Christi Opfertod im Licht biblischer Aussagen: Warum musste Jesus sterben?

Christi Opfertod im Licht biblischer Aussagen: Warum musste Jesus sterben?
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Etwa, um einen zornigen Gott zu besänftigen? Oder um dessen Blutdurst zu stillen? Von Ellet Waggoner

Dass ein aktiver Christ ernsthaft diese Frage stellt, ist Grund genug, ihr auf den Grund zu gehen. Außerdem berührt sie den Kern des Christseins. Das Verständnis der Grundlagen des Evangeliums ist nicht so verbreitet, wie allgemein angenommen. Das liegt nicht daran, dass sie zu obskur und komplex für den normalen Menschenverstand sind, sondern an dem dichten Nebel, der diese Frage umgibt. Die Menschen haben theologische Begriffe erfunden, die mit der Schrift wenig zu tun haben. Wenn wir uns aber mit den einfachen Aussagen der Bibel begnügen, werden wir sehen, wie schnell das Licht den Nebel theologischer Spekulation auflöst.

»Denn auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte; er ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist.« (1. Petrus 3,18 L17) Die Antwort reicht schon. Wir lesen trotzdem weiter: »Was ich sage, ist wahr und glaubwürdig: Christus Jesus kam in die Welt, um Sünder zu retten … Und ihr wisst, dass er erschienen ist, um unsere Sünden hinwegzunehmen; und in ihm ist keine Sünde … Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.« (1. Timotheus 1,15 NLB; 1. Johannes 3,5; 1,7)

Lesen wir weiter: »Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Um wie viel mehr werden wir nun durch ihn gerettet werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind. Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind.« (Römer 5,6-10 L17)

Noch einmal: »Auch euch, die ihr einst entfremdet und feindlich gesinnt wart in den bösen Werken, hat er jetzt versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht … Vielmehr: Wenn jemand zu Christus gehört, ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; etwas ganz Neues hat begonnen! Das alles ist Gottes Werk. Er hat uns durch Christus mit sich selbst versöhnt und hat uns den Dienst der Versöhnung übertragen. Ja, in Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt, sodass er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnet; und uns hat er die Aufgabe anvertraut, diese Versöhnungsbotschaft zu verkünden.« (Kolosser 1,21.22; 2. Korinther 5,17-19 NG)

Alle Menschen haben gesündigt (Römer 3,23; 5,12). Die Sünde aber ist Feindschaft gegen Gott. »Denn der menschliche Eigenwille steht dem Willen Gottes feindlich gegenüber, denn er unterstellt sich dem Gesetz Gottes nicht und kann das auch nicht.« (Römer 8,7 NEÜ) Einer dieser zitierten Texte sprach davon, dass die Menschen Versöhnung brauchen, weil sie im Herzen Feinde sind durch ihre bösen Taten. Da alle Menschen gesündigt haben, sind demnach alle Menschen von Natur aus Gottes Feinde. Das bestätigt Römer 5,10 (siehe oben).

Doch Sünde bedeutet Tod. »Denn fleischlich gesinnt sein ist der Tod.« (Römer 8,6 L17) »Durch einen einzigen Menschen hielt die Sünde in der Welt Einzug und durch die Sünde der Tod.« (Römer 5,12 NG) Der Tod kam durch die Sünde, weil sie den Tod im Schilde führt. »Der Stachel des Todes aber ist die Sünde.« (1. Korinther 15,56) Sobald sich die Sünde ganz entfaltet hat, gebiert sie den Tod (Jakobus 1,15).

Sünde bedeutet Tod, weil sie Feindschaft gegen Gott ist. Gott ist »der lebendige Gott«. Bei ihm ist »die Quelle des Lebens« (Psalm 36,9). Nun wird Jesus »Urheber des Lebens« genannt (Apostelgeschichte 3,15 NLB). Das Leben ist die große Eigenschaft Gottes. »Er ist es, der uns allen das Leben und die Luft zum Atmen gibt und uns mit allem versorgt, was wir zum Leben brauchen … In ihm leben, weben und sind wir … Denn auch wir sind von seinem Geschlecht.« (Apostelgeschichte 17,25.28 NG/Schlachter) Gottes Leben ist die Quelle aller Schöpfung; getrennt von ihm gibt es kein Leben.

