Die verlorene Kunst, ein Held zu sein: Warum kommen wir kaum voran?

Die verlorene Kunst, ein Held zu sein: Warum kommen wir kaum voran?
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Warum erleiden wir trotz freiem Zugang zu endloser Kraft ständig Rückschläge? Von Seán Nebblett

Lesezeit: 19 Minuten

Nichts auf der Welt ist schlimmer als eine halbfertige Religion. Denkt man unseren Glauben logisch zu Ende, dann ist er das Gott sei Dank aber nicht. Der christliche Glaube ringt nicht endlos mit Widrigkeiten, sondern geht zum direkten Kampf über gemeinsam mit den Engeln.

Drei Fragen: Wie mächtig ist das Evangelium? Was bewirkt das Evangelium? Und: Wie kann ich mir diese Kraft zu eigen machen?

Was auf der Welt ist schlimmer als eine halbfertige Religion? Nicht einmal ein halb durchgebackenes Brot. Und selbst das schmeckt schon gruselig! Als ich ein Junge war, hatte ich ein unvergessliches Erlebnis mit so einem Brot. Letztlich fanden wir heraus, dass eine schlechte Packung Hefe daran schuld war. Außen ein schöner Brotlaib, innen ein grauer, vergorener Teig. Das reinste Elend! Dennoch glaube ich, dass eine halbfertige Religion schlimmer ist.

Im Universum ist ein Krieg zu gewinnen, in dem wir auf der Siegerseite stehen wollen. Obwohl wir Menschen verglichen mit dem Feind schwach sind, haben wir doch ein Herz, das optimal geeignet ist für diesen Krieg; vielleicht mehr als wir begreifen können. Die Agenda der Liebe bringt nämlich tief in uns eine Saite zum Schwingen, selbst wenn das Fleisch nach dem verlangt, was seine Gelüste in Wirklichkeit nur noch stärker macht.

Ausgedehntes, fast unberührtes Neuland liegt vor uns. Den Möglichkeiten für Fortschritt, für ein Vorankommen sind keine Grenzen gesetzt. Und Kraft für alle Herausforderungen ist immer im Überfluss vorhanden.

Aber es fehlt noch etwas. Der Plan und die Hauptfigur stehen fest. Aber, machen wir uns nichts vor! Der Held braucht Hilfe von außen, um die Stationen zwischen den herrlichen Aussichten hier auf Erden und der Goldkrone in der Ewigkeit zu verbinden. Die Erkenntnis ist zwar großartig, dass ich heute schon für einen herrlichen Zweck lebe und der allmächtige Gott mir eine Aufgabe und eine Bestimmung geben will, die mein Verstehen weit übersteigen. Doch eine simple Frage bleibt: Wie soll das gehen? Wie soll der Neue, der eigentlich ein Versager ist, dieses Ziel erreichen? Woher bekommt der Held die Kraft, um die Wende zu schaffen?

Darf ich vorstellen: das Evangelium! Drei Fragen: Erstens, wie mächtig ist es wirklich? Zweitens, welche Auswirkungen hat es auf den Gläubigen? Und drittens, was bedeutet das für jeden Einzelnen persönlich?

Was ich schon verraten kann: Ich liebe das Thema. Es lässt mein Herz höher schlagen. Deshalb bitte ich um Nachsicht, falls meine Begeisterung dafür ein wenig durchsickert. Mein Herz schlägt wirklich dafür.

Wenn Gott in den Krieg zieht – Die Kraft des Evangeliums

Ich lasse den Gedanken nicht zu, dass Niederlage vorprogrammiert ist. Keine einzige Niederlage ist vorprogrammiert. Auch nicht gelegentlich. Als ob jeden dritten Tag oder so die Engel für eine Stunde die Seiten wechseln und das Böse plötzlich zahlenmäßig überlegen wäre und allmächtig würde … Hallo!?

