Erforsche die faszinierenden Zusammenhänge zwischen Daniels Standbild-, Raubtier- und Opfertiervisionen, um das Rätsel der Zeit des Endes zu enthüllen. Welche Weltreiche stecken hinter den mysteriösen Symbolen? Tauche ein in die geopolitische Analyse, die vom alten Babylon bis zu modernen Nationalstaaten reicht. Von Kai Mester
Lesezeit: 30 Minuten
»Nein, Gott, der HERR, tut nichts, ohne dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, geoffenbart hat.« (Amos 3,7) Deshalb lesen gläubige Menschen den Propheten Daniel und die Apokalypse des Johannes mit so großem Interesse.
Leider gibt es viele verschiedene Auslegungen der Prophetie. Daher hat schon so mancher die weiße Fahne gehisst und resigniert den Versuch aufgeben, die biblischen Prophezeiungen zu verstehen. Doch Jesus selbst sagte in seiner apokalyptischen Rede: »Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden.« (Matthäus 24,13) Und schon vorher in der Bergpredigt: »Wer sucht, der findet.« (Matthäus 7,8)
Also: Nur Mut! Nur nicht aufgeben! Die Bibel ist ein mentales Fitnessstudio. Alle sind herzlich eingeladen Mind-Builder zu werden. Dieses beharrliche Erforschen der Schrift lohnt sich mit Sicherheit in dieser dramatischen Zeit.
Sah es nicht mehrmals schon so aus, als könnte der dritte Weltkrieg jeden Moment ausbrechen? Ich habe mich so manches Mal gefragt, welchen Funken die Stellvertreterkriege in der Ukraine und in Nahost noch brauchen, um die Dimension eines Weltkrieges zu erhalten. Oder wird der neue Präsident der Vereinigten Staaten jetzt tatsächlich nachhaltig deeskalieren?
Werfen wir heute mal einen frischen Blick auf Daniel 11,40-45 – die Verse, die speziell von der Zeit des Endes sprechen. Vielleicht finden wir dort spannende Hinweise und Orientierung für unsere Zeit. Beginnen wir mit dem ersten Vers:
Wann begann die Zeit des Endes?
»Zur Zeit des Endes aber wird der Südkönig mit ihm zusammenstoßen. Da wird dann der Nordkönig mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen auf ihn losstürmen und in die Länder eindringen und sie überschwemmen und überfluten.« (Daniel 11,40)
Aber wann genau ist diese »Zeit des Endes«? Wann beginnt dieser letzte Krieg, den Daniel beschreibt? Ein Krieg, der übrigens erst endet, wenn der Engelfürst Michael in Daniel 12,1 eingreift. Leben wir in dieser Zeit? Können uns die Prophezeiungen Orientierung geben und Mut machen?
Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und die drei großen prophetischen Visionen in den Kapiteln 2, 7 und 8 zu betrachten.
Daniel hatte zwei unterschiedliche Arten von Visionen: die drei großartigen Bildervisionen, in denen viele spannende Szenen an seinem Auge vorbeizogen, und zwei erklärende Visionen, die aus Gesprächen mit Engeln bestehen. Zu diesen beiden Erklärungsvisionen gehört die kurze in Daniel 9 sowie die längere in Daniel 10-12, aus der die Verse stammen, die uns heute beschäftigen. Diese Kapitel schließen das Buch Daniel auch ab.
In den drei großen Visionen sah Daniel die Weltgeschichte symbolisch dargestellt: als majestätisches Götzenbild (Kapitel 2), als Raubtierzoo (K7) und als Opfertierkampf (K8). Alle drei Visionen werden auch erklärt: das Götzenbild von Daniel selbst (K2), die Raubtiere von einem der Umstehenden in der Vision (K7), die Opfertiere vom Engel Gabriel (K8). Doch Gabriel muss seine Erklärung unterbrechen, weil Daniel Zeit zum Verdauen braucht. Er setzt sie deshalb erst in der kleinen Vision von Daniel 9 fort.
Die lange letzte Vision in Daniel 10-12 verbindet und vertieft nun alle diese Erklärungen. Wer Daniel 11,40-45 verstehen will, kommt also nicht umhin, die vorausgehenden Visionen zu kennen und im Blick zu behalten.
Götzenbildvision: die vier letzten Weltreiche
In Daniel 2 findet sich die Götzenbildvision. Sie legt die prophetische Grundlage und zeigt die Abfolge der Weltreiche seit Abfassung des Danielbuches. Auf Babylon (Gold), in dem Daniel lebte, folgte Persien (Silber). Hier wurde er alt und starb. Auf Persien folgte Griechenland (Bronze) und auf Griechenland Rom (Eisen), das sich in seiner letzten Phase mit verunreinigtem Christentum (lehmigem Ton) vermischen würde. Dann würden alle irdischen Reiche durch Gottes Reich (Stein) zermalmt, das einmal die ganze Erde erfüllen würde (Berg).
(Mehr über die Götzenbildvision ist in folgendem Artikel zu lesen: Daniel 2 unter der Lupe: Ein neuer Blick aufs Standbild)
Raubtiervision: immer grausamer
Die zweite Vision ist die Raubtiervision aus Daniel 7. Sie wiederholt die Botschaft der Götzenbildvision mit neuen Bildern und weiteren Einzelheiten. Vier Raubtiere steigen aus dem Meer: Babylon (Löwe), Persien (Bär), Griechenland (Panther), Rom (Drache). Dem Drachen wächst ein Horn, das drei seiner zehn Hörner ausreißt und dreieinhalb Zeiten regiert. Dann wird ein Untersuchungsgericht gezeigt, das der Drachenherrschaft ein Ende macht. Es ist spannend zu sehen, wie dieser Stoff Autoren und Regisseure bis heute inspiriert hat.
Diese Vision lässt die Blütezeit des Drachen nach dreieinhalb Zeiten enden, in denen das Horn die Heiligen unterdrückt hat (Vers 25). Die dreieinhalb prophetischen Jahre (3½ x 360) gingen im Jahr 1798 zu Ende, als Rom eine tödliche Wunde erhielt.
(Mehr über das Jahr 1798 in folgendem Artikel: Daniel 12 unter der Lupe: Ein neuer Blick auf drei Prophezeiungen – 1260, 1290 und 1335
Die gesamte Raubtiervision behandelt folgender Artikel: Daniel 7 unter der Lupe: Ein neue Blick auf vier bizarre Meerestiere)
Opfertiervision: immer religiöser
Die dritte Vision ist die Opfertiervision aus Daniel 8. Auch sie zeigt den Ablauf der Weltgeschichte. Weil Babylon schon kurz vor seinem Fall stand, als Daniel die Vision erhielt, wird es in dieser Vision gar nicht mehr erwähnt. Der Widder aber steht für Persien, der Ziegenbock für Griechenland. Ein mysteriöses Horn repräsentiert Rom. Und in der anschließenden Erklärung der Vision begegnen wir auch zum ersten Mal dem Begriff »Zeit des Endes« (Daniel 8,17.18).
