Päpstliche Anschuldigungen gegen Luther (Reformationsserie Teil 9): Doch die Reformation ist nicht aufzuhalten

Päpstliche Anschuldigungen gegen Luther (Reformationsserie Teil 9): Doch die Reformation ist nicht aufzuhalten
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Ein Vertrauen, das bis heute inspirieren kann. Von Ellen White

Als Luther Gottes Wort in den Vordergrund stellte und menschliche Macht und Autorität entthronte, die an die Stelle dieses Wortes getreten war, beschwerten sich seine Feinde: Er predige Neuheiten; es könne doch nicht möglich sein, dass große Gelehrte sich so gravierend irrten.

Darauf antwortete er: »Ich predige keine Neuheiten, behaupte aber, dass die Hüter der christlichen Lehren, die Gelehrten und Bischöfe, diese aus den Augen verloren haben. Ich bezweifle überhaupt nicht, dass die Wahrheit in einigen wenigen Herzen noch geschätzt wird, sei es auch nur bei Säuglingen in der Wiege. Arme Bauern und einfache Kinder verstehen heutzutage mehr von Jesus Christus als der Papst, die Bischöfe oder die Ärzte.«

Worte wie Feuer

Luther ging stetig voran und freute sich seiner Freiheit von den Fesseln Roms. Er sprach und schrieb, wie Gott ihn bewegte, und bekräftigte nicht nur alles, was er bisher gesagt hatte, sondern protestierte umso entschiedener gegen die Irrtümer und Missbräuche des Papsttums. Jedes Wort war ein lebendiger Funke, der über Jahrhunderte angesammelte Altlasten verbrannte.

Öl ins Feuer

Indes war Rom nicht untätig. Seine Gesandten eilten nach Deutschland, um dem neuen Kaiser Karl V. zu gratulieren. Durch seine Schmeicheleien, Falschaussagen und Proteste, brachte Rom ihn gegen die Reformation auf. So stimmte der Kaiser der öffentlichen Verbrennung von Luthers Schriften bis über die Grenzen der deutschen Lande hinaus zu.

Die Botschafter des Papstes wurden gewarnt, dass sich die Wunde durch einen solchen Schritt entzünden würde, statt zu heilen; Luthers Lehre sei tief in die Herzen des deutschen Volkes geschrieben; man könne sie nicht so einfach auslöschen; ein paar Floskeln auf ein paar Blättern Papier, würden jedenfalls wenig nützen, aber sehr wohl der Würde des Kaisers schaden.

Die intriganten Römer hatten es jedoch nicht nur auf die Produktionen von Luthers Feder abgesehen, sondern auch auf Luther selbst. »Diese Feuer«, sagten sie, »reichen nicht, um die verseuchte Atmosphäre Deutschlands zu reinigen. Den Einfältigen mögen sie zwar Schrecken einjagen, aber den Urheber des Unheils lassen sie ungestraft. Wir brauchen ein Reichs-Edikt, das Luther zum Tode verurteilt.«

Der Kurfürst von Sachsen, eine Schutzwehr

Doch es fiel ihnen nicht leicht, dieses Ziel zu erreichen. Der Kaiser war nicht bereit, diesen Schritt ohne Rücksprache mit seinen Ratgebern zu tun. »Lasst uns zuerst abklären«, antwortete er, »was unser Vater, der Kurfürst von Sachsen, darüber denkt. Dann können wir dem Papst unsere Antwort geben.« So mussten die päpstlichen Delegierten, sich mit dem gütigen Kurfürsten abstimmen.

Hier scheiterten Schmeicheleien, Argumente und Drohungen gleichermaßen. Auf die Forderung, Luthers Schriften zu vernichten und den Reformator gebührend zu bestrafen oder ihn der päpstlichen Kurie zu übergeben, antwortete der Kurfürst: »Die Sache ist zu wichtig, um eilig entschieden zu werden; lasst sie meine diesbezügliche Absicht deutlich wissen.«

Mochte Gott dem Kurfürsten jetzt helfen; denn seine Lage war äußerst schwierig. Teilweise war er von der Wahrheit überzeugt; aber seine Situation und seine Umgebung setzten ihn unter starken Druck. Auf der einen Seite der Kaiser, die Reichsfürsten und vor allem der Papst, dessen Herrschaft der Kurfürst noch nicht abschütteln konnte; auf der anderen Seite der arme Mönch Martin Luther, gegen den sich der ganze Sturm richtete.

Eine Zeit lang schien es, als würde Satan triumphieren. Aber Gott gab dem Verteidiger Luthers Weisheit; sein wankender Mut wurde wieder stark. Der Gedanke, einen Mann, der in seinen Augen von Gott zu einem großen Werk berufen war, nun der Folter und dem Tod preiszugeben, erfüllte ihn mit Entsetzen. Er wusste, dass die Gerechtigkeit über dem Begehren des Papstes stand, und beschloss, auch nach diesem Prinzip zu handeln.