Einer der Gründe, warum ich mir da absolut sicher bin, ist Psalm 18: In meinen Augen das vollendete Drama eines zaudernden Dieners und seines treuen Gottes. Psalm 18 hat mein schlotterndes Herz schon durch mehr als einen dunklen Tunnel hindurchgebracht. Er beschreibt die pure, entfesselte Kraft der Allmacht. Er beginnt mit einem Hilferuf, denn Gottes Diener befindet sich auf feindlichem Boden. Ein blutrünstiger Feind, der viel größer ist als er, hält ihn als Geisel. Er ist ein Spielball in seiner Hand.

»Die Fesseln des Todes umfingen mich, und die Ströme des Unheils schreckten mich; die Fesseln des Totenreichs umschlangen mich, es ereilten mich die Fallstricke des Todes. In meiner Bedrängnis rief ich den HERRN an und schrie zu meinem Gott; er hörte meine Stimme in seinem Tempel.« (Psalm 18,5-7)

Kaum hat David diesen Sorgen- und Todesstress hinausgeschrien, da brachen die Elemente los; Gott auf dem Kriegspfad! Sein Diener weint. Jetzt taumelt die ganze Erde im Donner der Räder seines Streitwagens. Hügel und Bäche machen sich aus dem Staub, denn er ist zornig (Vers 8). Ein unendlicher Vater, macht sich auf, um einen sterbenden Sohn zu retten. Lebensodem und schöpferisches Wort steigt ihm aus Mund und Nase als wären sie Rauch und Feuer (Vers 9). Was für eine Vorstellung!

Und sein Streitwagen? Er ist lebendig. Ein brennender Engel mit Flügeln aus Wind (Vers 11). Dann erreicht er seine Einsatzzentrale – einen geheimen Pavillon, herausgearbeitet nicht aus Stein, sondern aus Dunkelheit. Die Erde bebt. Feuer- und Eisregen begleiten ihn. Die Wellen dampfen unter seinen Fußsohlen. Ins Endlose ragende Wolkensäulen umgeben ihn auf allen Seiten (Vers 12-13).

Da steht er in der Mitte seines Kriegsrats in schillerndem Glanz und seine Worte zerteilen die Atmosphäre. Noch mehr Donner. Noch mehr zischendes Feuer und Eis (Vers 14). Seine Rede setzt das ganze Heer in Bewegung.

Dann sind sie da: »seine Pfeile«, Lebewesen die vor Kraft strotzen, die Besten seiner Streitkräfte; sie schießen aus ihren Orten wie brennende Pfeile hervor und richten beim Feind Chaos und Verwüstung an. Scheinbar aus dem Nichts.

Als das Chaos perfekt scheint, schleudert er den in die Flucht geschlagenen Feinden Blitze hinterher. (Vers 15)

Dann, plötzlich, werden die Agenda, die Wehranlagen, die Schwachstellen des Gegners völlig bloßgelegt (Vers 16). Ruhig schreitet er mitten durch die rauchenden Ruinen, nimmt seinen Diener an die Hand und führt ihn heraus.

»Gegen den Gütigen erzeigst du dich gütig, gegen den Rechtschaffenen rechtschaffen, gegen den Reinen erzeigst du dich rein, aber dem Hinterlistigen trittst du entgegen!« (Psalm 18,26.27)

Das alles ist nicht meine Erfindung. Das steht so in der Bibel.

Eben deshalb lasse ich den Gedanken nicht zu, dass die Niederlage wenigstens ab und zu vorprogrammiert ist. Fehlanzeige!

Leider muss ich eingestehen, dass ich es wenigstens ab und zu (wenn nicht gar viel zu oft) nicht hinbekomme, um Hilfe zu rufen, oder, was noch tragischer ist: Ich händige dem Feind mein Schwert einfach freiwillig aus …

Aber Moment mal: Die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende. Sie könnte zu Ende sein. Denn der Held hat sich in die Rettungsaktion hineingestürzt, die Scherben aufgesammelt und mit nach Hause genommen, um sie wieder zu kitten. Das ist schon mehr als wir verdient haben. Aber das ist nicht das Ende der Geschichte. Er ist tatsächlich der Held jeder Rettungsaktion. Daher gibt es guten Grund, erst mal seine Heldentaten aufzulisten.