In der Vision hörte Daniel die Frage: »Wie lange gilt das Gesicht?« Die Antwort lautete: »Bis zu 2.300 Abenden und Morgen; dann wird das Heiligtum gerechtfertigt werden!« (Daniel 8,13.14) Diese Zeitkette endete nach 2300 Jahren im Jahr 1844.
(Ein Artikel darüber befindet sich hier: Daniel und der Schock der 2300: Ist 1844 wirklich biblisch?)
Wenn man versteht, dass die zwei Visionen in Daniel 9 und 10-12 lediglich weitere Erklärungen der Bildervisionen sind, nähert man sich auch einer Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Wann ist die Zeit des Endes?
Die drei Bildervisionen beantworten sie so: In der Endzeit wird Gottes Reich aufgerichtet und die Weltreiche gehen unter (K2: Götzenbildvision). Rom beginnt nach dreieinhalb Zeiten »Ketzerverfolgung« – im Jahr 1798 – seine Macht zu verlieren (K7: Raubtiervision). Somit konnte ab diesem Jahr die »Endzeit« beginnen. Ein besonderes Ereignis in dieser Endzeit ist die Reinigung des himmlischen Heiligtums (K8: Opfertiervision) in Verbindung mit der Reinigung von Gottes Gemeinde auf Erden. Seit 1844 soll also nun Gottes Reich des Friedens und der Sanftmut immer mehr Gestalt gewinnen, und das endgültige Aus für Gewalt im Namen der Religion bahnt sich an.
Süd- und Nordkönig: Wer sind sie?
In Daniel 11 wird ein großer Kampf zwischen dem Süd- und Nordkönig beschrieben. Diese beiden Mächte treten erstmals in den Versen 5 und 6 auf. Doch wer sind sie? Welche Reiche stehen hinter diesen Bezeichnungen?
Bereits in den Versen 2 und 3 werden Persien und Griechenland als Weltmächte erwähnt. Das bedeutet, dass eines von den beiden Reichen (Nordkönig und Südkönig), die im Anschluss erwähnt werden, die Macht repräsentieren muss, die wir schon aus den großen Danielvisionen als Nachfolgemacht kennen: Rom, die letzte Weltmacht. Diese Visionen beschreiben ja die aufeinanderfolgenden Reiche klar strukturiert, ohne Verwirrung oder Sprünge. Ohne Rom könnte Daniel 11 daher nicht die erklärende Fortsetzung dieser Bildervisionen sein.
Ptolemäer (Ägypten) und Seleukiden (Babylon) als Prototypen und Vorläufer
Viele Bibelausleger sehen im Süd- und Nordkönig die beiden mächtigsten Generäle Alexanders des Großen: Seleukos und Ptolemäus. Nach dem Zerfall des griechischen Reiches übernahmen diese beiden das Kommando:
- Seleukiden (Babylon): Ihre Hauptstadt Seleukia lag im Nordosten, nahe Babylon. Alle Soldatenheere und die großen Handelskarawanen aus Babylon waren schon immer über die Nordroute nach Israel gekommen (Jeremia 1,14-15). Deshalb sprach man in Israel eben vom Nordkönig.
- Ptolemäer (Ägypten): Ihre Hauptstadt Alexandria lag im Süden von Israel. Das war der Südkönig.
Diese beiden Mächte rivalisierten um Israel, das genau zwischen ihnen lag. Doch am Ende scheiterten beide, da sie der aufstrebenden Weltmacht Rom nicht widerstehen konnten. Das seleukidische Babylon fiel 63 v. Chr., das ptolemäische Ägypten 30 v. Chr.
Die Prophezeiung über den Süd- und Nordkönig reicht jedoch weit über diese antiken Mächte hinaus – bis ans Ende der Zeit (Daniel 12,2). Viele Hinweise sprechen dafür, dass Rom die Rolle des Nordkönigs übernimmt:
- Rom in den Visionen: In allen drei Bildervisionen des Buches Daniel ist Rom die letzte Weltmacht, die bis zur Ankunft des Messias regiert.
- Eroberungen Roms: Rom besiegte zuerst den Nordkönig (Babylon) und übernahm diesen Titel. Erst später besiegte es als Nordkönig auch den Südkönig (Ägypten).
- Babylon in der Offenbarung: Auch im Buch der Offenbarung wird Rom als »Babylon, die Mutter der Gräuel« bezeichnet (Offenbarung 17,5).
- Parallelen in Daniel: Der Nordkönig zeigt ähnliche Merkmale wie Rom in den Visionen von Daniel:
- arbeitet mit Betrug (11,23 vgl. 8,25)
- richtet den Gräuel der Verwüstung auf (11,31 vgl. 8,10-12)
- verfolgt die Heiligen (11,33.34.41 vgl. 7,25; 8,24)
- lästert Gott (11,36 vgl. 7,8.25)
- hat Erfolg (11,36; 8,24)
- dringt ins herrliche Land ein (11,41; 8,9)
- vernichtet viele (11,44 vgl. 8,25)
- überhebt sich über alles und über Gott (11,36.37 vgl. 8,25)
- niemand hilft ihm, wenn er umkommt (11,45 vgl. 2,45; 8,25)
Rom als Nordkönig
Auch geopolitisch bleibt Rom im Norden, und zwar bis heute: Der Vatikan, ist ein zentraler Akteur im globalen Norden. Der Papst gilt immer mehr als geistliches Oberhaupt der gesamten Christenheit. Seine politischen und wirtschaftlichen Verbindungen – wie die NATO oder die EU – spiegeln diese Macht wider. Die NATO (der NORD-Atlantik-Pakt) ist das größte militärische Bündnis, das für die Interessen des Vatikans kämpfen kann, die EU ist sein Wirtschaftsraum, an dessen Beginn die »Römischen« Verträge standen. Und auch wenn der Vatikan immer wieder viel Sympathie für den globalen Süden äußert, bleibt er doch im globalen Norden verwurzelt.
Kriege im Zeichen des Kreuzes
Römische Kriege wurden von Anfang an im Zeichen des Kreuzes geführt:
- 70 n. Chr.: Titus ließ Tausende Juden vor den Mauern Jerusalems ans Kreuz schlagen.
- Konstantin der Große: Der erste christliche Kaiser führte Kriege unter dem Kreuz, das er als Zeichen seines Sieges sah.
- Kreuzzüge: Über Jahrhunderte kämpften Christen im Namen des Kreuzes.
