Daniel 2 unter der Lupe: Ein neuer Blick aufs Standbild

Daniel 2 unter der Lupe: Ein neuer Blick aufs Standbild
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Die Welt ist zum Dorf geworden. Prophetiegeschichte spielt sich nicht mehr nur unmittelbar rund ums Mittelmeer ab. Von Kai Mester

Lesezeit: 20 Minuten

Das Standbild aus dem Traum des neubabylonischen Königs Nebukadnezars ist jedem Anfänger des Prophetiestudiums vertraut, so vertraut, dass es schwierig ist, einen neuen Blick darauf zu werfen. Denn viele kennen es ja schon in- und auswendig.

Das gemeinsame Studium mit ein paar Jugendlichen hat mir hier die Augen für völlig neue Fragen geöffnet. Hier erst mal nur als Brainstorming:
Was sagt die Bibel über die Regierungsform der großen Weltreiche? Im wievielten Reich leben wir? Wann beginnt das Reich Gottes? Wie ist es zur Spaltung des letzten Weltreiches gekommen? Was bedeutet der Ton in den Füßen der Statue? Welche Bedeutung hat Ton in der Bibel überhaupt? Was hat die Erschaffung der Weltreiche mit Gottes Schöpfung zu tun? Wo taucht der Messias im Traum von Nebukadnezar namentlich auf? Vermischte sich Rom tatsächlich mit reinem Ton? Sind Gewalt und Glaube miteinander vereinbar? Was hat die Kirche in der Politik verloren? Sind wir heute immer noch Römer?
Dieser Artikel versucht einige Antworten zu geben. Ich freue mich, wenn du neugierig bist.

Welchen Frevel verkörpert das Standbild?

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich hatte mich nie gefragt: Warum hat Nebukadnezar die Weltreiche eigentlich in Form einer Statue gesehen?

Sein Traum wird im zweiten Kapitel des biblischen Buches Daniel geschildert – auf Aramäisch. Standbild heißt in dieser Sprache tselem. Im Hebräischen auch. So können wir im ganzen Alten Testament blättern, das ja fast ausschließlich in Hebräisch verfasst wurde, und schauen, wo das Wort tselem noch vorkommt. Wir finden es bei der Erschaffung des Menschen nach dem »Bild« Gottes (1. Mose), bei Bildern aus Metall (4. Mose 33,52), Baalsbildern (2. Könige 11,18), Gräuelbildern (Hesekiel 7,20), Menschenstatuen (Hesekiel 16,17) und Götzenstatuen (Amos 5,26).

Da das Standbild durch einen Stein vernichtet wird, der das Reich Gottes symbolisiert, sind die dargestellten Weltreiche also ein Götze für den Menschen geworden. Die Ehre, die man ihnen gibt, gehört eigentlich Gott. Sie haben sich an Gottes Stelle gesetzt.

Deshalb hat Nebukadnezar II., wie er heute in der Geschichte heißt, auch eine echte Kopie des Traumgötzen angefertigt. Denn er wollte, dass sein Reich nie untergeht. Sein Standbild in der Ebene Dura war komplett aus Gold, im Traum nur der Kopf, der das neubabylonische Reich (605–539 v. Chr.) darstellte. In Wirklichkeit währte dieses Reich also nur 66 [sic!] Jahre.

Offensichtlich hat die Regierungsform dieser Weltreiche trotz allem Glanz keinen Bestand. Sie bewährt sich nicht. Sie ist der göttlichen Regierungsform völlig entgegengesetzt.

Im wievielten Weltreich leben wir?

