Daniel 12 unter der Lupe: Ein neuer Blick auf drei Prophezeiungen – 1260, 1290 und 1335

Daniel 12 unter der Lupe: Ein neuer Blick auf drei Prophezeiungen – 1260, 1290 und 1335
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Das Buch Daniel schließt mit drei Zeitketten. Wenig studiert, doch äußerst geeignet, den prophetischen Endzeitauftrag zu erkennen. Also keine Scheu! Schauen wir sie uns näher an! Von Kai Mester

Lesezeit: 40 Minuten

Drei Zeitketten finden sich in Kapitel 12 als Antwort auf die Schlussfragen des Danielbuches: »Wie lange wird es dauern, bis diese unerhörten Zustände zu Ende sind?« und: »Was wird das Ende von diesen Dingen sein?« (Vers 6–8) Zwei spannende Fragen!

Auf die erste Frage antwortet der in Leinen gekleidete Mann: »Eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit; und wenn die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes vollendet ist, so wird das alles zu Ende gehen!« (Vers 7)

Auf die zweite Frage antwortete er: »Von der Zeit an, da das Beständige beseitigt und der Gräuel der Verwüstung aufgestellt wird, sind es 1290 Tage. Wohl dem, der ausharrt und 1335 Tage erreicht!« (Vers 11–12)

Lassen sich diese Antworten entschlüsseln? Die frühen Adventpioniere waren der festen Überzeugung.

Dreieinhalb Zeiten Zerschmetterung und Gewalt

Wer mit den Prophezeiungen Daniels nicht vertraut ist, dem bereiten nun vor allem die zuerst genannten 3½ Zeiten Probleme. Denn was für Zeiten sollen das sein?

Doch diese 3½ Zeiten tauchen an dieser Stelle im Buch Daniel nicht zum ersten Mal auf. Sie werden schon in Daniel 7,25 erwähnt. Dort beschreiben sie einen Zeitraum, in dem eine totalitäre Verfolgermacht herrschen würde. Was ist aber mit »Zeiten« überhaupt gemeint?

Das in diesem Vers verwendete aramäische Wort für »Zeit«, findet sich schon in Daniel 4,13.20.22.29. Dort ist von sieben »Zeiten« die Rede, in denen der babylonische König Nebukadnezar von Gott mit einer psychischen Krankheit gedemütigt wurde und daher regierungsunfähig war. Diese Zeiten werden von allen Auslegern übereinstimmend als Jahre verstanden. Einige Bibelübersetzungen geben sie daher gleich mit Jahren wieder (Elberfelder, Gute Nachricht).

Die 3½ Zeiten sind also 3½ Jahre. Woran erinnert uns das?

Genau! 3½ Jahre Zerschmetterung und Gewalt, das erinnert uns – und nicht nur uns, sondern auch den Propheten Daniel – an »die Tage Elias in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen war, da eine große Hungersnot entstand im ganzen Land« (Lukas 4,25). 3½ Jahre fiel kein Regen. 3½ Jahre Dürre. War das ein prophetisches Bild für eine geistliche Dürre in der Zukunft?

3½ Jahre Verfolgung der Propheten des HERRN durch Königin Isebel und König Ahab. Ein prophetisches Bild für eine Verfolgung in späteren Jahrhunderten? Es gilt also auf jeden Fall Ausschau zu halten nach einer Zeit der Dürre und Verfolgung.

3½ Jahre, sagt also der Engel in der Vision, die Daniel in Kapitel 7 beschreibt, wird ein kleines Horn regieren, das reden kann und aus dem Kopf eines Monsters wächst. Wer Daniel 7 liest, stellt fest, dass in dieser Vision lauter Symbole verwendet werden. Könnten also auch die 3½ Jahre ein Symbol sein, ein prophetisches Zeitbild?

Prophetische Zeitbilder gibt es in der Bibel noch andere:

Vierzig Tage hatten die Kundschafter das gelobte Land erforscht. Das war ein prophetisches Zeitbild für die vierzig Jahre der darauf folgenden Wüstenwanderung (4. Mose 14,34)! Aus vierzig Tagen waren vierzig Jahre geworden.

Vierzig Tage belagerte der Prophet Hesekiel ein Modelljerusalem. Das war ein prophetisches Zeitbild für die vierzig Jahre, die das Haus Juda in Schuld gelebt hatte (Hesekiel 4,6)! Vierzig Tage symbolisierten hier vierzig Jahre.