Bis heute wehen Flaggen mit Kreuzen, etwa von NATO-Ländern wie Großbritannien oder skandinavischen Staaten, in militärischen Konflikten. Auch wenn diese Länder einst protestantisch und unabhängig von Rom waren, kämpfen sie zunehmend in einer gemeinsamen Allianz.
Denken wir nur an die Kriege und Militäreinsätze in Korea, Vietnam, Kuweit, Kosovo, Afghanistan, Irak und Libyen. Oder jetzt ans Horn von Afrika. Immer agierte eine Koalition von Westmächten, und immer waren Fahnen mit Kreuzen dabei – über allem natürlich die Kreuzesflagge der NATO.
Der Südkönig Anti-Rom
Wer war – und wer ist – der Südkönig?
»Zur Zeit des Endes aber wird der Südkönig mit ihm zusammenstoßen. Da wird dann der Nordkönig mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen auf ihn losstürmen und in die Länder eindringen und sie überschwemmen und überfluten.« (Daniel 11,40)
Dieser Vers zeigt deutlich: Der Südkönig ist ein erbitterter Gegenspieler Roms. Doch wer genau verbirgt sich hinter dieser Macht?
Leider geben Daniels große Bildervisionen praktisch keinerlei Hinweise darauf, wer genau sich hinter den politischen und militärischen Gegnern Roms verbirgt. Sind wir dann einfach auf Geschichtsbücher und traditionelle Bibelausleger angewiesen? Oder gibt es noch innerbiblische Hilfsmittel?
Ein Blick in die Offenbarung
Das Buch der Offenbarung baut auf den Prophezeiungen Daniels auf. Vielleicht finden wir dort ja Hinweise auf den Südkönig! Da Johannes seine Vision zur Zeit des Römischen Imperiums empfing, dreht sich in der Offenbarung noch viel mehr um Rom als im Buch Daniel. In der Vision des Johannes wird Rom als ein siebenköpfiges, zehnhörniges Untier dargestellt.
Genau wie in den Visionen Daniels endet die Geschichte der Offenbarung mit dem Untergang Roms und der Errichtung des Reiches Gottes. Dieser Fall wird mit einem mächtigen Ruf verkündet: »Gefallen, gefallen ist Babylon!« (Offenbarung 14,8; 18,2).
Der Untergang Roms
Der Fall Roms wird durch sieben Posaunen und sieben Plagen herbeigeführt. Diese Ereignisse greifen Bilder aus der Vergangenheit auf, die Gottes Gericht und Erlösung symbolisieren:
- Jericho: Israel umkreiste die Stadt sieben Tage lang, am siebten Tag siebenmal. Danach fielen die Mauern beim Schall von Posaunen (Josua 6).
- Ägypten: Zehn Plagen trafen das Land, bis der Pharao das Volk Gottes ziehen ließ (2. Mose 7–12).
- Babylon: Der Euphrat wurde umgeleitet, sodass die Perser in die befestigte Stadt eindringen und sie erobern konnten (Daniel 5; Offenbarung 16,12).
Diese biblischen Bilder werden in der Offenbarung verwendet, um den Fall des »geistlichen Babylons« – Rom – zu illustrieren.
Drei römische Phasen
Rom taucht in der Offenbarung in drei entscheidenden Kapiteln auf – jedes Mal als Tier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern. Doch je nach Phase seiner Geschichte trägt es ein anderes Gesicht.
- Das heidnische Rom – Der Drache In seiner ersten Erscheinung, dargestellt als ein Drache, verfolgt Rom das neugeborene Jesuskind (Offenbarung 12,4). Dies geschieht durch König Herodes, einen Vasallen Roms, der den grausamen Kindermord von Bethlehem befiehlt. Diese Tat ist bis heute ein Sinnbild für Roms brutale Herrschaft und Christenverfolgung.
- Das päpstliche Rom – Der Thronwechsel Später gibt das heidnische Rom seinen Thron weiter – nicht an einen neuen Kaiser, sondern an einen geistlichen Herrscher: das Papsttum (Offenbarung 13,2). Rom bleibt damit eine Weltmacht, nur in geistlicher Gestalt. Die Verfolgung der Gläubigen setzt sich fort, doch unter dem Deckmantel des Christentums als Ketzerverfolgung. Die Prophezeiung spricht von 42 Monaten, die symbolisch 1.260 Jahre darstellen (42 x 30 Tage). Diese Periode begann im Jahr 538 und endete im Jahr 1798. Von dieser Herrschaft wird schon in Daniel 7 gesprochen. Hinter ihr verbirgt sich nämlich weiterhin der »Drache«.
- Das wiederauferstandene Rom – Der letzte Kampf Doch die Geschichte ist damit nicht zu Ende. In Offenbarung 17 erhebt sich Rom noch einmal – diesmal als eine beinahe sanfte und harmlose, ja verführerisch wirkende Weltmacht. Doch hinter der Fassade bleibt es dieselbe Kraft, die sich nun ein letztes Mal gegen das Lamm erhebt (Offenbarung 17,14).Das Lamm mit sieben Hörnern und sieben Augen erscheint in der Offenbarung erstmals, als die Throne für das letzte Gericht bereits aufgestellt waren und die Bücher geöffnet werden sollten (Daniel 7,9.10). Es ist der gesalbte, gekreuzigte und auferstandene Jesus – der als Hoherpriester den Menschen den Zugang zu Gottes Thron ermöglicht. Dadurch können sie aufhören, sich selbst und andere zu missbrauchen und zu verletzten. Stattdessen werden sie Boten, seelischer Heilung, wahrer Freiheit und Liebe. Jetzt, in dieser letzten Phase, prallen diese beiden Lebensentwürfe endgültig aufeinander – und die entscheidende Auseinandersetzung beginnt.
Drei Angriffswellen auf Rom: Naturgewalten, Armeen und Plagen
Kann die Offenbarung helfen, den Südkönig zu identifizieren, der Rom entgegensteht? Welche irdischen und geistlichen Mächte nennt sie als Feinde Roms – und welche bringen es letztlich zu Fall? Vielleicht finden wir unter ihnen den Südkönig.
