Die adventistische Kleiderreform: Als Ellen White den Frauen ein neues Outfit empfahl …

Die adventistische Kleiderreform: Als Ellen White den Frauen ein neues Outfit empfahl …
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… ging es ihr um Gesundheit, Freiheit, Sicherheit und eine angenehme Erscheinung. Von Kai Mester

Im Jahr 1865 rief Ellen White ihre Mitadventistinnen zur Kleiderreform auf.

Für die Damen ihrer Zeit waren damals umständliche, schwere Reifröcke1, bodenlange Schleppenkleider2 und einschnürende, unbequeme Korsetts3 Mode.

Die Kleiderreform der Frauenrechtler

Gegen diese Mode formierte sich ab 1851 eine kleine Bewegung, die sich an der türkischen Frauenmode orientierte, bei der eine lange Hose unter einem etwas kürzeren Kleid getragen wurde4. Diese Kleidung war einfach bequemer, gesünder und praktischer.

Mit den Jahren waren diese Kleider (auch Bloomers oder American Costume genannt) immer kürzer geworden, reichten nur gerade bis zum Knie, wenn überhaupt.5

Deshalb galten sie bei der allgemeinen Bevölkerung trotz der dazugehörigen langen Hose entweder als unanständig oder als Lachnummer. Nur eine Minderheit von Frauen trug diesen Stil, darunter Gesundheitsbewusste, aber auch Feministinnen und Spiritistinnen.6

Eine differenzierte Herangehensweise

Ellen White erkannte das gute Anliegen der Kleiderreform. So stimmte auch sie in den kleinen Chor ein, der die ungesunde Mainstream-Mode geißelte: Sie sei zu schwer7, zu eng8, zu lang9, zu aufwendig10, zu protzig11, mit zu hoher Unfallgefahr verbunden12 und – man höre und staune: ihr fehlten lange Hosen13, die für eine gute Durchblutung der Peripherie – und daher für die allgemeine Gesundheit – essentiell seien14.

So empfahl Ellen White also den Frauen ausdrücklich, Hosen zu tragen, und zwar – aus ästhetischen Gründen – in derselben Farbe und im selben Stoff wie das dazugehörige Kleid15. Als Länge für ein adventistisches Standardschnittmuster schlug sie 23-26 cm über dem Boden vor, das sei 10-15 cm kürzer als die übliche Kleiderlänge16.

Gleichzeitig erkannte sie aber auch die Handicaps und Gefahren der Kleiderreform. Die Kleiderreformerinnen hatten sich mit ihrer Mode so weit vom Mainstream entfernt, dass sie von vielen als Exotinnen belächelt und als Extremistinnen17 verachtet wurden. Sie kleideten sich fast schon wie Männer. Das war unhaltbar für die meisten Amerikanerinnen der damaligen Zeit. Ellen White erklärte, dass dieser Kleidungsstil daher kein Erfolgsmodell sein könne. Er würde vielmehr dazu führen, dass Adventisten ein weniger guter Einfluss in der Gesellschaft sein würden. Mehr Ablehnung würde ihnen entgegenschlagen.18

Auch erkannte sie die Gefahr, dass eine Kleiderreform, wenn sie gegen das Gebot aus 5. Mose 22,5 verstieß, Kriminalität begünstigen könnte19. Dort wird es nämlich als Verbrechen bezeichnet, wenn Frauen Männerkleidung tragen oder umgekehrt20.

Und heute?

