Ein Bußruf. Von William Prescott
Die Geschichte wiederholt sich: Man kehrt Gottes Wort leichtfertig den Rücken; Gottes Botschaft trifft auf Gleichgültigkeit; die Herzen der Menschen sind unzugänglich wie eh und je, man wehrt sich gegen Gott, und das führt in der Geschichte des großen Streits zwischen Jesus und Satan immer wieder zu den gleichen Erfahrungen. Wenn wir im Licht von Gottes Wort diese immer wiederkehrenden Geschichtsperioden erkennen, wenn wir sehen, was zu diesen Erfahrungen führte und wie Gott sein Volk daraus errettete, dann können wir auch zu heute Parallelen ziehen. Betrachten wir drei Begebenheiten in der Bibel, bei denen die gleichen Umstände zu den gleichen Ergebnissen führten! Schauen wir uns auch die Botschaft an, die jedes Mal verkündigt wurde!
1. Vor der babylonischen Gefangenschaft
2. Vor der Zerstörung Jerusalems
3. Die gegenwärtige Zeit, heute!
In Apostelgeschichte 13 finden wir eine kurze Zusammenfassung einer Predigt von Paulus in Antiochien. Dort spricht er über den Auszug aus Ägypten und – nach ein paar kurzen geschichtlichen Hinweisen – über Jesu erstes Kommen, seinen Tod und seine Auferstehung. Dann schließt er mit den Worten: »So sei euch nun kundgetan, liebe Brüder, dass euch durch ihn [Jesus] Vergebung der Sünden verkündigt wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht werden konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt. Seht nun zu, dass nicht über euch komme, was in den Propheten gesagt ist: ›Seht, ihr Verächter, und wundert euch und werdet zunichte! Denn ich tue ein Werk zu euren Zeiten, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt.‹« (Habakuk 1,5; Apostelgeschichte 13,38-41)
Welche Propheten haben darüber gesprochen? Zuerst der Prophet Jesaja: »Weiter spricht der HERR: Weil sich dieses Volk mit seinem Mund mir naht und mich mit seinen Lippen ehrt, während es doch sein Herz fern von mir hält und ihre Furcht vor mir nur angelerntes Menschengebot ist, siehe, so will auch ich künftig mit diesem Volk wundersam, ja überaus wundersam und verwunderlich umgehen; und die Weisheit seiner Weisen soll zunichte werden und der Verstand seiner Verständigen unauffindbar sein.« (Jesaja 29,13.14)
KURZ VOR DER GEFANGENSCHAFT
Vor welchen Ereignissen stand Gottes Volk, als der Prophet Jesaja diese Prophezeiung verkündigte?
Es war um das Jahr 712 v. Chr., etwas mehr als ein Jahrhundert vor der babylonischen Gefangenschaft. Gottes Volk hatte sich vom wahren Gottesdienst abgekehrt, obwohl es an allen Formen und Riten äußerst beharrlich festhielt. Doch Gott wies sie durch den Propheten darauf hin, dass er ihrer Opfer, Gebete und Gottesdienste überdrüssig sei. Warum? Weil sie nur den äußerlichen Ritus einhielten, ohne zu beachten, was in Gottes Augen diesen Ritus überhaupt wertvoll machte. Was nützten die Opfer, wenn sie ohne »zerbrochenes und zerschlagenes Herz« gebracht wurden (Psalm 51,19)?
GOTT WILL DEIN HERZ, KEINE FORMEN
Gott ist immer noch derselbe. Er sehnt sich nach dir. Er möchte dein König sein, deine Gedanken erfüllen. Wenn das Herz weit von ihm entfernt ist, sind die äußeren Formen für ihn nur schmerzhaft. Deshalb sagte er zum Volk: »Ich will ein wundersames Werk tun, denn eure Herzen haben sich von mir abgewandt.« Aber das Volk änderte sich nicht.
Nahezu ein Jahrhundert später, etwa zwanzig Jahre vor der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar und der Wegführung des Volkes in die Gefangenschaft sprach der Prophet Habakuk in derselben Weise. Vergleicht man seine Botschaft mit der Jesajas, so fällt auf, dass Paulus sich auf beide bezog. Habakuk fragt den HERRN, warum er ihm Gewalt- und Kriegsszenen zeigt. Der HERR antwortet: »Seht euch um unter den Heidenvölkern und schaut umher; verwundert und entsetzt euch! Denn ich tue ein Werk in euren Tagen — ihr würdet es nicht glauben, wenn man es erzählte! Denn siehe, ich erwecke die Chaldäer, ein bitterböses und ungestümes Volk, das die Weiten der Erde durchzieht, um Wohnsitze zu erobern, die ihm nicht gehören.« (Habakuk 1,5.6)
JERUSALEM WIRD ZERSTÖRT
Und so geschah es: Nur 20 Jahre später wurde Jerusalem erobert; man entführte die Tempelgeräte und einige Prinzen, darunter Daniel und seine Freunde, nach Babylon, Nebukadnezar übernahm die Regierungsgeschäfte in Jerusalem, und es ging rasch immer weiter bergab, bis Zedekia König wurde. Dann wurde die Stadt vernichtet, der Tempel verbrannt und die heiligen Geräte samt Volk in ein fremdes Land gebracht. Warum?
