Vergebung befreit, doch erst Bewahrung vor Sünde schenkt völligen Frieden. Ein paar Beispiele unter der Lupe. Mit lebensveränderndem Potenzial. Von Alane Waters
Lesezeit: 10 Minuten
Jesus sagt: »Ohne mich könnt ihr nichts tun« (Johannes 15,5). Wie oft haben wir diese Worte schon gelesen, ohne zu bedenken, wie stark sie unseren Alltag beeinflussen! »Ohne mich« – ohne diesen Retter, der immer da ist, sich um uns kümmert, uns ewig liebt und zu sich zieht – können wir nichts tun. »Ohne mich«– ohne einen Retter, der allgegenwärtig und geduldig ist, ewig liebt und tröstet – geht es bergab, statt bergauf.
Frieden fällt nicht vom Himmel – oder doch?
Wir brauchen nicht nur einen Retter, der unsere Sünden vergibt, sondern auch uns vor ihnen bewahrt und von aller Ungerechtigkeit reinigt (1. Johannes 1,9; Judas 24). Doch leider sitzen wir allzu oft selbst bei uns auf dem Thron. Unser Ich regiert sehr gerne, trifft Entscheidungen und unterstützt Meinungen, die unsere selbstherrliche Natur stärken. Wir sehen zuerst uns: »Ich habe Recht! Meine Auffassung stimmt.« Ohne Jesus sind wir von Natur aus offen für die »dunklen Mächte« und mit ihnen im Einklang.
»Wenn wir uns Jesus nicht anvertrauen, wird uns der Böse beherrschen. Wir brauchen uns gar nicht bewusst in den Dienst des Reichs der Finsternis zu stellen, um in seine Gewalt zu geraten; es genügt bereits, wenn wir uns nicht mit dem Reich des Lichtes verbünden.« (Leben Jesu, 314-315) Uns mit Jesus zu verbünden heißt, uns Gottes Willen anzuschließen. Das ist keine »Einmal-gerettet-für-immer-gerettet«-Aktion. Es bedeutet auch nicht, sich Gott einmal täglich hinzugeben, sondern sich jeden Augenblick von Jesus leiten zu lassen. Denn ohne ihn sind wir ohne Hoffnung, aber mit ihm sind »alle Dinge möglich« (Matthäus 19,26).
Warum brauche ich so dringend jemand, der mich rettet? Weil ich weiß, wie sehr ich mich selbst liebe. Gott zeigte mir, dass mein Versagen im Herzen beginnt. Es sind nicht Anfechtungen und Umstände, die mich zu Fall bringen. Auch nicht mein Mann, der mich missverstanden und verletzt hat. Auch das Verhalten meines Kindes ist keine Entschuldigung für meinen Zorn. Weder die Familie, die Freunde, Nachbarn, Mitarbeiter noch die Kirche sind mein Problem. Das Problem ist, dass uns die Selbstbeherrschung fehlt, und »solange unser Ego nicht gebändigt wird, finden wir keinen Frieden.« (Leben Jesu, 327)
Von der bloßen Zustimmung zur echten Sehnsucht
Gott sei Dank, weil er uns liebt, zeigt er uns, wo der eigentliche Kampfplatz ist: in meinem Herzen. »Es gibt nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, das ihn unrein machen könnte; sondern das, was aus dem Menschen herauskommt, das ist’s, was den Menschen unrein macht.« (Markus 7,15)
Wir mögen dem zustimmen – aber im Alltag glauben und handeln wir oft so, als wäre es anders. Ich habe das selbst erlebt. Darum brauchte ich so dringend einen Retter, der nicht nur Sünden vergibt, sondern auch von allen Sünden reinigt (1. Johannes 1,9). Gerade weil ich mich danach sehnte, konnte dieses Gebet auf beeindruckende Weise erhört werden.
Ein dreifaches Problem
Gott konnte mir zeigen, wo der wahre Kampf stattfindet, nämlich in mir selbst. »Am meisten zu fürchten ist das eigne Ich. Es ist unser Feind.« (Der Weg zur Gesundheit, 377) Nicht die Anfechtungen, Umstände oder Menschen, die uns begegnen, sind das Problem — sie sind nur die Mittel, »Gottes Werkzeuge« (Gedanken vom Berg der Seligpreisungen, 10). Sie sind Gottes »auserwählte Trainingsmethode und sein Schlüssel zum Erfolg« bei unserer charakterlichen Reinigung, nicht unser Feind, nicht unser Kampf! Der Kampf gilt vielmehr unserem eigenen Ich und ist deshalb so heftig, weil er sich gegen die Wurzeln des Egoismus richtet.
