Meine Zeit am Projekt Fundación El Sauce in Bolivien: »Sie gefällt mir!«

Meine Zeit am Projekt Fundación El Sauce in Bolivien: »Sie gefällt mir!«
Bild: privat

Erlebnisse einer Patenmutter, die zum ersten Mal ihre Patenkinder besucht. Von Daniela Weichhold

»Ella me gusta!« (»Sie gefällt mir!«). Dies waren die Worte einer munteren fast Dreijährigen, die fröhlich in ihrem Laufstall spielte, als ich zum ersten Mal das Haus 1 in Samaipata betrat. Angelina und ihr 14-jähriger Onkel René sind meine beiden Patenkinder, die ich seit einigen Jahren zusammen mit meiner Freundin Tanja finanziell unterstütze. Am 1. Oktober 2014 wurde nun ein Traum war: Ich konnte »meine« beiden Kinder, sowie alle anderen Bewohner des Projekts Fundación El Sauce in Bolivien besuchen, und gut zwei Monate mit ihnen zusammen leben und arbeiten.

Der Kontakt entstand durch Familie Mester, die zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre in Bolivien verbracht hatte, um dort in der Nähe des Projekts zu leben und als Volontäre zu helfen. Die ersten 14 Tage verbrachte ich hauptsächlich mit ihnen, und eine lange Reise führte uns zu den Iguazú-Wasserfällen nach Argentinien bzw. Brasilien. Was für ein Naturerlebnis!

Mitte Oktober zog ich dann aufs Projekt um. Mein Hauptziel war die Verbesserung meiner Spanischkenntnisse, was wohl während meines gesamten Aufenthalts die größte Herausforderung war.

Am Vormittag, während die Kinder in der Schule waren, half ich normalerweise in der Landwirtschaft mit. Da in diesen Breitengraden das ganze Jahr über Saat- und Erntezeit ist, gab es immer genug zu tun. Am Nachmittag unterrichtete ich die Kinder in Englisch. Dies war eine interessante Herausforderung, da die Kinder sich in dieser Sprache alles andere als leicht taten. Für Südamerikaner ist es in der Tat schwer, Englisch zu lernen, zumal das Niveau in der Schule sehr niedrig ist. Die Kinder waren aber immer recht eifrig bei der Sache, und mit der Zeit konnte ich Fortschritte feststellen.

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Eine weitere Aufgabe, die ich mir zu Eigen machte, waren nachmittägliche Spaziergänge mit der kleinen Angelina. Sie hatte eine wahre Entdeckernatur, und diese Zeit, in der sie außer Haus war, half auch ihrer 16-jährigen Mutter, sich besser auf ihre Schularbeiten zu konzentrieren. So gingen wir oft zu den Pferden an die Weide, um sie zu füttern, oder wir pflückten frische Pfefferminze zum Trocknen.

Was mich tief berührte, waren die Schicksale der Kinder. Wie bereits in vergangenen Artikeln über das Projekt berichtet wurde, handelt es sich hier meist um Sozialwaisen; d. h. die Kinder haben durchaus Eltern, aber sind entweder von ihnen verlassen worden oder sind wegen schwieriger Umstände in ihren Heimen zum Projekt gekommen. Ich denke an die Achtjährige, deren Mutter sie und ihre zwei kleinen Brüder verließ, da sie angeblich nach Argentinien gehen musste, um Geld zu verdienen. So wurden die Kinder von ihrer Großmutter aufgenommen, die allerdings mit einem Mann zusammen lebte, der wegen Vergewaltigung ihrer Töchter im Gefängnis gesessen hatte. Nun hatten die Behörden Bedenken, dass er sich auch an der Kleinen vergreifen könnte, und so kam sie zum Projekt. Dieses Mädchen ist im Haus 1 regelrecht aufgeblüht; dennoch macht ihr der Verlust ihrer Mutter nach wie vor zu schaffen.

Oder die 15-jährige, die von ihrem eigenen Vater vergewaltigt wurde und dadurch Mutter eines kleinen Mädchens wurde, das durch diese Inzest-Situation in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung stark zurückgeblieben ist.

