Von der Sucht nach virtueller Befriedigung: Nichts für Kinder

Von der Sucht nach virtueller Befriedigung: Nichts für Kinder
Aobe Stock - pixel_dreams
Zeit vor dem Bildschirm raubt Kindern Kreativität. Uns vielleicht auch? Von Jared Thurmon

Als Steve Jobs, der Mitbegründer von Apple, gefragt wurde, was seine Kinder vom iPhone halten, sagte er: »Sie benutzen es nicht. Wir erlauben es nicht daheim.«

Das ist keine untypische Antwort für einen High-Tech-Zaren. Sogar eine Schule in Silicon Valley ist fast völlig frei von High Tech. Sie heißt Waldorf School of the Peninsula und erlaubt keine iPhones, iPads, Computer usw. Die Schule sagt, dass 75 Prozent der Eltern ihrer Schüler Führungskräfte in High-Tech-Unternehmen sind.

Was haben Bildschirme denn an sich, dass einige der reichsten Erfinder der Welt ihre Kinder ihnen nicht aussetzen wollen?

Es wird berichtet, dass der Prophet Samuel zum Haus Isais kam, um den nächsten König in Israel zu salben. Er traf ein, schaute sich sieben gut aussehende junge Männer an und hielt sie alle fürs Königtum geeignet. Doch denjenigen, den Gott auswählte, hatte er nicht im Blick.

»Denn der HERR sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht; denn der Mensch sieht auf das, was vor Augen ist, der HERR aber sieht das Herz an!« (1. Samuel 16,7)

Was bereitete David besser als seine Brüder auf ein Führungsamt vor? Die Einzelheiten in dem Bericht weisen darauf hin, dass er viel Zeit in der Natur verbrachte, sich um Tiere kümmerte und seine Kreativität im Komponieren von Liedern verfeinerte.

Ellen White, die viel über die besten Erziehungsmethoden geschrieben hat, sagte zum Thema Charakterbildung im Paradies: »Die Beschäftigung, die der Entwicklung am förderlichsten ist, das ist die Fürsorge für Pflanzen und Tiere.« (Education, 43)

White postuliert auch die radikale Idee, dass »von acht bis zehn Jahren das einzige Klassenzimmer für Kinder an der frischen Luft sein sollte zwischen den aufblühenden Blumen und der schönen Landschaft in der Natur. Naturschätze sollten ihr einziges Lehrbuch sein.« (Christian Education, 8)

Die Fürsorge für Pflanzen und Tiere sowie viel Zeit im Freien, das klingt revolutionär in einer Welt voller Technik-Spielzeug. Was ist nun so bedenklich an Bildschirmen?

»Ich habe mit Hunderten von Heroinsüchtigen und Crystal-Meth-Abhängigen gearbeitet und kann sagen, dass es einfacher ist einen Heroinsüchtigen zu behandeln als einen echten Bildschirmabhängigen«, sagt Nicholas Kardaras, der Autor von Glow Kids: How Screen Addiction Is Hijacking our Kids (Glühkids: Wie Bildschirmsucht unsere Kinder entführt).

Kadaras ist einer der Top-Suchtexperten in den USA. In seinem Buch erklärt er detailliert, wie zwanghafte Technologienutzung und -Abhängigkeit von Bildschirmen das Gehirn im Entwicklungsstadium eines Kindes neurologisch genauso schädigen kann wie Drogensucht. Durch ausgiebige Forschung, klinische Studien mit Bildschirmabhängigen und Erfahrung in der Behandlung verschiedener anderer Süchte, erforschte der Autor die beunruhigende Tatsache, dass Kinder »ihre Kreativität massiv beeinträchtigen«, wenn sie ständig ihre Geräte einschalten. (1)

Als werdende oder gewordene Eltern sollte uns diese letzte Zeile aufhorchen lassen. Könnte es sein, dass die Zeit vor dem Bildschirm in diesen prägenden Jahren das Lebenspotential eines Kindes verkümmern lässt? Die Antwort lautet anscheinend Ja.

Warum ist Kreativität so wichtig? Eine Studie der Oxford Universität prognostiziert, dass 47 Prozent der Arbeitsplätze durch Automatisierung in den nächsten zwanzig Jahren zu verschwinden drohen. Umso wichtiger ist es, dass unsere Kinder in den kommenden Jahren in der Arbeitswelt einen Wettbewerbsvorteil oder wenigstens eine Überlebens- und Wohlstandschance haben. Wenn durch die Automatisierung die Hälfte unserer Arbeitsplätze bedroht ist, mit welcher Fertigkeit kann man sich dann positiv vom Durchschnitt abheben? Mark Cuban, ein amerikanischer Unternehmer und Milliardär geht davon aus, dass »Arbeitgeber bald schon auf der Jagd nach Kandidaten sein werden, die sich durch kreatives und kritisches Denken auszeichnen« (2).