Der Kurfürst gab den päpstlichen Botschaftern jetzt zu verstehen, »dass weder seine kaiserliche Majestät noch sonst jemand ihm glaubhaft machen konnte, dass Luthers Schriften widerlegt worden seien oder sich lediglich als Brennmaterial erwiesen hätten. Daher verlange er, Doktor Luther mit einem Schutzbrief auszustatten, damit er sich vor einem Tribunal gelehrter, frommer und unparteiischer Richter selbst verantworten könne«.

Taktische Überlegungen der Feinde

Das war bei weitem nicht, was die Botschafter wünschten. Jede solche Möglichkeit, die Luther eingeräumt wurde, hatte bis jetzt nur die päpstliche Macht geschwächt und die Reformation gestärkt und verbreitet. Ihre Argumente gegen Luthers Lehren ins Feld zu führen, wo sie doch wussten, sie könnten sie nicht widerlegen, würde für sie ein Verliererspiel bedeuten. Recht und Wahrheit waren Prinzipien ohne Platz in ihrem Glaubensgefüge und ihrer Tradition. Die Argumente, die sie am wirkungsvollsten gegen alle Gegner einsetzten, waren Feuer und Schwert. Sie hatten erwartet, dass der Kurfürst ihren Forderungen nachgeben und den unausstehlichen Mönch unverzüglich ausliefern würde. Aber Satan wurde in die Schranken gewiesen, Roms grausame Pläne von dem vereitelt, der Wahrheit und Recht bewahrt.

Die Hand, die uns führt

Die Nachricht von den Ereignissen erreichte Wittenberg. Luthers Freunde waren voller Freude. Mit frischem Elan ging der Reformator an die Arbeit. Seine Worte weckten neue Hoffnung und Mut in den Herzen der Ängstlichen und Verzweifelten. Luther fand seinen Frieden in Gott. Sein Motto war: »Zwar sehen wir nicht die Hand, die uns führt, oder wie Israel damals die Wolken- und Feuersäule. Auch hören wir keine Stimme vom Berg. Aber wenn wir auf den HERRN harren, wissen wir, dass der große Hirte Israels uns den ganzen Weg bis hierher geführt hat. Der Weg, den er führt, ist für alle, die ihm folgen, sicher, auch in den stürmischen Tagen der Prüfung und des Streits.«

Reichstag zu Worms

Die erste Versammlung der deutschen Staaten nach der Krönung Karls V. zum Kaiser fand am 6. Januar 1521 in Worms statt. Nie zuvor hatten so viele Fürsten an diesem Nationalrat teilgenommen. Alle waren begierig darauf, die ersten Akte der jungen Kaiserregierung mitzuerleben und sich in ihrer Macht und Größe zu zeigen. Es gab wichtige politische Fragen und Interessen, die in dieser großen Versammlung diskutiert werden mussten, aber all dies verblasste neben dem Fall des Mönchs von Wittenberg.

Kaiser Karl geriet in große Ratlosigkeit und Verlegenheit. Auf der einen Seite drängte ihn der päpstliche Gesandte, der Bulle des Papstes zu gehorchen; auf der anderen Seite hatte er dem Kurfürsten von Sachsen die Krone zu verdanken, und der bat ihn, nichts gegen Luther zu unternehmen, bis er ihn gehört hätte. Karl hatte an den Kurfürsten geschrieben, er möge Luther zum Reichstag mitbringen. Der Reformator würde keiner Ungerechtigkeit ausgesetzt sein, sondern vor jeglicher Gewalt geschützt bleiben. Ihm werde eine freie Zusammenkunft mit einem kompetenten Ansprechpartner ermöglicht, um die strittigen Punkte zu diskutieren.

Luther ist todesmutig

Als er den Brief erhielt, war der Kurfürst ziemlich ratlos. Sollte er den Reformator nach Worms bringen, könnte das für diesen den Weg zum Schafott bedeuten. Die Freunde Luthers waren besorgt und beunruhigt; aber er selbst war ruhig. Gesundheitlich war er damals stark angeschlagen, aber er schien unbedingt vor dem Kaiser erscheinen zu wollen. Er schrieb an den Kurfürsten: »Wenn ich nicht als Gesunder die Reise nach Worms antreten kann, lasse ich mich in einer Sänfte dorthin tragen. Denn da der Kaiser mich gerufen hat, kann ich es nur als Gottes Sache betrachten. Wenn sie mir Gewalt antun wollen, was ich vermute, denn offensichtlich wollen sie mich nicht sehen, um von mir Auskunft zu bekommen, dann lege ich alles in Gottes Hände.

