Ein Kommentar zur Sabbatschullektion vom 18. Januar 2022: Fleisch und Blut wie wir

Ein Kommentar zur Sabbatschullektion vom 18. Januar 2022: Fleisch und Blut wie wir
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Gottes Messias steht dir näher als gedacht. Von Johannes Kolletzki

Lesezeit: 5 Minuten

Lektion: Der Hebräerbrief sagt, dass Jesus »in allem seinen Brüdern gleich« war (Hebräer 2,17). Dieser Ausdruck bedeutet, dass Jesus ganz Mensch geworden ist. Jesus »sah nicht nur wie ein Mensch aus« oder »schien menschlich zu sein«; er war wirklich Mensch, wirklich einer von uns.

Einverstanden, dass »in allem seinen Brüdern gleich« beinhaltet, dass Jesus wirklich Mensch war. Der Ausdruck beinhaltet aber weit mehr. Jesus wurde (1) in allem (2) seinen Brüdern (3) gleich. Das bedeutet:
(1) Wenn Jesus in allem den Brüdern gleich wurde, umfasst sein Gleichwerden alle Aspekte der menschlichen Natur: körperlich, geistig und seelisch. Das schließt aus, dass Jesus z. B. die körperliche Schwachheit mit uns teilte, nicht aber die seelische (moralische).
(2) Jesus wurde den Brüdern gleich, also gefallenen, aber bekehrten und geisterfüllten Menschen. Bekehrung bedeutet, dass durch die Erfüllung mit dem Heiligen Geist die sündhafte Natur des Menschen mit der sündlosen Natur Gottes in Verbindung kommt. Die gleiche Verbindung ging Jesus bei seiner Menschwerdung ein: »Auf seine sündlose Natur nahm er unsere sündhafte Natur.« (Medical Ministry, 181) – »Er nahm unsere Natur an und überwand, damit wir überwinden können, indem wir seine Natur annehmen.« (Desire of Ages, 311; vgl. Sieg der Liebe, 293)
(3) Jesus wurde uns gleich, nicht ähnlich. Parallelverse mit demselben Wortstamm (griech. homoios) zeigen, dass Jesus uns auf dieselbe Weise gleich wurde, wie Paulus und Barnabas den Menschen in Lystra gleich waren (Apostelgeschichte 14,15) und wie die Leser des Jakobus-Briefes Elia gleich waren (Jakobus 5,7). Es gibt hier keinen Unterschied in der Qualität des Menschseins oder den menschlichen Schwachheiten. Vielmehr wird betont, dass Paulus, Barnabas und Elia eben nicht über ihren Mitmenschen standen und daher z. B. jeder Gläubige die gleichen Gebetssiege erringen kann wie Elia.

Lektion: Der Hebräerbrief sagt jedoch auch, dass Jesus in Bezug auf die Sünde anders war als wir. Erstens beging Jesus keine Sünde (Hebräer 4,15). Zweitens hatte Jesus eine menschliche Natur, die »heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden« war (Hebräer 7,26). Wir haben böse Tendenzen.

Einverstanden, dass Jesus keine Sünde beging. Hebräer 7,26 beschreibt aber nicht die menschliche Natur Jesu oder ihre Tendenzen, sondern sein gehorsames Leben und den dadurch geformten Charakter. Alle genannten Begriffe werden auch auf Gläubige angewandt: Älteste sollen heilig sein (Titus 1,8); es gibt Menschen mit unschuldigem Herzen (Römer 16,18); Gläubige sollen sich von der Welt unbefleckt halten (Jakobus 1,27) und sich von ihr absondern (2. Korinther 6,17). Der Geist der Weissagung bestätigt, dass Hebräer 7,26 das Leben eines Menschen beschreibt, nicht seine Natur:
»Nur wenn wir uns von der Welt absondern, bleibt Gottes Liebe bei uns … Wenn wir demütig bleiben und heilig, unschuldig und von den Sündern geschieden leben, werden wir das Heil Gottes sehen.« (Review and Herald, 10.6.1852)

Lektion: Unsere Gebundenheit an die Sünde beginnt tief in unserer eigenen Natur. Wir sind »fleischlich, unter die Sünde verkauft« (Römer 7,14; siehe auch Vers 15–20). Stolz und andere sündhafte Motivationen verunreinigen sogar unsere guten Taten.

Würde unsere gefallene Natur uns an die Sünde binden, müsste diese Natur beseitigt werden, um uns von der Sünde zu lösen. Das war der Irrtum der Holy-Flesh-Bewegung. Tatsächlich behält der bekehrte Mensch seine alte Natur. Sie wird nicht weggenommen, sondern »außer Wirksamkeit gesetzt« (Römer 6,6), d. h., sie herrscht nicht mehr. Ein Leben im Gehorsam wird deshalb möglich, weil Gottes Geist uns befähigt, der gefallenen Natur zu widerstehen und entgegen unserer natürlichen Neigung zum Bösen dennoch das Gute zu tun. Ein Mensch unter der Herrschaft des Heiligen Geistes ist deshalb nicht »fleischlich, unter die Sünde verkauft« (Römer 7,14), auch wenn er eine gefallene Natur besitzt.

Lektion: Jesu Natur wurde jedoch nicht durch die Sünde beeinträchtigt. Es musste so sein. Wäre Jesus »fleischlich, unter die Sünde verkauft« gewesen wie wir, hätte er auch einen Erlöser gebraucht. Stattdessen kam Jesus als Erlöser und opferte sich Gott als »unbefleckt[es]« Opfer an unserer Statt (Hebräer 7,26–28; 9,14).

Jesu Natur war aufgrund des Gesetzes der Vererbung »durch die Sünde beeinträchtigt«. Jede falsche Tat prägt den Charakter mit und wird der nächsten Generation in Form einer Schwächung aller menschlichen Fähigkeiten weitergegeben: körperlich, geistig und moralisch. Dieser Gesetzmäßigkeit hat Jesus sich nicht entzogen:
»Hätte der Sohn Gottes Menschengestalt angenommen, als Adam noch unschuldig im Paradiese lebte, dann schon wäre eine solche Tat eine geradezu unbegreifliche Herablassung gewesen; nun aber kam Jesus auf die Erde, nachdem das Menschengeschlecht bereits durch 4.000 Jahre im Dienst der Sünde geschwächt worden war. Und dennoch nahm er wie jeder andere die Folgen auf sich, die das unerbittliche Gesetz der Vererbung zeitigte.« (Leben Jesu, 34)
»4.000 Jahre lang hatte die Menschheit an Körperkraft, Geistesschärfe und moralischem Wert abgenommen, und der Messias nahm die Schwächen dieser degenerierten menschlichen Natur auf sich. Nur so konnte er die Menschen aus ihrer abgrundtiefen Erniedrigung erretten.« (Desire of Ages, 117; vgl. Sieg der Liebe, 98)
Wenn Jesus »nur so« – mit einer geschwächten Natur, wie wir sie auch haben – die Menschen retten konnte, dann ist die Schlussfolgerung genau umgekehrt: Nur mit einer gefallenen Natur konnte Jesus unser Erlöser werden. Es ist an der Zeit, dass diese mächtige, essenzielle und wunderschöne Wahrheit von uns wiederentdeckt wird.

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