KEIN LEBEN, KEINE KRAFT, KEIN GLAUBE
Das Volk hatte seinen Glauben verloren, die Botschaft verloren, die Gott ihnen gegeben hatte, die Botschaft vom Herzen, vom inneren Leben. Sie hatten Jerusalem, Stadt, Tempel und die Gottesdienste als ihre Religion betrachtet und immer mehr Formen und Riten praktiziert. Dass sie an diesen Formen so ausdauernd festhielten, erfüllte sie mit Stolz. Aber das Leben, die Kraft, der Glaube waren vollständig von ihnen gewichen.
Damit ihre Augen und ihre Erfahrung vom Äußeren, Sichtbaren, worin keine rettende Kraft steckt, weggelenkt würden hin zum inneren Leben, zur inneren Kraft, ließ Gott durch eine Reihe von Umständen zu, dass ihnen die Stadt und der Tempel genommen wurden. Dadurch hörten alle Gottesdienste auf. Die Feinde von Gottes Volk nahmen die Geräte mit, die dem Tempeldienst geweiht waren, ja das Volk selbst ging in Gefangenschaft. Sie hatten die Freiheit verloren, die das Evangelium vom Heil schenkt. Denn sie waren schon längst Gefangene der Sünde geworden. Sie brauchten dieselbe Botschaft, die Paulus zu seiner Zeit verkündete, dieselbe Botschaft, die wir auch heute brauchen.
BEREUE DEINE SÜNDEN!
Nachdem Jerusalem zerstört, der Tempel niedergebrannt, Geräte und Volk aufgrund ihrer Sünden, wie vom Propheten angekündigt, verschleppt worden waren, hatten sie Gelegenheit, sich Gott wieder zuzuwenden, zu bereuen und ihre Sünden zu bekennen. Daniels Gebet im 9. Kapitel seines Buches atmet das Bekenntnis eines Volks im Exil. Danach sandte Gott ihnen eine Botschaft der Befreiung und sie wurden befreit. Stadt und Tempel wurden wieder aufgebaut, die Gottesdienste wieder aufgenommen, der Kreislauf der Geschichte begann erneut.
ZUR ZEIT JESU
So kommen wir in die Zeit von Jesu erstem Kommen. Wie war die Situation zu dieser Zeit? Es war dieselbe alte Geschichte: Formen und Zeremonien, ein äußerlich wunderschön geschmückter Tempel, ausgefeilte Gottesdienste, die Herzen der Menschen getüncht wie weiße Gräber.
RAUB, BETRUG UND SELBSTVERWIRKLICHUNG
Als Jesus den Menschen die Wahrheit zeigen wollte, die von ihren Traditionen und menschlichen Erfindungen und Lehren verschüttet war, starrten sie ihn fassungslos an vor heiliger Entrüstung. Denn er räumte mit allem auf. Sie hatten den Eindruck, er entfremde das Volk seinen Wurzeln. Dabei tat er das Gegenteil. Sie hatten nur den echten Glauben aus Herz und Alltag verloren, verließen sich auf Formen und Zeremonien und sagten: »Das ist doch Gottes Tempel!« Hatte er nicht selbst für seine Wiederauferbauung gesorgt? Hatte er sie nicht selbst vorausgesagt? So praktizierten sie direkt im Tempelhof Raub, Täuschung, Betrug und Selbstverwirklichung. Denn solange es auf heiligem Boden geschah, musste es ja erlaubt sein.
DEM RETTER VERTRAUEN STATT TRADITIONEN ABSPULEN
Jesus kam, um dem Volk die Wahrheit zu bringen, mit völlig Wertlosem aufzuräumen, die Menschen wieder zum schlichten Vertrauen auf einen Heiland zu führen, der ganz persönlich von Sünden rettet. Keine Form, kein Gottesdienstprogramm, keine prophetischen Worthülsen, kein Ritual, kein Gebäude – nichts – kann den persönlichen, individuellen Glauben an die vergebende Gnade Jesu Christi ersetzen.