Die sieben Posaunen der Offenbarung bieten die klarste Darstellung der Angriffe auf Rom. Auch sie folgen einer dreistufigen Eskalation:
- Die ersten vier Posaunen: der Untergang des heidnischen Roms
Zunächst richtet sich der Schlag gegen das heidnische Rom. Seine Feinde erscheinen in der Offenbarung als entfesselte Naturgewalten: Hagel, ein Vulkan, ein Meteorit und Finsternis. Doch hinter diesen Symbolen stehen reale historische Ereignisse. In dieser Phase toben vor allem militärische und ethnische Auseinandersetzungen. Die Völkerwanderung – ausgelöst durch den Ansturm der Hunnen, führt dazu, dass germanische Stämme das Römische Reich allmählich übernehmen. Sie bringen es nicht nur zu Fall, sondern treten auch das römische Erbe an. Bis heute sind sie Roms Nachfolger. Eine genauere Untersuchung der Symbolik zeigt, welche Völker an diesem Prozess beteiligt waren und wie sie dem heidnischen Rom und seiner Kaiserherrschaft ein Ende setzten. - Die fünfte und sechste Posaune: islamische Expansion und Angriffe auf das geistliche Rom
Mit der fünften Posaune verändert sich die Perspektive: Der Fokus liegt nun nicht mehr auf dem heidnischen, sondern auf dem geistlichen Rom – dem Papsttum. Viele der germanischen Stämme, die einst Rom bekämpften, dienen ihm nun als Vasallen. Doch neue Feinde tauchen auf. Die Offenbarung beschreibt die Angriffe islamischer Araber, Perser und Türken. Die fünfte Posaune schildert, wie das arabisch-islamische Heer über Rom hereinbricht und es mit Skorpionstichen quält. Die sechste Posaune schildert, wie die Osmanen das Oströmische Reich erobern und Roms Macht durch die drei Plagen Feuer, Rauch und Schwefel (Schießpulver) drastisch einschränken. Diese Ereignisse reichen vom 7. bis ins 16. Jahrhundert.
Der Islam stellte für Rom nicht nur eine militärische Bedrohung dar, sondern auch eine ideologische. Seine Ablehnung einer Priesterschaft (kontra Beichte), sein Alkoholverbot (kontra Messe), seine Wissenschaftsoffenheit (kontra Dogmenstarre), seine Familienfreundlichkeit (kontra Zölibat), seine soziale Wohlfahrt (kontra Ablasshandel) und sein Bilderverbot (kontra Heiligenverehrung) setzten dem Papsttum zu. Der Islam warf auf Rom einen Schatten, der die »Sonne« des Papstes verdunkelte. Diese Einflüsse trugen indirekt zur Reformation, zur Aufklärung und zur Französischen Revolution bei. Die Offenbarung beschreibt diese Angriffe mit zwei gewaltigen Bildern: einem riesigen Heuschreckenheer und einem unaufhaltsamen Reiterheer.
Eine Zeitprophezeiung führt uns schließlich ins Jahr 1840, als das Osmanische Reich seine Unabhängigkeit aufgibt und sich den europäischen Mächten unterstellt. Gleichzeitig verweist die sechste Posaune auf weitere bedeutsame Entwicklungen des 19. Jahrhunderts: die Adventbewegung von 1840-1844 (Offenbarung 10); und die weltweite Verbreitung der Bibel in viele Sprachen (Offenbarung 11). - Die siebte Posaune: Gericht und die letzten Plagen
Mit der siebten Posaune erreicht der Konflikt den Höhepunkt: Sie beschreibt das endgültige Gericht über Rom und erstreckt sich über mehrere Kapitel bis Offenbarung 19. In diesem Abschnitt geht es auch um die sieben letzten Plagen, die Roms Macht endgültig brechen.
Doch eine Frage bleibt:
Wer ist der Südkönig, der sich Rom entgegenstellt? Ist er unter den Mächten, die in den Posaunen beschrieben wurden? Und welche Rolle spielt das alte Ägypten dabei?
Wer ist der Nachfolger des alten Ägyptens?
In der ersten Phase Roms regierten die persischen Sassaniden in Ägypten, gefolgt von islamischen Herrschern in der zweiten Phase: den Fatimiden, Ayyubiden, Mamluken und schließlich den Osmanen. Immer wieder gerieten diese Mächte in militärische Konflikte mit den europäischen Herrschern – die Konfrontation zwischen Nord und Süd setzte sich fort.
Doch das geografische Ägypten war nicht der einzige mögliche Vertreter des »Südens«. Wenn wir den Begriff weiter fassen, stoßen wir in Phase 1 auch auf die germanischen Vandalen, die einst Nordafrika eroberten und von dort aus Rom attackierten. In Phase 2 kommen die islamischen Almoraviden, Almohaden und Saadier Nordwestafrikas ins Spiel, die ebenfalls erbitterte Gegner Roms waren. Tatsächlich rechnet man bis heute die arabischen, ja sogar die anderen islamischen, nicht-arabischen Länder zum Globalen Süden.
Aber reicht die Geographie allein aus, um den Südkönig zu identifizieren? Oder steckt hinter dieser Figur mehr als nur eine Landkarte?
Tier aus dem Abgrund: Entstehung und Bedeutung
In der sechsten Posaune der Offenbarung taucht ein rätselhaftes Wesen auf, ein Tier, das aus dem Abgrund aufsteigt (Offenbarung 11,7). Es tötet die »zwei Zeugen« – eine symbolische Darstellung der Heiligen Schriften. Doch nach dreieinhalb prophetischen Tagen stehen sie von den Toten wieder auf.
Ein solches Bibelverbot ist in der Geschichte zum ersten Mal während der Französischen Revolution belegt, als für dreieinhalb Jahre (Herbst 1793 bis Frühling 1797) die Heilige Schrift offiziell unterdrückt wurde.
Dieses Bibelverbot markierte den Höhepunkt einer Reihe von radikalen antichristlichen Maßnahmen, die dem siebenköpfigen Tier – Rom – eine tödliche Wunde zugefügt hatten (Offenbarung 13,3). Dieser Schlag gegen Rom manifestierte sich militärisch, als Frankreich 1798 den Papst gefangen nahm. Laut Daniel 7 markierte dies den Beginn der »Zeit des Endes«.
Auf diese Auseinandersetzung zwischen dem Tier aus dem Abgrund und dem siebenköpfigen Tier würde die folgende Beschreibung in der Vision des Propheten Daniels optimal passen:
»Zur Zeit des Endes aber wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen.« (Daniel 11,40)
Das hebräische Wort für »zusammenstoßen« (nagach) bedeutet so viel wie »mit den Hörnern rammen, durchbohren, aufspießen«. Die Wortwahl beschreibt treffend, wie Rom seine tödliche Wunde erhielt – den wohl gravierendsten Angriff gegen Rom, den Daniel und die Offenbarung schildern – abgesehen von seinem endgültigen Untergang.
Doch wie fügt sich das in unsere bisherigen Forschungen über den Südkönig Ägypten ein?
