Das Morgenrot des letzten Protests: Und Gott sprach: Es werde Licht!

Das Morgenrot des letzten Protests: Und Gott sprach: Es werde Licht!
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»Schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit.« (Prediger 3,7) Die Zeit zum Reden ist gekommen. Von Alberto Rosenthal

Das Morgenrot des letzten, großen Protests bricht an diesem historischen Tag hervor. Die Morgen-Dämmerung liegt hinter uns, der sanfte Schein der ersten Morgenröte dieses gewaltigen Protests, der Jesu Wiederkunft vorausgeht, erstrahlt über Deutschland und der Welt. Mit dem 500. Gedenktag des Beginns der Reformation wird der Erneuerung der großen, endzeitlichen Adventbewegung ein Licht verliehen, das die ganze Menschheit in seiner heilsamen Kraft sehen wird.

Der heutige Tag dokumentiert den Tod des offiziellen Protestantismus. Der Protest der evangelischen Kirche gehört der Geschichte an. Im März 2014 horchte die christliche Welt auf, als der anglikanische Bischof Tony Palmer vor prominenten Vertretern der evangelikalen und charismatischen Bewegung die Aussage machte: »Der Protest ist beendet.« Er verwies zum Beweis auf die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Römisch-Katholischen Kirche im Jahr 1999. Seit Palmers historischer Rede sind 3 1/2 Jahre verstrichen, eine kurze Zeit, in welcher der Protest auch in den Kirchen der Hussiten und Waldenser, den großen Vorläufern der Reformation, faktisch ein Ende genommen hat. Fast sämtliche aus der Reformation hervorgegangene Kirchengemeinschaften haben den Protest, der sie ins Leben rief, de facto beendet. De jure fand die Gemeinsame Erklärung im Weltrat methodistischer Kirchen am 23. Juli 2006 einen weiteren Unterzeichner, am 04. Juli 2017 trat bei einem Ökumene-Festakt in Wittenberg auch die Weltgemeinschaft der reformierten Kirchen der Erklärung bei. Die Lehrverurteilungen von einst in Bezug auf die all entscheidende Frage nach dem Weg der Erlösung des Menschen gehören auf dem Papier der Vergangenheit an.

Offiziell gibt es keine »Protestanten« mehr. Dies ist das große Signal des heutigen Tages. »Versöhnt« mit Rom in der zentralen Lehre der Rechtfertigung, im Zeichen des ökumenischen Miteinanders, blickt die evangelische Kirche auf das Geschehen vor 500 Jahren. Das gesamte Reformations-Jubiläum, das heute vor einem Jahr einsetzte, war durch ökumenische Feierlichkeiten gekennzeichnet, die der Welt signalisieren sollen: Die Ursachen für die »schmerzliche« Kirchenspaltung des Abendlandes sind beseitigt.

Der heutige Festgottesdienst in Wittenberg steht daher auch im Zeichen einer sich abzeichnenden, vollendeten Ökumene, im Sinne einer vollen Abendmahls- bzw. Eucharistie-Gemeinschaft zwischen der evangelischen und römisch-katholischen Kirche, der die Sehnsucht beider Kirchen erklärtermaßen gilt. »Sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit«, mit Unterschieden, die bleiben dürfen, die aber ihren kirchentrennenden Charakter verloren haben – diesem Ziel haben sich beide Kirchen verschrieben, unabhängig davon, ob dies schließlich in einer Wiedervereinigung der Kirchen münden werde oder nicht.

Kirchentrennenden Charakter im ökumenischen Dialog besitzen auf der theologischen Ebene neben der Frage der Eucharistie nur noch die eng mit ihr verwobene Frage des Amts- und Kirchenverständnisses. Auf diese wird sich die ökumenisch-theologische Arbeit von heute an stärker konzentrieren denn je. Für Papst Franziskus bildet der hier noch ausstehende Konsens jedoch scheinbar keine wirkliche Hürde mehr auf dem Weg zu einer kirchlichen Gemeinschaft um den »Tisch des Herrn«. Vor italienischen Lutheranern sagte er am 15. November 2015: »Ein Glaube, eine Taufe, ein Herr, so sagt uns Paulus, und daraus ziehen Sie dann die Konsequenzen […] Wenn wir dieselbe Taufe haben, müssen wir gemeinsam gehen.« (Quelle) Am 03. Oktober 2017 meldete Radio Vatikan: »Wir skizzieren, wie sich Papst Franziskus eine mögliche christliche ›Wiedervereinigung‹ vorstellt – und machen dabei die überraschende Entdeckung, dass die Christen für Franziskus schon längst weitgehend geeint sind.« (Quelle)