Er errettet die Bedrängten, während er den Gegner in die Schranken weist (Vers 17-18). Und dann? Zündet er eine Kerze an (Vers 29). Das kleine Zünglein einer Flamme oben auf einem langgezogenen Wachsdocht. Gerade erst aus dem Rauch und Staub der Schlacht nach Hause gekommen, gibt er sein Leben weiter. Er legt im Herzen ein Feuer, das aus ihm kommt, ein Teil seiner selbst ist; und in diesem Feuer liegt die ganze Kraft, die ihm gehört. Kraft zum Leben. Kraft, die Welt zu überwinden, das Fleisch und den Teufel. Dieselbe Kraft, die Hügel und Halunken ins Reich der Vergessenheit schickt.

Sehen wir den Diener! Die Flamme, wie sie plötzlich aufleuchtet, als ob er innen ganz aus Öl sei! Wie er in die Dunkelheit fliegt, als wäre er selbst ein Pfeil geworden! Er brennt, vom Feuer verzehrt, und doch nicht verzehrt. Er läuft mitten durch die Garnison der Finsternis, setzt das Lager in Brand! Jetzt kommen seine Feinde zur Besinnung, raffen sich auf und folgen mit Mühe seiner Rauchfahne! Und da! Jetzt ist er in der Sackgasse! Die Verfolger meinen, sie könnten sich rächen. Aber er springt. Er schwebt über das hinweg, was sein Todesurteil hätte sein sollen! Seine Feinde bleiben verwirrt zurück, gefangen in ihren eigenen Festungsmauern (Vers 30). Weit drüben auf der anderen Seite hält er inne, holt Atem, hebt sein Schwert zum Himmel und sagt:

»Dieser Gott – sein Weg ist vollkommen! Das Wort des HERRN ist geläutert; er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen. Denn wer ist Gott, außer dem HERRN? … Gott ist es, der mich umgürtet mit Kraft und meinen Weg unsträflich macht. Er macht meine Füße denen der Hirsche gleich … er lehrt meine Hände kämpfen und meine Arme den ehernen Bogen spannen … Deine Rechte stützt mich, und deine Herabneigung macht mich groß. Du machst mir Raum zum Gehen, und meine Knöchel wanken nicht. Ich jagte meinen Feinden nach und holte sie ein … Ich zerschmetterte sie, dass sie nicht mehr aufstehen konnten: sie fielen unter meine Füße. Du hast mich gegürtet mit Kraft zum Kampf.« (Vers 31-40)

Warum sollten wir trotz freiem Zugang zu endloser Kraft nur langsam vorankommen und ständig Rückschläge erleiden?

Meine Erfahrung ist: Wenn ich keine Kraft zum Vorwärtskommen mehr habe, liegt das Problem nicht beim Evangelium. Noch nie lag das Problem beim Evangelium. Entweder ist mein Evangelium noch nicht ausgereift und nur halb durchgebacken oder ich habe gar kein Evangelium. Dann ist das Evangelium zwar mächtig, aber nicht persönlich.

Kreuz und Schwert – Die Auswirkungen des Evangeliums

»Wer mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach! Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird es retten. Denn was wird es einem Menschen, helfen, wenn er die ganze Welt gewinnt und sein Leben verliert.« (Markus 8,34-36)

Wo ich mich auch auf der Welt befinde, überall dieselben bohrenden Fragen. Fragen wie: Werde ich noch Spaß haben, wenn ich mich Gott ergebe? Werde ich jemals wieder das Leben in vollen Zügen genießen?

Eine halbfertige Religion ist in meinen Augen das schlimmste Gift auf Erden.

Wenn ein Kind des Höchsten sich am Fuß des Kreuzes wiederfindet, weil es bereut hat und ihm seine Sünden vergeben wurden, dann ist das Erste, was es von Gott empfängt, ein Auftrag. Es erhält eine Rüstung, Schuhe und ein Schwert. Es ist der neue Soldat im Reich.

