Und was bedeuten drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde? Von Kai Mester
Jesus sagte, er würde drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein (Matthäus 12,40). Ist das nicht ein Widerspruch zu einer Kreuzigung am Freitag?
Drei Tage und Nächte sind 72 Stunden, und die lassen sich schwerlich zwischen Freitagabend und Sonntagmorgen unterbringen. Manche glauben, Jesus wäre schon am Mittwoch gestorben. Der darauffolgende Donnerstag sei dann der Festsabbat der ungesäuerten Brote gewesen. Auferstanden sei er dann erst zwei Tage später am Nachmittag des Wochensabbats. Gegen diese Überlegung sprechen jedoch einige Fakten:
1. Auferstehung am dritten Tag
Jesus selbst sagt an mehreren Stellen, dass er am dritten Tag auferstehen würde; die Engel am Grab, Petrus und Paulus bestätigen dies. Insgesamt 15 Verse sagen, dass Jesus am dritten Tag auferstand. Nirgendwo ist zu finden, dass Jesus drei Nächte im Grab gelegen hätte. (Matthäus 16,21; 17,23; 20,19; 27,63.64; Markus 8,31; 9,31; 10,34; Lukas 9,22; 18,33; 24,7.21.46; Apostelgeschichte 10,40; 1. Korinther 15,4).
Am deutlichsten ist wohl der Text in Lukas 24,21, wo die Emmausjünger sagen: »Bei alledem ist heute schon der dritte Tag, seit dies geschehen ist.« Seit was geschehen ist? Seit »er zum Tode verurteilt und gekreuzigt wurde.« (Vers 20) Das waren also die Ereignisse am ersten Tag (Freitag), vor dem zweiten Tag (Sabbat) und dem dritten Tag (Sonntag).
2. Drei Tage und drei Nächte?
Wenn der Ausdruck »drei Tage und drei Nächte« wörtlich zu verstehen wäre, wäre Jesus kurz vor Anbruch des ersten Tages gestorben und 72 Stunden später auferstanden, als die dritte Nacht zu Ende war. Da er aber kurz vor Einbruch der Nacht starb, hätte er ja, um mathematisch korrekt zu sprechen, mindestens umgekehrt, also von »drei Nächten und drei Tagen« reden müssen.
Die meisten verstehen daher die Wendung »drei Tage und drei Nächte« als Pauschalbezeichnung für drei angebrochene Kalendertage. So wie wir mit »acht Tagen« eine Woche und die Franzosen mit »fünfzehn Tagen« vierzehn Tage meinen.
3. Jesu Sabbatruhe
Wäre Jesus am Sabbat auferstanden, hätte er uns dadurch nicht die enge Verbindung zwischen Schöpfung und Erlösung bewusst gemacht. Indem er aber kurz vor Sabbatanfang ins Grab gelegt und kurz nach Sabbatschluss wieder auferweckt wurde, ruhte er nach dem auf Golgatha vollbrachten Erlösungswerk wie schon viertausend Jahre zuvor gemeinsam mit seinem Vater nach vollbrachter Schöpfung. Dadurch ist der Sabbat nicht mehr nur Gedenktag für die Schöpfung, sondern auch für die Erlösung.
Lukas 23,56 macht deutlich, dass die Frauen sofort nach der Grablegung nach Hause gingen, um die Gewürze und Salben zuzubereiten. »Am Sabbat aber ruhten sie nach dem Gesetz«, nur um schon vor Morgengrauen, »als es noch finster war«, wieder zum Grab zu gehen, samt den »Gewürzen, die sie bereitet hatten« (Johannes 20,1; Lukas 24,1). Aus welchem Grund hätten sie länger damit warten sollen als bis Sabbatschluss und noch etwas länger, bis die Lichtverhältnisse ihnen die Salbungsarbeit im Grab erlauben würden? Bei einer Mittwochskreuzigung und einem Donnerstagsfestsabbat wäre ja dann der Freitagmorgen dafür schon in Frage gekommen.