Ägypten in der Offenbarung
Das Wort Ägypten taucht in der Offenbarung nur an einer einzigen Stelle auf. Es wird mit dem Bibelverbot in der Französischen Revolution in Verbindung gebracht: »Und wenn sie [die zwei Zeugen: Torah und Propheten bzw. Altes und Neues Testament] ihr Zeugnis vollendet haben, so wird das Tier, das aus dem Abgrund aufsteigt, mit ihnen kämpfen, sie überwinden und töten. Und ihre Leichname werden liegen auf der Straße der großen Stadt, die heißt geistlich: Sodom und Ägypten, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde.« (Offenbarung 11,8)
Viele Ausleger haben deshalb dieses Tier aus dem Abgrund mit dem Südkönig Ägypten aus Daniel 11 in Verbindung gebracht. Doch was genau bedeutet dieses »geistliche Ägypten«? Steht es nur für den atheistischen Geist der Revolution – oder spiegelt es eine tiefere Strömung wider – eine antirömische Identität, die aus dem Süden kam und sich gegen das Papsttum richtete?
Die Wurzeln der Revolution
Die Französische Revolution war nicht nur ein plötzlicher Umsturz, sondern das Endergebnis eines langen geistigen Wandels, der sich in Europa vollzog. Ein wesentlicher Impuls kam aus dem Süden: Der Islam brachte mit seinem rational-empirischen Wissenschaftsansatz Licht in das mittelalterliche Europa, das unter der dogmatischen Herrschaft Roms erstarrt war. Über Córdoba und andere Zentren islamischer Gelehrsamkeit gelangten neue Denkweisen nach Europa, die die Grundlagen der Aufklärung legten.
Doch die Aufklärung war nicht nur eine Befreiung aus der Unwissenheit, sondern auch eine Revolte gegen das römische System von Kirche und Staat. Was als Emanzipation von päpstlicher Kontrolle begann, schlug um in eine umfassende Ablehnung des Christentums selbst. Der revolutionäre Geist richtete sich nicht nur gegen den Klerus, sondern gegen Gott und die Bibel. Hier entstand der Staatsatheismus, der die Idee verbreitete, dass sich die Unterdrückten durch Revolutionen von ihren Unterdrückern befreien müssten – ein Gedanke, den Karl Marx schließlich systematisch ausbaute und der bis heute vielfältig nachwirkt.
Gibt es in der Offenbarung noch mehr Hinweise darauf, dass dieses mysteriöse Tier mit dem Süden zusammenhängt?
Arabien als Wegbereiter
Besonders interessant ist, dass das Tier des Staatsatheismus aus demselben Abgrund aufsteigt (Offenbarung 11,7) wie die arabischen Heuschreckenschwärme. Hinter dem Wort Abgrund steckt eigentlich das hebräische Wort »Tehom«, das in der Bibel für die Urflut (1. Mose 1,2; 7,11) oder für eine unbewohnbare Wasserwüste steht. In der Offenbarung wird es zum Codewort für Arabien und seine Sand- und Steinwüsten sowie zum Bild für den unbewohnbaren Planeten im zukünftigen Millennium (Offenbarung 9,1; 20,1).
Die in der arabischen Wüste verwurzelte Welt forderte nun mit ihrer Wissenschaft und Kultur nicht nur das Europa des Mittelalters heraus, sie wurde auch zum Ausgangspunkt eines Geistes, der Rom als Feind des wahren Glaubens sah. Dieser antirömische Impuls, der sich in der islamischen Welt bereits früh gegen Byzanz und das Papsttum richtete, fand Jahrhunderte später in der Französischen Revolution eine neue Gestalt. Hier kehrte er in säkularisierter Form zurück – nicht mehr als religiöse Konkurrenz, sondern als radikale Ablehnung von Religion selbst. Das Tier aus dem Abgrund war geboren.
Die Haltung des ägyptischen Pharaos – »Wer ist der HERR, dass ich ihm gehorchen müsste?« (2. Mose 5,2) – wird von vielen als Kern des Staatsatheismus interpretiert. Ist Ägypten in der Prophetie daher ein Symbol für den modernen Staatsatheismus? Und wie ging es mit dieser modernen Macht weiter?
Das dritte Rom fällt: Moskau und der Staatsatheismus
Das revolutionäre Erbe des Staatsatheismus endete nicht mit der Französischen Revolution. Es setzte sich fort und traf schließlich auch das dritte Rom: Moskau. Nachdem das Byzantinische Reich 1453 gefallen war, übernahm das orthodoxe Russland die Rolle seines Erben. Die Zaren betrachteten sich als Nachfolger der römischen und byzantinischen Kaiser – ein Anspruch, der sich in der Bezeichnung »Moskau, das dritte Rom« widerspiegelte. Doch wie zuvor in Paris erhob sich auch hier eine Revolution gegen den kirchlich geprägten Staat.
Die bolschewistische Oktoberrevolution von 1917 entmachtete Zar und orthodoxe Kirche, errichtete einen atheistischen Staat und verfolgte das Christentum mit beispielloser Härte. Damit war auch das dritte Rom hinweggefegt worden, und zwar von der Welle des antirömischen Geistes – einer Bewegung, die einst in Arabien ihren Anfang genommen hatte.
Wie wirkten sich aber alle diese Schläge gegen Rom auf die Situation derer aus, deren Glauben nicht mit Rom übereinstimmte?
Von Verfolgung zur Befreiung
Der Islam brachte den verfolgten Juden und Christen regelmäßig Erleichterung. In islamischen Ländern fanden sie Zuflucht, während die Christen in ihren eigenen Ländern durch diese Einflüsse Mut zur Reformation und Emanzipation schöpften. Die Osmanen hielten ihnen dabei den Rücken frei, indem sie die »römischen« Heere an ihren Fronten banden. Gleichzeitig führte die starke Wirtschaftsmacht des islamischen Orients dazu, dass die Europäer nach alternativen Handelsrouten suchten – eine Suche, die schließlich zur Entdeckung Amerikas führte (»Die Erde half der Frau.« Offenbarung 12,16). Damit wurde der Islam indirekt zu einer treibenden Kraft, die verfolgten Juden und Christen ein Land eröffnete, in dem Religionsfreiheit zum Grundsatz werden konnte.
Obwohl die Französische Revolution für Juden und Christen zunächst eine Katastrophe darstellte, da sie versuchte, die alten Religionen völlig abzuschaffen, führte sie doch auf lange Sicht zu einer neuen Religionsfreiheit in Europa. In Osteuropa hingegen hielt der Kommunismus den Glauben über Jahrzehnte hinweg unterdrückt – eine Last, die nicht nur Juden und Protestanten, sondern auch orthodoxe Christen und römisch-katholische Gläubige schmerzlich zu spüren bekamen.
Doch dann zerbrach die Sowjetunion. Was war geschehen?