Unser Problem ist dreifach: Selbsttäuschung, Selbstgerechtigkeit und Egoismus (Bibelkommentar 7a, 962). Wegen dieser Wurzeln fällt uns das Nachgeben so schwer. Diese Wurzeln liegen allem Versagen zugrunde. Ein paar persönliche Erfahrungen sollen dies veranschaulichen. In ihnen habe ich mich selbst erst so richtig erkannt. Sie haben mir geholfen, besser zu verstehen, warum ich Jesus so dringend als Retter brauche.
1. Selbsttäuschung: »Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?« (Jeremia 17,9)
2. Selbstgerechtigkeit: »Und er [Jesus] sprach zu ihnen: Ihr seid’s, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen; denn was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Gräuel vor Gott.« (Lukas 16,15.)
3. Egoismus: »Der Hochmut deines Herzens hat dich betrogen.« (Obadja 3)
Ein harmloses Gespräch?
Eines wunderschönen Sommernachmittags saßen wir an unserem Gartenteich und unterhielten uns mit Freunden. Als wir so miteinander sprachen, fiel der Name einer Familie, die wir alle kannten. Nach einigen Minuten der Unterhaltung erzählte ich wahrheitsgemäß, was wir mit dieser Familie erlebt hatten. Ich hatte kaum geendet, als mich die starke Überzeugung überkam, dass meine Worte nicht angebracht gewesen waren. (Ich hatte an diesem Morgen gebetet, dass mein Retter mich bewahrt.) Gott ist treu. Er hatte mich daran erinnert, nach seinem Wort zu handeln:
»Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat«, darüber denkt nach und davon sprecht (Philipper 4,8). Sprechen wir von anderen Menschen, um uns in ein gutes Licht zu rücken? Setzen unsere Worte den anderen unnötig herab? Beeinflussen unsere Worte die Einstellung unseres Gesprächspartners zu dem Betroffenen? Besser wir analysieren sorgfältig, aus welchem Beweggrund wir über andere reden!
Ich brauchte einen Retter — erstens, damit er mir meine sündigen Worte vergab, und zweitens, um Kraft zu bekommen, meine menschliche Natur zu überwinden: Denn ich fing schon wieder an, mich vor mir selbst zu rechtfertigen. Schließlich entsprach das Gesagte ja der Wahrheit!
Erster Schritt: Bekennen!
Als mir mein Gewissen sagte, dies müsse eine Botschaft von meinem Retter gewesen sein, wusste ich tief im Herzen: Er kann das Gespräch noch immer in eine gute Bahn lenken, wenn ich meinen Freunden meinen Fehler bekennen und ihn korrigieren würde. Meine Worte waren unpassend und unnötig gewesen. Ich versuchte zwar noch, mich mit fadenscheinigen Argumenten vor mir selbst zu rechtfertigen und zu verteidigen. Doch dann ließ ich mir von meinem Retter Jesus helfen: Er schenkte mir den Mut, vor meinem Mann und unseren Freunden meinen Fehler einzugestehen, auch wenn es sich demütigend anfühlte. Ich bat sie ohne Umschweife um Vergebung. Erst dann hatte ich Frieden. Ohne Gottes Kraft wäre es mir aber bestimmt nicht gelungen.
Zweiter Schritt: Sensibler werden für Gottes Stimme!
Beim Nachdenken über diese Erfahrung fiel mir auf, dass die Stimme meines Retters, schon vorher zu mir gesprochen hatte, noch bevor ich überhaupt meinen negativen Kommentar abgab: Ich hatte nämlich den Impuls gehabt, über das, was mir da durch den Kopf ging, zu schweigen. Wie treu unser Retter doch ist! Er tut alles, um uns vor Sünde zu bewahren und uns innerlich rein zu machen.
»Stets sendet Jesus denen, die auf seine Stimme lauschen, seine Botschaften.« (Der Weg zur Gesundheit, 397) Als er mich vor dem Egoismus bewahren wollte, war ich gerade so tief in Gedanken über mich selbst versunken und dabei, meine Worte zurechtzulegen, dass ich mich täuschen ließ und schließlich glaubte, es sei in Ordnung darüber zu reden. Schließlich würde ich ja nur die Wahrheit sagen. Deshalb glaubte ich mich im Recht.
Der HERR zeigte mir, dass mein wahres Motiv Egoismus war – Stolz in meinem Herzen. Denn ich wollte vor unseren Freunden gut dastehen, so, als hätte ich meine christliche Pflicht gegenüber der anderen Familie getan.
