Der reiche Mann und der arme Lazarus: Ein Gleichnis, das viele zu wörtlich nehmen

Der reiche Mann und der arme Lazarus: Ein Gleichnis, das viele zu wörtlich nehmen
unsplash.com - Greg Rakozy

Jesus war in seinem Sprachgebrauch stark von der hebräischen Bibel geprägt. Sie zu kennen hilft beim Verständnis. Von Daniel Knauft und Kai Mester

Lesezeit: 3 Minuten

Dieses Gleichnis aus Lukas 16 wird gerne zitiert, um das Weiterleben der Seele nach dem Tod zu belegen. Es handelt von drei Männern im Totenreich (heb. שאול = Scheol, gr. Ἅιδης = Hades). Der Reiche leidet unter Qualen, Lazarus hingegen befindet sich in Abrahams Schoß. Als der Reiche sich an Abraham wendet, damit dieser Lazarus sende, sein Leid zu lindern, erfährt er, dass es dafür zu spät ist. Seine Bitte, ihn wenigstens zu seinen Brüdern zu senden, damit er sie warne, kann auch nicht erhört werden. Denn wer nicht auf Mose und die Propheten höre, wird »sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer aus den Toten auferstände« (Vers 31).

Stilmittel Personifikation

Jesus lehrt in diesem Gleichnis mit dem Stilmittel der Personifikation. Denn wie sollten sich die Toten am Ort der Finsternis sehen können (Psalm 88,7)? Wie sollten sie sich im Lande der Vergessenheit an ihr Vorleben erinnern können (Vers 12.13)? Wie hätte der Reiche Abraham in einem Land erkennen sollen, wo es keine Erkenntnis gibt (Prediger 9,10)? Die Personifikation ist eine rhetorische Figur, die Tieren, Pflanzen, Gegenständen, toten Personen oder abstrakten Wesenheiten eine Stimme gibt oder menschliche Züge verleiht. Sie kommt in der Bibel an verschiedenen Stellen vor.

Von Toten mit Stimme

Auch die tote Rahel (1. Mose 35,18-20) wird dargestellt, als hätte sie um den Mord ihrer Kinder getrauert (Jeremia 31,15; Matthäus 2,17-18). Die Toten reden mit dem Pharao im Totenreich (Hesekiel 32,17-32; 31,15-18). Der König von Babylon wird bei seinem Eintritt ins Totenreich von bereits verstorbenen Königen verspottet (Jesaja 14,9-20). Das alles im Inneren der Erde (4. Mose 16,30; Jesaja 5,14), wo Dunkelheit und Stille herrschen (1. Samuel 2,9; Psalm 31,18), im Reich der Maden und Würmer (Jesaja 14,11; Hiob 17,13.14). Hier handelt es sich überall um Personifikation; hier handeln Menschen, als wären sie noch am Leben.

Von weiteren Stimmen

Auch Abels Blut schreit zu Gott (1. Mose 4,10). Die Tiefe, das Meer, der Abgrund und der Tod sprechen (Hiob 28,14.22). Ein Stein am Heiligtum hört alle Worte Israels (Josua 24,27). Die Bäume gehen zur Wahl und halten Reden (Richter 9). Der Dornstrauch hält um die Hand der Zeder an (2. Könige 14,9). Alle Bäume jubeln vor dem HERRN (1. Chronik 16,33). Der Stein schreit aus der Mauer heraus und der Balken im Holzwerk antwortet (Habakuk 2,11). Der Lohn der Arbeiter schreit (Jakobus 5,4). Der tote Abel spricht immer noch (Hebräer 11,4). Die Märtyrer unter dem Altar fordern Rache (Offenbarung 6,9.10). Ja der Tod und das Totenreich werden personifiziert (Vers 8) und schließlich sogar in den Feuersee geworfen (Offenbarung 20,14; 1. Korinther 15,26).

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