Heilung der tödlichen Wunde
Schon bald nach 1798 begann Rom systematisch daran zu arbeiten, seine Macht zurückzugewinnen. Ein entscheidender Wendepunkt war das Bündnis zwischen Papst Johannes Paul II. und US-Präsident Ronald Reagan. Gemeinsam setzten sie Impulse, die zum Fall der Berliner Mauer und schließlich zum Zerfall der Sowjetunion führten. Das Papsttum hatte seinen globalen Einfluss damit erheblich ausgedehnt. Die päpstliche Vermittlung bei internationalen Konflikten zum Beispiel in Lateinamerika zeigt, dass Rom wieder als weltpolitischer Akteur agiert. Die Offenbarung prophezeit, dass die Wunde völlig heilen wird (Offenbarung 13,3).
Heute ist der Staatsatheismus, der einst Rom herausforderte, weitgehend Geschichte. Nordkorea ist eines der letzten Länder, die einen noch strikt atheistischen Kurs fahren. Russland hingegen ist wieder orthodox-christlich geprägt und toleriert auch andere Glaubensgemeinschaften. Selbst China erlaubt das Christentum und druckt sogar Bibeln, behält aber die Kontrolle über religiöse Aktivitäten und wehrt ausländische kirchliche Einflüsse ab. Insgesamt scheint der Nordkönig (Rom und seine Verbündeten) den Kampf gegen den Atheismus für sich zu entscheiden. Die ehemaligen kommunistischen Gebiete – von Osteuropa bis Zentralasien – werden zunehmend vom Westen kulturell, wirtschaftlich und militärisch durchdrungen.
Interessanterweise nimmt Rom in Kauf, dass mit dem Einfluss der USA auch die Idee der Religionsfreiheit in diese Regionen vordringt – und letztlich überall dorthin, wo der amerikanische Einfluss zunimmt.
Doch wie ist es inzwischen um »Antirom« bestellt?
Antirömische Achse
Es zeigt sich, dass heute sozialistisch-linke Bewegungen im Westen, bestimmte islamische Länder sowie Russland, Nordkorea und China zunehmend miteinander sympathisieren. Gemeinsam bieten sie den USA und Israel die Stirn. So versuchen sie eine Art antirömische Achse zu bilden.
Die Länder, die unter der expansiven Dominanz des globalen Nordens leiden, schließen sich immer enger zusammen. Dazu gehört auch die Organisation der BRICS-Staaten, die sich als Gegenentwurf oder ausgleichender Pol zur G7-Staatengemeinschaft samt ihrer NATO versteht. So spricht man auch in diesem Zusammenhang vom Globalen Süden.
Nach allen diesen Beobachtungen stellt sich die Frage: Ist der Nordkönig der Endzeit in Daniel 11 nun der Vatikan oder auch die USA? Denn nur so fände die USA als Weltmacht überhaupt einen Platz in der Prophetie Daniels. Gehören vielleicht sogar alle »römischen« Mächte des globalen Nordens dazu? Dann könnte auch der Südkönig ein Oberbegriff für die gesamte antirömische Achse sein.
Schauen wir uns dazu das zweite Tier in Offenbarung 13 an.
USA in der Prophetie
Vertiefen wir uns weiter in die Symbolsprache der Offenbarung:
Die tödliche Wunde des siebenköpfigen Tieres ist am Heilen (13,3). Der Vatikan verlor erst sein ganzes Territorium, der Papst seine weltpolitische Bedeutung. Doch von beiden Verlusten hat er sich mittlerweile erstaunlich gut erholt.
Ein zweihörniges lammähnliches Opfertier überzeugt schließlich die ganze Welt, dem siebenköpfigen Tier zu huldigen und sein »Zeichen« anzunehmen (13,11-17). Es sind die USA, wohin sich die verfolgten Protestanten flüchteten (12,16; 13,11).
Dieses Pseudo-Lamm spricht wie der Drache selbst – als Wolf im Schafspelz (13,11). Neue Gesetze in den USA, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, präsidiale Dekrete könnten genau diesen »Wolfs- oder Drachencharakter« tragen.
Dieses »Lamm« lässt dem Papsttum ein »Götzenbild« anfertigen, das alle unter Androhung der Todesstrafe anbeten sollen (13,14-15). Der mittelalterliche Geist der Intoleranz erwacht zu neuem Leben.
USA als Erbe Roms
Die USA sind nicht nur einer der Erben Roms mit ihrer stark vom römischen Latein beeinflussten Sprache, Schrift, Gesetzgebung, Architektur, Infrastruktur und ihrem Imperialismus. Sie sind auch militärisch, wirtschaftlich und kulturell der prägende Einfluss im gesamten römischen Machtbereich des globalen Nordens. Ohne sie hätte das Papsttum nicht wirklich irgendeine militärische Einflussmöglichkeit. Woher sollten sonst die vielen Wagen, Reiter und Schiffe des Nordkönigs kommen?
»Zur Zeit des Endes aber wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen Da wird dann der König des Nordens mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen auf ihn losstürmen und in die Länder eindringen und sie überschwemmen und überfluten.« (Daniel 11,40 b)
Denken wir wieder an die Panzer, Kampfjets und Kriegsschiffe in Korea, Vietnam, Kuweit, Kosovo, Afghanistan, Irak, Libyen, Ukraine, Gaza. Aber auch an die Wirtschaftsmacht von Google, Apple, Meta, Starlink und anderen US-Firmen sowie den Einfluss von Hollywood und Co. Oft waren diese Kriege eine Antwort auf eine Provokation aus dem »Süden« – zum Beispiel Nine Eleven, der russische Angriff auf die Ukraine oder der Anschlag der Hamas. Und genau so beschreibt es ja der erste Teil von Daniel 11,40.
Doch was beschreibt der Text als Nächstes?
Israel in der Prophetie
»Und er wird in das herrliche Land einfallen und viele werden umkommen. Es werden aber seiner Hand entrinnen Edom, Moab und die Hauptleute der Ammoniter.« (Daniel 11,41)
Das herrliche Land in diesem Vers könnte mehrere Bedeutungen haben. Im buchstäblichen Sinne wäre es Israel. Für diese Auslegung spricht, dass die Visionen Daniels ja eine Antwort auf Daniels Frage waren nach dem Schicksal seines buchstäblichen Volkes, der buchstäblichen Hauptstadt Jerusalem und des buchstäblich zerstörten Tempels. Hat sich so ein militärischer, wirtschaftlicher und kultureller Einfall des Globalen Nordens im herrlichen Land seit der Französischen Revolution zugetragen?
