Die Taufen in Ruanda bewegen mich, weil ich mich nach dem Spätregen sehne. Von Kai Mester
Über 100.000 Taufen als Frucht der adventistischen Evangelisationen in Ruanda im Mai dieses Jahres. Da fragt man sich, ob der Spätregen nicht schon fällt? Ist dies nicht eine Frucht des Heiligen Geistes? Und sind die Früchte nicht deshalb so zahlreich, weil der Geist in so großer Fülle ausgegossen wird?
Der Apostel Joel beschreibt den Spätregen als eine Ausgießung des Geistes über alles Fleisch, über Söhne und Töchter, Alt und Jung, Sklaven und Sklavinnen (Joel 3,1-2). Und der Prophet Johannes beschreibt ihn als eine Erleuchtung der Erde von Jesu Glanz (Offenbarung 18,1). Es kann also kein ruandesisches oder afrikanisches Phänomen allein sein, auch wenn der Hinweis auf Sklaven und Sklavinnen durchaus den Blick auf die Nachfahren der Sklaven lenken mag.
Als Frucht dieser Ausgießung werden primär Weissagungen, Träume, Gesichte, Wunderzeichen, Rettung (Joel 3,1-5) und eine Trennung von allen unreinen Geistern, von Hurerei und anderen Sünden genannt (Offenbarung 18,2-4), und erstaunlicherweise keine Taufzahlen.
Andere Texte nennen weitere Früchte. Der Apostel Mose nennt Getreide, Wein und Öl (5. Mose 11,14) und der Apostel Hosea nennt Liebe und Gotteserkenntnis als Früchte des Spätregens (Hosea 6,3.6). Der Prophet Paulus gibt uns jedoch die längste Liste von Früchten des Geistes: »Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.« (Galater 5,22 Luther 84) Er warnt uns auch mehrfach davor, das Wirken des Heiligen Geistes da zu vermuten, wo »Ehebruch, Unzucht, Unreinheit, Zügellosigkeit; Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsucht, Zwietracht, Parteiungen; Neid, Mord, Trunkenheit, Gelage und dergleichen« sind; denn »die, welche solche Dinge tun, werden das Reich Gottes nicht erben« (Galater 5,19-21)! Dann helfen auch alle Bibelstunden und Taufen nichts, alle spektakulär organisierten Evangelisationsereignisse und logistischen Meisterleistungen.
Der Prophet Paulus fährt fort: »Denn über eins müsst ihr euch im Klaren sein: Keiner, der ein unmoralisches Leben führt, sich schamlos verhält oder von Habgier getrieben ist (wer habgierig ist, ist ein Götzenanbeter!), hat ein Erbe im Reich von Christus und von Gott zu erwarten. Wer zum Licht gehört, ist verpflichtet, im Licht zu leben. Lasst euch von niemand mit leeren Behauptungen täuschen! Denn gerade wegen der eben genannten Dinge bricht Gottes Zorn über die herein, die nicht bereit sind, ihm zu gehorchen.« (Epheser 5,5-6 Neue Genfer)
Der Prophet Johannes bekräftigt: »Kinder, lasst euch von niemand verführen! Wer die Gerechtigkeit übt, der ist gerecht … wer die Sünde tut, der ist aus dem Teufel!« (1. Johannes 3,7.8)
Nun müssen Taufzahlen kein Widerspruch zu diesen Früchten sein. Doch ob sie diese Früchte bringen, muss sich erst zeigen. Vorher können Taufzahlen nicht als Beweis für den Spätregen gelten.
In den letzten Jahren haben ganze Gemeinden immer wieder, ja regelmäßig um die Ausgießung des Geistes im Spätregen gebeten. Und das zu Recht; denn unser Herr Jesus selbst hat gesagt: »Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben versteht, wie viel mehr wird der Vater im Himmel Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!« (Lukas 11,11)
Warum fühle ich mich aber dann gedrungen diesen Artikel zu schreiben? Warum bringt dies bei vielen Lesern eine Saite im Herzen zum Klingen? Warum herrscht diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis? Warum erfüllt Gott seine Verheißungen nicht? Oder sind wir das Hindernis, und wenn ja warum?
Geist oder Gesetz?