Was tun Soldaten? Kämpfen. Und wen bekämpfen Soldaten? Feinde.

David hatte eine Menge über Feinde zu sagen. Er muss sehr viele gehabt haben. Bis vor kurzem dachte ich, ich hätte keine Feinde … Aber dann wurde mir klar, dass ich doch welche habe. Meine Feinde sind in mir. Sie wollen mir schaden. Sie trachten mir nach dem Leben. In der Dunkelheit, in der Stille lauern sie auf einen Moment der Schwäche, um mich in den Abgrund des Todes zu stürzen. Ich habe tatsächlich Feinde. Sie zu bekämpfen ist mein Auftrag!

Der erste Auftrag eines Soldaten, nachdem er am Fuß des Kreuzes gekniet hat, ist der Kampf gegen sein eigenes selbstsüchtiges Herz. Nichts ist weiter entfernt von Golgatha als das selbstsüchtige Herz. Wenn Jesu Kreuz auf einem Hügel namens Schädelstätte steht, dann liegt das selbstsüchtige Herz irgendwo ganz unten im Tal der Knochen. Das Herz mit seinen Gefühlen: Stolz, Eitelkeit, Unreinheit usw. ist das erste Schlachtfeld, auf dem es zu gewinnen gilt. Doch hier scheitern viele. Sie schauen nicht über das erste Schlachtfeld hinaus in die unendlichen Weiten dahinter. Das ist die unfertige Religion, von der ich rede.

Die Aufrichtigen ziehen in den Krieg im Talgrund und kommen zerschlagen nach Golgatha zurück, nachdem sie gegen den Terror innerhalb ihrer eigenen Brust gekämpft haben. »Ich bin fertig, kaputt! Ich kann nicht mehr, bin es leid, zu Kleinholz geschlagen zu werden! Aufstehen kann ich nicht mehr, mich nicht einmal aufsetzen! Alles, was ich tun kann, ist auf dem Gesicht liegen, über meine Wunden stöhnen und versuchen zu überleben. Es lohnt sich nicht!« Ja, das würde sich tatsächlich nicht lohnen. Vor allem nicht, wenn es immer so weiterginge.

Aber der Krieg gegen das eigene Ich ist nicht das Ende vom Lied. Es ist nur der Anfang. Denn ein Soldat lebt mit Leib und Seele zwischen Golgatha und dem Schlachtfeld. Während er stärker wird, verändert sich jedoch sein Schlachtfeld. Auch seine Feinde ändern sich.

Gott möchte sogar das Gebiet, das am weitesten von Golgatha entfernt liegt, zu seinem Territorium machen. Das Gebiet, wo noch Selbstsucht, Stolz und Unreinheit herrschen. Er will nicht, dass der Soldat jedes Mal nur eine Tageswanderung von Golgatha entfernt unten im Tal hängen bleibt.

Ein Kampf soll den Soldaten auf den nächsten vorbereiten. Der Abstand zwischen Schlachtfeld und Kraftquelle wird immer geringer, bis der Soldat nicht mehr um sein Leben kämpft, sondern um Jesu Blut. Der Kampf soll sich immer weniger um mich drehen, sondern immer mehr um Jesus. Das bedeutet Soldatsein.

So wie sich das Schlachtfeld ändert, ändern sich auch die Feinde: nicht mehr einzelne Dämonen, die versuchen, ein kleines Leben auszulöschen, sondern die Legionen, die Schlimmsten der Schlimmsten, die versuchen, Golgatha unwirksam zu machen. Denn der Soldat ist inzwischen auch der Beste von Gottes Besten, ein Elitesoldat der Spezialeinheit von Gottes Reich geworden. Mit brennenden Muskeln, einem Arm um das Kreuz auf seinen Schultern und dem Schwert in der anderen Hand verteidigt er das Kreuz. Nichts als der Tod kann ihn davon trennen.

Dieser Soldat führt nicht länger einen Endloskrieg gegen kleine Widrigkeiten, sondern wurde durch Gnade gestärkt, von der Liebe verwandelt und qualifiziert für das Gefecht mit Engeln.