Dass sich das Reformkleid an der türkischen Frauenmode orientierte, macht deutlich, dass Männer- und Frauenkleidung in verschiedenen Kulturen oder Epochen unterschiedlich definiert sein kann. Zu Moses Zeiten erst recht. Deshalb kann man die Parameter einer anderen Kultur oder Epoche nur bedingt auf seine eigene Situation übertragen. Wichtig bleibt aber eine klare äußerliche Unterscheidung von Mann und Frau durch das Gesamterscheinungsbild der Kleidung.21

Kleider machen Leute, sagt man ja. Deshalb nehmen Menschen dies sehr persönlich. So setzte sich das adventistische Standardschnittmuster nicht durch. Man störte sich vor allem an der Hose22. Dies scheint bis heute in der Adventgemeinde der Fall zu sein, lieber trägt man knielange oder kürzere Röcke mit nacktem Bein23 und verkennt damit zwei ihrer Hauptbegründungen für die Kleiderreform: Gesundheit und moralische Sicherheit24.

Gemessen an der damals gängigen Mode war Ellen White jedenfalls für kürzere Kleider eingetreten, die aus gesundheitlichen und moralischen Gründen mit Frauenhosen kombiniert werden sollten. Darin eben bestand das Revolutionäre. Nur dass sie eine verantwortungsbewusste Revolutionärin war.

Wie lassen sich ihre Empfehlungen in unserer heutigen, weitaus bunteren Gesellschaft anwenden? Wie kann frau sich gesund kleiden und geschmackvoll, praktisch und ansprechend? Wie kann frau sich anständig kleiden und keusch, also auf die eigene Sicherheit bedacht, aber mit klarem Bekenntnis zum eigenen Geschlecht? Wie kann frau es bei alledem möglichst vermeiden, durch ihre Kleidung Aufsehen zu erregen oder die Lacher auf ihrer Seite zu haben?

Wie kann frau bei alledem noch den folgenden Rat des Paulus berücksichtigen?

»Ich möchte, dass die Frauen in ihrer Erscheinung Zurückhaltung üben, indem sie sich anständig kleiden und nicht durch ihre Frisur oder durch Gold, Perlen oder kostbare Kleider die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Denn Frauen, die Gott ehren wollen, sollen dadurch anziehend wirken, dass sie Gutes tun.« (1. Timotheus 2,9 Neues Leben)

Auf alle diese Fragen muss in unserer individualistischen Gesellschaft jede Frau selbst eine Antwort finden. Die Frau, die sich mit diesen Fragen überfordert fühlt, darf sich an den verheißungsvollen, ermutigenden Worten des Jakobus festhalten:

»Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern und ohne Vorwurf gibt; so wird sie ihm gegeben werden. Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht.« (Jakobus 1,5.6)

Noch ein Wort für die Männer

In einem sexualisierten Zeitalter, in der auch Homosexualität stark gefördert wird und viele sinnliche Blicke aus einem breiten Spektrum an sexuellen Identitäten das männliche Geschlecht verfolgen, sollten auch die Männer sich wieder stärker über ihre Kleidung Gedanken machen. Wie viel Fleisch stellt die heutige Männermode zur Schau oder lässt sie aufblitzen? Tragen auch gläubige Männer erotische Kleidung, vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein? Alle anderen Kleidungsprinzipien gelten ohnehin genauso für das männliche Geschlecht.

In jedem Fall gilt es, sich an die eigene Nase zu fassen. Wir leben, was diese ganze Thematik betrifft, in keiner leichten Zeit. Geduld und Barmherzigkeit mit unseren Mitmenschen ist unbedingt angesagt.

Endnoten:

1 »Die Reifenröcke spannten die Röcke auf, sodass sie nicht natürlich die Figur umschlossen und den Körper warmhielten. Die Beine wurden kalt. Tausende unschuldiger Opfer fielen der Reifrockmode zum Opfer.« (Health Reformer, 1. Januar 1877)
2 »lange Kleider, mit denen man praktisch die Gehwege und Straßen fegte.« (Testimonies 1, 458, Abs. 2)
3 »Die Korsetts, die wieder gerne getragen werden, um die Taille in Form zu bringen, gehören zu den bedenklichsten Kleidungsstücken der Damenmode.« (Health Reformer, 1. November 1871, Abs. 19)
4 D. E. Robinson, Seventh-day Adventist and the Reform Dress, www.whiteestate.org/issues/Dressref.html
5 Ibid.
6 Ibid.
7 »Die schweren Frauenröcke drücken so auf die Hüften, dass sie schon zu verschiedenen Krankheiten geführt haben, die nicht leicht zu heilen sind, weil die Leidtragenden sich der Ursache nicht bewusst sind und die Gesetze des Organismus verletzen, indem sie die Taille einschnüren und schwere Röcke tragen.« (Review and Herald, 6. Februar 1900)
8 Ibid.
9 »Das lange Kleid ist beim Laufen auf bevölkerten Straßen hinderlich. Die langen Röcke wirbeln … allen möglichen Dreck auf. In diesem Fall hat die Mode den Frauen Stoff angehängt, der als Putzlumpen dient.« (Health Reformer, 1. April 1872)
10 »Wir sagten den Leuten, dass wir im Reformkleid eine Möglichkeit sehen, uns vor der Versuchung zu schützen, nach der absurden, ungesunden und aufwendigen zeitgenössischen Mode zu gehen.« (Testimony to the Church at Battle Creek, PH123 58,2)
11 »Protzige, aufwendige Kleidung weckt allzu oft Lust im eigenen Herzen und Leidenschaft im Herzen des Betrachters.« (Testimonies 4, 645)
12 »Bei der Hausarbeit, wenn sie die Treppen hoch und runter geht und die Hände voll hat, bräuchte sie eine dritte Hand, um den langen Rock zu halten. Oder die Frau, die mit dem Kind auf dem Arm ins Schlafzimmer will, keine Hand frei hat: Sie tritt auf ihren langen Rock und stolpert. Der derzeitige Kleidungsstil ist sehr lästig. Aber weil er in Mode ist, muss man da halt durch.« (Health Reformer, 1. August 1868)
13 »Wie lang das Kleid auch sein mag, sollten Frauen ihre Beine genauso sorgfältig kleiden wie Männer – entweder durch Leinenhosen, die unten mit einem Band um die Knöchel befestigt werden, oder bauschige Hosen, die unten schmal werden, in jedem Fall aber bis zum Schuh reichen.« (Testimonies 1, 460, Abs. 3)
14 »Wenn Füße und Beine es durch die Kleidung warm und behaglich haben, werden sie gleichmäßig durchblutet und das Blut bleibt rein und gesund, weil es nicht abgekühlt oder auf seinem natürlichen Weg durch den Organismus behindert wird.« (Ibid.)
15 »Achte darauf, dass Hose und Kleid aus derselben Farbe und demselben Stoff sind, sonst hinterlässt du einen merkwürdigen Eindruck.« (Testimonies 1, 522, Abs. 2)
16 »Wir empfehlen unseren Schwestern ein Reformkleid, das den Gesundheitsgesetzen gerecht wird und schicklich ist. Seine Länge lässt 23-26 cm bis zum Boden frei. Ist es ordentlich und ansprechend zugeschnitten, wirkt es anständig und vorteilhaft.« (Health Reformer, 1. Mai 1872) »Unsere Kleider stelle ich mir (10-15 cm) kürzer als jetzt vor, keinesfalls aber länger als die Oberkante des Schuhabsatzes, ja sie könnten sogar noch etwas kürzer sein, ohne an Anstand einzubüßen.« (Manuscript Releases 5, 380, Abs.2)
17 »Wir sollten das Übel und den schlechten Ruf des extrem kurzen Kleides meiden … das etwa bis ans Knie reicht und von bestimmten sozialen Gruppierungen getragen wird.« (Testimonies 1, 464)