Dieses Tag-Jahr-Prinzip – Tag in der Prophetie, Jahr in der erfüllten Wirklichkeit – muss auch auf die 3½ Zeiten angewendet werden. 3½ biblische Jahre von je 360 Tagen, so muss man es rechnen, ergeben 1260 Tage im Bild und 1260 Jahre in der Erfüllung.

1260 Tage Ernährung in der Wüste

Dass ein biblisches Jahr aus 360 Tagen besteht, wird im Buch der Offenbarung bestätigt: In einer Vision sieht Johannes, wie eine Frau vor einem Drachen flieht und 1260 Tage in der Wüste ernährt wird (Offenbarung 12,6). Wenige Verse später wird dieselbe Aussage wiederholt; der einzige Unterschied: statt 1260 Tagen werden hier 3½ Zeiten genannt (Vers 14). Damit ist bewiesen, dass die dreieinhalb Zeiten mit 1260 prophetischen Tagen identisch sind.

Der Drache ist das Monster, das wir schon aus Daniels Vision in Kapitel 7 kennen. Die Frau ist ein Bild für Gottes Volk, seine Gemeinde, seine Heiligen. Die Wüste steht für abgelegene einsame Gegenden. In die Einsamkeit der Berge zogen sich die Waldenser, Katharer und andere Dissidenten zurück. Wie Elia mussten sie sich vor der Verfolgung in die Wildnis der Berge zurückziehen. Wie Elia am Bach Krit und in Zarpat wurden sie 3½ Jahre oder 1260 Tage durch ein göttliches Wunder ernährt, Elia mit physischer, die sogenannten Ketzer mit geistlicher Nahrung.

Geschichtlich konnten diese 1260 prophetischen Tage mit dem Zeitraum von 1260 Jahren zwischen 538 und 1798 n. Chr. identifiziert werden.

Das kleine Horn aus Daniel 7 unterwarf nämlich zu Beginn seiner Macht drei germanische Königreiche (Daniel 7,8.20.24):

Drei Reiche müssen weichen

Das erste war das Herulerreich, das 508 von den Langobarden vernichtet wurde.

Das zweite war das Vandalenreich, das 534 endete, als sich sein König Gelimer Byzanz (also Ostrom) ergab, nachdem Belisar, der General des oströmischen Kaisers Justinians, die zweitgrößte Stadt des Vandalenreiches Hippo eingenommen hatte.

Das dritte war das Ostgotenreich. Als 526 der ostgotische König Theoderich gestorben war, ließ Theoderichs Neffe Theodahad dessen Tochter ermorden. Daraufhin marschierte derselbe Belisar, der schon das Vandalenreich zu Fall gebracht hatte am 9. Dezember 536 in Rom ein. Doch die arianischen Ostgoten gaben nicht auf und belagerten Rom. Sie wurden aber im März 538 durch oströmische Verstärkung schließlich vertrieben. Dass sie später noch zweimal zurückkamen und Rom kurzzeitig einnahmen und von Belisar wieder vertrieben werden mussten, spielt geschichtlich keine Rolle mehr. Das Jahr 538 war zum Wendepunkt geworden, an dem Rom aus der Hand der Arianer befreit wurde.

Papst Vigilius war als Oberhaupt aller Christen auch von Ostrom anerkannt worden. Damit begann das politische Imperium des Papstes. Der christliche römische Staat und die christliche römische Kirche arbeiteten nun zusammen. Das hatte schreckliche Folgen für Christen, die den Papst nicht als geistliches Oberhaupt anerkannten.

1260 Jahre oder 3½ Zeiten später, im Jahr 1798, eroberte Napoleon Bonaparte durch General Berthier den römischen Kirchenstaat, nahm Papst Pius VI. gefangen und entführte ihn am 20. Februar Richtung Frankreich, wo er eineinhalb Jahre später verstarb, sodass der Papst wieder weitgehend aus der europäischen Politik verschwand und die Religionsfreiheit drastisch zunahm.

42 Monate Zertretung und Macht

Die Offenbarung liefert noch mehr Informationen zu den 1260 Jahren oder 3½ Zeiten: Johannes sieht in einer Vision, wie ein Monster mit sieben Köpfen eine tödliche Wunde erhält, diese Todeswunde aber wieder heilt (Offenbarung 13,3). Die Gefangennahme des Papstes im Jahr 1798 war für den »Heiligen Stuhl« tatsächlich eine Todeswunde gewesen.

