Überlebender eines Schicksalsschlags erzählt – Unleugbar (Teil 6): Abschied

Überlebender eines Schicksalsschlags erzählt – Unleugbar (Teil 6): Abschied

Wenn die sterblichen Überreste nur noch eine Erinnerung an geliebte Menschen sind und Hunderte auf ein Wort von dir warten, weil sie als ferner stehende Betroffene auch schon überfordert sind. Von Bryan Gallant

»Worte können den Schmerz nicht beschreiben, den man bei der Beerdigung seines Kindes empfindet. Vor allem gibt es kein Wort, das dem neuen, lebenslänglichen Status, den man nun innehat, einen Namen gibt. Verliert man seinen Partner, ist man Witwe oder Witwer; verliert man seine Eltern, ist man Waise. Aber was ist man, wenn man sein Kind verliert?« – Lisa Belkin

In der restlichen Woche entfernte ich mich mit jedem Moment immer weiter von dem Leben, das ich zuvor geführt hatte. Jede Begegnung erinnerte mich unsanft daran, wie sich alles verändert hatte. Ich war zwar von Angehörigen und Freunden umgeben. Doch alle Gespräche standen unter dem Schatten des Verlustes. Caleb und Abigail waren nicht mehr da, und ich hatte Angst, auch Penny zu verlieren. Vorbei war das fröhliche Lachen, wenn die Familie zusammen war. Nun waren Tränen das, was uns verband. Gemeindeglieder überschütteten meine Familie mit Liebe und Gastfreundschaft in einer Art, die man nur als himmlisch bezeichnen kann. Die Anteilnahme drückte sich aus in Essen, Geschenken, Einladungen, Fahrdiensten und vor allem durch Anwesenheit und falls nötig Umarmungen.

Ich erinnere mich nur an wenige Worte aus dieser Woche, aber mein Herz ist voll von unbeschreiblichen Erinnerungen an die Liebesbeweise, mit denen man uns beschenkte. Wieder einmal bewahrheitete sich das alte Sprichwort: Taten sprechen lauter als Worte!

Geschenk des Vergessens und Vermächtnis der Erinnerung

Erstaunlicherweise ging es Penny immer besser, und das benebelte Gefühl wich langsam. Deshalb äußerten sich die Ärzte schon wesentlich zuversichtlicher und kümmerten sich jetzt auch um ihre lebens-un-bedrohlichen Verletzungen. Während die Schwellung zurückging und ihr Bewusstsein klarer wurde, gab es zwischen uns viele gemeinsame Gespräche und Tränen. Sie fragte nach den Einzelheiten des Unfalls. Aber ich konnte nicht darüber reden. Zu niederschmetternd waren sie für mich – und erst recht für sie in ihrem Zustand.

Sie wollte wissen, ob sie eine gute Mutter gewesen sei. Das konnte ich bejahen. Ich fragte sie, was den Unfall ausgelöst habe. Doch daran erinnerte sie sich nicht. Sie litt unter völligem Gedächtnisverlust. Gott hatte ihr in seiner Barmherzigkeit die Erinnerung völlig genommen. Was für ein Geschenk für sie, das mir leider vorenthalten wurde. Warum?

Jahrelang fühlte ich mich wie unter einem Fluch, litt psychische Qualen und hatte Flashbacks vom Unfalltag. Erst viel später wurde mir klar, dass ich ein großes Vermächtnis empfangen hatte: Ich durfte der Hüter der letzten Erinnerungen an unsere Kinder sein; an ihr Lächeln und Lachen, an Abigails erste Schritte und ihre friedlichen Gesichter zuletzt im Auto, als wir auf der Schnellstraße fuhren. Eines Tages würde ich uns mit diesen Erinnerungen helfen, einen Schlussstrich unter das dunkle Kapitel zu ziehen. Doch dieser Tag lag noch weit in der Zukunft!

Inspirierender Lebenswille

Ich fragte sie, was sie gefühlt oder gedacht hatte, als es still und finster um sie war. Ihre einfache und klare Antwort erschreckte mich. Penny hatte zwar keine Erinnerungen an den Unfall, aber sie erzählte, sie habe sich entscheiden müssen, ob sie leben oder sterben wollte. In ihrer Gebrochenheit und mit der tiefen Narbe des Entsetzens, die über den letzten Augenblicken lag, hatte sie den fast unwiderstehlichen Drang gefühlt, ihren Lebenswillen einfach aufzugeben und zu sterben. Doch sie tat es nicht. Sie wollte es nicht! Nicht meine Penny, die sich trotzig für den Kampf ums Überleben entschied! Diese gebrochene Frau wollte nicht aufgeben, als es für sie einfacher gewesen wäre, sich mit ihrem Elend abzufinden und eines natürlichen Todes zu sterben.