Für den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Heinrich Bedford-Strohm ruhen in den Ökumene-Bestrebungen starke Hoffnungen daher auf dem gegenwärtigen Papst, der eine »gewichtige Rolle« für die Ökumene übernehme und »allen Anlass dazu [gebe], auch für die Zukunft viel Rückenwind zu erwarten«, so Bedford-Strohm vorgestern der Deutschen Presse-Agentur in Rom gegenüber. Diese ließ weiter verlauten: »Der EKD-Chef und bayerische Landesbischof plant mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, einen Brief an den Papst zu schreiben und ihm vom Ökumene-Prozess in Deutschland zu berichten.« (Quelle). Marx, der der EKD am 10. Oktober für die ökumenische Ausrichtung des Reformations-Jubiläums gedankt hatte (Quelle), sprach sich am Sonntag für eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen aus. »Dafür setzen wir uns seit Jahren ein. Dafür bete ich, dafür arbeite ich«, sagte Marx der Zeitung Bild am Sonntag (Quelle).

Der Protest von einst sah in der Frage der Rechtfertigung bzw. Erlösung und in jener des Kirchen- und Amtsverständnisses, von deren Klärung die kirchliche Tischgemeinschaft im Abendmahl abhängt, eine untrennbare Einheit. Auf dieser Einsicht gründete Luthers Bekenntnis von 1537: »Also sind und bleiben wir ewig geschieden und widereinander.« Dem diametral entgegen stehen die Worte Heinrich Bedford-Strohms, der am Wochenende in Rom in einem Interview mit Radio Vatikan erklärte: »Uns bringt niemand mehr auseinander!«

Für den Reformator war nicht nur die Rechtfertigungs-Lehre unverhandelbar, sondern auch eine Annäherung in der Frage unmöglich. Der Grund dafür bestand für ihn darin, dass das römisch-katholische Rechtfertigungs-Verständnis keine Grundlage in der Bibel besaß, sondern sich nur auf die kirchliche Tradition berufen konnte. Auch ein allgemeines Konzil würde letztlich nur von Nutzen sein, wie Luther früh erkannte, wenn auf der alleinigen Grundlage der Heiligen Schrift über Glaubenslehre und Glaubenspraxis »verhandelt« und entschieden würde. Denn »auch Konzilien können irren und haben geirrt«, so seine revolutionäre Feststellung in der Leipziger Disputation 1519. Im Anschluss an die endgültige Trennung von Rom Ende 1520 war jedem Anhänger der Reformation so klar wie Luther selbst: Nur mit der Bibel als einzig verbindlicher Norm – sola scriptura – würde es zu einer Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaft mit Rom kommen können. Für Rom würde dies jedoch nicht weniger als eine Absage an ihr Kirchen- und Amtsverständnis bedeuten. Dieser Preis war Rom auf dem Konzil von Trient (1545-1563) zu hoch. Luther starb im Anfangsstadium jenes Konzils, dessen Scheitern er klar voraussah. Mit Jeremia konnte er bekunden: »Wir haben Babel heilen wollen, aber es ist nicht gesund geworden.« (Jeremia 51,9)

Ein echtes römisch-katholisches „Ja“ zum Rechtfertigungsverständnis der Reformation würde in der Tat unweigerlich zur Selbst-Auflösung dieser Kirche führen. »Vergessen« werden konnte dies im ökumenischen Dialog nur deshalb, da das Verständnis der lutherischen Kirche zur Bedeutung des Sola-Scripura-Prinzips sich gewandelt hat. In dem Grundlagentext des Rates der EKD Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017 heißt es:

»Das Sola scriptura lässt sich heute nicht mehr in der gleichen Weise verstehen wie zur Reformationszeit. Anders als die Reformatoren ist man sich heute dessen bewusst, dass das Entstehen der einzelnen biblischen Texte und des biblischen Kanons selber ein Traditionsvorgang ist. Die alte Entgegensetzung von ›die Schrift allein‹ und ›Schrift und Tradition‹, die noch die Reformation und Gegenreformation bestimmte, funktioniert heute nicht mehr so wie im sechzehnten Jahrhundert … Seit dem siebzehnten Jahrhundert werden die biblischen Texte historisch-kritisch erforscht. Deshalb können sie nicht mehr so wie zur Zeit der Reformatoren als ›Wort Gottes‹ verstanden werden. Die Reformatoren waren ja grundsätzlich davon ausgegangen, dass die biblischen Texte wirklich von Gott selbst gegeben waren. Angesichts von unterschiedlichen Versionen eines Textabschnitts oder der Entdeckung verschiedener Textschichten lässt sich diese Vorstellung so nicht mehr halten.« (S. 83, 84)

Da die Grundlage, die einst zur Reformation führte, der lutherischen Kirche abhanden gekommen ist, ist ihr eine Annäherung mit Rom in prinzipiell jeder Frage möglich geworden. Die Basis dafür bildet die historisch-kritische Auslegungsmethode, die in beiden Kirchen heute Standard ist. Sie unterscheidet zwischen »Heiliger Schrift« und »Gottes Wort«, welches mit der Bibel nicht identisch sei, wohl aber in ihr vernommen werden könne. In den Worten des Grundlagentexts:

»Bis heute werden Menschen in, mit und unter diesen Texten angesprochen und im Innersten berührt – gerade so, wie dies in der reformatorischen Theologie als Charakteristikum des Wortes Gottes wieder und wieder beschrieben wurde. In diesem Sinne können diese Texte daher auch heute noch als ›Wort Gottes‹ angesehen werden. Das ist kein abstraktes Urteil, sondern eine Beschreibung von Erfahrungen mit diesen Texten: Auch heute spüren Menschen beim Lesen oder Hören dieser Texte – nicht jedes Mal automatisch, aber immer wieder –, dass sie Wahrheit enthalten, Wahrheit über sie selbst, die Welt und Gott, die ihnen zum Leben hilft. Deshalb bilden diese Texte nach wie vor den Kanon der Kirche.« (S. 85, 86)

Nur unter diesen Voraussetzungen ist der ökumenische Prozess zu verstehen. Nur unter diesen Voraussetzungen der ökumenisch ausgerichtete Charakter des heutigen von Kirchen, Politik und Gesellschaft feierlich gedachten Ereignisses.

Dass auch die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre nur in Abkehr vom reformatorischen Sola-scriptura-Prinzip entstehen konnte, wird auch jedem Laien einsichtig sein können, der vorurteilsfrei und in Liebe zur Wahrheit die ausgiebige Faktenlage eingehend untersucht. Wie viel mehr jedoch einem kundigen Träger des protestantischen Erbes?

Wo aber die evangelische Kirche Luther losgelöst von Luthers Kern-Anliegen feiert, wo sie am symbol-trächtigen 500. Gedenktag ihrer Entstehung ihr teuer erkauftes Erbe öffentlich preisgibt und dem »Betrug« (Daniel 8,25) jener Macht anheim fällt, deren Erbe nur Blut und Tränen gewesen ist und deren Standpunkte in Wirklichkeit unverändert geblieben sind, ist das Totengeläut der Reformation über einem »neuen« Wittenberg erklungen. Der Protest ist offiziell beendet und mit dem heutigen Tag offenkundig Geschichte.

Damit aber wird heute auch das Signal für die Neugeburt des Protestantismus gegeben! Das prophetische Signal für die Erneuerung des Protests, der an der Schlosskirche zu Wittenberg mit Hammerschlägen anhob, 1521 zu Worms in unvergleichlichem Edelmut von Luthers Lippen erging und 1529 zu Speyer in einer Sternstunde der Geschichte aus den Mündern deutscher Fürsten vollmächtig wie in einem Bachschen Choral erklang.

Tatsächlich wird nichts nach dem heutigen Tag mehr so sein wie zuvor. Die Symbol-Trächtigkeit des 31. Oktobers 2017 kann nicht überboten werden: Was Kirchenführer und Theologen 1999 zu Papier brachten, als Resultat jahrzehntelanger ökumenischer Arbeit, sendet nun seinen »hellen« Strahl aus in die ganze Welt. Es sind die Vorboten der Sonntagsgesetze, das trügerische Morgenrot einer mit Gott und sich selbst versöhnten Welt, der Auftakt zu einem schnell nahenden »1000-Jährigen Reich« mit »Frieden und Sicherheit« für den ganzen Planeten.