Bisher hatte ich immer fünf widergöttliche Weltreiche gesehen, die durch die fünf verschiedenen Materialien im Standbild dargestellt werden. Doch nun wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass es nur vier sind: vier Weltreiche, die Gottes Volk seit den Tagen Daniels unterjocht haben, repräsentiert durch Gold, Silber, Bronze und Eisen. Tatsächlich reicht das Eisen bis ans Weltende. Der Ton in den Füßen ist nur ein zugemischtes Material und stellt kein eigenes Reich dar. Auch der Text selbst spricht nur von vier Reichen:

»Du (Nebukadnezar) bist das Haupt aus Gold. Nach dir aber wird ein anderes Reich aufkommen geringer als du; und ein nachfolgendes drittes Königreich, das eherne, wird über die Erde herrschen. Und ein viertes Königreich wird sein so stark wie Eisen … Dass du aber die Füße und Zehen teils aus Töpferton und teils aus Eisen bestehend gesehen hast, bedeutet, dass das Königreich (nämlich das vierte) gespalten sein wird.« (Daniel 2,38-41)

Wir leben daher heute immer noch im vierten Weltreich aus der Prophetie Daniels.

Die persischen Achämeniden und der griechische Hellenismus

Der persische Achämenidenkönig Kyros II. eroberte Babylon, regierte aber sein Reich weiterhin von Susa aus. Später gründete König Dareios I. die Residenzstadt Persepolis. Das war das zweite Weltreich. Als Persepolis 331 v. Chr. von Alexander dem Großen erobert wurde, bedeutete dies nach gut 200 Jahren das Ende des Perserreiches.

Von nun an herrschten die Griechen mit ihrem Hellenismus über Israel. Das dritte Weltreich hatte begonnen. Doch im Jahre 164 v. Chr. wurden sie in Jerusalem von den jüdischen Makkabäern besiegt. Im Jahr 30 v. Chr. endete dann mit dem Tod Kleopatras, der letzten Pharaonin der griechisch-ägyptischen Ptolemäer, der letzte Glanz des griechischen Weltreichs nach ebenfalls 200 Jahren.

Inzwischen hatte Rom, das vierte Weltreich, sich einen Großteil des ehemals griechischen Territoriums einverleibt, darunter im Jahr 63 v. Chr. durch Pompeius auch Jerusalem. In diesem vierten Weltreich leben wir noch heute. Denn im Standbild besteht das vierte Weltreich bis zum Jüngsten Tag fort.

Wohl gibt es die Meinung, das Reich Gottes sei schon durch Jesus aufgerichtet. Doch Jesus selbst sagte kurz vor seinem Tod: »Nehmt diesen [Kelch] und teilt ihn unter euch! Denn ich sage euch: Ich werde nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist.« (Lukas 22,17.18) Das Reich Gottes ist mit Jesu ersten Kommen nahe herbeigekommen und beginnt in den Herzen der Gläubigen. Gleich einem Sauerteig durchsäuert es die Welt; gleich einem Senfkorn wächst es heran zu einem großen Baum. Doch erst bei seinem zweiten Kommen hat es die Weltreiche besiegt.

Verunreinigung durch ein neuartiges Material

Wie ist es nun zu der Spaltung des letzten Königreichs Rom gekommen?

»Es wird etwas von der Festigkeit des Eisens in ihm bleiben, gerade so, wie du das Eisen mit lehmigem Ton vermengt gesehen hast.« (Daniel 2,41) Hier wurde also nicht etwa Eisen dem Ton beigemengt, sondern umgekehrt. Das Eisen, das ja chronologisch zuerst da war, wird nun mit dem Ton vermengt. Der Charakter des vierten Reiches ändert sich. Zuerst bestand das Reich aus reinem Eisen, doch dann verliert es seine Reinheit. Es verunreinigt sich mit einem für die Statue völlig neuartigem und überraschendem Material.

Jedem Prophetiestudenten fällt auf, dass die Wertigkeit der Metalle in dem Götzenbild abgenommen, die Härte aber zugenommen hatte. Babylon wurde an Gold, Reichtum, Kunst, Schönheit, Vollkommenheit, Weisheit, Wissenschaft – denn für all das steht das Gold – von den nachfolgenden Reichen nur noch unterboten, wenn wir den Aussagen des Traums glauben wollen. Doch auch die Geschichte liefert uns dafür Hinweise. So überdauerte zum Beispiel der Einfluss der griechischen Kultur das antike Rom, was uns zeigt, dass Griechenland ein edleres Metall gewesen ist.