Die Entscheidung meines Vaters vor Jahren, in jungem Alter eine ganze Familie zu adoptieren, hatte die Richtung meines Lebens bis zu diesem Augenblick bestimmt. Genauso hat von nun an auch Pennys Entscheidung, dem Tod trotzig die Stirn zu bieten, jeden Moment meines Lebens geprägt. Gewiss sind einige Entscheidungen wertvoller als andere, doch ihre Bedeutung wird oft erst im Rückblick und durch tiefes Nachdenken erkannt. Penny bei so viel Verlust und Schmerz zu beobachten in ihrem Überlebenskampf, inspirierte mich dazu, meinem Leben eine klarere Richtung zu geben. Wie viele Stunden hatte ich leichtfertig mit Sinnlosigkeiten vergeudet? Mir wurde plötzlich klar, wie wichtig jede Entscheidung sein kann.

Das Beerdigungsinstitut

Später nahmen mich meine Eltern und mein Bruder mit an den Ort, an den ich vorher nicht mal einen Gedanken verschwendet hatte. Selbstverständlich bin auch ich mit Witzen oder Gruselgeschichten über Beerdigungsinstitute aufgewachsen. Aber was wirklich drinnen vorging, wusste ich nicht. In meinem Alter dachte man nicht an den Tod. Anfang zwanzig denkt man darüber nach, was man bekommen, tun, sein kann, wie viel Spaß man haben kann. Man ist unsterblich! Der Tod ist für alte Leute. Nein, ich hatte keinen einzigen Augenblick darüber nachgedacht, was in einem Beerdigungsinstitut vor sich geht.

Doch Caleb und Abigail waren nicht alt. Die Produzenten von Herr der Ringe haben in einer bewegenden Szene verfilmt, wie ein König den Verstand verliert, als sein Sohn stirbt. Mit schauerlicher Stimme ruft er aus: »Es ist gegen die Natur, dass Eltern ihre Kinder begraben!« Als wir dem Bestattungsunternehmer gegenübersaßen, traf mich die volle Wucht dieses anormalen Ereignisses. Auf diesem Platz fühlte ich mich verraten und verkauft. Ich war zornig und völlig sprachlos. Entscheidungen sollten getroffen werden über Todesanzeigen, über Bestattungsort und -art. Was für ein Sarg sollte es sein? Ich war überfordert. Wie viel wollte ich ausgeben? Moment mal! »Wollen?« Ich wollte überhaupt nichts Derartiges! Ein wichtiges Detail, das wir besprechen mussten, war, wann Penny in der Lage sein würde, das Krankenhaus zu verlassen und der Beerdigung beizuwohnen. Ich war so dankbar, dass ich diese Dinge nicht allein durchdenken musste. Die Einzelheiten des Todes waren einfach zu viel für mich!

Im Rückblick sehe ich jetzt jedoch, wie viel Schönheit in dem Bestattungsinstitut zu finden war. Offensichtlich war dieses Unternehmen wirklich ein Dienstleister für die Menschen. Natürlich gehören der geschäftliche Aspekt und die Preisverhandlungen dazu. Doch das Ganze unterschied sich gravierend von allen Einkäufen, die ich je getätigt hatte. Herr Jensen, der Unternehmer, war so geduldig und fürsorglich. Seine Arbeit war nicht nur die eines Verkäufers, sondern eines Seelsorgers. Sein Auftreten strahlte Geborgenheit und Frieden aus. Behutsam führte er uns durch die fremde Welt des Todes und nahm uns auf diesem Weg an der Hand, während wir einige der letzten Entscheidungen für unsere Kinder trafen.