4. Jesus, die Webegarbe
Nach 1. Korinther 15,23 war Jesus der »Erstling« der Auferstehung. Die Erstlingsgarbe wurde beim Fest der ungesäuerten Brote (Pesach) am Tag nach dem ersten Festsabbat als Webegarbe dargebracht. Da der Sabbat, an dem Jesus ruhte, gleichzeitig ein großer Festsabbat war (Johannes 19,31), wurde die Webegarbe am Sonntag im Tempel dargebracht, dem Tag, an dem Jesus auferstand. Wäre der Festsabbat schon am Donnerstag gewesen, wäre die Webegarbe bereits am Freitag dargebracht worden.
5. Im Schoß der Erde
Selbst wenn man drei Tage und drei Nächte wörtlich nehmen möchte, ist zu fragen, ob der Begriff »im Schoß der Erde« wirklich mit Grab gleichzusetzen ist. Adventistische Pioniere sahen darin die Zeit, in der Jesus in der Gewalt böser Menschen und Teufel war. Auch Jona war ja drei Tage und drei Nächte in der Gewalt einer durchaus lebendigen Macht gewesen, als er sich im Bauch des Fisches befunden hatte.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde Jesus festgenommen. Am Sonntagmorgen fuhr er erst nach dem Gespräch mit Maria Magdalena zu seinem Vater auf. Erst danach ließ er sich von den Jüngern wieder anfassen (Johannes 20,17; Lukas 23,39). So wären in diesem Zeitraum drei Nächte und drei Tage enthalten.
(Vgl. James White, The Present Truth, Dezember 1849; Advent Review and Sabbath Herald, 7. April 1851; Uriah Smith, Day of the Crucifixion and Resurrection of Christ, 8-12; Ellet Waggoner, The Present Truth, 27. März 1902)
6. Die Formulierung des griechischen Grundtexts
In Lukas 24,1 steht im Griechischen wörtlich, die Frauen kamen »am eins der Sabbate« sehr früh ans Grab (τη μια των σαββατων = tē mia tōn sabbatōn). Markus 16,9 sagt »am ersten des Sabbats« (πρωτη σαββατου = prōtē sabbatu). Warum steht aber in fast allen Bibelübersetzungen hier »am ersten Tag der Woche«?
Das hat grammatikalische Gründe: σαββατων/ σαββατου ist sächlich. Deshalb können sich die weiblichen Wörtchen μια (eins) und πρωτη (erste) nicht direkt darauf beziehen. Darum darf man nicht »an einem Sabbat« übersetzen. Weiß man aber, dass σαββατων/σαββατου auch »der Woche« bedeuten kann, macht die Grammatik wieder Sinn: »Am [Tag] eins der Woche«, »am ersten [Tag] der Woche«. Denn ημερα (hemera/Tag) ist im Griechischen weiblich.
Lukas 18,12 zeigt, dass das Wort σαββατον tatsächlich Woche bedeuten kann. Dort steht, dass die Pharisäer δις του σαββατου [dis tu sabbatu] fasten, also zweimal am Sabbat? Nein, sabbats war den Juden außer am Versöhnungstag das Fasten verboten. Die Pharisäer fasteten vielmehr zweimal in der Woche, nämlich montags und donnerstags.
7. Der Geist der Weissagung bestätigt die Bibel
Siebenten-Tags-Adventisten glauben, dass sich der Geist der Weissagung in den Schriften von Ellen White manifestiert hat. Zwei Beispiele, die das bisher Gesagte bekräftigen, möchte ich hier anführen:
»Am sechsten Tag der Woche hatten sie ihren Meister sterben sehen; am ersten Tag der nächsten Woche fanden sie sich seines Leibes beraubt.« (Desire of Ages, 794)
»Es war Gottes Plan, dass Jesu Wirken an einem Freitag vollendet würde und er am Sabbat im Grab ruhen sollte, wie Vater und Sohn nach Vollendung ihres Schöpfungswerks geruht hatten.« (Manuscript Releases 3, 425.3)
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