Darauf schien das Monster in Vers 4 von der ganzen Welt bewundert zu werden und 42 Monate Macht zu erhalten. 42 Monate? Ja, ein prophetischer Monat hat 30 Tage. 42 mal 30 macht genau 1260 Tage oder dreieinhalb Jahre. Müssen die 42 Monate also zu einer anderen Zeit in der Geschichte angewendet werden oder sind sie vielleicht doch identisch mit dem Zeitraum von 538 bis 1798, den wir eben studiert haben?

Man könnte meinen, dass die 42 Monate erst irgendwann nach 1798 beginnen, weil sie hier gleich nach der tödlichen Wunde erwähnt werden. Doch man muss diesen Text nicht so verstehen.

Warum, das wollen wir uns näher anschauen! Die 42 Monate kommen an dieser Stelle nämlich nicht zum ersten Mal in der Offenbarung vor. In Kapitel 11 heißt es schon: »Sie werden die heilige Stadt zertreten 42 Monate lang. Und ich will meinen zwei Zeugen geben, dass sie weissagen werden 1260 Tage lang, bekleidet mit Sacktuch … Diese haben Vollmacht, den Himmel zu verschließen, damit kein Regen fällt in den Tagen ihrer Weissagung.« (Offenbarung 11,2.3.6)

Moment mal! Lese ich diese Verse richtig? 42 Monate Zertretung bedeuten 1260 Tage Sacktuch und Dürre? Das erinnert uns doch wieder an Elias Kampf mit Isebel und an den Baalskult, der die israelitischen Gottesdienste entweihte.

Von Königin Isebel spricht die Offenbarung selbst schon im zweiten Kapitel: »Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du es zulässt, dass die Frau Isebel, die sich eine Prophetin nennt, meine Knechte lehrt und verführt, Unzucht zu treiben und Götzenopfer zu essen.« (Offenbarung 2,20) Isebel wird hier als Typus, als Vorbild, für die große Hure Babylon genannt, die Johannes gegen Ende seiner Vision auf dem siebenköpfigen Monster reiten sieht (17,1-5).

Es bestätigt sich also: Die 42 Monate sind eine Verfolgungszeit und sie werden gleichgesetzt mit einer Zeit von 1260 Tagen Dürre, in der kein Regen fällt.

Die 42 Monate Herrschaft des siebenköpfigen Monsters, von denen in Offenbarung 13 die Rede ist, können nun eigentlich kein anderer Zeitraum sein, als die 42 Monate Zertretung der Heiligen Stadt in Offenbarung 11. Denn sie fußen ja beide auf den 3½ Zeiten Gewaltherrschaft des Monsters aus Daniel 7.

Außerdem beruht die gesamte Beschreibung des siebenköpfigen Monsters in Offenbarung 13 auf der Beschreibung des Monsters, das Daniel in Kapitel 7 sieht. Die Parallelen in den Formulierungen springen einfach ins Auge. In beiden Visionen steigt dieses Monster aus dem Meer, das heißt diese Weltmacht ersteht aus dem Völkermeer (Offenbarung 13,1; 17,15). Die ersten vier Tiere aus Daniel 7 – Löwe, Bär, Panther und Drache – finden sich hier als Elemente des siebenköpfigen Monsters wieder (Offenbarung 13,2). Eine Macht mit einem Lästermaul wird beschrieben (Daniel 7,8.20.25; Offenbarung 13,5.6). Diese Macht führt Krieg gegen die Heiligen (Daniel 7,21; Offenbarung 13,7). Dem Monster wird die Macht nach einer bestimmten Zeit genommen (Daniel 7,26; Offenbarung 13,10). Diese bestimmte Zeit wird einmal als 3½ Zeiten definiert (Daniel 7,25) und einmal als 42 Monate (Off 13,5), und das ist rechnerisch dasselbe!

Die 3½ Zeiten Gewaltherrschaft des Monsters aus Daniel 7 sind also derselbe Zeitraum wie die 42 Monate Herrschaft des siebenköpfigen Monsters aus Offenbarung 13. Es handelt sich um dieselbe Macht!

Auch die 1260 Tage Dürre in Offenbarung 11 beschreiben denselben Zeitraum, in dem die Bibel nur in Sacktuch gehüllt weissagte.