Doch nicht nur das Leben, sondern auch die Gerechtigkeit ist die große Eigenschaft Gottes. »Kein Unrecht ist an ihm … Gottes Weg ist vollkommen.« (Psalm 92,15; 18,31 L17) Weil Gottes Leben die Quelle allen Lebens ist und alles von ihm abhängt, ist seine Gerechtigkeit folglich auch der Maßstab für alle vernünftigen Wesen. Gottes Leben ist Gerechtigkeit pur. Leben und Gerechtigkeit können daher nicht voneinander getrennt werden. »Geistlich gesinnt sein ist Leben.« (Römer 8,6 L17)

Da Gottes Leben der Maßstab für Gerechtigkeit ist, muss alles, was sich von Gottes Leben unterscheidet, Ungerechtigkeit sein; aber »jede Ungerechtigkeit ist Sünde« (1. Johannes 5,17). Weicht das Leben eines Wesens von Gottes Leben ab, so muss das daran liegen, dass Gottes Leben nicht ungehindert durch dieses Wesen strömen darf. Wo Gottes Leben fehlt, tritt jedoch der Tod ein. In jedem, der mit Gott nicht im Einklang ist – ihn als Feind empfindet – wirkt der Tod. Er ist für ihn unausweichlich. Es ist also kein willkürliches Urteil, dass der Sünde Sold der Tod ist. Dies liegt einfach in der Natur der Sache. Die Sünde ist das Gegenteil von Gott, sie ist Rebellion gegen ihn und seinem Wesen absolut fremd. Sie trennt von Gott, und Trennung von Gott bedeutet Tod, weil es ohne ihn kein Leben gibt. Alle, die ihn hassen, lieben den Tod (Sprüche 8,36).

Zusammengefasst sieht die Beziehung zwischen dem natürlichen Menschen und Gott so aus:
(1) Alle haben gesündigt.
(2) Sünde ist Feindschaft und Rebellion gegen Gott.
(3) Sünde ist Entfremdung von Gott; die Menschen werden durch böse Werke entfremdet und feindlich gesinnt (Kolosser 1,21).
(4) Sünder sind dem Leben Gottes entfremdet (Epheser 4,18). Doch Gott in Christus ist die einzige Lebensquelle fürs Universum. Daher sind alle, die sich von seinem gerechten Leben entfernt haben, automatisch dem Tode geweiht. »Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.« (1. Johannes 5,12)

Wer musste versöhnt werden? Gott, der Mensch oder beide?

Bis hierher ist eines sehr deutlich geworden: Jesus ist nur deshalb auf die Erde gekommen und für die Menschen gestorben, um sie mit Gott zu versöhnen, damit sie das Leben hätten. »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben … Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber … Auch euch, die ihr einst entfremdet und feindlich gesinnt wart in den bösen Werken, hat er jetzt versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht … [Jesus litt] für Sünden, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führte … Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, wie viel mehr werden wir als Versöhnte gerettet werden durch sein Leben!« (Johannes 10,10; 2. Korinther 5,19 L84; Kolosser 1,21-22; 1. Petrus 3,18; Römer 5,10)

»Aber«, sagen jetzt manche, »bei dir geschieht die Versöhnung ja allein beim Menschen; mir wurde immer beigebracht, dass Jesu Tod Gott mit dem Menschen versöhnte; dass Jesus starb, um Gottes Gerechtigkeit zu befriedigen und ihn zu besänftigen.« Nun, wir haben die Versöhnung genau so beschrieben, wie die Heilige Schrift es formuliert. Sie sagt viel darüber aus, dass der Mensch mit Gott versöhnt werden muss, spielt aber an keiner Stelle darauf an, dass Gott mit dem Menschen versöhnt werden müsste. Damit würde ja auch ein schwerer Vorwurf gegen Gottes Charakter erhoben. Diese Vorstellung ist durchs Papsttum in die christliche Kirche eingedrungen, das sie wiederum aus dem Heidentum übernommen hat. Dort ging es allein darum, Gottes Zorn durch ein Opfer zu beschwichtigen.

