Plädoyer gegen die Verkopfung unserer Gesellschaft: Wahre Bildung

Plädoyer gegen die Verkopfung unserer Gesellschaft: Wahre Bildung
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Immer noch gilt viel theoretisches Wissen als hohe Bildung. Doch wie lebenstauglich sind wir, wenn andere Lernbereiche unterentwickelt bleiben? Von Ellen White

Das großartige Ziel bei der Erziehung und Ausbildung der Jugendlichen ist die Charakterentwicklung. Denn jeder Einzelne sollte den Aufgaben dieses Lebens gewachsen und für das kommende, ewige Leben geeignet sein. Solche gutentwickelten und ausgeglichenen Männer und Frauen bringt nur eine ganzheitliche Ausbildung von Moral, Vernunft und Körper hervor.

Gleichgewicht zwischen Bücherwissen und körperlicher Arbeit

Bildung, die sich allein auf Bücherwissen beschränkt, öffnet oberflächlichen, seichten Gedanken Tür und Tor. Viele Jugendliche lassen ganze Bereiche des Organismus brach liegen, während sie andere überfordern, schwächen und überanstrengen. Ihre Selbstbeherrschung wird dadurch so geschwächt, dass sie der Versuchung zum Bösen nicht mehr widerstehen können. Beansprucht man den Körper nämlich nicht stark genug, strömt zu viel Blut ins Gehirn und das Nervensystem wird überreizt. Ist das Gehirn überarbeitet, kann Satan uns leichter einreden, wir bräuchten – »mal zur Abwechslung« oder »einfach als Ventil« – verbotene Vergnügungen. Diesen Versuchungen geben die Jugendlichen nun nach und schaden damit sich selbst und anderen. Auch wenn sie selbst Spaß dabei haben, hat irgendjemand immer unter den Folgen zu leiden.

Einen Teil der Zeit sollten die Schüler zwar mit dem Studium von Autoren und Lehrbüchern verbringen und mit demselben Eifer auch den menschlichen Organismus studieren; gleichzeitig aber sollten sie auch körperlich arbeiten. Dann erfüllen sie die Absicht ihres Schöpfers und werden brauchbare und tüchtige Männer und Frauen.

Finanzierung von Schulbesuch und Studium

Lernende sollten, wenn möglich, ihren Schulbesuch durch eigene Arbeit finanzieren. Sie sollten ein Jahr lang studieren und dann selbst herausfinden, worin wahre Bildung besteht. Mit eigenen Händen sollten sie arbeiten. Wissen, das sich anhäuft, wenn man jahrelang ununterbrochen studiert, wirkt sich zerstörerisch auf die geistlichen Interessen aus. Die Lehrer sollten daher neue Schüler gut beraten. Ein mehrjähriges rein theoretisches Studium zu absolvieren, sollten sie ihnen keinesfalls empfehlen. Der Jugendliche soll etwas Nützliches lernen, was er dann anderen weitervermitteln kann. Der Herr des Himmels wird jedem Studierenden das Verständnis öffnen, der ihn demütig sucht. Schüler brauchen unbedingt Zeit, um das erlangte Bücherwissen zu überdenken. Den eigenen schulischen Fortschritt sollten sie kritisch prüfen und körperliche Bewegung mit dem Lernen verbinden. So werden sie schließlich ihre Ausbildung als vielseitiger Mensch mit festen Grundsätzen beenden.

Wenn die Lehrer verstanden hätten, was Gott ihnen schon lange vermitteln möchte, hätten wir es heute nicht mit einer ganzen Kategorie von Schülern zu tun, deren Rechnungen andere bezahlen müssen. Auch würde kein Student die Hochschule hoch verschuldet verlassen. Unternimmt ein Ausbilder nichts dagegen, dass ein Student sich mehrere Jahre seines Lebens dem Studium von Büchern widmet, ohne sich finanziell selbst zu versorgen, so leistet er keine gute Arbeit. Man prüfe jeden Fall, indem man den Jugendlichen freundlich nach seiner finanziellen Situation fragt.

Muskeln und Gehirn

Viele wären froh, wenn sie auch nur kurze Zeit eine Schule besuchen dürften, in der sie wenigstens in einigen Bereichen ausgebildet würden. Für andere wieder wäre es ein unschätzbares Vorrecht, wenn man ihnen die Bibel in ihrer reinen und unverfälschten Schlichtheit erschließen würde. Sie möchten gerne lernen, wie man Herzen erreicht und die Wahrheit einfach und freimütig weitergibt, sodass sie klar verstanden wird.