Die 3½ Zeiten Ernährung in der Wüste und die 1260 Tage Ernährung in der Wüste, die beide in Offenbarung 12 erwähnt sind, sind ebenfalls dieselbe Zeitperiode. Denn der siebenköpfige Drache ist auch ein Bild für Rom, selbst wenn hier der Schwerpunkt noch auf der ersten Phase Roms liegt, auf dem antiken Rom, das den Messias durch Herodes schon als Säugling beinahe getötet hätte und das ihn durch Pilatus als 33-Jährigen schließlich kreuzigte, sodass ihn nur seine Auferstehung und Himmelfahrt außer Reichweite der Verfolgermacht brachte. »Und der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte, um ihr Kind zu verschlingen, wenn sie geboren hätte. Und sie gebar einen Sohn … und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron.« (Offenbarung 12,4.5)

Wichtiges Strukturmerkmal zum Verständnis der Prophetie

Um zu verstehen, wieso die Heilung der tödlichen Wunde in Offenbarung 13,3 vor dem Zeitraum der 42 Monate erwähnt wird, ist es wichtig ein Strukturmerkmal von Daniel und Offenbarung zu verstehen:

Die Visionen aus Daniel und Offenbarung bauen aufeinander auf. Jede nachfolgende Vision lässt sich ohne die vorhergehenden nicht richtig verstehen. Die unzähligen Auslegungen, die wir heute antreffen, stammen eben daher, dass man einzelne Visionen isoliert liest und isoliert auslegt.

Wenn es um die Weltreiche geht, gliedern sich die Visionen immer in einen Bildteil und einen auslegenden Kommentar. Die folgende Tabelle macht dies deutlich.

BildteilKommentarteil
Dan 2,31-35 StandbildDan 2,36-45 Standbild
Dan 4,7-15 BaumDan 4,16-24 Baum
Dan 7,2-14 Meertiere und GerichtDan 7,15-27 Meertiere und Gericht
Dan 8,2-14
Widder, Ziegenbock, Horn, 2300
Dan 8,15-26
Widder, Ziegenbock, Horn
Dan 9,25-27: 2300
Dan 11,2-45 vertiefend:
Widder, Ziegenbock, Horn
Dan 12,1-13 vertiefend: 2300
Off 12,1-6 Monster (Fokus Phase 1)Off 12,7-17 Monster (Fokus Phase 1)
Off 13,1-3a Monster (Fokus Phase 2)Off 13,3b-10 Monster (Fokus Phase 2)
Off 17,1-6 Monster (Fokus Phase 3)Off 17,8-18 Monster (Fokus Phase 3)
Off 18,1-3 GerichtOff 18,4-24 Gericht

Mit dieser Grundstruktur im Hinterkopf können wir nun detaillierter Offenbarung 12 und 13 anschauen:

BildteilKommentarteil
Off 12,1-2 Schwangere Frau
Off 12,3-4a Krieg im HimmelOff 12,7-12 Krieg im Himmel
Off 12,4b VerfolgungOff 12,13 Verfolgung
Off 12,5 Geburt JesuOff 12,13 Geburt Jesu
Off 12,6: 1260Off 12,14: dreieinhalb Zeiten
Off 12,15-17 Verfolgung
BildteilKommentarteil
Off 13,1-2a Das 7-köpfige MonsterOff 13,3b Alle wundern sich
Off 13,2b Drache gibt ihm MachtOff 13,4–8 Drache angebetet,
Macht ausführlich beschrieben,
auch die 42 Monate in Vers 5
Off 3a Tödliche WundeVers 9-10 durch Gefängnis und Schwert (siehe Schlachterübers.)

Nun wird deutlich, dass die tödliche Wunde erst am Ende der 42 Monate zugefügt wird, und zwar durch Gefangennahme und wie später Vers 14 sagt: »von dem Schwert«. Hier ist es wichtig, die Schlachterübersetzung zu lesen: »Wenn jemand in Gefangenschaft führt, so geht er in die Gefangenschaft; wenn jemand mit dem Schwert tötet, so soll er durchs Schwert getötet werden. Hier ist das standhafte Ausharren und der Glaube der Heiligen!« (Offenbarung 13,10) Was die kirchliche Verfolgermacht so eifrig betrieben hatte, nämlich die Gefangennahme und Hinrichtung der Ketzer, das musste sie nun selbst erleben.