Vom Weinstock lernen
Egoismus ist die Wurzel unserer Probleme. Egoismus verleitet zu Selbstbetrug und Selbstgerechtigkeit. Selbstliebe ist wie die Wurzel eines Weinstocks. Von der Hauptwurzel zweigen alle anderen Wurzeln ab, auch ein paar sehr große und starke Seitenwurzeln. Darum hat Jesus gesagt: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.« (Johannes 15,5) Zweige haben keine eigenen Wurzeln, sondern sind direkt mit dem Weinstock verbunden. Sind wir von den Wurzeln des Egoismus getrennt und in Jesus und sein Wesen eingepfropft? Nur so können wir seine Frucht bringen.
Vielleicht versuchen wir, hässliche Zweige und schlechte Früchte abzuschneiden. Vielleicht bemühen wir uns, sie im Blattwerk anderer Zweige zu verstecken. Doch wenn wir uns dagegen wehren, von den Wurzeln des Egoismus getrennt und in Jesus eingepfropft zu werden, dann werden die Wurzeln des Egoismus immer stärker und länger. Sie werden uns völlig vereinnahmen und wir werden am Ende mit ihnen verzehrt werden. Dann verbrennt alles, was von der Sünde übrig ist, im Glanz der Gerechtigkeit. Sind wir wirklich bereit, all unsere Selbsttäuschung, Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe hier und jetzt loszulassen? Jesus möchte unser Retter sein und uns ganz davon befreien, solange noch Zeit ist.
Drama beim Einkaufen
Während eines heißen Sommernachmittags war ich mit meinen drei Kindern in der Stadt, um einige Besorgungen zu machen. Wir kamen gerade aus einem Geschäft und ich trug eine Tüte mit zwei Ölfiltern für unser Auto. Es waren diese großen schweren Ölfilter für Pickups. Gerade als wir die Autotür erreichten, gab ich die Tüte einem der Kinder. Ich dachte, sie müssen ja lernen, vorsichtig mit den Dingen umzugehen. Daher wollte ich es die Tüte halten lassen, während ich die Tür aufschloss. Noch als ich meinem Kind die Tüte gab, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass »etwas passieren würde« – und es geschah tatsächlich! Genau in diesem Moment fiel die Tüte mit den Ölfiltern zu Boden, direkt auf meine Zehen. Es war ein ungeheurer Schmerz!
Jetzt brauchte ich einen Retter, denn wenn man verletzt wird, will man alles in die eigene Hand nehmen. Der Kampf, das innere Ringen begann. Zuerst sagte ich kein Wort. Ich öffnete den Kindern die Autotür, während sie meinen inneren Kampf beobachteten. Dann ging ich auf die Fahrerseite, stieg ein, schloss die Tür, startete den Motor und öffnete den Mund.
Was da heraussprudelte, waren leider nicht die Worte oder Gedanken meines Retters, der noch versuchte, mich irgendwie zurückzuhalten. Es waren die Worte meines Egoismus. Ich glaubte, meinen Kindern wegen ihrer Nachlässigkeit eine Predigt halten zu müssen, besonders weil ich ihnen eigentlich hatte beibringen wollen, wie sie in umsichtigem Verhalten wachsen können. Ich schrie nicht, fluchte nicht, benutzte keine starken Worte. Doch die Botschaft war trotzdem klar und deutlich. Meine Enttäuschung und Entrüstung waren für sie Strafe genug.
Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mich besser »fühlen« würde, wenn ich mir die Enttäuschung von der Seele redete. Doch bald schon fühlte ich mich schlechter. Warum? Weil wir keine Ruhe finden können, »solange unser Ich nicht gebändigt wurde« (Leben Jesu, 327). Wir finden keinen Frieden. Tatsächlich fand ich keinen Frieden. Mein Maß an Selbstbeherrschung brachte mir keine Rettung; ich fühlte mich nicht besser. Ich fühlte mich schlechter.
Einfach loslassen!