Was bedeutet Versöhnung denn eigentlich? Nur wo Feindschaft herrscht, ist Versöhnung notwendig. Wo keine Feindschaft existiert, ist Versöhnung überflüssig. Der Mensch ist von Natur aus von Gott entfremdet; er ist ein Rebell, voller Feindschaft. Daher muss er versöhnt werden, wenn er von dieser Feindschaft befreit sein soll. Doch Gott hegt keinerlei Feindschaft in seinem Wesen. »Gott ist Liebe.« Folglich braucht er auch keine Versöhnung. Ja sie wäre ganz und gar unmöglich, weil es bei ihm nichts zu versöhnen gibt.

Noch einmal: »Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.« (Johannes 3,16) Wer behauptet, Jesu Tod versöhne Gott mit dem Menschen, hat diesen wunderbaren Vers vergessen. Er trennt den Vater vom Sohn, macht den Vater zum Feind und den Sohn zum Freund des Menschen. Doch Gottes Herz strömte so über von Liebe zu dem gefallenen Menschen, dass er »auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben« (Römer 8,32 L17). Dadurch hat er sich selbst geschenkt. Denn »Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber.« (2. Korinther 5,19 L84) Der Apostel Paulus spricht von der »Gemeinde Gottes … die er durch sein eigenes Blut erworben hat!« (Apostelgeschichte 20,28) Das räumt ein für allemal mit der Vorstellung auf, dass Gott auch nur ein Quäntchen Feindschaft gegen den Menschen hegte, die es nötig gemacht hätte, dass Er sich mit ihm versöhnt. Jesu Tod war der Ausdruck von Gottes wunderbarer Liebe zu den Sündern.

Was bedeutet Versöhnung noch? Sie bedeutet, dass der Versöhnte sich ändert. Wenn jemand in seinem Herzen Feindschaft gegen eine Person hegt, bedarf es einer radikalen Veränderung, bevor Versöhnung stattfinden kann. Und genau das findet beim Menschen statt. »Wenn jemand zu Christus gehört, ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; etwas ganz Neues hat begonnen! Das alles ist Gottes Werk. Er hat uns durch Christus mit sich selbst versöhnt und hat uns den Dienst der Versöhnung übertragen.« (2. Korinther 5,17-18 NG) Zu behaupten, Gott müsse mit dem Menschen versöhnt werden, hieße nicht nur, ihn der Feindschaft zu bezichtigen, sondern auch zu sagen, Gott hätte auch Unrecht getan, weshalb er sich ebenfalls ändern müsse, nicht nur der Mensch. Wenn es nicht unschuldige Unkenntnis war, die Menschen zu der Aussage führte, Gott müsse mit dem Menschen versöhnt werden, dann war es schlicht Gotteslästerung. Das gehört zu den »großen Worten und Lästerungen«, die das Papsttum gegen Gott geredet hat (Offenbarung 13,5). Wir wollen dem keinen Raum geben.

Gott ist. Wenn er nicht wäre, wäre er kein Gott. Er ist die absolute und unveränderliche Perfektion. Er kann sich nicht ändern. Hört ihn selbst: »Denn ich, der HERR, verändere mich nicht; deshalb seid ihr, die Kinder Jakobs, nicht zugrundegegangen.« (Maleachi 3,6)

Statt sich ändern und mit dem sündigen Menschen versöhnen zu müssen, damit dieser gerettet werden kann, besteht die einzige Hoffnung für ihre Rettung darin, dass er sich nie ändert, sondern ewige Liebe ist. Er ist die Quelle des Lebens und der Maßstab des Lebens. Wenn Wesen ihm nicht ähneln, haben sie diese Verirrung selbst verschuldet. Er trägt keine Schuld. Er ist der feste Maßstab, nach dem sich alle richten, wenn sie leben wollen. Gott kann sich nicht ändern, um das Verlangen der sündigen Menschen zu stillen. Solch eine Änderung würde ihn nicht nur entwürdigen und seine Regierung ins Wanken bringen, sondern sie entspräche auch nicht seinem Wesen: »Wer zu Gott kommt, muss glauben, dass er ist.« (Hebräer 11,6)