Ellen White und die 42 Monate

Auch die Adventpioniere und Ellen White verstanden die 42 Monate in Offenbarung 13,5 als 1260 Jahre, die 538 n. Chr. begannen.

»›Es wurde ihm Macht gegeben, 42 Monate lang zu wirken.‹ (Offenbarung 13,5) Der Prophet sagt ferner: ›Ich sah einen seiner Köpfe wie zu Tode verwundet‹ (Vers 3); und weiter berichtet er: ›Wenn jemand in Gefangenschaft führt, so geht er in Gefangenschaft; wenn jemand mit dem Schwert tötet, so soll er mit dem Schwert getötet werden.‹ (Vers 10) Die 42 Monate bezeichnen dasselbe wie die ›eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit‹, die dreieinhalb Jahre oder 1260 Tage aus Daniel 7 (Vers 25), nämlich die Zeit, während der die päpstliche Macht das Volk Gottes unterdrücken sollte. Dieser Zeitabschnitt begann … im Jahr 538 n. Chr. mit der Oberherrschaft des Papsttums und endete im Jahre 1798.« (Great Controversy, 439)

1290 Tage

Kommen wir zu der zweiten Zeitkette in Daniel 12:

»Was wird das Ende von diesen Dingen sein?« (Daniel 12,8) Die Antwort auf diese Frage lautet: »Von der Zeit an, da das Beständige beseitigt und der Gräuel der Verwüstung aufgestellt wird, sind es 1290 Tage.« (Vers 11)

Bei aller Diskussion um die Bedeutung des Beständigen waren sich Adventisten jedoch immer darin einig, dass der Gräuel der Verwüstung ein Verhalten des Papsttums oder das Papsttum selbst darstellt. Denn die Einführung dieses Gräuels wurde in Daniel beschrieben (Daniel 8,11-13; 11,31). Und selbst dort, wo das Wort Gräuel nicht verwendet wird, kann aufgrund der Parallelstruktur der Visionen erschlossen werden, dass es die Vermischung des römischen Staates mit der christlichen Religion ist, die im Mittelalter zum Gipfel aller religiösen Intoleranz und Grausamkeit geführt hat (Daniel 2,41-43; 7,8.21.25).

Wann in der Geschichte geschah diese Vermischung des römischen Staates mit der christlichen Kirche? Zwar sehen wir die Anfänge davon schon zur Zeit des oströmischen Kaisers Konstantin, der ab 324 n. Chr. regierte und durch seine Bekehrung zum Christentum die konstantinische Wende einleitete. Doch die Prophetie macht deutlich, dass der Aufstieg des Papsttums erst so richtig stattfand, nachdem die zehn Königreiche der Völkerwanderung ein Großteil der römischen Staatsmacht unter sich aufteilten.

Es war 476 n. Chr. als der letzte weströmische Kaiser hingerichtet wurde und das Römische Imperium ein Ende nahm. Zu den zehn Folgereichen gehörte das Frankenreich. Nach der Schlacht von Zülpich im Jahre 496, in der der Frankenkönig Chlodwig I. gegen die Alamannen siegte, konvertierte er als erster der zehn Könige zum athanasischen bzw. römischen Katholizismus. Daher wird diese Schlacht auch Bekehrungsschlacht genannt.

Bis zu diesem Zeitpunkt hingen alle anderen germanischen Königreiche dem Arianismus an, was damals bedeutete, dass sie den Papst nicht als Oberhaupt der Christen anerkannten. Mit König Chlodwig war nun ein römisch-katholischer König da, der gegen die Arianer Krieg führen konnte. Das tat er dann auch erstmalig 507 in der Schlacht von Vouillé gegen die arianischen Westgoten. Nach seinem Sieg ernannte ihn der byzantinische Kaiser Anastasios I. im Jahr 508 zum weströmischen Konsul. Die Zeremonie fand in Tours statt. Auf diese Weise hatten sich römische Staatsmacht und katholische Kirche zum ersten Mal nach dem Fall des Römischen Kaiserreichs verbunden. Der Gräuel der Verwüstung war aufgerichtet.

Rechnet man nun zum Jahr 508 den Zeitraum von 1290 hinzu, so kommt man wieder ins Jahr 1798, und das ist uns ja bereits durch die 1260 prophetischen Tage, 42 Monate und 3½ Zeiten bekannt.

