Heute ist der höchste Feiertag unter den hohen jüdischen Feiertagen – Jom Kippur, der Versöhnungstag. Ein guter Augenblick, darüber nachzudenken. Von Richard Elofer
Es gibt viele Aussagen von Ellen White, die im Einzelnen beschreiben, wie Jesus und seine Jünger, aber vor allem auch Paulus die Juden erreichte. Es wäre gut, wenn wir diese Lehren und Vorbilder bei unserem sozialen Engagement beherzigten.
Wie Jesu sie erreichte
»Jesus erreichte die Herzen seiner Zuhörer, indem er ihnen seine Liebe zeigte. Nach und nach, so wie sie es ertragen konnten, legte er ihnen die großartigen Wahrheiten des Himmelreichs dar. Auch wir tun gut daran zu lernen, wie wir unsere Arbeit den Umständen der Menschen anpassen und ihnen dort begegnen, wo sie sind. Wir haben zwar die Aufgabe, der Welt zu verkündigen, was Gottes Gesetz von ihnen erwartet. Doch sollten wir nie vergessen, dass Liebe, Jesu Liebe, die einzige Macht ist, die einen Menschen erweichen und in die Nachfolge führen kann. Alle großartigen Wahrheiten der Heiligen Schrift sind in Jesus verankert. Richtig verstanden, führen sie alle zu ihm. Stellt Jesus als Alpha und Omega vor, als Anfang und Ende des großartigen Heilsplans! Präsentiert den Menschen Themen, die ihr Vertrauen auf Gott und sein Wort stärken und sie dazu bewegen, seine Lehren selbst zu untersuchen. Wenn sie dann Schritt für Schritt im Bibelstudium vorankommen, werden sie besser darauf vorbereitet sein, die Schönheit und Harmonie der wertvollen Wahrheiten zu schätzen.« (Review and Herald, 25. November 1890)
Wie Paulus vorging
»So beschreibt Paulus seine Arbeitsweise. Er begegnete den Juden nicht auf eine Weise, die bei ihnen Vorurteile weckte. Sie sich zu Feinden zu machen, indem er ihnen sofort sagte, sie müssten Die Herzen der Juden erreichen an Jesus von Nazareth glauben, riskierte er nicht. Er hielt sich vielmehr bei den Verheißungen des Alten Testaments auf, die auf den Messias hinwiesen, auf seinen Auftrag und sein Werk. So führte er sie Schritt für Schritt weiter, während er ihnen zeigte, wie wichtig es ist, Gottes Gesetz zu halten. Auch dem Zeremonialgesetz schenkte er gebührende Aufmerksamkeit, indem er zeigte, dass der Messias selbst das ganze Opfersystem eingeführt hat. Nachdem er sich bei diesen Themen aufgehalten und bewiesen hatte, dass er sich gut darin auskannte, führte er sie ans erste Kommen des Messias heran. Er zeigte ihnen, dass sich in dem gekreuzigten Jesus alle Merkmale der Prophezeiungen erfüllt haben. So weise ging Paulus vor!« (Review and Herald, 25. November 1890)
Die richtige Wortwahl
Es ist besser, nicht vom Alten Testament zu sprechen, denn damit erweckt man den Eindruck, die jüdische Bibel sei »veraltet« oder nicht mehr gültig. Das Alte Testament kann Tanach ( תנ״ך – tn“k) genannt werden. Dies ist eine hebräische Abkürzung. Das T steht für Thora, also die fünf Bücher Mose, das N für Nevi‘im, die Propheten, und das K für Ketuvim oder Schriften. Man kann diesen Teil
der Bibel auch als jüdische oder hebräische Bibel bezeichnen. Vom Neuen Testament sollte man, falls man es verwendet, als von einem jüdischen [!] Buch sprechen. Einigen Juden ist zu erklären, dass nicht alle Heiden sich als Christen betrachten. Viele Juden meinen, Heiden und Christen seien ein und dasselbe. Die Christen sind für sie auch die Judenverfolger der Geschichte. Demut, Gebet und echtes Einfühlungsvermögen sollten unser Glaubenszeugnis kennzeichnen. Viel zu oft haben Juden das Christentum als arrogant, überheblich und der jüdischen Kultur gegenüber verächtlich empfunden. Paulus warnt uns vor solchem Stolz in Römer 11,13-32.