18 »Einige … meinen vielleicht es wäre gesünder für die Schwestern das American Costume zu tragen, doch wenn dieser Kleidungsstil unseren Einfluss bei den Ungläubigen zunichte macht, sodass wir keinen Zugang mehr zu ihnen haben, sollten wir ihn auf keinen Fall übernehmen, auch wenn wir deshalb viel zu leiden hätten.« (Testimonies 1, 421, Abs. 1) »Spiritisten haben bis zu einem gewissen Grad diesen besonderen Kleidungsstil übernommen. Siebenten-Tags-Adventisten, die an die Wiedereinsetzung der geistlichen Gaben glauben, werden oft als Spiritisten bezeichnet. Wenn sie das Costume übernehmen, ist es mit unserem Einfluss dahin. Die Menschen würden uns auf eine Stufe mit den Spiritisten stellen und uns nicht mehr zuhören … Wir haben eine große Aufgabe in der Welt. Gott möchte nicht, dass wir einen Weg einschlagen, der unseren Einfluss in der Welt mindert oder zunichte macht.« (Testimonies 1, 431, 422)
19 »Gott wollte, dass es einen klaren Unterschied zwischen Männer- und Frauenkleidung gibt. Er findet dieses Thema so wichtig, dass er dazu ausdrückliche Anweisungen gibt; denn wenn beide Geschlechter die gleiche Kleidung tragen würden, wären Verwirrung und eine starke Zunahme der Kriminalität das Ergebnis.« (Testimonies 1, 460, Abs. 1)
20 »Eine Frau soll nicht Männersachen tragen, und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn wer das tut, der ist dem HERRN, deinem Gott, ein Gräuel.« (5. Mose 22,5) »Es besteht eine wachsende Tendenz, dass Frauen sich in Kleidung und Erscheinung dem anderen Geschlecht so weit wie möglich angleichen und ihre Kleidung sehr stark an der Männerkleidung ausrichten. Doch Gott bezeichnet dies als Gräuel.« (Testimonies 1, 421)
21 »Es gibt einen Kleidungsstil der sogenannten Kleiderreformerinnen. Sie imitieren das andere Geschlecht so stark wie möglich, tragen Hut, Hose, Weste, Jackett und Stiefel, wovon letztere der vernünftigste Teil ihres Anzugs sind. Wer diesen Kleidungsstil übernimmt und propagiert, treibt es mit der sogenannten Kleiderreform entschieden zu weit. Das führt zu Verwirrung.« (Testimonies 1, 459)
22 »Viele sagen, die Kleiderlänge störe sie ja nicht einmal, aber die Hosen könnten sie nicht tragen. Wenn sie ihre fast nackten Beine entblößen, macht ihnen das also nichts aus; aber Beine, die gut mit warmen Hosen bekleidet sind, das verletzt ihr Schamgefühl!« (Health Reformer, 1. Mai 1872)
23 »Wir empfehlen, dass Frauenbeine nicht entblößt werden, sondern klug, korrekt und bequem bekleidet werden.« (Health Reformer, 1. Mai 1872) »Mode und falsche Sitten erschauern beim Anblick von Mädchen, deren Beine angenehm, anständig und gesund bekleidet sind. Sie freuen sich aber über alle, die so kurze Kleider haben, dass ihre Beine unangenehm, unanständig und ungesund entblößt werden.« (Health Reformer, 1. September 1868)
24 »Dort läuft eine Dame durch die schlammige Straße, sie hält ihren Rock doppelt so hoch, wie unserer über dem Boden ist und entblößt nicht nur ihre Füße, sondern ihre fast nackten Beine. Ähnliche Enthüllungen geschehen regelmäßig, wenn sie die Treppe hinauf- oder heruntergeht, wenn man ihr beim Einsteigen in die Kutsche oder beim Aussteigen hilft. Diese Entblößungen sind unangenehm, wenn nicht sogar beschämend; ein Kleidungsstil, bei dem solche Situationen vorprogrammiert sind, kann von uns nur als schlechter Schutz für Anstand und Tugend betrachtet werden.« (Health Reformer, 1. Mai 1872, Abs. 19)

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