1335 Tage

Und nun zur letzten Zeitkette von Daniel 12:

Auf die Frage »Was wird das Ende von diesen Dingen sein?« (Daniel 12,8) antwortet der Engel aber nicht nur: »Von der Zeit an, da das Beständige beseitigt und der Gräuel der Verwüstung aufgestellt wird, sind es 1290 Tage.« (Vers 11) Er fügt vielmehr hinzu: »Wohl dem, der ausharrt und 1335 Tage erreicht!« (Vers 12) Die Elberfelder sagt: »Glücklich, wer ausharrt …«

Die 1290 und die 1335 Tage beginnen also zur selben Zeit. Rechnet man 1335 prophetische Tage zum Jahr 508 hinzu, gelangt man in das Jahr 1843.

Ellen White schreibt als Zeitzeugin über das Jahr 1843 folgendes:

Eine Botschaft, die heute noch gilt

»Die erste und zweite [Engels-]Botschaft wurden 1843 und 1844 gegeben, und jetzt stehen wir unter der Verkündigung der dritten; doch alle drei Botschaften werden weiter verkündigt. Es ist heute so wichtig wie eh und je, dass sie denen wiederholt werden, die nach Wahrheit suchen. In Schrift und Wort wird die Verkündigung hinausgehen und die Reihenfolge und die Anwendung der Prophezeiungen zeigen, die uns zur dritten Engelsbotschaft bringen. Es kann keine dritte ohne die erste und zweite geben. Diese Botschaften gilt es, der Welt in Veröffentlichungen, in Diskursen, zu bringen. So sollen in der Linie der Prophetiegeschichte die Dinge gezeigt werden, die geschehen sind und die noch geschehen werden.« (1896: Manuscript Releases 17, 6)

»Gott möchte, dass sein Volk die Botschaft kennt und lehrt, die er uns 1843 und 1844 gegeben hat.« (General Conference Bulletin, 1. April 1903)

»Alles, was das Glaubensfundament verrücken könnte, auf dem wir gebaut haben, seit die Botschaft 1842, 1843 und 1844 gekommen ist, hat hier nichts zu suchen. Ich stand hinter dieser Botschaft und habe seitdem nicht aufgehört der Welt die Erkenntnis weiterzugeben, die Gott uns geschenkt hat. Wir raten dringend davon ab, von der Plattform herabzusteigen, auf der wir standen, als wir den HERRN täglich in ernstem Gebet um Erkenntnis anflehten.« (Review and Herald, 14. April 1903)

»Es ist unser Auftrag, dass wir die Botschaft verkündigen, die uns 1843 und 1844 aus den anderen Kirchen herausgeführt hat.« (Review and Herald, 19. Januar 1905) »Gott bittet uns um unsere Zeit und Kraft. Er möchte, dass wir den Menschen die Botschaften predigen, die 1843 und 1844 Männer und Frauen wachrüttelte.« (1907: Manuscript Release 760, 30)

»Meine Gedanken gingen zurück zum Wirken der Adventgläubigen in 1843 und 1844. Damals machten sie viele Besuche von einem Haus zum anderen. Unermüdlich bemühten sie sich darum, die Menschen vor dem zu warnen, worüber das Wort Gottes spricht. Heute ist sogar noch größerer Einsatz gefordert als damals, als die erste Engelsbotschaft so treu verkündet wurde. Wir nähern uns rasch dem Ende der Weltgeschichte.« (Review and Herald, 12. Juni 1913)

Die prophetischen 1335 Tage ermutigen uns also zur Rückbesinnung auf die Botschaft, die damals verkündigt wurde. Doch mehr noch:

Eine unübertroffene Erfahrung

»Ich sah, dass Gott hinter der Verkündigung des Datums im Jahr 1843 stand. Es war sein Plan, die Menschen aufzuwecken und sie zur Entscheidung zu führen … Sünder taten Buße, weinten und baten um Vergebung. Wer ein unehrliches Leben geführt hatte, suchte Wiedergutmachung. Eltern empfanden tiefe Sorge um ihre Kinder. Wer die Botschaft angenommen hatte, bemühte sich um unbekehrte Freunde und Verwandte. Mit einem Herzen, das von der ernsten Botschaft schwer belastet war, warnten und flehten sie darum, dass man sich auf das Kommen des Menschensohnes vorbereiten möge … Diese Seelenreinigung wandte die Zuneigung von weltlichen Dingen ab hin zu einer Weihe, die nie zuvor erlebt worden war.« (1858: Spiritual Gifts 1, 133)