Der jüdische Kalender
Wer mit Juden Gemeinschaft hat, sollte den jüdischen Kalender und die jüdischen Feiertage kennen. Ein jüdischer Freund wird es schätzen, wenn man sich gut genug auskennt, um seine Feste zu achten. Das Jahr 2008 ist zum Beispiel das Jahr 5768 des jüdischen Kalenders gewesen (gerechnet nach jüdischer Tradition vom Anfang der Welt). Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahr war in diesem Jahr [2008] am 30. September. Es ist eine gute Idee jüdischen Freunden oder Verwandten zu diesem Anlass eine Neujahrskarte zu schicken. Jom Kippur, der höchste Feiertag unter den hohen jüdischen Feiertagen, ist der Versöhnungstag. Er liegt immer am fünften Tag nach Neujahr. Wir wollen hier nicht den gesamten jüdischen Kalender erklären. Darüber gibt es genügend Internetseiten. Wichtig zu wissen ist, dass der jüdische Kalender sich nach dem Mond richtet, nicht nach der Sonne. Das jüdische Jahr besteht aus 12 Monaten à 29 oder 30 Tagen.
Der Unterschied zwischen dem Mond- und dem Sonnenkalender ist etwa 10 Tage. Das jüdische Jahr ist daher kürzer. Aus diesem Grund haben die jüdischen Gelehrten einen 13. Monat eingeführt, der in 12 von 19 Jahren das Jahr um einen Monat verlängert.
Bibelstunden mit Juden
Hat man die Gelegenheit mit einem Juden die Bibel zu studieren, sollte man nicht vergessen, dass er sich anfangs weder von der Richtigkeit der Bibel noch ihrer Lehren überzeugen lassen wird, sondern von der Liebe Gottes, die er in deinem Leben sieht. Es gibt einen Satz Bibelstunden von Dr. Jacques Doukhan an der Andrews-Universität auf Englisch, Französisch und Hebräisch, bald auch auf Spanisch. Dies sind fünfzehn Bibelstunden mit dem Titel Schma Jisrael. Je nach deiner Persönlichkeit und der des Juden werden aber unterschiedliche Wege geeignet sein. Auf den folgenden Seiten schlage ich daher eine zweite Serie von Bibelstunden vor, die nach dem oben von Ellen White beschriebenen Vorbild des Paulus aufgebaut ist.
Diese Serie dreht sich um Themen aus dem ersten Teil der Bibel und stellt Jeshua gegen Ende des Studiums als Messias vor. Hier ein Überblick über den Inhalt der Serie.
1. Gottvertrauen. Viele Juden haben ihr Vertrauen auf Gott wegen des Holocaustes verloren. Hier geht es um die Existenz Gottes. Das Gottvertrauen wird trotz der Ereignisse in der jüdischen Geschichte aufgebaut. Das Ziel dieser Studien ist, Juden zu helfen, Gott als jemanden zu erkennen, der sie liebt und der ihnen Frieden schenken will. »Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt; darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Gnade.« (Jeremia 31,3)
2. Vertrauenswürdigkeit der Bibel. Für viele Juden sind der Talmud, die Mischna und die mündliche Tradition gleichwichtig wie die Bibel und werden daher mündliche Thora genannt. Viele glauben, dass Mose diese Traditionen am Sinai gleichzeitig mit der schriftlichen Thora empfangen hat. Diese Lektion beschreibt die Bibel und dass man ihr mehr vertrauen kann als anderen Schriften.
3. Studium im Buch Daniel. Juden können sich sehr mit Daniel identifizieren, weil er in der Diaspora lebte. Oft waren sie in einer ähnlichen Situation. Der geschichtliche Teil des Buches zeigt, dass Gott unser Leben in der Hand hat. Der prophetische Teil zeigt, dass Gott die Weltgeschichte lenkt. Das Buch Daniel zeichnet ein genaues Bild von der Kirchengeschichte und der Verfolgung
der Juden durch die Kirche. Daniel 9 und die 70-Jahrwochen, das ist die beste Nachricht, die Juden hören können. Eine wunderbare Prophezeiung auf den kommenden Messias und das Datum seiner Ankunft.