ANGST VOR MACHTVERLUST UND GEWALTLOSIGKEIT
Jesus lehrte dies. Doch wie wurde es aufgenommen? Die Gemeindeleitung jener Tage, die zwar äußerlich für den Glauben eintrat, sagte: Wenn wir diesen Mann gewähren lassen, werden die Römer kommen und uns sowohl unsere Aufgabe als auch unsere Nation wegnehmen. Woran klammerten sie sich? An ihre Position. Sie suchten politische Vorteile und Macht und sagten: Wenn wir diesen Mann weiter lehren lassen, werden bald alle an ihn glauben. Wer zieht dann noch freiwillig gegen die Römer? Wer tritt dann noch in unser Heer ein? Dieser Mann lehrt ein Evangelium des Friedens. Wer an ihn glaubt, will nicht mehr kämpfen, sondern wird stattdessen für seine Feinde beten. Man muss ihm Einhalt gebieten! Und so brachten sie ihn um.
WARNUNG VOR DER ZWEITEN ZERSTÖRUNG JERUSALEMS
Paulus erklärte: »Und obwohl sie nichts an ihm fanden, das den Tod verdient hätte, baten sie doch Pilatus, ihn zu töten. Und als sie alles vollendet hatten, was von ihm geschrieben steht, nahmen sie ihn von dem Holz und legten ihn in ein Grab. Aber Gott hat ihn auferweckt von den Toten … So sei euch nun kundgetan, liebe Brüder, dass euch durch ihn Vergebung der Sünden verkündigt wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht werden konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt.« (Apostelgeschichte 13,28-39)
Wie lautete die Warnung? »Seht nun zu, dass nicht über euch komme, was in den Propheten gesagt ist«, – damit ihr nicht auf dieselbe Schiene kommt. – Wann wurde das gesagt? – Ungefähr im Jahr 40 n. Chr. – Welches Ereignis würde bald über Israel hereinbrechen? – Die erneute Zerstörung Jerusalems.
Als Jesus dort war, sagte er: »Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter die Flügel sammelt, aber ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch verwüstet gelassen werden.« (Matthäus 23,37.38)
Später, nach seiner Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt, brachte der Apostel dem Volk als gegenwärtige Wahrheit die Botschaft, die von Anfang an ergangen war. Jesaja hatte sie verkündet, Habakuk hatte sie wiederholt, und das Volk hatte immer wieder dieselbe Erfahrung gemacht. Unterdessen wurde auf den Seiten der göttlichen Geschichtsbücher alles aufgezeichnet, damit Gottes Volk lernte, auf Gottes Macht zu vertrauen.
Heute befinden wir uns wieder in derselben Situation. Jerusalem steht wieder vor der Zerstörung. Warum? Aus demselben Grund wie damals. Man hatte die Wahrheit, Gottes Botschaft, abgelehnt, weil man nicht mehr von Herzen diente, sondern äußere Formen und Zeremonien an die Stelle von Gottes lebendigem Wirken in Herz und Seele gesetzt hatte. Daher ergeht auch heute wieder die Warnung: »Seht nun zu, dass euch nicht dasselbe Schicksal ereilt!« Die Nation hörte damals als Nation, als Volk, nicht auf die Warnung. So kam Titus im Jahr 70 n. Chr. mit der römischen Armee, und Jerusalem wurde erneut zerstört, der Tempel niedergebrannt. Alles Äußerliche und Sichtbare wurde dem Volk genommen.
DER MODERNE WIEDERAUFBAU JERUSALEMS
Derselbe Kreislauf der Geschichte wiederholt sich. Auch heute geht es um Jerusalem und Babylon. Doch heute handelt es sich um das Jerusalem, für welches das alte Jerusalem ein Vorbild war. Auch haben wir es mit dem modernen Babylon zu tun, für welches das alte Babylon ein Vorbild war. Heute stehen wir an derselben Stelle. Zum dritten und letzten Mal ergeht die Warnung an uns: »So habt nun acht, dass nicht über euch kommt, was in den Propheten gesagt ist: ›Seht, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte, denn ich tue ein Werk in euren Tagen, ein Werk, dem ihr nicht glauben würdet, wenn es euch jemand erzählte!‹« (Apostelgeschichte 13,38-41)
Der Wiederaufbau Jerusalems und der Tempelbau stehen für die Sammlung des Volkes. »Der HERR baut Jerusalem; die Zerstreuten Israels wird er sammeln.« (Psalm 147,2)
Jakobus sagte auf dem Apostelkonzil in Jerusalem: »Simon hat erzählt, wie Gott zuerst sein Augenmerk darauf richtete, aus den Heiden ein Volk für seinen Namen anzunehmen. Und damit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: ›Nach diesem will ich zurückkehren und die zerfallene Hütte Davids wieder aufbauen, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten, damit die Übriggebliebenen der Menschen den HERRN suchen, und alle Heiden, über die mein Name ausgerufen worden ist, spricht der HERR, der all dies tut.‹« (Apostelgeschichte 15,14-18)
Der Wiederaufbau des alten Jerusalems und der Tempelbau waren ein geschichtliches Gleichnis, um uns die Wahrheit, die Wirklichkeit, zu zeigen.