Als besonders wertvolle Lektion sollte man dem Schüler folgendes Studienthema vorlegen: Wie man den von Gott geschenkten Verstand im Einklang mit den Körperkräften einsetzt. Sich selbst richtig einzusetzen, ist nämlich das Wertvollste, was man lernen kann. Wir sollten weder nur mit dem Kopf arbeiten noch uns ausschließlich körperlich betätigen. Der menschliche Organismus besteht aus Gehirn, Knochen, Muskeln, Kopf und Herz. Diese verschiedenen Teile gilt es, alle so gut wie möglich einzusetzen. Wer das nicht begriffen hat, ist auch für den Evangeliumsdienst nicht tauglich.

Der Schüler, der die Muskeln nicht genauso stark trainiert wie den Geist, sollte sich um ein ganzheitliches Training bemühen. Wenn er etwa meint, es sei unter seiner Würde, die vernachlässigten Gebiete in den Griff zu bekommen und die Wissenschaft wahrer Bildung zu erlernen, so eignet er sich auch nicht als Ausbilder für Jugendliche. Nicht dass er glaubt, er eigne sich als Lehrer; denn sein Unterricht wäre oberflächlich und einseitig. Er versteht nicht, dass ihm gerade die Bildung fehlt, die ihn zum Segen machen und ihm auch im kommenden, ewigen Leben die Segensworte einbringen würde: »Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht.« (Matthäus 25,21)

Tiefgang und Scharfblick

Seine Charakterbildung beginne jeder Student in unseren Schulen auf der Grundlage von Gottes Wort. Er lernt für diese und die ewige Welt. Paulus riet Timotheus: »Bemühe dich darum, dich vor Gott zu erweisen als einen rechtschaffenen und untadeligen Arbeiter, der das Wort der Wahrheit recht austeilt.« (2. Timotheus 2,15) Wir können in dieser gefährlichen Zeit nicht einfach Lehrer einstellen, nur weil sie zwei, drei, vier oder fünf Jahre die Hochschule besucht haben. Stellen wir uns vielmehr die Frage, ob sie trotz ihres ganzen Wissens gelernt haben, was Wahrheit ist. Haben sie wirklich nach der Wahrheit gesucht wie nach einem versteckten Schatz? Oder haben sie nur den unbrauchbaren Schutt an der Oberfläche gesammelt statt der reinen, gut von der Spreu gereinigten Wahrheit? Unsere jungen Leute dürfen heute nicht dem Risiko eines Unterrichts ausgesetzt werden, in dem Wahrheit und Irrtum vermischt sind. Schulabgänger die Gottes Wort nicht zu ihrem Grundstudium, ja zu ihrem Hauptstudium machen, sind nicht für den Lehrerberuf geeignet.

Ein Studium, das weder vom Heiligen Geist geleitet wird, noch die hohen und heiligen Grundsätze von Gottes Wort beinhaltet, führt den Schüler auf einen Kurs, der im Himmel nicht anerkannt wird. Es bringt von Anfang bis Ende Wissenslücken, Irrtümer und Missverständnisse mit sich. Wer die Heilige Schrift nicht selbst tief, ernstlich und unter Gebet studiert, kommt zu Vorstellungen, die den Grundprinzipien des Lebens entgegenstehen.

Die Gefahr von Schulen, die Irrtümer lehren

Ihr Eltern, die ihr an die Wahrheit glaubt und wisst, wie wichtig die Erkenntnis der Wahrheit ist, die uns zur Erlösung weise macht – werdet ihr eure Kinder Schulen anvertrauen, an denen Irrtümer geglaubt und gelehrt werden? Wer will diese kostbaren Seelen diesem Konflikt aussetzen? Wer will sie dorthin schicken, wo ihren höchsten Interessen nicht oberste Priorität eingeräumt wird? Niemand, der Gottes Willen tut, wird die Studenten ermutigen jahrelang ununterbrochen die Schule zu besuchen. Das sind menschliche Programme, nicht aber Gottes Plan. Der Schüler soll nicht meinen, er müsse einen klassisch-humanistischen Kurs belegen, bevor er in den Evangeliumsdienst treten kann. Auf diese Weise haben sich viele für die unbedingt nötige Arbeit untauglich gemacht. Das lange Studium von Büchern, die man nicht zum Studium heranziehen sollte, disqualifiziert die Jugendlichen für das Werk, das für dieses wichtige Zeitalter der Weltgeschichte vorgesehen ist. Gewohnheiten und Methoden schleifen sich in diesen Studienjahren ein, die ihre Brauchbarkeit beeinträchtigen. So müssen die Studenten vieles wieder verlernen, was sie für alle Bereiche der heute anstehenden Arbeit untüchtig macht.