Noch ein Gedanke zu der Vorstellung, Jesu Tod sei nötig gewesen, um empörte Gerechtigkeit zu befriedigen: Jesu Tod war nötig, um Gottes Liebe zu befriedigen. »Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.« (Römer 5,8) »Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.« (Johannes 3,16) Der Gerechtigkeit wäre Genüge getan worden, wenn das gesamte sündige Geschlecht den Tod erlitten hätte. Doch Gottes Liebe konnte das nicht zulassen. Deshalb werden wir durch seine Gnade ohne Verdienst gerecht gemacht durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. Durch den Glauben an sein Blut, wird Gottes Gerechtigkeit – also sein Leben – uns erwiesen. Daher ist er gerecht und macht gleichzeitig den gerecht, der an Jesus glaubt (Römer 3,21-26) …

Warum halten wir uns so lange damit auf, dass der Mensch mit Gott versöhnt werden muss, nicht Gott mit dem Menschen? Weil sich allein darauf unsere Hoffnung gründet. Wenn Gott uns je feindlich gesonnen gewesen wäre, würde der quälende Gedanke immer aufkommen können: »Vielleicht ist er noch nicht zufrieden genug, um mich anzunehmen. Bestimmt kann er so einen Schuldigen wie mich nicht lieben.« Je mehr einem die eigene Schuld bewusst würde, desto stärker würde der Zweifel. Da wir aber wissen, dass Gott uns nie feindlich gesonnen war, sondern uns mit ewiger Liebe liebt, ja so sehr, dass er sich selbst für uns gegeben hat, damit wir mit ihm versöhnt werden, können wir fröhlich ausrufen: »Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?« (Römer 8,28)

Was ist Vergebung? Und warum geschieht sie nur durch Blutvergießen?

Befreiung von Sünde oder wenigstens von ihren Folgen haben die Menschen seit dem Sündenfall gesucht. Leider haben die meisten dies auf die falsche Weise getan. Satan hat durch eine Lüge über Gottes Charakter die erste Sünde ausgelöst. Seitdem ist er engagiert darum bemüht, dass Menschen weiter an diese Lüge glauben. So erfolgreich ist er damit, dass die große Masse der Menschen in Gott ein strenges, unsympathisches Wesen sieht, das den  Menschen mit kritischen Auge beobachtet und ihn lieber zerstören als retten möchte. Kurzum: Satan hat weitestgehend Erfolg damit, sich in den Köpfen der Menschen selbst an Gottes Stelle zu setzen.

Deshalb ist ein Großteil der heidnischen Anbetung schon immer Teufelsanbetung gewesen. »Die Heiden opfern das, was sie opfern, den Dämonen und nicht Gott! Ich will aber nicht, dass ihr in Gemeinschaft mit den Dämonen seid.« (1. Korinther 10,20) Demnach beruht der gesamte heidnische Kult auf der Vorstellung, dass Opfer die Götter besänftigen. Manchmal wurden diese Opfer in Form von Eigentum gebracht, oft aber auch in Form eines Menschen. Daher kamen auch die großen Scharen von Mönchen und Eremiten unter den Heiden und später unter den erklärten Christen, die sich ihre Vorstellungen über Gott von den Heiden holten. Diese dachten nämlich, dass sie Gottes Gunst gewinnen könnten, indem sie sich auspeitschten und folterten.

Die Baalspropheten ritzten sich mit Messern, »bis das Blut an ihnen herabfloss« (1. Könige 18,28) und hofften, sich dadurch bei ihrem Gott Gehör zu verschaffen. Mit derselben Vorstellung trugen Tausende sogenannter Christen härene Gewänder. Sie liefen barfuß über Glasscherben, pilgerten auf Knien, schliefen auf dem harten Fußboden oder der Erde und peitschten sich mit Dornen, hungerten sich fast zu Tode und stellten sich die unglaublichsten Aufgaben. Doch keiner fand auf diese Weise den Frieden, weil niemand aus sich das herausholen kann, was er nicht besitzt. Gerechtigkeit und Friede sind nämlich im Menschen nicht zu finden.