Aber selbst an dieser Stelle sind wir noch nicht am Ende der Geschichte. Das Evangelium geht noch einen Schritt weiter: Gott kommt zu seinen Spezialeinheiten; seinen demütigen, selbstlosen Kriegern, die sich eher in Stücke zerreißen lassen würden, als sich von Jesu Kreuz zu trennen. Liebevoll schaut er auf sie und sucht nach Freiwilligen:

»Siehst du dieses Kreuz?«
»Ja, Herr.«
»Ich will dieses Kreuz dort drüben aufpflanzen. Mitten in der Finsternis.«
»Ich gehe, Herr.«
»Du wirst dein Blut vergießen, und könntest dein Leben verlieren.«
»Und das Kreuz? Wird es dort stehen bleiben, wo ich falle?«
»Das Kreuz wird stehen bleiben, wo du fällst«.

Das ist das Ziel des Evangeliums in dir. Transformation. Und die alte Frage – Werde ich jemals wieder Spaß am Leben haben? O ja, wirst du! Und ultimative Erfüllung! Aber wie soll das gehen?

Die Kraft des persönlichen Evangeliums

Erst wenn das Evangelium zum Lebensinhalt wird, fängt man zu leben an.

Eines Morgens gehe ich wieder einmal in meinem Arbeitszimmer auf und ab, während durch die Glasfront an der Ostseite des Hauses die ersten Sonnenstrahlen scheinen. Ich ringe mit einem Bibelvers aus dem Römerbrief, drehe die Worte hin und her, kehre immer wieder an den Schreibtisch zurück, um nachzuschauen, dass ich auch nichts falsch verstanden habe. Schließlich beuge ich meine Knie im ersten Schimmer des hineinströmenden Morgenlichts und ich spreche dieses Gebet:

»Deine Gnade, wir müssen sie verstehen, dieses Evangelium, diese Wahrheit! Öffne unsere Augen, dass wir sehen, wer du wirklich bist!«

Ich höre zwar keine Stimmen. Aber ich habe wie jeder ein Gewissen. An manchen Tagen ist sein Flüstern so stark wie Donner. Genau in diesem Moment schoss mir der Gedanke durch den Kopf: Wenn mein Volk versteht, wer ich bin, ist dieser ganze Konflikt vorbei. Nun. Das höre ich gerne! Aber was ist dann unser Problem?

Das Evangelium ist doch die Geschichte von Immanuel, »Gott mit uns«. Wenn aber Immanuel für uns ist, wer kann gegen uns sein? Der König kam direkt von einem Abschiedsfest, wo der ganze Himmel den angebetet hatte, der »sprach, und es war, der gebot und es stand da«. Gott, der immer für uns war, war nun mit uns, und als sein Besuch bei uns zu Ende ging, verließ er uns mit dem Versprechen, durch den Dienst seines Geistes »in uns« zu wohnen. Wenn das Evangelium das Versprechen ist, dass der Himmel immer bei uns ist, warum fühle ich mich dann manchmal allein?

»Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater.« (Johannes 1,14)

Die Sterne ziehen ihre Bahnen, die Planeten drehen sich koordiniert. Es geht voran mit dem Plan. Getragen durch den Herzschlag von Gottes eigenem Leben. Auf diese Weise ist die Zerbrechlichkeit des Menschen und die unschätzbare Stärke Gottes miteinander verbunden. Wenn daher der Versucher diesem »Gott mit uns« gerade dann begegnet, wenn der Mensch in größter Not ist, muss er feststellen, dass seine Tricks keinen Erfolg haben. Denn das Wort kam herab, und die Welt hatte keine Macht über ihn.

Wenn das Evangelium wirklich die pure Heil- und Rettungskraft eines allmächtigen Gottes ist, warum falle ich dann immer noch?