Ihr Schüler, denkt daran, dass euer Leben eine Gabe ist, die ihr hoch schätzen und dem HERRN weihen solltet! Wer eine Schule besucht, sollte das Buch der Bücher studieren und durch Gebet und genaues, tiefes Forschen eine biblische Ausbildung erlangen. Lernt die Lektionen der Schule Jesu; arbeitet mit Jesu Methoden und für seine Ziele!

Folgen einseitiger Kopfarbeit

Zum richtigen Einsatz der eigenen Persönlichkeit gehört es, alle Pflichten zu erfüllen, die man sich selbst, der Welt und Gott gegenüber hat. Setze dabei die Körperkräfte genauso stark ein wie die Geisteskräfte! Jede Handlung aber ist nur so gut oder schlecht wie der Beweggrund, aus dem sie getan wird. Sind die Motive nicht edel, rein und selbstlos, werden auch Gesinnung und Charakter niemals ausgewogen sein.

Wer aus der Schule kommt, ohne Muskeln und Gehirn gleichstark ausgebildet zu haben, wird sich nur selten von dem Schaden erholen, den er durch diese einseitige Erziehung erlitten hat. Solche Menschen haben nur selten die feste, innere Entschlossenheit, die zu gründlicher, eifriger Arbeit führt; sie eignen sich nicht dafür, andere zu unterrichten, weil ihr eigener Geist nie geschult wurde; ihre Unternehmungen sind unberechenbar; es gelingt ihnen nicht, von der Ursache auf die Wirkung zu schließen; sie reden, wenn Schweigen Gold ist, und schweigen zu Themen, über die sie sprechen sollten – Themen, die Herz und Geist erfüllen und das Leben ordnen würden.

Der Schlüssel zum Erfolg

Die Gaben, die Gott uns anvertraut hat, sind ein heiliger Schatz und sollten in der Praxis angewendet werden. Auf diesem Gebiet stellt vor allem nützliche Arbeit eine wertvolle Ausbildung dar. Muss entweder das praktische Training oder das Bücherstudium zu kurz kommen, dann vernachlässige man lieber das Bücherstudium! Jeder Schüler sollte es vorziehen, die greifbaren, praktischen Aufgaben des Lebens anzupacken. Jugendliche, denen man beigebracht hat, schon beim Gutestun daheim nach den besten Plänen zu verfahren, werden diese Arbeitsweise auch auf die Nachbarschaft ausweiten, die Gemeinde, ja jeden Missionsbereich.

Gott lädt uns alle ein, die Grundsätze zu befolgen, die er uns anhand von Adams Arbeit in Eden gezeigt hat; denn auch im wiederhergestellten Eden wird es Arbeit geben. Unsere lieben jungen Studenten, die von ihren Eltern daheim keine Anleitung bekommen haben, benötigen eine Ausbildung, die ihre Familienerziehung ausgleicht. Erst wenn sie das Einmaleins der wahren Bildung erlernt haben, kann man sie als Lehrer einsetzen und ihnen andere junge Menschen anvertrauen; sie sollen doch in einen Beruf einsteigen, der feste Absichten, hohe Grundsätze und heilige Ziele erfordert. Wenn sie allerdings nicht umlernen, bringen sie in ihr Glaubensleben eine oberflächliche Arbeitsweise, die sie für das Bibellehramt disqualifiziert. Sie stürzen sich auf Ideen, die in den Irrtum führen. Launenhafte Vorstellungen stehen bei ihnen zeitweise anstelle der Wahrheit; die übernommenen Thesen wurzeln nicht in der Wahrheit. Ihr Geist blickt nicht tief genug; daher sehen sie nicht, dass diese Thesen Früchte bringen werden, die Gottes Werk entgegenstehen.

Die Falle des modernen Lebensstils

Das Studium von Latein und Griechisch spielt für uns, für die Welt und für Gott eine viel geringere Rolle, als das gründliche Studium und der Gebrauch des gesamten menschlichen Mechanismus. Es ist eine Sünde, Bücher zu studieren, wenn dadurch die verschiedenen Bereiche der Nützlichkeit im praktischen Leben zu kurz kommen. Niemand kann auf allen Bereichen Fähigkeiten haben, wenn er sich nicht in dem »Haus« auskennt, in dem er lebt.