Manchmal hat die Vorstellung, Gottes Zorn zu besänftigen, leichtere Formen angenommen, also leichter für die Gläubigen. Statt sich selbst zu opfern, haben sie andere geopfert. Menschenopfer waren immer mal mehr, mal weniger Teil des Heidenkultes. Der Gedanke an die Menschenopfer der alten Bewohner Mexikos und Perus oder der Druiden lässt uns erschauern. Doch die angebliche (nicht wirkliche) Christenheit hat ihre eigene Gruselliste. Sogar das sogenannte christliche England brachte hunderte menschliche Brandopfer dar, um Gottes Zorn vom Land abzuwenden. Überall, wo es religiöse Verfolgung gibt, sei sie auch noch so subtil, entspringt sie der fälschlichen Vorstellung, Gott fordere Opfer. Darauf wies schon Jesus seine Jünger hin: »Es kommt sogar die Stunde, wo jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu erweisen.« (Johannes 16,12) Diese Art Gottesdienst ist Teufelsanbetung und keine Anbetung des wahren Gottes.

In Hebräer 9,22 steht aber doch: »Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung.« Deshalb meinen viele, dass Gott doch ein Opfer fordert, bevor er den Menschen begnadigen kann. Wir können uns nur schwer von der päpstlichen Vorstellung lösen, Gott sei wegen der Sünde so böse auf den Menschen, dass er sich nur durch Blutvergießen besänftigen lässt. Ihm sei es auch egal, von wem das Blut kommt. Hauptsache jemand wird getötet! Da Jesu Leben aber mehr wert gewesen sei, als das aller Menschenleben zusammen, habe er sein stellvertretendes Opfer für sie akzeptiert. Das ist zwar eine ziemlich brutale Art das Kind beim Namen zu nennen, aber es ist die einzige Weise, wie man die Sache auf den Punkt bringen kann. Die heidnische Vorstellung von Gott ist brutal. Sie entehrt Gott und entmutigt den Menschen. Diese heidnische Vorstellung hat zu viele Bibelverse in ein falsches Licht gerückt. Leider haben auch große Männer, die den HERRN wirklich liebten, ihren Feinden Anlass gegeben, Gott zu lästern.

»Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung.« (Hebräer 9,22) Was bedeutet Vergebung? Das hier im Griechischen verwendete Wort afesis (αφεσις) kommt von dem Verb wegschicken, loslassen. Was sollte weggeschickt werden? Unsere Sünden, denn wir lesen: »Durch den Glauben an sein Blut erwies er seine Gerechtigkeit, indem er die vorher geschehenen Sünden durch seine Nachsicht wegschickte« (Römer 3,25 Paraphrase nach King James) Wir erfahren also, dass ohne Blutvergießen die Sünden nicht weggeschickt werden können.

Welches Blut nimmt Sünden weg? Nur Jesu Blut »Denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir gerettet werden sollen! … Und ihr wisst, dass er erschienen ist, um unsere Sünden hinwegzunehmen; und in ihm ist keine Sünde … Ihr wisst ja, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen wie Silber oder Gold von dem sinnlosen Leben befreit worden seid, wie ihr es von euren Vorfahren übernommen hattet, sondern mit dem kostbaren Blut eines reinen, makellosen Opferlammes, dem Blut von Christus … Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.« (Apostelgeschichte 4,12; 1. Johannes 3,5; 1. Petrus 1,18.19 NEÜ; 1. Johannes 1,7)

Wie kommt es aber, dass Blutvergießen, und dazu noch das Blut Jesu, Sünden wegnehmen kann? Einfach deshalb, weil Blut Leben ist. »Denn im Blut ist das Leben, und ich selbst habe angeordnet, dass es auf dem Altar dargebracht wird, um Sühnung zu erwirken für eure Seelen. Darum werdet ihr durch das Blut mit mir, dem HERRN, versöhnt.« (3. Mose 17,11 HFA/Schlachter) Wenn wir also lesen, dass es ohne Blutvergießen keine Vergebung gibt, wissen wir, was das heißt: Nämlich dass Sünden nur durch Jesu Leben weggenommen werden können. In ihm ist keine Sünde. Wenn er sein Leben einer Seele schenkt, wird diese Seele sofort von Sünde gereinigt.

