Unsere Anatomie hat Ziele. Sie zu studieren, heißt, unserer Bestimmung näher zu kommen. Von Maximilian Schäfer (studiert Humanmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
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In Anatomie beschäftigen wir uns gerade mit dem Kopf und Hals des Menschen. Dabei habe ich eine faszinierende neue Struktur kennen gelernt, die mich in Staunen versetzt hat. Sie zeigt mir Gottes Herrlichkeit.
Habt ihr euch schon mal gefragt, wie es uns eigentlich gelingt, zu sprechen und zu singen? Um das zu verstehen, braucht man ein Verständnis der Grundlagen des Aufbaus von Mund und Rachen sowie vom Kehlkopf, wo die Sprachbildung geschieht.
Anatomie von Rachen und Hals
Beim Einatmen strömt die Luft durch den Mund in den Rachen (Pharynx). Doch dort kommt es zu einem Problem. Bevor du weiterliest, überlege mal, für welche zwei schwer zu vereinbarende Dinge wir unseren Mund täglich nutzen. Ist es dir eingefallen? Ja, sowohl zum Essen als auch zum Atmen. Luft und Nahrung nehmen erst einmal denselben Weg durch den Mund. Im Rachen aber trennen sich ihre Wege. Die Luft strömt über den Kehlkopf (Larynx) in die Lunge, während die Nahrung dem Rachen weiter folgt bis in die Speiseröhre (Oesophagus) und von dort weiter in den Magen. Damit wir nicht Nahrung einatmen und Luft verschlucken, hat sich Gott einen sehr schlauen Mechanismus ausgedacht.
Im Hals befindet sich der bei Männern leicht zu tastende Schildknorpel. Er steht leicht hervor wie ein Schiffbug. Nach oben ist er über einen kleinen U-förmigen Knochen, das so genannte Zungenbein, mit der Zunge verbunden. Nach unten spannt sich eine Membran zwischen ihm und dem Ringknorpel auf. Dieser Ringknorpel ist, wie der Name schon sagt, ringförmig. Darunter beginnt die Luftröhre (Trachea). Dazwischen kann im Notfall, wenn Erstickung durch Schwellung in den oberen Luftwegen droht (zum Beispiel bei Wespenstichen) medizinisches Fachpersonal einen Schnitt setzen, um einen zweiten Zugang zur Luftröhre zu schaffen. Dadurch wird dann die Sauerstoffversorgung trotz Verschluss der oberen Öffnung der Luftröhre sichergestellt.
Auf der Innenseite des Schildknorpels befindet sich noch ein weiteres Knorpelstück, der sogenannte Kehldeckel. Beim Schlucken legt sich dieser über den Ringknorpel und verschließt so die Luftröhre und verhindert, dass man sich beim Essen verschluckt. Ist man gerade aber nicht am Schlucken, ist der Kehldeckel aufgeklappt, sodass die Luft ungehindert in die Luftröhre strömen kann.
Eine weitere weise Einrichtung Gottes sind die vier Ansammlungen lymphatischen Gewebes im Rachenraum (Waldeyer-Rachenring), alltagssprachlich als Mandeln bekannt. Es gibt dort die Rachenmandel, Gaumen-, Tuben- (an der Öffnung einer Verbindung des Rachens zum Mittelohr) und Zungenmandel. In den Mandeln befinden sich viele Zellen unseres Immunsystems, die sowohl Speisen als auch Atemluft auf Keime und andere Krankheitserreger absuchen. Werden gefährliche Eindringlinge entdeckt, beginnen sie mit der Immunreaktion zur Verteidigung des Körpers. Man kann sich ihre Aufgabe wie Torwächter vorstellen, die auf den Mauern Zions stehen und beim Anrücken der Babylonier oder Assyrer ins Schofarhorn blasen und die Verteidigung einleiten.