Rom regiert nun schon seit über 2000 Jahren mit eisernem Zepter. Seine Härte zeigt sich aber nicht nur in seiner Regierungsdauer, sondern auch in der militärischen Grausamkeit, mit der es von Anfang an seinen Erfolg zementierte.

Das neue Material, mit dem sich das vierte Reich nun verunreinigt, überrascht uns, denn es ist nicht aus Holz oder Stein, aus denen normalerweise bei absteigendem Wert Götzen gefertigt wurden:

»Sie tranken Wein und rühmten die Götter aus Gold und Silber, aus Bronze, Eisen, Holz und Stein.« (Daniel 5,4.23 ELB) »Statt der Bronze werde ich Gold bringen und statt des Eisens werde ich Silber bringen, statt der Hölzer Bronze und statt der Steine Eisen.« (Jesaja 60,17 ELB) »Die goldenen und die silbernen und die bronzenen und die steinernen und die hölzernen Götzenbilder.« (Offenbarung 9,20 ELB)

Doch statt Holz sehen wir ein viel zerbrechlicheres Material: Töpferton. Das wollen wir uns genauer anschauen.

Was bedeutet Töpferton in der Bibel?

In der Bibel steht der Ton für Gottes Volk, für Israel.

»Und ich ging in das Haus des Töpfers hinab, und siehe, da fertigte er gerade ein Werkstück auf der Scheibe an. Aber das Gefäß, das er aus Ton machte, verdarb in der Hand des Töpfers. Da fing er von neuem an und machte daraus ein anderes Gefäß, wie es in den Augen des Töpfers richtig war. Da erging das Wort des HERRN an mich folgendermaßen: Kann ich mit euch nicht genauso umgehen wie dieser Töpfer, du Haus Israel? spricht der HERR. Siehe, wie der Ton in der Hand des Töpfers, so seid ihr in meiner Hand, Haus Israel! « (Jeremia 18,3-6)

Anders als der Gold- oder Silberschmied formt der Töpfer den Ton mit seinen Händen im innigen Kontakt.

»Nun aber bist du, HERR, unser Vater; wir sind der Ton, und du bist unser Töpfer; wir alle sind das Werk deiner Hände. Zürne nicht allzu sehr, o HERR, und gedenke nicht ewiglich an die Schuld! Ziehe doch das in Betracht, dass wir alle dein Volk sind!« (Jesaja 64,7-8)

Der Ton steht für Gottes Gemeinde aus Juden und Heiden:

»Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre, das andere zur Unehre zu machen? Wenn nun aber Gott, da er seinen Zorn erweisen und seine Macht offenbar machen wollte, mit großer Langmut die Gefäße des Zorns getragen hat, die zum Verderben zugerichtet sind, damit er auch den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit erzeige, die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat? Als solche hat er auch uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.« (Römer 9,21-24)

Gott bereitet den Menschen aus Ton:

»Gedenke doch, dass du mich wie Ton gebildet hast; und nun willst du mich wieder in Staub verwandeln!« (Hiob 10,9)

Sollte Nebukadnezars Traum bedeuten, dass bei der Errichtung der Weltreiche jemand versucht hat Gottes Schöpfertat nachzuahmen? Wollte hier jemand etwas schaffen, das Gottes Pläne durchkreuzt, weil es ihnen in gewisser Weise ähnelt? Ist die letzte Phase des vierten Reiches in den Füßen des Standbildes der Gipfel der Nachahmung Gottes, weil nun auch der Stoff das göttliche Schöpfungsmaterial ist?