»Denn ich weiß, was für Pläne ich über euch habe, spricht der HERR … Es macht ihn glücklich, wenn es seinen Kindern gut geht … Denen, die Gott lieben, werden alle Dinge zum Besten dienen.« (Jeremia 29,11; Thoughts from the Mount of Blessings, 77.2; Römer 8,28)

Die Geschichte geht weiter. Die Liebe ist immer wieder im Vorteil, entreißt dem Mächtigen die Beute, macht den Menschen aus der Schwäche heraus stark, wird tapfer im Kampf, schlägt die Armeen der Außerirdischen in die Flucht. Alles für ein äußerst unwürdiges Geschlecht. Warum? Weil Liebe so handelt.

Noch einmal frage ich, wenn das Evangelium wirklich die Geheimwaffe eines guten Reiches ist, wenn es wirklich Heldentum vom Feinsten ist, ein Lebensbrunnen, Mittel und Zweck, hinter denen ich völlig stehe, warum schließe ich mich dann manchmal insgeheim (oder auch nicht so ganz geheim!) der Verschwörung der finsteren Macht an? Warum falle ich überhaupt auf die Dummheit der Sünde herein und lasse mich dazu herab egoistisch, unsanft, lüstern, stolz oder hasserfüllt zu sein? Warum eigentlich?

Ich beantworte diese Frage mit zwei weiteren Fragen. Erstens: Was ist dieses Evangelium wirklich? Zweitens: Wie mache ich es mir zu eigen – zu meinem Lebenssinn? Denn erst, wenn ich das Prinzip einer Sache verstehe, kann ich sie mir aneignen.

Vom Glauben zum Vertrauen

Paulus erklärt, was das Evangelium ist: »Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt.« (Römer 1,16)

Was bedeutet glauben?

Wir stehen beim Potluck nach dem Gottesdienst in der Schlange. Ich nehme mir mein Essen und setze mich. Dreißig Sekunden später setzt du dich neben mich und merkst, dass du deine Serviette vergessen hast. Ich schaue runter und bemerke: Ich habe meine auch vergessen! Gerade willst du dir eine holen, da fasse ich dich am Ärmel und bitte dich um einen kleinen Gefallen: »Könntest du mir auch eine mitbringen?« Du antwortest: »Selbstverständlich!« – du bist so ein netter Mensch – und gehst los. Was würdest du sagen, wenn ich sofort, nachdem du ja gesagt hast, aufstehe, um mir doch selbst eine Serviette zu holen? »Was?«, sagst du, »Ich hab doch gesagt, dass ich dir eine mitbringe!« Jaaa … Aber ich kenne dich ja gar nicht!

Das ist doch lächerlich! Wenn du mir gesagt hast, dass du mir eine Serviette mitbringst, müsste ich doch eigentlich sitzen bleiben, wo ich bin, bis du wiederkommst. Warum? Weil ich dir glaube. Du hast gesagt, dass du mir eine Serviette bringst, und ich glaube dir. Ich entscheide mich, dir zu glauben. Das hat nichts mit unserer Beziehung zu tun oder mit der Erfahrung, die ich mit dir habe. Mir fehlen jegliche Hinweise … Ich gehe das Risiko ein, dass du mir doch keine Serviette mitbringst. Das ist Glaube.

»Denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht, der Gerechte wird aus Glauben leben.« (Vers 17)

Glaube ist aber nicht nur ein Fürwahrhalten, sondern Vertrauen. Glaube sagt: Ich kenne dich. Ich habe dich schon zweihundertmal um eine Serviette gebeten und du hast mir immer eine mitgebracht. Tatsächlich bringst du schon automatisch zwei, weil du weißt, dass ich zwei Servietten möchte. Ich nehme nämlich immer zwei Servietten. Denn meistens brauche ich auch zwei oder habe dann auf jeden Fall eine übrig, die ich abgeben kann.

Glaube geht tiefer als nur zu vermuten, dass jemand versucht, meinen Schmerz zu verstehen. Es ist die Bereitschaft mich an seiner Schulter auszuweinen, weil ich weiß, dass er mich verstehen wird. Glaube ist Vertrauen, das in einer Liebesbeziehung entstanden ist.