Anatomie der Stimmbildung
Nun kommen wir aber zu unserem eigentlichen Thema: der Stimmbildung. Von der Rückseite des Schildknorpels spannen sich zwei Bänder auf, um die jeweils eine Schleimhautfalte gelegt ist. Zwischen denen tut sich ein variabler Spalt auf. Diese Bänder sind die bekannten Stimmbänder, und der Spalt zwischen ihnen ist die Stimmritze. Auf der dem Schildknorpel abgewandten Seite setzen sie an zwei Stellknorpeln an. Diese sitzen auf dem Ringknorpel und sind mit ihm verbunden, aber auf eine solche Weise, dass sie gedreht werden können.
Die Stimmbänder sind so an den Stellknorpel angebracht, dass sich die Stimmbänder nach außen bewegen, wenn sich die Stellknorpel nach innen drehen. Bewegen sich die Stimmbänder auseinander wird auch die Stimmritze breiter und umgekehrt. Mehrere Muskeln, die an den Stellknorpeln ansetzen, können durch deren Drehung so die Stimmritze öffnen oder schließen. Hierbei ist der in der Klinik oft als Postikus bezeichnete Muskel (M. cricoarytenoideus posterior) als einziger für die Öffnung zuständig, während mehrere andere Muskeln die Stimmritze schließen.
Es gibt aber noch zwei weitere Muskeln. Diese befinden sich auch am Kehlkopf und beeinflussen die Sprachbildung ebenfalls, haben aber eine andere Funktion.
Erst grob, dann fein
Der M. cricothyroideus kippt den Schildknorpel so, dass die Stimmbänder sich anspannen. Der zweite Muskel, M. vocalis, sitzt entlang der Stimmbänder und spannt ebenfalls die Stimmbänder an. Dabei ist der erste Muskel für die Grobeinstellung verantwortlich, während der zweite die Feinabstimmung macht. Dies zeigt auch ein wichtiges Prinzip fürs Leben:
Oft macht es Sinn zuerst die grobe Orientierung zu finden oder die groben Züge eines Projekts anzugehen und sich später um die Feinheiten zu kümmern. Genauso verändert auch Gott unseren Charakter.
Zusammenfassend können wir sagen, dass sowohl die Spannung der Stimmbänder als auch die Weite der Stimmritze bewusst von uns gesteuert werden kann. Warum ist dies wichtig?
Die Stimme, ein Saiteninstrument
Die Stimmbänder gleichen den Saiten eines Saiteninstruments. Auf ihnen bilden sich verschiedene stehende Wellen, die jeweils verschiedene Töne hervorrufen. Zur Stimmbildung muss man zuerst einatmen. Als Nächstes schließt sich die Stimmritze und man beginnt mit der Ausatmung. Die Luft strömt nun durch den engen Spalt zwischen den Stimmbändern durch die Stimmritze und versetzt die Stimmbänder in Schwingungen. Dies erzeugt dann die Schwingungen der Luft (Schallwellen), die wir hören können.
Die Spannung der Stimmbänder ist insofern zentral, weil die Frequenz mit der die Stimmbänder hin- und herschwingen, von der Spannung der Stimmbänder beeinflusst wird. Auch die Länge und Dicke der Stimmfalte beeinflusst die Frequenz. Die Frequenz (Schwingungen pro Sekunde) bestimmt wiederum die Tonhöhe. Hohe Frequenzen führen zu hohen Tönen und niedrige Frequenzen zu tiefen Tönen.
Der M. vocalis verändert nicht nur die Spannung der Stimmbänder, sondern auch ihre Dicke, da sie dicker werden, wenn er sich zusammenzieht. Man kann sich das vorstellen wie einen dicken Gummi, der ebenfalls dünner wird, wenn man ihn auseinander zieht. Dies wirkt ganz so wie bei einem Saiteninstrument, wo eine dicke Saite einen tiefen Ton und eine dünne einen hohen erzeugt.