Kindererziehung ist in der heutigen Welt nicht einfach. Wenn die Anforderungen des Lebens von allen Seiten auf uns einstürmen, liegt es einfach nur nahe, dem Kind ein Smartphone oder ein Tablet in die Hand zu drücken, damit es sich selbst beschäftigt. Wie sieht es zum Beispiel mit Videospielen aus? Wissen wir, was in den jugendlichen Gehirnen vor sich geht?

»Bei Videospielen sitzt und spielt das Kind jedoch stundenlang mit erhöhtem Adrenalinspiegel Kampf-oder-Flucht. Das ist nicht gut. Die Forschung hat gezeigt, dass die jüngste Spiele-Generation den Dopaminspiegel beträchtlich erhöht. Dopamin ist der Neurotransmitter, der auf den neurologischen Vernügungs- und Belohnungspfaden eine Schlüsselrolle spielt und eben bei allem, was mit Süchten zu tun hat. Eine Studie hat gezeigt, dass Videospiele den Dopaminspiegel genauso stark anheben wie Sex und fast so stark wie Kokain. Diese Kombi aus Adrenalin und Dopamin ist ein Wahnsinns-Doppel-Schlag, der süchtig macht.« (3)

Wir kennen das Szenario alle zu gut. Ein Kind klebt so am Bildschirm oder seinen Spielen, dass es lieber in der virtuellen Welt bleibt, als sich an der echten Welt zu erfreuen. »Der Grund, warum dieser Effekt bei Kindern größer ist als bei Erwachsenen – obwohl wir alle auch viele Erwachsene kennen, die bildschirmsüchtig sind – ist darin zu finden, dass Kinder noch keinen voll entwickelten Stirnlappen haben, den Teil des Gehirns, der für unser Handeln, unsere Entscheidungen und unsere Impulse verantwortlich ist.« (4)

Die heutigen Neuropsychologen sehen im Stirnlappen den Filter und die Kommandozentrale, die über unser Weltbild entscheidet und darüber, wie wir Richtig von Falsch unterscheiden. Es ist auch der Sitz unserer Emotionalen Intelligenz. Die Forschung hat entdeckt, dass dieser Teil des Gehirns sich erst in der ersten Hälfte der Zwanziger entwickelt und seine Entwicklung erst Mitte, Ende der Zwanziger abgeschlossen wird. (5)

Interessant, denn im alten Israel konnte man erst mit 30 Jahren Priester werden.

»Die Forschung zeigt, dass sowohl Drogenkonsum als auch übermäßige Bildschirmnutzung den Stirnlappen schädigt und die graue Substanz in diesem Teil des Gehirns verringert. Extrem erregende Spiele sind ein zweifacher Hammer: Sie machen nicht nur süchtig, sondern die Sucht verselbstständigt sich, indem sie den Teil des Gehirns beeinträchtigt, der Impulsivität einschränkt und gute Entscheidungen fördert.« (6)

Die Heilige Schrift weist häufig auf die Stirn hin. Entweder Gott bringt dort sein Siegel oder Zeichen an oder Luzifer sein Malzeichen. Dabei geht es besonders um den präfrontalen Cortex (das Vorderhirn). Es ist der Sitz des Urteilsvermögens, der Moral und des Charakters sowie der Kreativität und des kritischen Denkens.

»Gottes Kinder werden an ihren Stirnen versiegelt«, schrieb Ellen White. »Es ist nicht ein Siegel oder Zeichen, das man sehen kann, sondern ein sowohl intellektuelles als auch spirituelles Sich-Einleben in der Wahrheit, sodass sie nichts mehr beirren kann.« (Maranatha, 201)

Wir setzen alle unsere Hoffnungen auf die nächste Generation, um den Staffelstab der Hoffnung zu übergeben. Bleiben wir dabei so innovativ wie nur irgend möglich, auch wenn das bedeutet, zurück in die Zukunft zu gehen.

(1) https://www.vice.com/en_us/article/how-screen-addiction-is-ruining-the-brains-of-children

(2) https://www.inc.com/betsy-mikel/mark-cuban-says-this-will-soon-be-the-most-sought-after-job-skill.html

(3) “How Screen Addiction,” ebd.

(4) Ebd.

(5) Arain M, Haque M, Johal L, et al. Maturation of the adolescent brain. Neuropsychiatric Disease and Treatment. 2013; 9:449-461. doi:10.2147/NDT.S39776.

(6) “How Screen Addiction,” ebd.

Übersetzung und Post mit freundlicher Genehmigung des Autors aus: Adventist Review, »Don’t Let Your Kids Read This, Screen exposure is eroding children’s creativity and perhaps ours too, 18. April 2017

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Ich stimme der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten nach EU-DSGVO zu und akzeptiere die Datenschutzbedingungen.