Jesus ist ja Gott. »Das Wort war Gott«, »und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns« (Johannes 1,1.14). »Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber.« (2. Korinther 5,19 L84) Gott schenkte sich in Christus dem Menschen. Denn wir haben gelesen von der »Gemeinde Gottes … die er durch sein eigenes Blut erworben hat!« (Apostelgeschichte 20,28) Der Menschensohn, in dem Gottes Leben war, kam zu dienen »und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.« (Matthäus 20,28)

Der Stand der Dinge ist also folgender: Alle haben gesündigt. Sünde ist Feindschaft gegen Gott, weil sie den Menschen von Gottes Leben entfremdet. Deshalb bedeutet Sünde den Tod. Der Mensch brauchte also dringend Leben. Um das zu geben, kam Jesus. In ihm war Leben, das die Sünde nicht antasten konnte, Leben, das über den Tod triumphierte. Sein Leben ist das Licht der Menschen. Eine einzelne Lichtquelle kann zehntausend andere Lichter anzünden, ohne dadurch kleiner zu werden. Wie viel Sonnenlicht ein Mensch auch empfängt, alle anderen Menschen erhalten dadurch nicht weniger; auch wenn hundertmal so viele Menschen auf Erden lebten, hätten alle doch genauso viel Sonnenlicht für sich zur Verfügung. So ist es auch bei der Sonne der Gerechtigkeit. Er kann allen sein Leben geben und immer noch genauso viel Leben besitzen.

Jesus kam, um Gottes Leben dem Menschen zu bringen. Denn genau das fehlte ihnen. Das Leben aller Engel im Himmel hätte die Nachfrage nicht decken können. Nicht weil Gott unbarmherzig ist, sondern weil sie es den Menschen nicht weitergeben konnten. Sie hatten kein Leben aus sich heraus, sondern nur das Leben, das Jesus ihnen gab. Doch Gott war in Christus und so konnte Gottes ewiges Leben in ihm jedem weitergegeben werden, der es haben wollte. Indem Gott seinen Sohn gab, schenkte er sich ja selbst. Ein Opfer war also nicht nötig, um Gottes empörte Gefühle zu besänftigen. Ganz im Gegenteil: Gottes unaussprechliche Liebe veranlasste ihn, sich selbst zu opfern, um die Feindschaft des Menschen zu brechen und ihn mit sich zu versöhnen.

»Doch warum konnte uns sein Leben nicht geben, ohne zu sterben?« Dann könnte man auch fragen: »Warum konnte er uns sein Leben nicht geben, ohne es uns zu geben?« Wir brauchten das Leben, und nur Jesus hatte Leben. Leben geben heißt aber sterben. Sein Tod versöhnte uns mit Gott, wenn wir ihn durch den Glauben zu unserem eigenen machen. Wir werden mit Gott durch Jesu Tod versöhnt, weil er durch sein Sterben sein Leben gab und es uns schenkte. Indem wir Anteil an Gottes Leben bekommen durch den Glauben an Jesu Tod haben wir Frieden mit ihm, weil dasselbe Leben in uns beiden fließt. Dann sind wir »gerettet durch sein Leben« (Römer 5,10). Jesus starb und dennoch lebt er und sein Leben in uns bewahrt unsere Eintracht mit Gott. Wenn wir sein Leben empfangen, befreit uns dies von der Sünde. Wenn wir sein Leben in uns fortwährend behalten, bewahrt uns dies vor der Sünde.

»In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.« (Johannes 1,4) Jesus sagte: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des Lebens haben.« (Johannes 8,12) Jetzt können wir es verstehen: »Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.« (1. Johannes 1,7) Sein Licht ist sein Leben; in seinem Licht zu wandeln heißt, sein Leben zu führen; leben wir so, dann fließt sein Leben durch uns als lebendiger Strom, der uns von aller Sünde reinigt. »Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe.« (2. Korinther 9,15)

»Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Er, der sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht auch alles schenken?« (Römer 8,31.32) So darf der schwache und ängstliche Sünder Mut fassen und dem HERRN vertrauen. Wir haben keinen Gott, der vom Menschen ein Opfer fordert, sondern einen, der in seiner Liebe sich selbst als Opfer darbrachte. Wir schulden Gott ein Leben in völliger Harmonie mit seinem Gesetz; doch weil unsere Leben genau das Gegenteil davon ist, ersetzt Gott in Jesus unser Leben mit seinem eigenen Leben, sodass wir »geistliche Opfer darbringen, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus« (1. Petrus 2,5) Darum: »Israel, hoffe auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade, und bei ihm ist Erlösung in Fülle. Ja, er wird Israel erlösen von allen seinen Sünden.« (Psalm 130,7.8)

Original erschienen unter dem Titel: »Why Did Christ Die?« in: The Present Truth, 21. September 1893

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