Durch die gähnende Finsternis führte er uns wie mit einem sanften Licht. Er diente uns! Später fanden wir heraus, dass er unsere Kinder nach der Beerdigung sogar selbst und auf eigene Kosten zu ihrem Ruheort im neun Stunden entfernten Michigan fuhr. Erstaunlich, was für ein großes Herz er hatte, um ein Stück meines Elends zu lindern. Tragödien wie die unsrige bilden keinen Charakter, sie offenbaren Charakter. Monate später, als ich wieder denken konnte, erkannte ich, was für einen großen Dienst er uns erwiesen hatte. Meine Achtung für sein Handwerk und seine Berufung wuchs um ein Vielfaches.

Die Aufbahrung

Schlussendlich hatten wir alle Details geregelt. Herr Jensen schlug vor, dass Caleb und Abigail so aufgebahrt würden, dass sie sich in einem einzigen schlichten Sarg umarmten. Dies senkte nicht nur die Kosten enorm, sondern schuf auch noch eine bewegende letzte Erinnerung an Calebs Liebe und Fürsorge für seine kleine Abigail, die er in seinen schützenden Armen hielt, während beide auf die Auferstehung warteten.

Auch auf die nächste Bitte war ich nicht gefasst. Er bat mich, ein paar schöne Kleidungsstücke von Zuhause zu holen, in denen unsere lieben Kinder beerdigt werden sollten. Das hieß aber, dass ich nach Hause musste, um etwas Geeignetes zu finden. Damit bekam so etwas Einfaches wie Kleideranziehen eine völlig neue Bedeutung. Denn es graute mir davor, nach Hause zu fahren.

Später, als ich mit Penny besprach, welche Kleider die Endgültigkeit des Augenblicks am besten einfangen und ausdrücken würde, kamen uns wieder die Tränen. Wir mussten uns entscheiden, wie unsere Kinder in ihrem Sarg aussehen sollten. Unsere früheren Probleme und die Entfremdung in unserer Beziehung schienen eine diffuse Erinnerung aus einem anderen Leben zu sein – jetzt, wo wir gemeinsam durch das Tal der Todesschatten schritten. Der gemeinsame Schmerz schweißte unsere Herzen in unserem tiefsten Inneren zusammen.

Wir versuchten über die Beerdigung zu sprechen, doch wir waren überfordert und überlegten, wer sie organisieren könnte. Angehörige und liebe Freunde sprangen ein und bereiteten das Ereignis für den Moment vor, an dem es Penny gut genug gehen würde, um dabei zu sein. Freunde stellten das Programm mit schöner Musik und anderen liebevollen Beiträgen der Anteilnahme für uns zusammen im Gedenken an unsere beiden geliebten Kleinen.

Wie durch ein Wunder war Penny plötzlich über den Berg. Es kam uns vor wie die Erhörung tausender Gebete. Man würde Penny schon eine Woche später kurz aus dem Krankenhaus lassen, so hieß es, eben für die Beerdigung.

Letzter Abschied

Die Nacht vor der Beerdigung, sechs Tage, nachdem unsere Welt zusammengebrochen war, suchten Penny und ich Caleb und Abigail auf. Wir wollten uns alleine von ihnen verabschieden. Obwohl die Uhren weiter ticken, konnte die Zeit die Erinnerungen an jenen Abend nicht auslöschen, der sich tief in mein Herz eingegraben hatte.

Ich habe nicht die Gabe, ein Bild davon zu malen, was geschah und was wir sahen. Doch wenn ich sie hätte, wäre es ein trostloser Anblick. Schwarz wäre natürlich die vorherrschende Stimmung. Es war nicht nur ein kalter und dunkler Dezemberabend, sondern auch eine dunkle Seelennacht, die uns monatelang nicht mehr verlassen würde. Die verschiedenen Schattierungen vereinten sich zu einem würgenden Angststrudel. In diesem Bild wären die einzigen Farbtupfer dann zu sehen, wenn man sich vom Anblick des am Boden zerstörten Paars losreißen würde und seine Augen auf die umrahmenden Blumen und Pflanzen heftete, die Freunde geschickt hatten, um uns zu trösten. Doch der Blick würde unweigerlich wieder von dem schwarzen Loch der Hoffnungslosigkeit angesogen. Dort stand das weinende Paar und versuchte die harten Hüllen ihrer Kinder zu umarmen.