Das Haupt des Leibes: der Messias

So wie Nebukadnezar das Haupt der Götzenstatue war, so ist Jesus »das Haupt des Leibes, der Gemeinde« (Kolosser 1,18). Tatsächlich lesen wir über Jesus: »Darum spricht er bei seinem Eintritt in die Welt: ›Opfer und Gaben hast du nicht gewollt; einen Leib aber hast du mir bereitet.‹« (Hebräer 10,5)

Gottes System eines Leibes mit einem Haupt wird im Traum von Daniel imitiert und abgewandelt. Statt eines Volkes bzw. einer Gemeinde, die in der Freiheit des Geistes als Leib von seinem Haupt, seinem König, dem Messias Jesus Christus geleitet wird, will Gottes Feind die Welt mit Gewalt regieren. Nebukadnezar reichte es allerdings nicht, der zu sein, dessen geistliches Erbe alle nachfolgenden irdischen Weltreiche antreten würden. Er wollte, dass seine Dynastie kein Ende hätte. Aber Gott versprach nur König David eine ewig währende Dynastie, dessen letzter und ewiger Regent der Messias Jesus sein würde.

Auch der Text in Daniel 2 weist uns im Zusammenhang mit dem Ton auf den Messias hin, wenn wir ins aramäische Original blicken oder die richtige Übersetzung, wie zum Beispiel die Schlachterübersetzung, zur Hand haben.

»Dass du aber Eisen mit Tonerde vermengt gesehen hast, bedeutet, dass sie sich zwar mit [dem] Menschensamen vermischen, aber doch nicht aneinander haften werden, wie sich ja Eisen mit Ton nicht vermischt.« (Daniel 2,43) Ist damit wirklich gemeint, dass die europäischen Königshäuser sich untereinander durch Heiraten und andere Allianzen zusammenschweißen wollten?

Der hier verwendete Begriff zra anasha [der Same des Menschen] kommt nur noch an einer anderen Stelle im Alten Testament vor: »Wenn du … deiner Magd einen männlichen Samen [zara anashim; Same der Menschen] geben wirst, so will ich ihn dem HERRN alle Tage seines Lebens geben.« (1. Samuel 1,11)

Hanna, die Mutter des Propheten und Priesters Samuel scheint hier an den zukünftigen Messias und Befreier gedacht zu haben. Das Horn dieses Königs, so betet sie, möge Gott erhöhen (1. Samuel 2,10).

Tatsächlich wird in der Bibel das Wort Same auch austauschbar für Sohn verwendet: »Und Adam erkannte seine Frau nochmals; die gebar einen Sohn und nannte ihn Seth: ›Denn Gott hat mir für Abel einen anderen Samen gesetzt.‹ (1. Mose 4,25) »Ich will auch den Sohn der Magd zu einem Volk machen, weil er dein Same ist.« (1. Mose 21,13)

Deshalb ist auch die allererste Verheißung in der Bibel eine Verheißung auf den Messias: »Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen: Er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.« (1. Mose 3,15)

Wenn wir nun Daniel 7,13 lesen, geht uns endgültig ein Licht auf: »Es kam einer mit den Wolken des Himmels, gleich einem Sohn des Menschen [bar enash].« »Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden sich alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.« (Matthäus 24,30)

In der ganzen Danielprophetie geht es um den Messias. Wie sollte er da in der ersten großen Vision mit den Standbild übersehen werden?

Weil Jesus in seinen Nachfolgern lebt, ist nicht nur er der Same des Menschen, sondern auch seine Nachfolger, seine Gemeinde: »Der den guten Samen sät, ist der Sohn des Menschen. Der Acker ist die Welt; der gute Same sind die Kinder des Reichs.« (Matthäus 13,37-38)

So wie Jesus seine Gemeinde mit seinem Geist erfüllt, so erfüllt bis heute der babylonische Geist das vierte Weltreich. Dennoch ist das Standbild im Unterschied zum geschaffenen Menschen tot, ohne Leben und wird deswegen einstürzen.