Gott sei Dank haben wir einen Retter, der uns mit ewiger Liebe liebt, zu sich zieht und für uns kämpft. Er möchte uns von der Macht der Sünde und dem sündigen Leben befreien. Auch mitten in meinem Gefühlssturm warb Jesus weiter um mein Herz. Sogar während ich zu meinem Kind sprach, hatte ich den deutlichen Gedanken: »Lass deinen Egoismus los!« Ich bemerkte diese »Stimme« und meinen schrecklichen Zustand. Sofort ergab ich mich. Hätte ich mich doch nur beim ersten Mal schon ergeben, als er mich vor der Versuchung warnte — in den ersten Augenblicken des Kampfes, als er sich um mein verstocktes Herz mit den Worten bemühte: »Lass mich ans Steuer!«
Jetzt war ich bereit, mich von ihm leiten zu lassen. Er schenkte mir echte Reue. Gebrochen demütigte ich mich vor meinen drei Kindern, denen die Tränen die Wängelchen herabliefen. Ich sagte ihnen wie leid — ja, wie leid — es mir tat, dass ich mich nicht von Jesus hatte retten lassen. Ich bat sie um Verzeihung, was sie mir auch erleichtert gewährten, und wir beteten zusammen. Erst dann hatte ich wahren Frieden! Den Frieden, nach dem ich mich eigentlich von Anfang an gesehnt hatte. Ich hatte mich getäuscht in der Meinung, ich könnte das Problem selbst in den Griff bekommen und würde mich besser fühlen, wenn ich meine Kinder zurechtwies. Es war selbstgerecht von mir gewesen zu behaupten, das Missgeschick wäre ihr Fehler gewesen und sie müssten die Konsequenzen dafür tragen.
Noch bevor ich sie zurechtwies und der Kampf in meinem Herzen wogte, hatte ich gemeint, es sei mein »gutes Recht«, mich aufzuregen. Ich hatte mich gerechtfertigt, weil ich sowohl körperlich als auch emotional verletzt worden war. Mit meinem egoistischen Versuch, mich selbst zu beherrschen, versuchte ich mein Gewissen zu beruhigen, während ich meinen Gefühlen trotzdem Ausdruck gab.
Diese lieblosen, unfreundlichen, egoistischen Worte kann ich nicht mehr zurückholen. Das Bild von der selbstbeherrschten (oder sagen wir besser unbeherrschten) Mama lässt sich nicht aus den Gedanken meiner Kinder löschen. Aber mein Retter nutzte diese Erfahrung, um mir ganz real und lebendig vor Augen zu führen, wie sehr ich ihn brauche. Es war eine Lektion für mich und meine Kinder: Wir brauchen Jesus bei allem, egal wie klein die Dinge auch sein mögen, die wir tun — sogar wenn wir Ölfilter kaufen. Ohne Jesus werden aus Mücken schnell Elefanten. Denn wir können nicht gleichzeitig uns selbst und Jesus dienen (Lukas 16,13).
Neue Chance: vom Ölfilter zum Kühler
Ich bin dankbar, dass wir einen Retter haben, der sich nicht nur danach sehnt, unsere Sünden zu vergeben, sondern uns auch von aller Ungerechtigkeit zu reinigen (1. Johannes 1,9). Er wird uns aus Liebe wieder in die gleiche Situation geraten lassen und uns die Chance geben, beim nächsten Mal den vollständigen Sieg in ihm davonzutragen (Patriarchen und Propheten, 418-419). Beim nächsten Mal waren es keine zwei Ölfilter, sondern ein Kühler, der mit 13 Litern Wasser gefüllt war, der auf meinem Fuß landete. Der Schmerz war viel größer, aber die Erkenntnis, dass ich einen Retter brauchte, war gewachsen. Auf der Stelle ließ ich alle Versuchungen los, die meine Gedanken beeinflussen wollten, und ließ mich von Jesus durch die ganze Situation hindurchführen. Ich verspürte keinerlei Neigung, »mein Kind zurechtzuweisen«. Ich wollte nur den Frieden und die Herzensruhe, die man verspürt, wenn man von Jesus an die Hand genommen wird. Meine Kinder, die sich sehr schlecht fühlten, mussten Mutters Zorn nicht ertragen. Sie sahen vielmehr, wie uns Jesus in den kleinen Alltagsproblemen bewahren kann. Was für ein Segen war diese Erfahrung für unsere ganze Familie!
Was für ein Segen, wenn wir erkennen, wie sehr wir einen Erlöser brauchen, der uns in jeder Situation am Tag bewahrt! Er will uns nicht nur vergeben, sondern uns von Sünde reinigen und von unserem innersten Egoismus! Durchleuchten wir daher unser Herz mit dem Licht von Gottes Wort, hinterfragen wir unsere Motive und alle Handlungen unseres Lebens (Testimonies 5, 610)!
Jesus sagt: »Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.« (Hesekiel 36,26) Wenn wir es möchten, wird unser Retter uns warnen, sobald wir versucht sind, wegen unserer Eigenliebe in Selbsttäuschung und Selbstgerechtigkeit zurückzufallen. Er möchte uns derart verändern, dass unsere alten Verhaltens- und Reaktionsmuster durch bewusste Entscheidungen ersetzt werden, damit unsere lebendige Verbindung zu ihm auch in Gefühlsstürmen und Versuchungen nicht abbricht. Dafür brauchen wir einen Retter!
Schreibe einen Kommentar