Die freundlichen Kleider wurden von den stechenden, sehnsüchtigen Blicken einer Mama und eines Papas ignoriert, die versuchten in den leeren Augen ihrer verlorenen Kinder zu lesen. Pinselstriche könnten den Schmerz und die Qualen nicht einfangen, die sich in einer Tränenflut Bahn brachen. Tränenreiche Augen kann man auf Leinwand oder Papier bringen, doch ihren Schmerz kann man nicht fühlen. So würde das Gemälde aussehen, das den Anblick versucht wiederzugeben. Das Werk könnte sehr wohl Der gequälte Abschied heißen. Es war ein äußerst privates, schmerzhaftes Erlebnis. Eigentlich kann ich es nur mit meinen eigenen Worten erklären.

Man führte uns in ein schön möbliertes Zimmer und ließ uns alleine. Die Lichter waren gedämpft, doch wohlüberlegt angebracht. Die Farben und der Teppich hatten fast einladenden Charakter. Ich kann nicht sagen, das Zimmer sei schön gewesen, denn das würde die metaphysische Hässlichkeit des Ortes leugnen. Doch es war offensichtlich so schön eingerichtet, wie es bei seinem Zweck möglich war. Die Möbel waren schwer und solide, als wären sie dafür konstruiert, Personen zu stützen, die die Last beider Welten auf den Schultern tragen. Ein Symbol für das letzte Wartezimmer der Menschheit: Jeder ging hinein und wartete darauf, die zu sehen, die vor ihm gegangen waren. Jeder stellte sich die Frage, wann für ihn der Moment kommen würde. Oder wie ein Hafen zwischen dem durchlebten Sturm der Vergangenheit und der noch unsichtbaren Zukunft.

Ich drängte vorwärts. Pennys Todesverachtung schien keine Grenzen zu kennen, aber sie hatte ihren Preis. Die beiden Beatmungsschläuche waren gerade erst entfernt worden. Eine Schlinge über dem linken Arm hielt diesen in Position, damit das gebrochene Schulterblatt heilen konnte. Ein Rollstuhl kompensierte die noch fehlende Kraft zum Laufen. Die Schwellung war fast völlig abgeklungen und gab nur noch ab und zu einen weiteren Glassplitter oder Kiespartikel auf der Kopfhaut und im Haar frei. Als Penny näher kam, schaute sie aufmerksam auf die Objekte vor uns: unsere beiden Schätze.

Unser Blick trübte sich sofort, als wir ihre Gesichter sahen, die mehrere Schichten Make-up trugen. Ihr unnatürlicher Ausdruck erinnerte uns daran, dass wir ihre Stimmen nicht hören würden. Beide trugen eine Kopfbedeckung, damit man die Schnitte von der Autopsie nicht sehen würde: Caleb trug ironischerweise eine verspielte Baseballmütze; und Abigail eine süße, weiße Haube. Der unwiderstehliche Drang, sie zu berühren und zu umarmen, siegte. Doch wir schraken zurück. Sie waren steif und reagierten nicht. Wie lebensgroße Puppen, die unseren Kindern nachempfunden waren, ließen sie sich nicht bewegen. Die Kleider waren vertraut, die Körper ganz bestimmt die unserer geliebten Kleinen, doch sie selbst waren nicht mehr da! Wie ein Geysir brach sich der Schmerz der Eltern Bahn, als unsere Versuche, sie zu umarmen, sich in Angstschreie kehrten und unsere Hoffnung schwand, je wieder ihre Umarmung spüren zu können. Tränen und Worte brachen unkontrolliert aus uns hervor. Das, was wir so gerne noch gesagt hätten. Bitten um Vergebung, dass wir sie hatten sterben lassen. Immer wieder riefen wir ihre Namen. Erinnerungen. Bedauern. Verzweiflung. Die Trauer nahm Gestalt an und umhüllte uns, erstickte das Licht und die Hoffnung. Zeit und Intensität schienen zu verschmelzen und trotzten allen Schmerzgrenzen. Wir weinten hemmungslos.