Derjenige, der die drei Israeliten im Feuerofen bewahrte, lebt und regiert noch immer. Wenn es nicht sein Wille ist, mich zu retten, hat mein Leben nur wenig Wert. Sorgen wir nur dafür, dass das Evangelium nicht den Beleidigungen der Gottlosen ausgesetzt ist und vergießen wir unser Blut zu seinen Ehren, statt sie triumphieren zu lassen! Wer will sagen, ob mein Leben oder mein Tod am meisten zur Erlösung meiner Brüder beiträgt? Es liegt nicht an uns, das zu entscheiden. Beten wir nur zu Gott, dass unser junger Kaiser seine Herrschaft nicht beginnt, indem er seine Hände in mein Blut taucht. Ich würde lieber durch Roms Schwert sterben. Ihr erinnert euch an die Strafgerichte, die Kaiser Sigismund nach der Ermordung von Jan Hus erlitten hat. Erwartet alles von mir außer Flucht oder Widerruf. Fliehen kann ich nicht, noch weniger kann ich widerrufen.«

Taktischer Rückzug der Feinde

Rasch verbreitete sich in Worms die Nachricht, dass Luther vor dem Reichstag erscheinen sollte. Eine allgemeine Aufregung entstand. Aleander, der päpstliche Gesandte, der besonders mit dem Fall Luther beauftragt war, zeigte sich beunruhigt und wütend. Auf dem Weg zum Reichstag konnte sich dieser Beamte selbst davon überzeugen, wie verbreitet das von Luther verkündete Evangelium war. Er sah, dass es bei Reichen und Gelehrten, aber auch bei Armen und Unwissenden Akzeptanz gefunden hatte. Anwälte, Adlige, der niedere Klerus, viele der Mönche und eine große Zahl des einfachen Volkes hatten es angenommen und die Bibel allein zum Maßstab ihres Glaubens und ihrer Praxis gemacht. Die Anhänger des neuen Glaubens waren standhaft und furchtlos, während Roms Anhänger vor Schreck wie gelähmt waren.

Aleander war in seinem Stolz durch den Empfang, der ihm auf seiner Reise durch Deutschland gewährt wurde, zutiefst gekränkt. So sehr hatte sich die öffentliche Stimmung gewandelt, dass man dem Repräsentanten Roms mit nur wenig Ehre oder gar Höflichkeit begegnet war. Verbittert kam er nach Worms, nicht nur wegen der Beleidigungen, sondern auch wegen der weit verbreiteten Lossagung vom Papsttum.

Der Gesandte sah, dass Luthers Auftritt in Worms für die päpstliche Sache nur zur Katastrophe führen würde. Ein Verfahren in einem Fall, in dem der Papst bereits sein Urteil gesprochen hatte, würde bedeuten, die Autorität des souveränen Papstes zu schmälern. Aleander wollte dies mit allen Mitteln verhindern.

Darüber hinaus befürchtete er, die beredte und kraftvolle Argumentation dieses Mannes, der bereits so viel Unheil angerichtet hatte, könne dazu führen, dass sich viele der Fürsten vom Papst abwenden. Er protestierte daher bei Karl eindringlich gegen Luthers Auftritt in Worms. Er warnte, flehte und drohte, bis der Kaiser nachgab, und dem Kurfürsten schrieb, dass Luther, sollte er nicht widerrufen, in Wittenberg bleiben müsse. Der Reformator war sehr enttäuscht, dass es ihm verboten wurde, die Wahrheit in Worms zu verteidigen. Aleander, der sich mit diesem Sieg nicht zufrieden gab, arbeitete mit ganzer Kraft und List daran, für Luthers Verurteilung zu sorgen. Mit einer Beharrlichkeit, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre, forderte er die Fürstin, die Prälaten und andere Mitglieder der Versammlung auf, sich mit dem Fall zu befassen und beschuldigte Luther des Aufruhrs, der Rebellion, der Gottlosigkeit und der Blasphemie. Das Werk Satans trägt von Jahrhundert zu Jahrhundert den gleichen Stempel. Die Anklagen gegen Christus, Stephanus und Paulus glichen der Klage des Verklägers der Brüder, die nun gegen Luther erhoben wurde. Aber in diesem Fall führte seine Wut nur zu seiner eigenen Niederlage. Die Vehemenz und Leidenschaft, die Aleander zeigte, offenbarte, dass er eher von Hass und Rache als von religiösem Eifer angetrieben wurde. Man war in der Versammlung der Meinung, dass Luther unschuldig sei.

Zu dieser Zeit gab der Papst eine neue Bulle heraus, und die bereits angedrohte Exkommunikation wurde nun gegen den Reformator und alle ausgesprochen, die seine Lehren annahmen. So wurde das letzte Band zerrissen, das Luther noch zu Rom hatte.

Signs of the Times, 2. August 1883

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