DIE BOTSCHAFT AUF HABAKUKS TAFELN
Wodurch wurde damals Jerusalem wieder aufgebaut? Wodurch wurden sie aus Babylon befreit und nach Jerusalem gebracht, um Gottes Anweisungen zu befolgen und die Stadt aufzubauen? Durch die Botschaft des Propheten Habakuk. Nachdem er die Zeit genannt hatte, wann alles geschehen sollte, sagte er:
»Hier stehe ich auf meiner Warte und stelle mich auf meinen Turm und schaue und sehe zu, was er mir sagen und antworten werde auf das, was ich ihm vorgehalten habe. Der HERR aber antwortete mir und sprach: Schreib auf, was du geschaut hast, deutlich auf eine Tafel, dass loslaufe, wer es liest!
Die Weissagung wird ja noch erfüllt werden zu ihrer Zeit und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht trügen. Wenn sie sich auch hinzieht, so harre ihrer; sie wird gewiss kommen und nicht ausbleiben. Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben, der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.« (Habakuk 2,1-4 Luther 84/Biblia Hebraica)
AUS GLAUBEN LEBEN
Das war die Botschaft, die deutlich auf Tafeln geschrieben werden sollte, das damit das Gleichnis dem Volk vor Augen stünde. Es geht ums Leben; nicht um Position, Zeremonie, Glaubensbekenntnis, sondern ums Leben, um jenes Leben, das man durch persönlichen Glauben an den Lebensspender erhält, an den, der das Leben ist. Das war die Botschaft, die sie aus Babylon herausrief und wieder in ihr eigenes Land brachte, damit sie die Stadt bauten, was sie dann auch taten.
DAS POTENZIAL DER PROTESTANTISCHEN REFORMATION
Nach den Jahrhunderten des Abfalls und des finsteren Mittelalters und dem Verlust der Botschaft begann im sechzehnten Jahrhundert ein Licht zu scheinen. Es führte das Volk aus der Finsternis. Was war der Tenor dieser Bewegung? »Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.« Darin bestand die Inspiration und Kraft dieser Bewegung. Hätte man die Verbindung zwischen Gott und dem Herzen fest gemacht, dann hätte die beginnende Reformation die Welt ungebremst umfluten können, bis die Erde mit ihrer Herrlichkeit erleuchtet worden und das Reich Gottes gekommen wäre.
Aber nach kurzer Zeit verlor sie ihre Kraft. Warum? Aus demselben Grund wie damals. Statt vorwärts zu blicken und beständig im Licht zu wandeln, wurde man furchtsam, wandte sich rückwärts, fragte nach den Vätern, legte Gewicht auf Traditionen und verlor die Kraft der Botschaft wieder.
DIE ADVENTBEWEGUNG NIMMT DEN FADEN AUF
Doch Gott vergisst sein Volk nicht. So wurde in unserer Zeit die Prophezeiung erfüllt und die Reformationsbewegung wieder zum Leben erweckt. Was ist ihr Grundsatz? – Dass wir Glaubensbekenntnisse, Traditionen, menschliche Erfindungen, von Menschen ausgebildete Lehrer, Menschengebote verwerfen und uns schlicht und einfach ans Wort des lebendigen Gottes halten. Das ist das Fundament dieses Werks. Verlassen wir dieses Fundament, haben wir keinen Boden unter den Füßen. Gleich wessen Tradition wir damit folgen, gleich welcher Mensch uns dazu bringt, wir verlassen die Plattform, auf der wir mit beiden Füßen sicher stehen sollten. Wenn wir von Gottes Wort abweichen, bleibt uns nichts mehr.