Roms Vermischung mit dem Christentum

Das eiserne Rom mischte sich also irgendwann in der Geschichte mit dem Messias und seinen Nachfolgern, mit dem Christentum. Das ist eine Mischung, die »nicht aneinander haften« wird (Daniel 2,43). Denn sie wird »zum Teil stark« sein: eisern, grausam, brutal (Vers 42), also »alles zermalmen, zertrümmern und zerschmettern« (Vers 40).

Aber andererseits wird sie »zum Teil zerbrechlich sein« (Vers 42), also gewaltlos, lieber als Märtyrer Unrecht leidend als Unrecht tuend. Denn wer auf Jesus gefallen ist, »der wird zerschmettert werden« (Matthäus 21,44).

»Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.« (Psalm 34,18) »Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz.« (Psalm 51,19)

Hat sich Rom wirklich mit diesem gewaltlosen, reinen Christentum vermischt? Der Text macht eine Einschränkung. Er sagt, das Eisen sei »mit lehmigem Ton vermengt« worden (Vers 41), »mit Tonerde« (Vers 43). Das ist ein Hinweis darauf, dass es sich hier nicht um reinen Ton, um reines Christentum handelt, sondern um unreinen Ton, der die Stabilität des Standbildes weiter gefährdet. Hier wurde nicht Weizen unter den Tabak gemischt, sondern ein Unkraut, Lolch, das dem Weizen sehr ähnelt.

Die Frau auf dem Tier

In einer anderen prophetischen Vision knapp 700 Jahre später, wird die Gemeinde als Frau dargestellt, die einen Sohn gebiert (Offenbarung 12,1). »Und sie gebar einen Sohn, einen männlichen, der alle Heidenvölker mit eisernem Stab weiden wird.« (Offenbarung 12,5) »Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, um Krieg zu führen mit den übrigen von ihrem Samen, welche die Gebote Gottes befolgen und das Zeugnis Jesu Christi haben.« (Offenbarung 12,17)

Doch etwas später sieht man, dass sich die Frau in eine Hure verwandelt hat, die auf einem Tier sitzt (Offenbarung 17,3-5).

Wir sehen also auch hier, wie sich das zerbrechliche Element (die Frau/der Ton) mit dem starken Element (dem Tier/dem Eisen) zusammentut. Und auch hier ist das zerbrechliche Element nicht eine reine Jungfrau, sondern eine unreine Hure. Das bestärkt uns darin, dass wir Eisen und Ton in den Füßen und Zehen des Götzenbildes richtig gedeutet haben.

Wenn Jesus wiederkommt, trifft er auf ein römisches Reich, in dem eine besondere Mischung vorliegt: Eisen mit Ton, Grausamkeit mit Religiosität, Staat mit christlicher Kirche, Gewalt mit Dienst, Herrschaft mit Priestertum, Imperialismus mit biblischem Glauben usw.

Jesu Gemeinde war schon bald in tiefen Abfall geraten. Jesu sogenannte Nachfolger, die Christen, lebten in Sünde. Die Kirche trieb Unzucht mit den Staatsmännern der Erde, indem sie mit ihnen Verträge und Bündnisse schloss. Die Kirche benutzte die Macht des Staates, um ihre religiösen Interessen durchzusetzen und Gottes wahre Kinder zu verfolgen. Sie benutzte den Reichtum der Welt, um die Menschen in ihren Bann zu ziehen und zu verblenden. So entstand ein Christentum des Wettkampfs, des Militärs, der Autorität und der Unzucht.

Gewalt in der Religion

»Aber von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt leidet das Reich der Himmel Gewalt, und die, welche Gewalt anwenden, reißen es an sich.« (Matthäus 11,12) »Da nun Jesus erkannte, dass sie kommen würden, um ihn mit Gewalt zum König zu machen, zog er sich wiederum auf den Berg zurück, er allein.« (Johannes 6,15)

Selbst seine eigenen Jünger erwarteten einen Messias, der mit Gewalt regieren würde. Einen Soldatenmessias nach dem Vorbild der Makkabäer, einen Schwertmessias nach dem Wunsch der Zeloten, einen Diktatormessias nach dem Vorbild der Weltreiche des Standbildes.