»Ich wurde zurückverwiesen auf die Jahre 1843 und 1844. Damals herrschte ein Geist der Weihe, der heute nicht mehr zu finden ist.« (Review and Herald, 6. Januar 1863)

»Ich erinnere mich an einen Mann und seine Frau im Jahr 1843 … die damit rechneten, dass der HERR 1844 wiederkommen werde. Sie warteten und wachten. Jeden Tag beteten sie zu Gott. Bevor sie einander Gute Nacht wünschten, pflegten sie zu sagen: ›Vielleicht kommt der HERR, während wir schlafen. Wir wollen bereit sein.‹ Der Mann fragte dann seine Frau, ob er am Tag irgendein Wort gesagt hatte, dass in ihren Augen nicht zu der Wahrheit und zu ihrem Glauben passte. Sie stellte ihm daraufhin die gleiche Frage. Dann beugten sie sich vor dem HERRN und fragten ihn, ob sie in Gedanken, Worten oder Taten gesündigt hätten und falls ja, dass er ihnen diese Übertretung vergeben möge. Dieser schlichte Glaube ist genau das, was wir heute brauchen.« (1891: Manuscript Releases 4, 344)

»Die Versammlung letzten Sonntagabend übertraf alles, was wir bisher erlebt hatten. In mancher Hinsicht glich sie den Versammlungen 1843 und 1844.« (Review and Herald, 22. Mai 1900)

»In Nachtgesichten zogen an meinem Auge Bilder vorbei, die zeigten, was geschieht, wenn die Wahrheit in der Schlichtheit wahrer Gottesfurcht präsentiert wird. Ich sah mich in einer Versammlung unserer Gemeinde. Kranke wurden geheilt. Der Geist der Fürbitte bewegte die Gemeinde. Dringende Aufrufe wurden gemacht und Herzen zerbrachen demütig vor dem HERRN. Viele bekannten ihre Sünden. Überall öffneten sich die Türen weit für die Verkündigung der Wahrheit, und echte Bekehrungen fanden statt. Ich hörte laute Fürbitten. Dann wieder hörte ich lauten Jubel. Ich sagte: Das erinnert mich daran, was 1843 und 1844 geschah.« (1911: Manuscript Releases 8, 216-217)

Nie vorher, nie nachher hatte es so etwas gegeben. Kein Wunder, dass es hieß:

Wohl dem, der erreicht …

»In den Jahren 1843 und 1844 herrschte ein wunderbares Interesse. Alle, die damals die Berichte hörten und glaubten, waren glücklich im Glauben. Als sie sich versammelten, um Zeugnis von der Wahrheit zu geben, durften viele erleben: ›Wahrlich, der HERR ist an diesem Ort … Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes, und dies ist die Pforte des Himmels!‹ (1. Mose 28,16-17)« (1890: Manuscript Releases 20, 378)

»Jesus sagte: ›Glückselig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören! Denn wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben zu sehen begehrt, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.‹ (Matthäus 13,16-17) Glückselig sind die Augen, die sahen, was 1843 und 1844 geschah. Die Botschaft wurde gegeben! Nun muss sie unverzüglich wiederholt werden. Denn die Zeichen der Zeit erfüllen sich; das Schlusswerk will getan werden. Ein großes Werk wird in kurzer Zeit geschehen. Eine Botschaft wird bald auf Gottes Geheiß ergehen und zu einem lauten Ruf anschwellen. Dann wird Daniel zu seinem Los auferstanden sein [seine Bestimmung erfüllen] und sein Zeugnis geben.« (1906: Manuscript Releases 21, 437)

»Wir verstehen, wie schwach und klein das Werk ist. Denn wir haben Erfahrung. In der Ausführung des Auftrages, den Gott uns gegeben hat, dürfen wir vertrauensvoll vorangehen, sicher, dass er unser Erfolgsgarant ist. Er wird heute im Jahr 1906 mit uns sein, wie er mit uns 1841, 1842, 1843 und 1844 gewesen ist. Was für wunderbare Beweise hatten wir damals dafür, dass Gottes Gegenwart mit uns war! In den Anfängen unseres Werkes mussten wir vielen Schwierigkeiten ins Auge schauen, aber wir haben auch viele Siege errungen.« (1906: Loma Linda Messages, 156)

