Wie man Kinder lehrt, freiwillig gehorsam zu sein. Von Ella Eaton Kellog
In vielen Fällen geschieht Gehorsam, wenn er überhaupt geleistet wird, unfreiwillig. Eltern und Kind können die Sache ja nicht vom gleichen Standpunkt aus sehen. Aber eine weise Mutter sagte einmal: »Meine Jungs wollten eigentlich immer tun, was ich für das Beste hielt. Hatten sie mal keine Lust dazu, dann führte ich sie Schritt für Schritt dahin. Nicht einer meiner Jungs war mir je in seinem Leben ungehorsam.«
Wie kann man das erreichen? Am besten, man erhält Gehorsam nicht durch einen Meinungsstreit. Gleichzeitig darf bewusster Ungehorsams natürlich auch nicht einfach übergangen werden.
Erzwungener Gehorsam
Jemand schrieb dazu einmal veranschaulichend:
»Schauen wir uns einmal zwei Mütter und ihren unterschiedlichen Umgang mit dem gleichen Vergehen an: Ein Junge kommt vom Spielen und wirft seine Mütze unachtsam auf den Boden. Seine Mutter fordert ihn auf, sie aufzuheben und an ihren Platz zu legen. Er weigert sich. Die Mutter wiederholt die Aufforderung etwas strenger. Der Junge weigert sich noch bestimmter. Die Mutter ärgert sich und bringt das auch zum Ausdruck. Starke Gefühle wecken die entsprechenden starken Gefühle im anderen. Der Ärger der Mutter erregt den Ärger des Jungen. Die Mutter versetzt ihm zur Strafe spontan eine Ohrfeige. Er schlägt zurück. Ein Streit hat begonnen. Der Wille beider ist gegeneinander gerichtet. Gewinnt die Mutter, gehorcht der Junge mürrisch, ärgerlich und verbittert. Aber er beschließt: Wenn ich älter bin, werde ich mich durchsetzen! Vielleicht wird er das nächste Mal, wenn er ins Haus kommt, die Mütze schon allein aus Trotz auf den Boden schleudern. Schließlich will er ja den Machtkampf gewinnen. Vielleicht gewinnt er ihn auch tatsächlich. Dann schaut er mit geheimer oder offener Verachtung auf die Mutter herab. Die Mutter versucht indes, Gehorsam zu erzwingen, aber es gelingt ihr nicht.
Sanftmütig gelenkter Gehorsam
Eine andere Mutter fordert ihr Kind auf, die Mütze aufzuheben. Das Kind weigert sich. Die Mutter hebt sie still auf und lässt auf den Ungehorsam des Kindes eine Konsequenz folgen, keine harte Strafe. Es ist nur wichtig, dass die Konsequenz jedes Mal folgt, und das nicht nur ohne geäußerten, sondern auch ohne gefühlten Ärger. Am nächsten Tag wiederholt sich die Situation. Tag für Tag geschieht immer wieder das Gleiche. Nach einiger Zeit merkt das Kind, dass es sich nicht lohnt, ungehorsam zu sein. Der Wille der beiden gerät niemals in offenen Konflikt miteinander. Nie kommt es zum Kampf. Die Beharrlichkeit der Mutter reizt an keiner Stelle die Kampfbereitschaft des Kindes. Sein Eigenwille wird nicht geweckt, weil auch die Mutter keinen Eigenwillen zeigt. Sie erleidet die Demütigung, ein ungehorsames Kind zu haben; das Kind erleidet die Konsequenzen seines Ungehorsams.«
Weitere Tipps
Wenn das Kind manchmal eigenwillig oder halsstarrig ist, ist es gut, ihm eine Auswahl anzubieten, um einen Konflikt zu vermeiden. Auch ist es wichtig, unerwünschte Eigenschaften wie Starrsinn und Eigenwillen gar nicht erst in Aktion zu rufen, indem man unnötige Forderungen stellt. Vergessen wir nicht, dass alle schlechten Eigenschaften durch Ausübung gestärkt werden, so wie die guten! Wenn das Kind eigenwillig ist, wird der Eigenwille umso stärker, je mehr er gereizt wird, so wie auch die Armmuskeln durch ständigen Gebrauch stärker werden.
Sprachlich bearbeitete aus: Ella Eaton Kelllog, Studien zur Charakterbildung, S. 77-79.
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