Der Heilige Geist wird in der Bibel als Lösung für das Sündenproblem beschrieben. Die Pharisäer und Schriftgelehrten wollten der Sünde durch eine Vielzahl von schützenden Gesetzen beikommen, merkten aber dabei nicht, wes Geistes Kinder sie dennoch waren. Schon der Prophet Johannes musste ihnen ins Gesicht sagen, wer ihr geistlicher Vater war. Er nannte sie Schlangenbrut (Matthäus 3,7), und unser Herr Jesus wiederholte diese Bezeichnung (12,34), ja er erklärte: »Ihr tut die Werke eures Vaters! … Ihr habt den Teufel zum Vater, und was euer Vater begehrt, wollt ihr tun!« (Johannes 8,41.44)
Gesetze sind wie Staudämme. Doch auch durch viele kleine Staudämme, die den Dammbruch des großen Zehn-Gebote-Staudamms verhindern sollen, wird das Nachströmen des sündigen Geistes nicht gestoppt, sondern nur gestaut. Irgendwo bahnt sich das unheilige Wasser schon seinen Weg. Zu Jesu Zeiten führte es sogar dazu, dass man Gottes Sohn ans Kreuz nagelte. Der satanische Geist hat sich nicht geändert, er würde auch heute dasselbe vollbringen, wenn Jesus noch als Mensch unter Menschen hier auf Erden wirken würde.
Doch gerade durch Golgatha hat Jesus die Richtung dieses Sündenstroms des menschlichen Geistes in seinen Jüngern gestoppt. Nur Judas öffnete sich nie ganz dem Heiligen Geist, und bei Petrus wäre es fast schief gegangen. Deshalb musste er ihn ernstlich ermahnen mit den Worten: »Weiche von mir, Satan! Denn du denkst nicht göttlich, sondern menschlich!« (Markus 8,33)
Als Adventisten schweben wir in derselben Gefahr. Mit einem adventistischen Kriterienkatalog historischer, erzkonservativer, traditionell-konservativer, gemäßigter, evangelikaler, moralischer, progressiver oder liberaler Prägung versuchen wir den Offenbarungsrahmen des Geistes zu definieren. Aber es gelingt uns nicht! Es sind alles nur Staudämme!
Wenn sich unser Denken nicht umkehrt und unser Geist in die entgegengesetzte Richtung strömt, kann der Spätregen, selbst wenn er schon fiele, unsere Herzen nicht erreichen. Aktuell ergießt sich bei den meisten Christen und Adventisten ein Strom egoistischer Worte und Taten genau aus dem Seelenfenster, in das der Heilige Geist einströmen möchte; und die Tür auf der anderen Seite, aus der lebendiges Wasser sprudeln sollte, klafft gleich dem gähnenden Schlund einer Grotte der Welt entgegen, ausgetrocknet wie die Berge von Gilboa.
Der Geist an unseren Schulen
Auf der ganzen Welt werden die Kinder in adventistischen Schulen in einem anderen Geist erzogen. Mit den Lippen bekennen wir zwar Jesu selbstlosen Charakter, aber durch Wettkampf in Sport, Spiel, Bildung, ja bis hin zum berühmten Bibelquiz-Wettstreit vermitteln wir genau den Geist, der Jesu Gesinnung entgegengesetzt ist. Die unterschwellige Botschaft: Es kann nur Gewinner auf Kosten von Verlierern geben, weshalb wir uns anstrengen müssen, damit wir das Ziel vor den anderen erreichen.
Ganze Gemeinden sind schon in Fußballturnieren gegeneinander angetreten und wir sind stolz, dass wir einige adventistische Profifußballer haben, die den Sabbat halten und unseren Glauben vor der Welt bekennen. Doch der Sabbat verkündigt in diesem Fall nicht Jesu selbstloses Wesen. Nur ein selbstloser und den Gegner liebender Fußballer, der jegliche Parteilichkeit ablehnt, könnte Jesu Wesen widerspiegeln. Natürlich kann es so einen Fußballer nicht geben. Denn schon die Spielregeln fordern ein Ziel, dass die »gegnerische« Mannschaft – man lasse sich das Adjektiv auf der Zunge zergehen – mit allen Kräften zu verhindern sucht.
Bei den meisten Spielen und Sportarten geht es ums Gewinnen, den Pokal oder die Medaille. Auch in Schule und Beruf spielen Auszeichnungen und Titel eine große Rolle. Das ganze Denken dahinter steckt so tief in uns, dass die meisten sich wundern, wie man es überhaupt in Frage stellen kann.