Die Weite der Stimmritze hat insofern Einfluss, da die Lautstärke der Sprache oder des Gesangs von der Stärke des Luftstroms abhängt. Dies wiederum wird durch das Ausmaß der Öffnung der Stimmritze und der Geschwindigkeit der Ausatmung bedingt.
Gott liebt Individualität
Die an den Stimmbändern erzeugten Töne werden nun durch den Luftstrom nach außen getragen. Als Resonanzräume fungieren Nasenneben- und Nasenhöhle und Rachen- und Mundhöhle. Diese bedingen die individuelle Klangfarbe der Stimme. Da diese bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausgeprägt sind, hat Gott die Stimme jedes einzelnen mit einer individuellen Note gesegnet. Gott wünscht sich, dass unsere Gesänge mit einer persönlichen Note gezeichnet sind.
Vokale entstehen durch Umformung der lufthaltigen Räume über dem Kehlkopf, das heißt dem Rachen-, Mund- und Nasenraum. Jedem Vokal entspricht eine ganz bestimmte Mundstellung. Um dies an sich selbst zu betrachten, muss man nur alle Vokale durchsingen und beachten, wie sich bei jedem die Mundstellung leicht verändert. Konsonanten hingegen werden durch Gaumen, Zunge, Zähne und Lippen erzeugt.
Singen als Weg zur Transformation
In Psalm 101,1 heißt es: »Von Gnade und Recht will ich singen; dir, HERR, will ich spielen!« Gott weiß, dass ein ganz besonderer Segen für uns darin liegt, unseren liebevollen, weisen und gerechten Schöpfer anzubeten, da wir umso mehr in sein Ebenbild verwandelt werden, wenn wir die Vorzüge seines Charakters preisen. So hat er zum Segen für uns, nicht aus dem selbstsüchtigem Wunsch heraus, angebetet zu werden, sondern um uns die Gelegenheit zu geben ihm ähnlicher zu werden, einen komplexen und grazilen Stimmapparat geschaffen – ein verstecktes Saiteninstrument in unserem Rachen.
Lohnt sich da nicht die Mühe, uns damit zu beschäftigen und es unseren Kindern früh beizubringen, wie man dieses kostbare Musikinstrument zu Gottes Ehre nutzen kann? Gewiss, denn unsere Stimme im Gesang zu nutzen, kann nicht jeder intuitiv. Eine Schulung der Stimme ist ein wichtiger Bestandteil guter Erziehung. Gott hat uns gewiss nicht umsonst mit so feinen und edlen Potenzialen erschaffen. Sondern unsere Stimme, richtig ausgebildet, kann die Lieder im Gottesdienst oder zu Hause noch viel mehr in Harmonie mit den himmlischen Engelschören bringen als ohne ausreichendes Training. Ellen White formulierte es einmal so:
Sonnenschein für Frierende
»Ich bin froh, dass die Musik in der Schule in Healdsburg Einzug gehalten hat. In jeder Schule wird Gesangsunterricht dringend gebraucht. Stimmbildung hat viel mehr Interesse verdient, als ihr gewöhnlich entgegengebracht wird. Schüler, die es gelernt haben, schöne Evangeliumslieder melodisch und leicht verständlich zu singen, können viel als evangelistische Sänger bewirken. Ihnen werden sich viele Gelegenheiten bieten, ihr gottgegebenes Talent einzusetzen, indem sie Melodie und Sonnenschein an viele einsame Orte bringen, die von Sünde, Trauer und Leid verfinstert sind, und denen vorsingen, die selten Gelegenheit haben, einen Gottesdienst zu besuchen.« (The Voice in Speech and Song, 411)
Ich hoffe, dass diese Ausführungen zur Anatomie und Physiologie des Sprechens dabei helfen werden, die Mechanik des Gesangs zu verstehen und die Stimme bewusster zu schulen. Im nächsten Artikel werden wir uns genauer anschauen, wie Brust- und Bauchatmung funktionieren und welche praktische Bedeutung das hat.
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