvoll. Doch das bedeutet viel Blutvergießen. Wäre Gott nicht so geduldig und barmherzig, hätte er dem furchtbaren Treiben schon lange ein Ende gesetzt. Doch dann wären viele Menschen nie geboren worden und viele wären gestorben, bevor sie sich bekehrt hätten.

Deshalb darf unsere Antwort auf diesen Krieg niemals Hass, Verurteilung oder irgendeine Form von Selbstverteidigung sein. Wir gehören der Armee des Lammes an. Sanftmut und Demut ist unsere Devise. Von der Welt verachtet, ist dies immer noch der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Statt Stärke zu demonstrieren und die Starken zu maßregeln, haben wir den Auftrag, uns um Witwen und Waisen zu kümmern und um andere Menschen, die es schwer haben und Hoffnung brauchen. Das Schöne ist, dass unser General seine Aufträge an uns persönlich überbringt. Jedes Gotteskind darf ihn darum bitten. Dann wird er uns unterweisen und uns den Weg zeigen, Schritt für Schritt (Psalm 32,8).

Marias Rolle

Und Maria? Wird sie Russland und der Ukraine helfen? Die Bibel weiß nichts davon, dass sie von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren wäre. Auch lehrt sie, dass die Toten kein Bewusstsein haben. »Für immer haben sie keinen Teil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht.« (Prediger 9,6) Wenn Maria wüsste, dass ihr so einiges geweiht wird, würde sie sich sicherlich im Grabe umdrehen und uns zurufen: »Was ER euch sagt, das tut.« (Johannes 2,5) Gemeint hat sie damit ihren Sohn, und der hat uns die Feindesliebe geboten: dem wohlzutun, der uns hasst; den zu segnen, der uns verflucht; für den zu bitten, der uns beleidigt; dem die andere Wange hinzuhalten, der uns auf die eine geschlagen hat; dem den Rock zu geben, der uns den Mantel genommen hat; von dem nicht zurückzufordern, der uns das Unsere genommen hat (Lukas 6,27-30).

Deshalb: Geben wir alles für die Ukraine und Russland und ihre wertvollen Menschen, was wir können: im Gebet zum allmächtigen Gott, in Wort und Tat an unserem Nächsten – und alles mit einem gottgeweihten Herzen.

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