Und was ist Gerechtigkeit? Buchstäblich bedeutet es Rechttun. Gerechtigkeit beschreibt Gottes Charakter, sein Handeln. Es ist die Wahrheit über ihn.

Nun noch einmal der Text in anderen Worten: Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist Gottes rettende Kraft für jeden, der daran glaubt … Denn darin zeigt sich die Wahrheit über Gott, sodass wir ihm immer mehr vertrauen, wie geschrieben steht: Der Gerechte wird durch sein Vertrauen leben.

Das Evangelium enthüllt die Wahrheit, dass Gott Liebe ist. Wer beharrlich vertraut, dass dies stimmt, nur der lebt ein erfülltes Leben.

Kein Wunder, dass es so einfach ist! Die Sünde macht nämlich nur Sinn, wenn wir Gottes Wohlwollen anzweifeln. Glauben wir dagegen wirklich, dass Gott Liebe ist, verliert die Sünde ihren Reiz und wir erwidern automatisch seine Liebe. Es fällt uns nur dann schwer, Gott zu gehorchen, wenn wir an seinen Motiven zweifeln.

Das Evangelium ist Kraft. Was ist also unser Problem?

Das Problem ist, dass wir uns das Evangelium nicht zu eigen machen. Genauer gesagt, wir sind dem Evangelium nicht verfallen. Wir haben nicht alles verkauft.

Es gibt nur einen Weg zu erfülltem Leben. Durch unerschütterliches Vertrauen, dass es die Wahrheit über Gott sagt. Ist das leicht genug? Wie machen wir uns das zu eigen?

Glaube an die Wahrheit, dann verkaufe alles! Alles, was dir gehört, sogar deine Menschenrechte.

Zu meiner Schwester Natasha habe ich eine sehr gute Beziehung. Von Zeit zu Zeit bittet sie mich um einen Gefallen und meine Standardantwort lautet: »Ich würde alles für dich tun, meine Liebe.« Warum? Weil es einem großen Bruder, der seine kleine Schwester liebt, leichtfällt. Außerdem hat Natasha nie selbstsüchtige Bitten. Sie möchte immer nur Dinge, die auch in meinem besten Interesse sind. Also kein Problem!

Doch eines Tages kam mir der Gedanke: Was wäre, wenn wir Gott auch so antworten würden? Was, wenn wir schon Ja sagten, bevor er seine Frage beendet hätte? Gott, der nie um etwas Selbstsüchtiges gebeten hat. Gott, der nie um etwas gebeten hat, was nicht in unserem Interesse gewesen wäre. Warum lassen wir ihn auf eine Antwort warten?

Ich lerne hier gerade um. Eines meiner ersten Gebete am Morgen lautet: »HERR, ich weiß nicht, worum du mich heute bitten wirst, doch was es auch ist, meine Antwort lautet Ja. Denn ich glaube, dass du Liebe bist und deine Bitten nur zu meinem Besten sind.« So kann der Glaube an die Wahrheit über Gott alles verändern!

Wenn er mich dann während des Tages um etwas bittet, warte ich nicht auf die Details. Hier dürfen wir Gott ruhig ins Wort fallen, wenn er sagt: Mein Junge, ich brauche dich … »Ja! Gerne. Alles klar! Weil ich dich liebe.«

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: 95% des Kampfes in unserem Glaubensleben hat mit unserm Zögern zu tun. Wir beten um Kraft und ziehen kurz darauf trotzdem die Versuchung wieder in Betracht. Dann beklagen wir uns, die Kraft wäre nicht angekommen, und wundern uns, dass Gott uns keine Kraft gibt … Gott hat uns die Kraft aber schon gegeben, die Kraft, uns zu entscheiden. Warum entscheiden wir uns nicht einfach und lassen die Gnade wirken und neue Taten, Emotionen und Gefühle auslösen?

Erst wenn das Evangelium dich alles gekostet hat, alles, was du hast und bist, dann gehört es dir und kann in dir wirken.

Quelle: Pathway of Promise, The Lost Art of Greatness

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