Nordkönig im herrlichen Land
Wie ist der Nordkönig durch seine Wagen, Reiter und Schiffe ins herrliche Land eingefallen? Die Staatsgründung Israels ging gleich einher mit militärischer Gewalt, und bis heute ist es so geblieben: Wird Israel von seinen Nachbarn bedrängt und Menschen kommen dabei ums Leben, dann schlägt Israel schon immer asymmetrisch zurück. Das gelingt ihm durch die wirtschaftliche und militärische Unterstützung der USA, sei es finanziell, durch Lieferung von Waffensystemen oder durch aktive militärische Rückendeckung. Dass viele umkommen werden, haben wir erst kürzlich wieder im aktuellen Nahost-Krieg gesehen.
Aber auch kulturell spiegelt Israel den Werteverfall in den USA wider. So ist zum Beispiel Tel Aviv die Metropole für alternative sexuelle Identität im Nahen Osten geworden und wird deshalb gerne mit San Francisco oder Miami verglichen. Viele Juden, die mit großer Hoffnung nach Israel einwanderten, mussten feststellen, wie ihre Kinder dort verweltlichten und teilweise sogar ihren Glauben verloren.
Das Vordringen des Nordkönigs war jedoch nicht nur Fluch. Das protestantische Erbe der USA wirkte sich auch hier segensreich aus.
Rückführung der Juden ins herrliche Land
Israels Staatsgründung war nicht nur das Ergebnis der zionistischen Bewegung und der britischen Politik, sondern vor allem auch dem Einfluss der USA zu verdanken. Die Staatsgründung brachte Erleichterung für das Schicksal des jüdischen Volkes. Endlich hatte es wieder eine Heimat. Im festen Glauben auf Gottes Verheißungen, sie wieder zu sammeln, nahmen die Juden Entbehrungen auf sich, lernten eine neue Sprache (das neu zum Leben erweckte, und wieder alltagstaugliche Hebräisch) und erschufen ein Staatsgebilde, dass sie trotz unterschiedlicher ethnischer Hintergründe (Aschkenasim, Sephardim, Mizrachim, Falascha und andere) wieder zu einem Volk machte.
»Das Land half der Frau« (Offenbarung 12,16), trifft auch hier zu. Nach der Katastrophe des Holocausts, wurde das Land Israel (Eretz Jisrael) wieder zur Zuflucht für die Juden. Das erschien vielen als Erfüllung der alten Prophezeiungen und lässt sich bei genauerem Hinsehen auch nur durch göttliche Treue zu seinen Verheißungen erklären. Allerdings ist offensichtlich, dass sich diese Verheißungen nur teilweise erfüllt haben, sonst wäre Israel längst ein Ort des Friedens, der Reinheit und der Gottesfurcht. Zu sehr ist trotz zum Teil starker Religiosität das Gegenteil der Fall. Auf jeden Fall inspirierte die Staatsgründung Israels und die Heimkehr von Millionen Juden viele zu dem Glauben, dass Gottes Verheißungen sich nach diesem ersten Schritt noch tiefer erfüllen können.
Vor allem die Evangelikalen, die weltweit ihre Inspiration von US-amerikanischen Predigern, Autoren und Gelehrten nehmen, sind bis heute starke Unterstützer Israels. Schauen wir uns deshalb die Beziehung zwischen Israel und den USA noch genauer an.
USA und Israel – unzertrennlich
Interessant ist, dass USA und Israel zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Die USA sind die stärkste Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt, Israel ist gemessen an seiner begrenzten Größe und Bevölkerung aber eigentlich fast noch stärker. Das verschafft ihnen viele Feinde. Deshalb haben beide Länder so strenge Sicherheitskontrollen gegen Terrorismus wie kaum ein anderes Land.
Beide Länder entstanden auf der Grundlage einer klar definierten Ideologie, in der Schutz vor Verfolgung und göttliche Berufung eine große Rolle spielen. Als Zufluchtsort und Einwanderungsland öffneten sie Menschen aus allen Nationen der Welt ihre Türen. Daher sind sie globale Gebilde, die leicht auf alle andern Länder Einfluss nehmen können. Sie sind Länder mit einer Mission in der Welt, ein »Mikrokosmos der Menschheit«. Die Mischung von starker Religiosität und wagemutigem Säkularismus hat ihren globalen Einfluss noch verstärkt. Durch ihre multikulturelle Gesellschaft und ihre wissenschaftliche und technologische Spitzenstellung sind sie global führend bei Innovation und Start-ups. Ihre große Diaspora vergrößert ihre Reichweite. Ihre Medien- und Kulturzentren sind weltweit tonangebend. Da ist es leicht, sich schnell auf einer höheren Stufe als andere Länder zu fühlen und diese von oben herab zu betrachten und zu behandeln.
Israels Abhängigkeit von den USA ist enorm. Sowohl die jüdische Gemeinde in den USA, die oft die Demokraten wählten, als auch die Evangelikalen auf der Seite der Republikaner haben ein enges Verhältnis zu Israel. Deshalb wird Israel von seinen Nachbarstaaten auch als Kolonialstaat der USA, des Westens bzw. des globalen Nordens wahrgenommen.
Doch gibt es auch eine geistliche Ebene, wie man den Einfall des Nordkönigs ins herrliche Land verstehen kann?
USA als zweites herrliches Land
Ob Daniel damals schon ahnte, dass die Verheißungen Gottes an Abraham nicht nur seinen beschnittenen Brüdern im heutigen Israel galten, sondern auch seinen unbeschnittenen, geistlichen Nachkommen? Viele amerikanische Christen gehen sogar noch weiter, und sehen in den USA tatsächlich ein zweites gelobtes Land, ein Land der Zuflucht und der Freiheit, das Gott seinen Kindern verheißen hat. Auch mindestens einer der Adventpioniere (Hiram Edson) dachte in diese Richtung.
Wie könnte nun der Nordkönig in den USA eingefallen sein?
Ein Einfall auf spiritueller Ebene ins herrliche Land (die USA), könnte natürlich demgemäß auch mit geistlichen Wagen, Reitern und Schiffen erfolgen. Solch ein Einfall geschah allerdings viel schleichender und verborgener – mit dem Ergebnis, dass eine ehemals protestantische Nation nun zum Beispiel einen Obersten Gerichtshof hat, der mehrheitlich römisch-katholisch ist, weil das Bildungssystem der USA vor allem im juristischen Sektor jesuitisch geprägt ist.
Und wie geht es im nächsten Vers in Daniel 11 weiter?
Islam an der Wegscheide
Die letzten Verse in Daniel 11 könnte man als drei Wege verstehen, die Muslime einschlagen werden. Das wäre eine Auslegung für die leiblichen Nachkommen der Söhne des Ostens, die Abrahams Sohn Ismael begründete: die Araber. Man könnte das Bild aber auch auf die geistlichen Nachkommen Ismaels erweitern – die nichtarabischen Muslime – oder auf den gesamten Globalen Süden: alle Länder der antirömischen Tradition.