Man möchte am liebsten weinen, wenn man solche Geschichten hört. Dennoch ist es sehr ermutigend zu sehen, wie sich die Kinder und Jugendlichen dort von ihren traumatischen Erlebnissen erholen und in einer behüteten und christlichen Atmosphäre aufwachsen. Die meisten der Kinder kommen aus nicht-adventistischen Elternhäusern, aber werden dort in unserem Glauben erzogen. Alle gehen gerne am Sabbat in die Gemeinde, und es gibt an jedem Morgen und Abend eine Andacht. Während meiner Zeit dort war der Waisenvater Lito die meiste Zeit aus familiären Gründen in Spanien. So hatte seine Frau Merce nun die volle Verantwortung für die Kinder – nicht nur was ihr physisches Wohlergehen anging (d. h. die wunderbaren Mahlzeiten, die sie immer zubereitete), sondern auch was das Geistliche anging. Jeden Morgen und Abend las sie den Kindern eine Kurzandacht vor; und anschließend erklärte sie ihnen, wie sie das Gelernte in ihrem täglichen Leben anwenden können. Sie hielt sozusagen zweimal täglich eine kurze Predigt, und die Kinder hörten immer aufmerksam zu.

Natürlich war mein Aufenthalt dort nicht ohne Herausforderungen. Zu allererst war es die Sprachbarriere. Bevor ich dort ankam, hatte ich schon relativ gute Spanischkenntnisse. Wenn man jedoch in ein Land kommt, wo ausschließlich diese Sprache gesprochen wird und auch in einem etwas anderen Akzent, als man es gewohnt ist, ist das nicht immer einfach. Wenn die Kinder untereinander redeten, verstand ich häufig nicht viel. Außerdem fiel es mir schwer über tiefgründigere Dinge zu sprechen als z. B. das Wetter, das Essen oder andere Dinge des täglichen Lebens. Des Weiteren war ich arbeitsmäßig nicht ganz ausgelastet. Die Kinder im Haus 1 waren, bis auf Angelina, alle selbstständig. Nach dem Mittagessen machten sie sich an ihre Hausaufgaben oder erledigten die ihnen zugeteilten Aufgaben im Haushalt. Da blieb für mich nicht viel übrig. Die Arbeit in der Landwirtschaft war zum Teil recht anstrengend. Die Dienstage mit der Ernte forderten recht viel von uns ab; vor allem wenn die Sonne heiß schien, oder auch wenn es regnete. Manchmal jätete ich den ganzen Vormittag auf einem Hocker oder auf den Knien Unkraut – oder ich saß mit den anderen Arbeiterinnen den ganzen Morgen im Treibhaus, um Keime verschiedenster Art in kleine Töpfchen und Saatschalen umzusetzen, damit diese nach ein paar Wochen auf dem Feld eingepflanzt werden konnten. So wünschte ich mir nicht selten, dass die Zeit doch recht bald verstreichen möge.

Dennoch kann ich, nachdem nun ein paar Monate vergangen sind, sagen, dass mein Aufenthalt dort ein großer Segen war. Ich glaubte nicht wirklich, dass ich einen Unterschied im Leben dieser Kinder machen könnte. Ich betrachtete diesen Aufenthalt auch nicht als einen Missionseinsatz. Meines Erachtens tat ich eigentlich gar nichts, um Seelen zu gewinnen. Während einer Evangelisation in der örtlichen Adventgemeinde vermied ich es, hauptsächlich wegen der Sprachbarriere, mit anderen Geschwistern von Haus zu Haus zu gehen. Im Nachhinein jedoch sehe ich diese Zeit dort durchaus als Missionseinsatz. Es war ein Dienst an den Kindern. Diese jungen Menschen sind wie Brandscheite, die aus dem Feuer herausgerissen worden sind (Sacharja 3,2). An diesem Ort erleben sie Heilung, Schutz und Geborgenheit. Sie lernen einen Gott kennen, der sie als Vater liebt und annimmt.

Alles in allem war meine Reise in das ärmste Land Südamerikas eine äußerst positive, lehrreiche Erfahrung. Es ist sehr erfüllend wenn wir die Hände und Füße Jesu sein können – also Mitarbeiter in seinem Weinberg. Möge Gott diese Kinder auf ihrem weiteren Lebensweg leiten und beschützen, das ist mein Gebet.

Lesen Sie mehr über diese Arbeit in Samaipata:

El Sauce – das Waisenprojekt in Bolivien


 

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