Bessere Konzentration und tieferer Schlaf

Man sollte sich bewegen, aber nicht zum Spiel oder Vergnügen, nur um sich selbst zu gefallen. Wir sollten vielmehr die Bewegungen machen, die uns die Wissenschaft vom Gutestun beibringt. Der Gebrauch der Hände ist eine Wissenschaft. Schüler, die meinen, man käme nur durch Bücherstudium zu Bildung, werden ihre Hände nie richtig einsetzen. Bringt ihnen bei, so zu arbeiten, wie Tausende von Händen es nie gelernt haben. Die Fähigkeiten, die so entwickelt und gebildet werden, können derart eingesetzt werden, dass sie die größte Frucht bringen. Bei der Bodenbearbeitung, beim Hausbau, beim Studieren und Planen der verschiedenen Arbeitsmethoden wird das Gehirn zwangsläufig gebraucht. Außerdem können Studenten sich viel besser auf eine Sache konzentrieren, wenn ein Teil ihrer Zeit der körperlichen Anstrengung vorbehalten bleibt, welche die Muskeln ermüdet. Die Natur wird es ihnen mit süßer Ruhe lohnen.

Verantwortlicher Umgang mit dem Körper

Ihr Schüler, euer Leben ist Gottes Eigentum. Er hat es euch anvertraut, damit ihr ihn ehrt und verherrlicht. Ihr gehört dem HERRN, denn er schuf euch. Ihr gehört ihm durch die Erlösung, denn er gab sein Leben für euch. Gottes eingeborener Sohn zahlte das Lösegeld, um euch von Satan zu befreien. Aus Liebe zu ihm solltet ihr eure ganze Kraft, jedes Organ, jede Sehne und jeden Muskel zu schätzen wissen. Schützt jeden Teil des Organismus, damit ihr ihn für Gott einsetzen könnt, bewahrt ihn für Gott! Vom richtigen Gebrauch eures Organismus nämlich hängt eure ganze Gesundheit ab. Missbraucht keinen Teil der euch von Gott gegebenen körperlichen, geistigen und moralischen Kräfte; bringt vielmehr alle eure Gewohnheiten unter die Steuerung eines Geistes, der wiederum von Gott gesteuert wird.

Wenn junge Männer und Frauen zur Vollreife Jesu Christi heranwachsen wollen, müssen sie vernünftig mit sich umgehen. Gewissenhaftigkeit ist in der Bildungsmethode genauso gefragt wie beim Betrachten unserer Glaubenslehren. Überwinde ungesunde Gewohnheiten jeder Art: langes Aufbleiben bis in die Nacht, spätes Aufstehen am Morgen, schnelles Essen! Kaue beim Essen gründlich, esse nicht in Eile, lass Tag und Nacht Frischluft in dein Zimmer, verrichte nützliche körperliche Arbeit! Enges Einschnüren ist eine Sünde, die unausweichliche Folgen zeitigt. Lungen, Leber und Herz brauchen den ganzen Platz, den der HERR für sie geschaffen hat. Euer Schöpfer wusste, wie viel Platz das Herz und die Leber brauchen, damit sie ihre Aufgabe im menschlichen Organismus gut ausführen können. Lasst euch nicht von Satan verführen, die empfindlichen Organe einzuengen und bei der Arbeit zu behindern! Enge die Lebenskräfte nicht so ein, dass sie keine Freiheit mehr haben, nur weil die Mode dieser entarteten Welt es so fordert. Satan ist der Erfinder solcher Modeformen, damit die Menschheit die sicheren Folgen dieses Missbrauchs von Gottes Schöpfung erleiden muss.

Alles das gehört zur Bildung, die in der Schule vermittelt werden sollte, denn wir sind Gottes Eigentum. Haltet den heiligen Tempel des Körpers rein und unverschmutzt, damit Gottes Heiliger Geist darin wohnen kann; hütet treu das Eigentum des HERRN! Jeder Missbrauch unserer Kräfte verkürzt die Zeit, in der unser Leben zu Gottes Ehre eingesetzt werden kann. Vergesst nicht, Gott alles zu weihen – Seele, Körper und Geist! Alles ist sein erkaufter Besitz; setzt ihn daher bis ans Ende mit Verstand ein, damit ihr die Gabe des Lebens bewahrt. Wenn wir unsere Kräfte mit der nützlichsten Arbeit voll ausschöpfen, wenn wir die Gesundheit jedes Organs so hüten, dass Geist, Sehne und Muskel harmonisch zusammenwirken, dann können wir für Gott den wertvollsten aller Dienste leisten.

Aus: The Youth’s Instructor, 31. März und 7. April 1898

Zuerst im Deutschen erschienen in Unser festes Fundament, 7-2001 und 8-2001.

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