Doch dem Pilatus erklärte Jesus: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde; nun aber ist mein Reich nicht von hier.« (Johannes 18,36)

Jesus ist gekommen, um dieser Regierungsform ein für allemal ein Ende zu machen: »Das Ende [kommt], wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, wenn er jede [Form von] Herrschaft, Gewalt und Macht beseitigt hat.« (1. Korinther 15,24)

Dann wird wieder Freiheit »herrschen«, eigentlich ein Widerspruch in sich. Doch wie sollen wir es ausdrücken? Jesus wird König und Herrscher sein, obwohl es keine Herrschaft mehr gibt, nur noch Dienerschaft: »Wenn jemand der Erste sein will, so sei er von allen der Letzte und aller Diener!« (Markus 9,35) »Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.« (Markus 10,45)

Eisen und Ton, Staat und Kirche

Ellen White bestätigt diese Auslegung:

»Wir sind in einer Zeit angekommen, in der Gottes heiliges Werk durch die Füße des Standbildes dargestellt wird, wo Eisen mit lehmigem Ton vermischt wurde. Gott hat ein Volk, ein auserwähltes Volk, dessen Urteilsvermögen heilig sein muss. Es darf nicht unheilig werden, indem Holz, Heu und Stoppeln auf das Fundament gelegt werden … Die Vermischung der Kunst oder des Werks der Kirche [churchcraft] mit der Kunst oder dem Werk des Staates [statecraft] wird durch Eisen und Ton dargestellt. Diese Verbindung schwächt die Kraft der Kirchen. Dass die Kirche sich die Macht des Staates nutzbar macht, bringt böses Blut.
Die Menschen haben die Grenze von Gottes Nachsicht fast überschritten. Sie verausgaben ihre Kraft in der Politik und tun sich mit dem Papsttum zusammen. Doch die Zeit wird kommen, wenn Gott jene bestrafen wird, die sein Gesetz aufgehoben haben. Ihr böses Werk wird sie wie ein Bumerang selbst treffen (MS 63, 1899).« (Bible Commentary 4, 1168.8)

Sind wir immer noch Römer?

Manch einer könnte nun einwenden, dass das Römische Reich schon im fünften nachchristlichen Jahrhundert zu Ende ging. Wie kann man behaupten, dass wir heute immer noch im vierten Weltreich, im Römischen Reich leben?

Lateinische Schrift und lateinische Sprachen

Jedes Weltreich hatte seine eigene Sprache und Schrift. Die Römer sprachen Latein und schrieben mit lateinischen Buchstaben. Bis heute wird auf fast allen Kontinenten mit diesem Alphabet geschrieben. Und wo noch andere Schriftsysteme existieren (in Teilen Arabiens, Europas und Asiens), werden doch zum Beispiel auf Verkehrsschildern in großen Städten die wichtigsten Hinweise auch in lateinischer Schrift gegeben.

Durch die Kolonien der europäischen Nationen, die das Erbe des alten Rom antraten, hat sich aber nicht nur die Schrift, sondern auch die lateinische Sprache auf der ganzen Welt ausgebreitet. Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch und Rumänisch sind Tochtersprachen oder weiterentwickelte Dialekte des Lateinischen (die sogenannten romanischen Sprachen). Latein hat im Lauf der Geschichte auch die englische Sprache erobert und stellt über die Hälfte ihres Vokabulars. Ganz Amerika und Australien spricht somit immer noch eine lateinische Sprache, bis auf Osteuropa (Slawisch) und Nordafrika (Arabisch) sprechen auch diese Kontinente eine lateinische Sprache, und selbst in Asien haben diese Sprachen geschichtliche Spuren hinterlassen, während Englisch unangefochten Verkehrssprache geworden ist.