»›Glücklich, wer ausharrt und 1335 Tage erreicht! Du aber geh hin auf das Ende zu! Und du wirst ruhen und wirst auferstehen zu deinem Los am Ende der Tage.‹ (Daniel 12,12-13 Elberfelder) Der Löwe aus dem Stamm Juda war es, der das Buch entsiegelte und Johannes die Offenbarung gab von dem, was in diesen letzten Tagen geschehen sollte. Daniel ›auferstand‹ zu seinem Los [erfüllte seine Bestimmung] und gab sein Zeugnis, das bis zur Zeit des Endes versiegelt worden war, als die erste Engelsbotschaft unserer Welt verkündigt werden sollte.« (Testimonies to Ministers, 115)

1843 und 1844, das waren die glücklichen Jahre der Adventbewegung. Wie viel Glückseligkeit damit verbunden war, ist fast völlig in Vergessenheit geraten. Deshalb muss uns Daniel in seinem letzten Kapitel daran erinnern. Denn nur dann werden wir uns die Frage stellen, warum 1843 der Beginn danielischen Glücks war. Wie wir aus den Zitaten gesehen haben, liegt die Ursache dafür in der ersten und zweiten Engelsbotschaft begründet, und zwar in der Art, wie diese beiden Botschaften 1843 und 1844 verkündigt wurden.

Die große Enttäuschung und der bald darauf einsetzende Laodizeazustand haben seither eine Pause bewirkt. Doch das Glück kann und soll zurückkehren. Zu diesem Zweck ist es unerlässlich, diese prophetischen Botschaften, wie sie auf der 1843-er Prophetiekarte der Adventpioniere dargestellt werden, wieder zu studieren.

Letzte Zweifel

Aber räumte nicht Ellen White selber ein, dass sich auf der 1843-er Prophetiekarte Fehler eingeschlichen hatten?

Nein! Sie sprach vielmehr von »einem Fehler in manchen Zahlen« den Gott »verbarg, sodass niemand ihn entdeckte, bis er seine Hand zurückzog.« (Early Writings, 74) Doch dieser eine Fehler bestand darin, dass man das fehlende Jahr null nicht berücksichtigt hatte. Zweimal kam man so durch die Zeitketten der sieben Zeiten (2520 Jahre) und der 2300 Abendmorgen ins Jahr 1843, wo man hätte eigentlich ins Jahr 1844 kommen müssen. Die 1335 und die 45 Jahre, die auf der 1843-er Karte ebenfalls ins Jahr 1843 führen, erstrecken sich aber nicht über die Zeitenwende, weshalb es bei ihnen auch nichts zu korrigieren gibt.

Nun gibt es eine Aussage aus dem Jahre 1850 von Ellen White, die manchmal so gelesen wird, als hätte sie das Ende der 1335 noch in der Zukunft erwartet:

»Wir [damit war auch ihr Mann James White gemeint] sagten ihm einige seiner bisherigen Irrtümer, dass die 1335 Tage zu Ende sind und zahlreiche seiner Irrtümer.« (Manuscript Releases 16, 208)

Tatsächlich hat James White das Ende der 1335 Tage nachweislich noch 1871 selbst gelehrt {1871 JW, SCOC 62.1}. Es kann also keine Irrlehre gewesen sein, auf die er den Irrlehrer zusammen mit seiner Frau hingewiesen hatte. Die Irrlehre bestand vielmehr darin, dass die 1335 noch nicht zu Ende sein sollten!

Bekräftigt wird das auch durch die folgende Aussage:

»Für Gottes Gemeinde wird es nie wieder eine Botschaft geben, die auf einem Zeitpunkt basiert.« (Selected Messages 1, 188)

Die Adventpioniere und die Kraft der Prophetie

Verstehen wir die Auslegung der Adventpioniere, so werden wir die Bedeutung der ersten und zweiten Engelsbotschaft aus Offenbarung 14 erkennen, sie gründlicher studieren und unseren gegenwärtigen Auftrag besser wahrnehmen können. Unzählige Menschen könnten gerettet werden, wenn sie Gottes Hand in der Prophetie verstehen würden. Ich selbst habe die richtungsgebende Kraft der Prophetie in meinem Leben intensiv geschmeckt und wünsche allen Lesern dieselbe Erfahrung.

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