Der Seelsorger

Schließlich, nach einer zeitlosen Leere, trat unser Seelsorger und Freund Frank an unsere Seite und weinte mit uns. Er hatte ein paar Monate vor dem Tod unserer Kinder Penny mehrmals beraten und versucht, uns zu helfen, damit wir wieder zusammenwachsen und unsere Eheprobleme lösen könnten. Frank kannte unsere Kinder und hatte gesehen, wie sehr wir sie liebten, trotz unserer gestörten Ehebeziehung. Er umarmte uns, sprach leise sanfte Worte des Friedens in den Sturm, der überall um uns tobte. Behutsam half er uns, den Schmerz zu identifizieren, der Trauer eine Stimme zu geben und langsam aus den Wellen aufzutauchen. Er diente uns, erinnerte uns an den kommenden Tag der Hoffnung. Zum Schluss half er uns, dem Zimmer und unseren Kinder den Rücken zu kehren, denn er wusste, dass Pennys Kraft schnell schwand und am nächsten Tag noch bei der Beerdigung gebraucht würde.

Die Beerdigung

Der nächste Tag kam zu schnell. Mein Gedächtnis wird ihm in keinster Weise gerecht. Die ganze Planung, alle Beteiligten, der Ort, der Parkplatz, alles geschah ohne meine bewusste Wahrnehmung. Ich funktionierte gerade noch so.

Die Beerdigungsfeier selbst war schön, sagte man mir. Ich erinnere mich an die Gesichter, die Tränen, die Liebe, die Musik und natürlich an den Schmerz. Der Anblick jener Kirche wird auf ewig durch die Erinnerung an den Sarg vorne verschandelt. Diese Kirche war nicht mehr nur eine Anbetungsstätte, sondern ein Ort fürchterlichen Schmerzes.

Die Flut von Liebe und Anteilnahme war atemberaubend. Hunderte von Menschen kamen, um ihre Liebe zu uns zum Ausdruck zu bringen und unserer Kleinen zu gedenken, die ihr Leben viel zu früh aushauchen mussten. Freunde waren tagelang gefahren, um ihre Liebe zu zeigen. Lieder wurden ausgewählt, die mitten in der Trauer Hoffnung spenden sollten. Mitten im Schmerz wurden Trostworte gesprochen und Verheißungen auf eine zukünftige Wiederherstellung. Alles verschwamm miteinander.

An einem Punkt der Liturgie, bat ich, reden zu dürfen und man bat mich nach vorne. Mit meinem Bruder Jeff an der Seite kämpfte ich mich aufs Podium. Ich wollte den Hunderten etwas sagen, die mit uns weinten. Ob es Glaube war oder gar gespielte Tapferkeit, getrieben von einer unbändigen Erwartung, die ich im Raum spürte? Ich ermutigte die Versammelten, treu im Glauben zu bleiben trotz diesem fürchterlichen Verlust. Mehrmals versteifte sich Jeffs Arm, um mich zu halten, als meine Beine während meiner Rede nachzugeben drohten. Mit erstickter Stimme, die meinen Herzenszustand widerspiegelte, versuchte ich mich zu bedanken und vor allem die jungen Leute zu ermutigen, den Sinn ihres Lebens zu erfüllen, Calebs und Abigails zu gedenken, damit ihr Tod nicht umsonst sei. Die Tränen machten meine Sätze schwierig zu verstehen und zogen sie unnatürlich in die Länge. Doch ich fuhr fort. Jeff hielt mich fest. Ich konnte nicht zu Penny oder meiner Familie schauen. Denn ich wusste, ihre Blicke hätten meine ganze Entschlossenheit ins Wanken gebracht. Ich drängte voran, sprach von einem Glauben, den man nicht fühlen könne, den man nur durch die Hoffnung wachhalten könne und rief alle auf, ihr Leben im Licht der Ewigkeit zu prüfen. Schließlich brach der Strom der Worte ab und wir gingen zurück zu unseren Plätzen.

Nachdem der Gottesdienst zu Ende war, stellten sich alle an, um ihr Beileid zu bekunden und uns zu umarmen. Wir mussten Penny schützen, damit sie keinen weiteren Schaden durch den Druck der liebevollen Umarmungen davontrug. Unsere Familie stand Wache und schirmte sie von den meisten ab. Nur die engsten Freunde wurden in den Kreis gelassen, damit sie sie umarmen und ihr ins Ohr flüstern konnten. Es waren so viele Menschen da, die selbst mit unserer Tragödie kämpften. Der Tod unserer Kinder traf viele, viele mehr. Nicht nur uns. Der Tag zog sich langsam dahin.

Wir nahmen alle Abschied.

Fortsetzung             Teil 1 der Serie             In Englisch

Aus: Bryan C. Gallant, Undeniable, An Epic Journey Through Pain, 2015, Seite 51-60


 

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