Latein selbst wird weiter als Sprache der römisch-katholischen Kirche verwendet und in ihrem Kirchenstaat im Vatikan gesprochen. Außerdem dient es als Quelle für Fachbegriffe in allen Wissenschaften.

Römische Architektur und Straßenbaukunst

Die Römer erfanden den Zement als Baustoff. Seitdem konnte dem Siegeszug von Zement und Beton kein Einhalt mehr geboten werden. Wie der Töpfer den Ton mit Wasser bearbeitet und dieser durch Trocknung zu seinem Endprodukt gelangt, wird auch die Zementmasse in Form gebracht und härtet dann durch Trocknung aus. Zement enthält Ton, Kalkstein, Sand und Asche. Beton enthält Zement, Kies und Sand.

Heute wird Beton mit Stahleinlagen verstärkt, sodass tatsächlich in gewisser Hinsicht mit einer Mischung aus Eisen und einem Ton gebaut wird, der mit anderen irdenen Stoffen »verunreinigt« ist.

Die Römer waren auch die ersten, die Glas zum Bauen verwendeten, nämlich für Fenster. Glas wird ebenfalls aus Sand und Asche hergestellt. Stahlbeton und Glas sind die dominierenden Baumaterialien unserer heutigen Welt.

Beim Bau der Zwillingstürme des World Trade Center wurden 200.000 Tonnen Stahl und 325.000 Kubikmeter Beton verarbeitet. Die Fassaden bestanden aus 43.600 Glasfenstern. Und doch verwandelte sich alles in Staub und Schutt, als sie wie das Götzenbild aus Daniel 2 einstürzten. Das macht nachdenklich!

Auch die Straßenbaukunst der Römer hat die Welt bis heute verändert und mit einem Netz von gepflasterten, zementierten und schließlich asphaltierten Straßen überzogen.

Römisches Recht und Römischer Imperialismus

Das Rechtssystem in den meisten Ländern der Welt basiert immer noch auf dem Römischen Recht.

Das Oströmische Reich der Byzantiner, das Frankenreich, das Heilige Römische Reich der Ostfanken, die Imperien Spaniens, Portugals, Frankreichs und Englands, ja das dritte römische Reich der Zaren, sie alle sahen sich in der römischen Regierungstradition. Auch die USA sind bis heute stark vom römisch-imperialistischen Gedanken durchdrungen.

Die einzige Religion, die mit anderen Staaten Bündnisse eingeht

Tatsächlich ist die Römisch-Katholische Kirche, die einzige Religion, die einen eigenen Staat hat, einen eigenen Kaiser, den Papst, eigene Münzen, eigene Botschaften und einen Sitz bei den Vereinten Nationen. Auf diese Weise kann sie Bündnisse mit den politischen Regierungen der verschiedenen Nationen schließen und ihre religiösen Interessen politisch vertreten. Wir leben immer noch im vierten Reich. Wir leben in einer römisch-lateinischen Welt. Das Eisen hat sich schon lange mit dem lehmigen Ton des politischen Christentums vermischt. Doch dieses System kann keinen Bestand haben.

»Du sahst zu, bis sich ein Stein losriss ohne Zutun von Menschenhänden und das Bild an seinen Füßen traf, die aus Eisen und Ton waren, und sie zermalmte. Da wurden Eisen, Ton, Erz, Silber und Gold miteinander zermalmt; und sie wurden wie Spreu auf den Sommertennen, und der Wind verwehte sie, so dass keine Spur mehr von ihnen zu finden war. Der Stein aber, der das Bild zertrümmert hatte, wurde zu einem großen Berg und erfüllte die ganze Erde … Aber in den Tagen jener Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht untergehen wird; und sein Reich wird keinem anderen Volk überlassen werden; es wird alle jene Königreiche zermalmen und ihnen ein Ende machen; es selbst aber wird in Ewigkeit bestehen.« (Daniel 2,34.35.44)

Dieses Zermalmen wird ohne Gewalt geschehen. Die Sanftmut des Lammes wird die Bosheit besiegen.

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