4. Das Gesetz. Das Ziel der Zehn Gebote, des Sabbats und der Reinheitsgesetze ist es, Juden erkennen zu lassen, dass uns unsere persönliche Sünde (Gesetzesübertretung) von Gott trennt. »Siehe, die Hand des Herrn ist nicht zu kurz zum Retten und sein Ohr nicht zu schwer zum Hören; sondern eure Missetaten trennen euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass er nicht hört!« (Jesaja 59,1-2)
5. Das Heiligtum. Das Ziel dieser Lektion ist, dass Juden durch die Heiligtumssymbole und das persönliche geistliche Leben, durch die Symbole und die Bedeutung der Opfer sowie das Konzept der Vergebung die Theologie der Stellvertretung erkennen, dass sie ein Opfer brauchen, um erlöst zu werden. »Denn das Leben des Fleisches ist im Blut, und ich habe es euch auf den Altar gegeben, um Sühnung zu erwirken für eure Seelen. Denn das Blut ist es, das Sühnung erwirkt für die Seele.« (3. Mose 17,11) Gott befahl einst, dass der Tempelberg der Anbetungsort sein sollte. Alle Opfer im Volk Gottes sollten dort gebracht werden. Gott hat uns in seiner Gnade aber auch nach der Zerstörung des Tempels nicht ohne Sühne gelassen.
6. Die Bedeutung der biblischen Feste. Das Ziel dieser Lektion ist, dass Juden die messianischen Bedeutungen der biblischen Feste entdecken, z. B.: (1) Pessach (Passah), (2) Schavuot (Pfingsten), (3) Rosch ha-Schana (Posaunenfest), (4) Jom Kippur (Versöhnungstag) und (5) Sukkot (Laubhüttenfest).
7. Der Messias. Das Ziel dieser Lektion ist, dass Juden im Messias unser von Gott bestimmtes Sühneopfer erkennen. Zu diesem Zweck wird der Messias der jüdischen Tradition und der Bibel sowie die messianischen Weissagungen studiert. »Fürwahr, er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen; wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden. Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der Herr warf unser aller Schuld auf ihn.« (Jesaja 53,4-6) Er hat sich ein für alle Mal für ihre Sünden geopfert, als er sich selbst als Opfer darbrachte (Hebräer 7,27).
8. Die Anwendung der Entdeckungen über Jesus, den Messias. Das Ziel dieser Lektion ist es, dass Juden durch das Gebet Jesus in ihr Leben aufnehmen. Ein Gebet mit einem Juden muss direkt an Gott, den Vater, gerichtet werden. Wir können das Gebet auf jüdische Weise beginnen: »Gesegnet seist du HERR, unser Gott, König des Universums, Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob …«
9. Endzeitweissagungen. Das Ziel dieser Lektion ist es, dass Juden in der Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten Gottes Endzeitvolk erkennen. Dazu wird der Versöhnungstag und die Reinigung des himmlischen Heiligtums studiert, das Ende der Zeit und die Wiederkunft des Messias.
Schlussfolgerung
Genau wie Paulus lag auch Ellen White das jüdische Volk wirklich am Herzen. Sie sagt in einem Artikel, der 1890 veröffentlicht wurde: »Gottes Arbeiter brauchen einen breiten Horizont. Sie dürfen nicht einspurig denken oder in ihrer Arbeitsweise schablonenhaft vorgehen. Sie brauchen Flexibilität in der Art ihres Einsatzes. Die Bedürfnisse der Menschen unter verschiedenen Umständen und Bedingungen wollen berücksichtig werden. Gott möchte, dass seine Diener, Jung und Alt, sich permanent weiterbilden und lernen, allen Menschen immer besser in ihren Nöten zu dienen. Sie sollten sich nicht zufrieden zurücklehnen in der Meinung, ihre Vorgehensweise sei vollkommen und andere müssten so arbeiten wie sie.« (Review and Herald, 25. November 1890)
RICHARD ELOFER
Aus: Comfort, Comfort My People, Silver
Spring, Maryland (2009): Worldwide
Adventist-Jewish Friendship Center,
Seite 148–153.
Mit freundlicher Genehmigung.
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