Einem »Reich«, in dem jedoch kein Platz sein wird für jemanden, der so glauben wird, wie Martin Luther glaubte.

Tetzels Lügen hatten keinen Bestand. Die Tiara des Papstes kam ins Wanken, als der Augustiner-Mönch zur Feder griff. Denn Gottes Geist war in dieser Feder. Ein Haus, »auf Sand« gebaut, (Matthäus 7,26) muss in sich zusammenbrechen. »Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des HERRN, unseres Gottes.« (Psalm 20,8) Die »Worte« der Ökumene  gründen auf einem Fundament, das so tragfähig ist wie jenes, auf dem Tetzel stand. Auch das gewaltigste Unternehmen aber kann nicht bestehen, wo es nicht auf Wahrheit beruht.

»Ökumene«! Es ist das geflügelte Wort geworden für die Zukunft Europas und der Welt. Es ist die Botschaft, die heute aus Wittenberg ergeht. Doch sie entbehrt des Maßstabs der Wahrheit, der die Reformation verursachte.

»Durch Gottes Gnade erschütterte dieser Schlag des Mönches von Wittenberg das Fundament des Papsttums. Dessen Unterstützer lähmte er und versetzte er in Furcht und Schrecken. Tausende weckte er aus dem Schlummer des Irrtums und Aberglaubens. Die Fragen, die er in seinen Thesen aufwarf, verbreiteten sich in wenigen Tagen über ganz Deutschland, und in wenigen Wochen durchdrangen sie die ganze Christenheit« (Ellen White, Signs of the Times, 14. Juni 1883) »Luthers Stimme hallte von den Bergen und in den Tälern wider … Sie erschütterte Europa wie ein Erdbeben.« (Ebd., 19. Februar 1894)

Der laute Ruf aus Offenbarung 18 wird in ganz kurzer Zeit alle Nationen dieser Erde erreichen. Er wird die Herzen unserer Politiker bewegen und jeden Verantwortungsträger und Bürger unseres und jedes anderen Landes zu einer Entscheidung führen. So wie in den Tagen, die auf den 31. Oktober 1517 folgten.

»Und nach diesem sah ich einen Engel aus dem Himmel herabsteigen, der hatte große Vollmacht, und die Erde wurde erleuchtet von seiner Herrlichkeit. Und er rief kraftvoll mit lauter Stimme: Gefallen, gefallen ist Babylon die Große, und ist eine Behausung der Dämonen geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister und ein Gefängnis aller unreinen und verhassten Vögel. Denn von dem Glutwein ihrer Unzucht haben alle Völker getrunken, und die Könige der Erde haben mit ihr Unzucht getrieben, und die Kaufleute der Erde sind von ihrer gewaltigen Üppigkeit reich geworden. Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel, die sprach: Geht hinaus aus ihr, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt. Denn ihre Sünden reichen bis zum Himmel, und Gott hat ihrer Ungerechtigkeiten gedacht.« (Offenbarung 18,1-5)

Für Luther war die Zeit zum Reden gekommen, als er nach der Begegnung mit seinem Erlöser erkannte, dass für ihn galt, was für seinen Meister gegolten hatte: »Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe.« (Johannes 18,37) Als er durch seine eigene Bekehrung verstand, dass das ewige Schicksal von Millionen von Menschen von der Verkündigung des rechten Evangeliums abhing, wurde Prediger 3,7 für ihn göttliche Aufforderung zum Reden und zum Handeln. Nichts konnte seinen Drang dämpfen, für die Errettung seiner Mitmenschen zu wirken, nachdem er Jesus Christus persönlich begegnet war.

Das Morgenrot aber des letzten Protests, den Gottes Wort vorhersah, bricht heute hervor, in der Stunde selbst, in der aus der Schlosskirche zu Wittenberg dem Bischof von Rom die Hand der Bruderschaft gereicht worden ist. (Festgottesdienst zum Reformationsjubiläum)

»Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.« (1. Mose 1,3)

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