Irgendwie haben wir es sogar geschafft, uns zu erklären, wieso Jesu Handeln und Wesen nicht in dieses Schema passte. Er wird als überirdisches Wesen isoliert oder geschickt auf die Ebene unserer Gesinnung herabgezogen, sodass sein Einfluss auf unser Leben stark eingeschränkt wird.
Könnte es sein, dass der Heilige Geist unsere Herzen dann erobert hat, wenn wir uns ausschließlich für unseren Nächsten und nie gegen ihn einsetzen, auch nicht im Spiel? Könnte es sein, dass der Spätregen unser Herz erst erreichen kann, wenn wir dem Heiligen Geist diese Richtungsänderung unseres Denkens und Fühlens erlauben? Ist es nicht an der Zeit, unseren Kindern diese Denkweise als Grundmuster ihres Lebens mitzugeben?
Der Geist unserer Gesellschaft
Wir leben nur unweit des Europaparks mit seinen berühmten zwölf Achterbahnen. Schon Satan hat Jesus das Achterbahnfahren angeboten, und zwar in Jerusalem von der Zinne des Tempels. Oder hatte es doch eher etwas mit Bungee-Springen zu tun?
Lustbefriedigung, Nervenkitzel und spektakuläres Sich-in-Szene-Setzen sind Früchte des Fleisches. Die Vergnügungs-, Unterhaltungs- und Showindustrie lebt davon. Die »christlichen« Angebote auf diesem Gebiet werden auch immer zahlreicher und vor allem professioneller. Und der Geist dahinter macht vor den Mauern der Adventgemeinde nicht Halt. Außerdem ist das menschliche Herz ohnehin in dieser Richtung sehr anfällig, um nicht zu sagen aufgeschlossen.
Solange wir auf die eigene Befriedigung bedacht sind, nützt alles religiöse Etikettieren nichts. Christsein heißt: Selbstverleugnung, Selbstbeherrschung, Selbstvergessenheit, Kreuztragen in den Fußspuren Jesu. Das mag individuell unterschiedliche Blüten treiben. Sie werden aber auf jeden Fall durch ihren Wohlgeruch die attraktive Wesensart Gottes in dieser Welt bekannt machen.
Könnte es sein, dass der Heilige Geist unsere Herzen dann erobert hat, wenn wir nur noch die Freude Gottes und unseres Nächsten vor Augen haben, und nicht mehr unsere eigene? Und wenn wir auch in unserer Freizeit und Erholung darauf bedacht sind, für den Dienst Gottes und am Nächsten Kraft zu gewinnen?
Kinder der Lüge?
Ein weiteres Merkmal des Widersachers ist die Lüge: »Denn er ist ein Lügner und der Vater derselben.« (Johannes 8,44) Auch die Lüge ist in unserer modernen Welt Kulturgut geworden. Wir flüchten uns in Lügen- und Scheinwelten, wenn wir in Romane, Spielfilme und andere Virtual Realities abtauchen. Anspiele und Pantomimen sind in unseren Gemeinden nichts Fremdes; Handpuppen, Marionetten und Zauberkunststücke zählen zum selben Lügen-Genre. Hinter dem Vorwand pädagogischer Ziele schlüpfen die Schauspieler oft in sündige Emotionen und Verhaltensweisen und lassen sich vom Geist Satans beherrschen, wenn auch nur vorübergehend, im besten Fall sozusagen zu Unterrichtszwecken. Die Konsumenten des Schauspiels vertiefen sich in diese dämonische Atmosphäre körperlich passiv von den Zuschauerreihen aus oder vor dem Bildschirm. Der Christ entschuldigt sich damit, alle Beteiligten wüssten ja, dass hier mit der Unwahrheit als Stilmittel oder Werkzeug hantiert wird.
Könnte es sein, dass unser Fable für Fantasiewelten und Illusionen den Strom des Heiligen Geistes ablenkt? Könnte es sein, dass der Heilige Geist unsere Herzen erst dann erobert hat, wenn wir nur noch die Wahrheit verkörpern und Jesu Wesensart reflektieren?
Kinder des Spotts?
Ein weiterer Wesenszug Satans ist Spott und Schadenfreude. Satire und Komödie sind hierzu die geschliffenen Formen, die auch schon auf so manchem Gemeindepodium, mindestens aber bei bunten Gemeindeabenden in Form eines Sketches Platz gefunden haben. Doch der Prophet Paulus erklärt deutlich, wie fremd dieser Wesenszug dem Charakter Gottes ist: »Die Liebe … freut sich nicht an der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit … sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.« (1. Korinther 13,4-6)
Ist mein Herz frei von Zynismus, Spott und Schadenfreude? Erfüllt mich stattdessen Gottes Barmherzigkeit? Gerne beruhigen wir uns durch den Vergleich mit der Boshaftigkeit der Welt. Dagegen sind unsere christlichen Eskapaden ja homöopathisch in der Dosierung. Doch wenn die Richtung »stimmt«, wird der Vater der Richtung geehrt. Welche Richtung wollen wir ehren?
