Der Weg ist das Ziel. Von Vanessa Nebblett
An meiner Einjährigen lerne ich, mich an einfachen Vorgängen zu freuen. Sie liebt es zu fegen. Mit einem kleinen Handbesen stolziert sie im Haus herum, hält ab und zu an und klopft dann mit viel Schwung auf den Boden. Dann geht sie in eine andere Zimmerecke und bearbeitet wieder den Boden. Dabei keucht sie, um zu zeigen, wie schwer die Arbeit ist.
Sie hat keine Ahnung von sauberen oder schmutzigen Böden oder davon, dass Fegen einen bestimmten Zweck hat. Sie ist einfach nur begeistert von der Aufgabe.
Natürlich begeistert sie nicht nur das Fegen. Wer schon mal Zeit mit Kleinkindern verbracht hat, weiß, wovon ich rede. Sie ziehen alle Teller aus dem Schrank, und wenn man vorbeikommt, helfen sie einem gerne, alles wieder richtig einzuräumen. Doch kaum hat man den letzten Teller zurückgestellt und denkt: »Puh, Aufgabe erledigt!«, ziehen sie alles fröhlich und begeistert wieder heraus: »Mama, das war so lustig. Komm, wir machen es noch mal.« Sie würden den Schrank mit wachsender Begeisterung ein Dutzend Mal ein- und ausräumen.
Ich glaube, ich war auch einmal wie mein kleines Mädchen. Vielleicht hatte auch ich an einem Projekt nicht wegen des Resultats Spaß, sondern aus purer Freude am Vorgang. Aber spätestens als ich Teenager wurde, übermannte mich dann der tiefe Wunsch, das Lernen, die Höhen und Tiefen in meinem Leben einfach zu überspringen und gleich am Ziel zu sein. Warum musste denn Heiligung unbedingt das Werk eines ganzen Lebens sein? Dieser Gedanke war mir zu viel. Er entmutigte mich.
Heute lächle ich über meine Versuche von damals, vollkommen zu sein. Daraus hatte sich ein mechanischer Glaube mit Checkliste entwickelt. Schon bald wurde mir klar, dass ich trotz bester Absichten Bauchlandungen mache und mein Leben durcheinander bringe. Ich merkte, dass ich eine Beziehung brauchte. Ich brauchte Jesus. Aber ehrlich gesagt, ist das Leben mit Jesus kein so geradliniger Weg, wie ich ihn mir manchmal wünsche. Keine Checklisten. Nichts, um mir auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: »Heute hab ich es geschafft!«
Dreizehn Jahre danach bin ich nun Ehefrau und Mama und lerne immer noch. Diese Woche war ich draußen auf dem Berg. Mein Baby schlief im Bettchen. Die Tante war für alle Fälle in der Nähe. Ich schüttete Gott ganz verzweifelt mein Herz aus. Mir waren da ein paar ungute charakterliche Neigungen und Schwächen aufgefallen, die sich auf meine Kinder auswirken würden, wenn Gott sie nicht rechtzeitig ausrottet. »HERR, mach mich völlig frei davon«, stöhnte ich. Dann hielt ich inne. »Warum bete ich so?« Ich weiß doch, dass Gott absolut in der Lage ist, mir eine Schwäche oder Versuchung in Sekundenschnelle komplett wegzunehmen. Manchmal tut er das. Aber dann erkannte ich, dass es mir um ein Quick Fix, eine Schnelllösung ging. Ich wollte nicht mit Mühe oder Versagen oder Schuld oder Scham belästigt werden, also suchte ich den direkten Weg.
Da ich meine egoistischen Motive erkannte, revidierte ich mein Gebet: »HERR, bitte führ mich weiter bergauf, und zwar so, wie du es für richtig hältst!«
Ich habe etwas über Beziehungen gelernt. Wahre Vertrautheit und tiefe Freundschaft entsteht nicht, indem wir unser Bestes geben und perfekt für den anderen sind, sondern indem wir unser Herz öffnen und Freud und Leid teilen, auch das, was wir gerne ausblenden wollen. Dann erleben wir Gemeinschaft.
Vielleicht will Gott auch gerade das von mir. Aber es fällt mir nicht leicht. Sollte ich nicht eigentlich dahin kommen, dass ich wirklich in allen Dingen fröhlich bin? Statt als Häuflein Elend zu seinen Füßen zu landen? Vielleicht. Aber noch nicht heute. Heute will ich ihm zu Füßen mein Herz ausschütten.
Denn an diesem Ort habe ich mehr Freude gefunden als irgendwo sonst, wo ich tat, als wäre alles in Ordnung.
Dort draußen auf dem Berg schlage ich in meiner Bibel Jesaja auf:
»Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.« (Jesaja 43,19)
Also! – Ich lerne gerade, wieder wie meine Tochter zu werden. Noch muss ich nicht angekommen sein. Ich darf mich vielmehr an dem verwirrenden, unfertigen Wirken Gottes in mir freuen, an dem Weg, den er mit mir gemeinsam geht. Wenn ich mich darauf ganz einlasse, dann wird er sein Werk in mir auch zu Ende führen und meine Seele mit Freude erfüllen.
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