»Es werden aber seiner Hand entrinnen Edom, Moab und die Erstlinge der Ammoniter.« (Daniel 11,41)
Im endzeitlichen Kontext bedeutet dies, dass sie das »Zeichen« des Tieres nicht annehmen werden. Das könnten die »Übrigen« aus den Arabern (Söhnen des Ostens) sein, die sich für Gewaltfreiheit entscheiden; solche, die lieber Unrecht leiden, als Unrecht tun. Tatsächlich ist das Gebiet von Edom, Moab und Ammon – der heutige Staat Jordanien – als besonders friedliebend bekannt. Er hat die meisten palästinensischen Flüchtlinge aufgenommen und Frieden mit Israel geschlossen. Die Nachfahren Esaus (Edom) und Lots (Moab und Ammon) standen Gottes Volk geographisch am nächsten. In der Prophezeiung stehen sie als Bild für Araber (Muslime, Ex-Atheisten), die sich versiegeln lassen und die dreifache Engelsbotschaft im Lauten Ruf verkündigen werden. Nicht umsonst sieht die sechste Posaune das Schicksal der Adventbewegung, der Bibelgesellschaften und des Islams miteinander verknüpft.
»Und er wird seine Hand ausstrecken nach den Ländern und Ägypten wird ihm nicht entrinnen, sondern er wird Herr werden über die goldenen und silbernen Schätze und über alle Kostbarkeiten Ägyptens.« (Daniel 11,42.43) Auch Ägypten hat einen Friedensvertrag mit Israel. Der Grund dafür war aber, dass es von Israel besiegt wurde und nur so die Sinai-Halbinsel wiederbekommen konnte. Ägypten stünde dann für die Araber, Muslime und Ex-Atheisten, die einst zu Antirom gehörten, sich dann aber doch unter das Joch Roms beugen.
»Libyer und Kuschiter werden ihm folgen.« (Daniel 11,43) Das klingt nach einer Nachfolge ehemaliger »Antirömer« aus freien Stücken. In ganz erstaunlicher Weise steigt Rom in seiner letzten Gestalt (Offenbarung 17, dritte Phase) aus demselben Abgrund auf, aus dem schon die arabischen Heuschrecken und der französische Staatsatheismus aufgestiegen sind. Ansätze für eine pro-vatikanische, pro-amerikanische Stimmung in Arabien gibt es bereits. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es inzwischen ein Abrahamic Family House zur Förderung des Dialogs zwischen Islam, Christentum und Judentum. 2019 hatte Papst Franziskus und der Großimam der Al-Azhar ein Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen unterzeichnet, das zur Eröffnung des Abrahamic Family House am 16. Februar 2023 führte. Besonders ein Emirat ist zur Schnittstelle von Morgen- und Abendland geworden: Dubai.
Menschheit an der Wegscheide
Vor dieser Entscheidung steht letztlich die ganze Welt: Lasse ich mich vor Roms Zugriff retten? Oder lasse ich mich stattdessen von Rom besiegen? Oder, noch krasser, folge ich Rom aus freien Stücken?
Anders gefragt (in der Symbolsprache der Offenbarung): Lasse ich mich an der Stirn versiegeln? Oder lasse ich mir widerwillig das Tierzeichen auf die Hand aufdrücken? Oder, noch krasser, nehme ich das Tierzeichen sogar gerne auf meine Stirn?
Die Vision in Daniel 11 kommt nun zu ihrem Höhepunkt:
Zwischen Mittelmeer und Jerusalem
»Es werden ihn aber Gerüchte erschrecken aus Osten und Norden, und er wird mit großem Grimm ausziehen, um viele zu vertilgen und zu verderben. Und er wird seine prächtigen Zelte aufschlagen zwischen dem Meer und dem herrlichen, heiligen Berg; aber es wird mit ihm ein Ende nehmen und niemand wird ihm helfen.« (Daniel 11,44-45)
Wörtlich steht hier zwischen den »Meeren«. Doch dieses Wort wird in der Bibel häufig für das Mittelmeer verwendet: Im Zusammenhang mit den drei Stämmen Sebulon, Issachar und Asser, die um den Karmel am Mittelmeer wohnten (1. Mose 49,13; 5. Mose 33,19, Richter 5,17); oder als beschrieben wird, wie man die Stadt Tyros ins Mittelmeer werfen würde (Hesekiel 27,4.25-27; 28,2.8); und als die Geschichte erzählt wird, wie Jona im Mittelmeer vom Wal verschluckt wurde (Jona 2,3).
Zwischen Mittelmeer und Jerusalem liegt der Gaza-Streifen, ein Teil des alten Philistäa (aus dem das Wort Palästina abgeleitet wurde, arabisch: Filisteen). Wird uns dieses Stück Land noch eine lange Zeit beschäftigen?
Auf geistlicher Ebene könnte hier natürlich auch eine Position zwischen dem Völkermeer und dem treuen Volk Gottes angedeutet sein.
Wer ist der Südkönig?
Als historische Feinde Roms und seiner Freunde sehen wir den Islam und heute die Führer des globalen Südens (allen voran Russland und China). Das sind auch die beiden Entitäten, die in adventistischen Auslegungen der letzten Jahrzehnte immer wieder als Kandidaten für den Südkönig genannt wurden. Möglicherweise ist beides wahr und sogar noch etwas umfassender.
Eine letzte Antwort auf die Frage, wer der Südkönig ist, möchte dieser Artikel aber nicht geben. Die weitere Entwicklung der Ereignisse wird sicher darauf eine Antwort geben. »Alle Gottlosen werden’s nicht verstehen, aber die Verständigen werden’s verstehen.« (Daniel 12,10)
Schluss
Fest steht, dass Antirom in allen seinen Facetten bald besiegt sein wird, militärisch, wirtschaftlich und kulturell. Für ganz kurze Zeit wird es dann eine »römische« Weltherrschaft geben, die so enttäuschend sein wird für die Welt, dass Rom in der siebten Plage durch sein Ende findet (Offenbarung 17,16), weil die ganze Welt sich gegen es kehrt. Da werden dann auch die antirömischen Kräfte und Mächte der Geschichte wieder zum Leben erwachen. Dann kommt Jesus und greift ein, um alle, die zu ihm gehören, mit sich ins Neue himmlische Jerusalem zu nehmen, und sie so vor dem vorläufigen Ende der Zivilisation auf einem außer Kontrolle geratenen Planeten zu erretten. Im Neuen Jerusalem – an einem anderen Ort im Universum – werden dann im tausendjährigen Reich alle Fragen geklärt. Erst danach wird die Welt durch Feuer gereinigt und neu erschaffen – als Paradies für die Ewigkeit.
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