Muslime mit neuen Augen sehen. Von Stephan Kobes
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2017 kam ich auf einer Reise durch Marokko das erste Mal auf Tuchfühlung mit Muslimen. Dabei gab es drei sehr prägnante Erlebnisse, die mir den Wert und die Schönheit der Menschen im arabischen Kulturkreis gezeigt haben.
Bereits am ersten Tag nach der Anreise ging es von Marrakesch aus quer durchs Land in Richtung Fès. Am frühen Morgen war die ganze Landschaft nebelverhangen. Es war kalt. Aber dann lichtete sich der Nebel plötzlich, als wir an die Grenze der ersten kleinen Stadt kamen, die auf der Route lag. Die Sonne schien an einem strahlend blauen Himmel. Ohne anzuhalten durchquerte unser Bus die Stadt. Als wir aus dem kleinen Ort wieder herausfuhren, verbarg sich die ganze Landschaft plötzlich wieder hinter dichtem Dunst und Nebel. Als wir dann den nächsten Ort erreichten, lichtete sich der Nebel, und wieder schien über dem Ort die Sonne in ihrer ganzen Schönheit. Als wir die Ortsgrenze passierten, legte sich wieder ein kalter Nebel über die Landschaft. Das Muster war so auffällig, dass ich mich im Gebet an Gott wandte: »Warum scheint über jedem Ort, durch den wir fahren die Sonne, während die übrige Landschaft in diesen kalten Nebel gehüllt ist?« Dann hörte ich in meinem inneren Ohr eine leise Stimme: »Meinst du, ich lasse das Licht des Himmels nicht auf Menschen scheinen, die mich täglich im Gebet suchen?«
Auf so einen Gedanken war ich nicht vorbereitet. Aber er brachte mich zum Umdenken. Tatsächlich sah ich entlang der ganzen Route die spitzen Türmchen unzähliger Minarette. Wenn der Muezzin rief, legten auffällig viele Menschen ihre Arbeit nieder und gingen zum Gebet. Auf jeden Fall nahmen sich die Menschen im Alltag viel Zeit, zu Gott zu beten. Diese lautlose Stimme, die ich an jenem Morgen gehört hatte, brachte die Mauer meiner Vorurteile ins Wanken, und bereitete mich vor, die Menschen während meines Aufenthalts mit anderen Augen zu betrachten.
Tage später machte ich mich zusammen mit einer kleinen Gruppe auf einen Ausflug in die Sahara. Nachdem uns einige Beduinen fürstlich bewirtet hatten, zog ich mich vom Lager zurück und ging in die Wüste, um zu beten. Es war schon spät. Die Nacht war angebrochen. Aber der Mond schien hell über der Wüste. Die Atmosphäre war einfach nur einladend, um in der Stille der Natur mit Gott zu sprechen. Als ich ein paar hundert Meter in die Wüste hineingegangen war, bemerkte ich, dass ich nicht allein war. Jemand anderes hatte genau dieselbe Idee gehabt wie ich. In ca. 20 Meter Entfernung bereitete sich ein Beduine auf sein Gebet vor. Ich schaute interessiert zu (ja, ich hatte dabei gemischte Gefühle, da das Gebet keine Handlung ist, bei der ich Menschen gerne beobachte … aber ich konnte einfach nicht wegsehen!). Die Art wie er betete, war faszinierend. Ich verstand natürlich kein Wort (auch wenn er laut betete). Aber die Körperhaltung war sehr ausdrucksstark: Wenn er sich auf seinem kleinen Gebetsteppich zur Erde beugte, konnte ich in seiner Haltung nur eine ernstgemeinte Demut ablesen. Wenn er sich dann jedoch wieder aufrichtete, nahm er eine so würdevolle Haltung ein, wie ich sie selten an einem Menschen gesehen hatte. Das beeindruckte mich sehr. Dieser Wechsel von Demut und Würde, Demut und Würde, Demut und Würde war es, aus dem ich mir schließlich das wahre Wesen der Religion ableiten konnte: Nichts hatte mein Herz je so sehr davon überzeugt, dass wahre Demut für uns Menschen nur der Anfang ist, um zu echter Würde aufzuerstehen, wie das Gebet dieses jungen Beduinen in jener Nacht.
An einem anderen Tag fand ich mich an der Hassan-II.-Moschee in Casablanca wieder. Es war März. Wolken hingen über der Moschee. Nachdem ich mir dieses faszinierende Gebäude ganz aus der Nähe angeschaut hatte, lief ich über den Platz vor der Moschee. Dabei staunte ich gerade innerlich darüber, wie viele tausende Muslime hier an Festtagen gemeinsam Allah anbeten. Alle Einwohner meiner Heimatstadt (Zwickau hatte mal über 100.000 Einwohner) hätten hier Platz, um in der Moschee und auf dem Platz davor gleichzeitig Gott anzubeten. An Festtagen kommt es auch vor, sagte man mir, dass so viele Muslime an dieser Moschee zusammenkommen, um Allah anzubeten. Dann passierte plötzlich etwas, was mich nachhaltig prägte: Es kam ein starker Windstoß vom Meer her. Dabei riss die Wolkendecke auf, und die Sonne brach hindurch und tauchte die gesamte Moschee in ein helles, warmes Licht. Als das passierte, sah ich vor meinem inneren Auge drei Engel, die über die Moschee flogen und den Gläubigen eine Botschaft brachten. Das war für mich sehr faszinierend. Dann begriff ich, dass die dreifache Engelsbotschaft auch unter Muslimen gepredigt werden wird! Und dass es viele tausende Muslime geben wird, die diese Botschaft dankbar annehmen und das Licht aufgreifen werden, das ihnen in ihrer Anbetung noch fehlt.
Ja, natürlich begriff ich dabei auch, dass die dreifache Engelsbotschaft dort nur dann gehört werden kann, wenn andere Menschen, die sie bereits kennen, sich aufmachen, um sie dort bekannt zu machen.
Als ich dann im Bus saß, und das letzte Mal auf die Moschee blickte, lief ein junger Marokkaner an der Seite des Busses vorbei, auf der ich saß. Als er mich sah, blieb er plötzlich unvermittelt stehen. Dann strahlte sein ganzes Gesicht auf. Er zeigte auf seinen Bart, dann auf meinen, legte seine Hand auf seine Brust und nickte mir mit einer Mischung aus Freude, Demut und Zuneigung zu. Dann lief er weiter seines Weges. Das hatte ich noch nie so erlebt. Aber es hatte mein Herz ergriffen.
Alles in allem war der Aufenthalt in Marokko für mich ein Augenöffner. Ich sah, wie viele wertvolle Menschen es in muslimischen Ländern gibt, wie sich viele von ihnen aufrichtig nach Gott ausstrecken, mit welcher Herzlichkeit sie einander begegnen und wie anmutig ihre Art der Anbetung sein kann. Damit hatte Gott einen Samen in mein Herz gelegt, der bald darauf aufgehen sollte …
Es ist schön, wenn Jesus seine Liebe in unsere Herzen ausgießt, und wir dadurch unseren Auftrag besser verstehen.
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