Kinder der Unzucht?
Der Geist unreiner Fantasie und sexueller Freizügigkeit ist ebenfalls ein Wesenszug Satans, der dem Heiligen Geist entgegenwirkt. Zwar haben wir auch in der Gemeinde unsere roten Linien. Doch lassen wir zu, dass Gott das Übel in unseren Herzen an der Wurzel packt? Dann wird sich die Musik und der Kleidungsstil von ganz alleine ändern und der Schmuck wird verschwinden.
Kinder des Zorns?
Als Johannes und Jakobus heilige Empörung in sich emporsteigen fühlten, sagten sie: »Herr, willst du, dass wir sprechen, dass Feuer vom Himmel herabfallen und sie verzehren soll, wie es auch Elia getan hat? Er aber wandte sich um und ermahnte sie ernstlich und sprach: Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid? Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um die Seelen der Menschen zu verderben, sondern zu erretten!« (Lukas 9,54)
Das ist das Gegenteil eines heiligen Geistes! Wer mit dem Heiligen Geist versiegelt wird, so sagt die Offenbarung, hat die Geduld der Heiligen, hält Gottes Gebote und bewahrt den Glauben Jesu (Offenbarung 14,12; 7,3.4; Epheser 1,13; 4,30). Er trägt Gottes Namen, seine Wesensart, an der Stirn (also im Herzen; Offenbarung 14,1).
Wäre Gott ein im menschlichen Sinne zorniger Gott, würden ständig Blitze vom Himmel herabfahren, um alle Mörder und Vergewaltiger auszulöschen. Welcher Geist regiert uns? Der Geist der Geduld? Oder der Geist der Empörung und des Durchgreifens?
Schleusen öffnen, statt nur zu beten
Durch alle diese Gedanken wird klar, warum eine Herzensbekehrung durch den Heiligen Geist der einzige Weg zum erfolgreichen Halten der Gebote ist. Statt vieler kleiner zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen lenkt nur der Heilige Geist den menschlichen Geist weg vom Kollisionskurs mit Gottes Gesetz und kehrt ihn ins Gegenteil: Nur der Heilige Geist lässt uns ehren statt lästern, retten statt töten, lieben statt hassen, schützen statt entwürdigen, schenken statt stehlen, uns verwundbar machen statt zu lügen, geben wollen statt zu begehren. Das wird die Folge im Umgang mit dem Nächsten sein. Nur der Heilige Geist lässt uns den Sabbat halten statt brechen, Gottes Wesen reflektieren statt in Verruf bringen, Gott bewundern statt in feste Schablonen pressen, uns Gott völlig ergeben statt ihm den ersten Platz in unserem Leben mit anderen Personen, Dingen oder Ideen streitig machen. Das wird die Folge in unserer Beziehung zu Gott sein.
Wenn wir uns für diesen Geist einsetzen, bereiten wir dem Spätregen den Weg. Lassen wir uns daher nicht blenden von Zahlen und großen Ereignissen, sondern entwickeln wir Antennen für Gottes Geist in unserem Leben und unserer Gemeinde. Ja entwickeln wir nicht nur Antennen, sondern öffnen auch unsere Schleusen, damit der Geist einströmen kann. Möge Gott uns alle zur Buße führen, damit der Spätregen komme!
Vater, vergib uns – und ich schließe mich hier ganz dezidiert ein! Denn alle die genannten sündigen Denkansätze haben in meinem praktischen Leben schon Platz gefunden, manche sogar ausgiebig – vergib uns, dass wir um den Spätregen gebetet haben, ohne unsere Schleusentore für deinen Geist zu öffnen! »Schaffe in uns, Gott, ein reines Herz, und gib uns einen neuen, beständigen Geist. Verwirf uns nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen Heiligen Geist nicht von uns. Erfreue uns wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste uns aus … Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten. Tu wohl an Zion nach deiner Gnade, baue die Mauern zu Jerusalem.« (Psalm 51,12-20 Paraphrase)
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