So setzte diese Reformationsbewegung, die dritte Engelsbotschaft, mit dem Auftrag ein, dieses Werk zu tun und Jerusalem zu bauen, die Ausgestoßenen aus Israel zu sammeln und die verfallenen Ruinen wieder aufzurichten. Die Botschaft bleibt die gleiche: »Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.« Leben statt äußeren Formen, mit Kraft von oben, die diesen sterblichen Leib regiert, damit sich Jesu Leben in ihm offenbart. Wenn wir diese schlichte Wahrheit bei unseren Lehren und in unserer Erfahrung außen vor lassen, dann sind wir dahin zurückgekehrt, wo sich das Volk zu Jesajas, Habakuks und Jesu Zeiten befand. Dann kann man uns – wie damals – nur warnen!
WO IST DIE KRAFT GEBLIEBEN?
Jeder der über die Anfänge der Adventbewegung Bescheid weiß, kann bestätigen, dass sie von einer wundersamen Kraft erfüllt war. Nicht weil sie die ganze Wahrheit verkündigte, die Gott seinem Volk vor der sichtbaren Erscheinung seiner Herrlichkeit offenbaren wollte, sondern weil ihre Anhänger ihr Leben im Einklang mit dem Licht führten, das Gott ihnen schenkte. Sie wiesen nichts davon zurück. Darum hatte ihre Botschaft Erfolg: Die Menschen bekehrten sich nicht aufgrund der packenden Verkündigung, sondern aufgrund der Kraft von Gottes Geist.
Manche erinnern sich noch an die Zeit, als ein einzelnes Lied, das im Geist gesungen wurde, eine ganze Versammlung zu Tränen rührte, weil Gottes herzerweichender Geist die Worte bestätigte. Sehnt sich niemand nach diesen Tagen zurück?
LIEGT DIE LÖSUNG IN DER RÜCKBESINNUNG?
Diese Zeit kommt nicht wieder, indem wir uns der Vergangenheit zuwenden und schauen, wie viel Licht damals schien. Diese Erfahrung kommt, indem wir uns dem zuwenden, der selbst das Licht ist. Öffnen wir unsere Herzensfenster nach oben zum Himmel und schließen wir sie nach unten zur Erde! Hören wir nicht mehr auf Menschen, stellen wir Menschengebote nicht länger über Gottes Gebote! Verinnerlichen wir erst einmal selbst die Botschaft, die wir verkünden. Wir haben die Botschaft solange verkündigt, bis wir sie verloren haben.
Als der Herr Jesus nicht kam, erkannte man die Wahrheit vom Halten der Gebote Gottes. Die Sabbatwahrheit und die Heiligtumswahrheit brachen sich gleichzeitig Bahn, denn sie sind nicht voneinander zu trennen. Die Reformation schritt kraftvoll voran.
WENDEPUNKT 1888
Doch viele erinnern sich noch an den Zeitpunkt, als das Pendel umschlug. Gott sandte 1888 in Minneapolis eine Botschaft, um sein Volk aus diesem Zustand zu befreien [13 Jahre vor Abfassung des Artikels].
Wie stehen wir heute zu dieser Botschaft? Wurde diese Lehre auch mit dem Herzen angenommen? Leider nicht in großem Maßstab. Haben die Prediger dieser Glaubensgemeinschaft die Taufe mit dem Heiligen Geist empfangen? Leider nicht in großem Maßstab. In den letzten dreizehn Jahren wurde das Licht von vielen verworfen und bekämpft und so ist es noch heute. So rufe ich jedem zu: »So habt nun acht, dass nicht über euch kommt, was in den Propheten gesagt ist. Seht, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte.«
HEILMITTEL: BUẞE UND VERTRAUEN
Was ist das Heilmittel? – Umkehr zu Gott und Glaube an den Herrn Jesus Christus. Dasselbe also wie eh und je. Als Johannes der Täufer dem HERRN unter den genannten Umständen den Weg bereiten sollte, lautete seine Botschaft: »Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen!« (Matthäus 3,2) Und Jesus selbst sagte: »Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!« (Markus 1,15) Und was predigten die Apostel, denen er den Auftrag gab, sein Werk nach seiner Himmelfahrt fortzuführen? »So tut nun Buße und bekehrt euch!« (Apostelgeschichte 3,19) Wie lautet die Botschaft an die Gemeinden? Tut Buße, tut Buße, tut Buße! Wie lautet die Botschaft an Laodizea? »So sei nun eifrig und tue Buße!« (Offenbarung 3,19)
KEIN ANZEICHEN FÜR ECHTE BUẞE
Eine echte Reaktion auf diese Botschaft von Gott habe ich bis jetzt noch nicht gesehen. Aber sie wird große Ergebnisse bringen. Doch wir brauchen als Prediger des Wortes einen Bußgeist wie schon viele Jahre nicht mehr. Bis jetzt gibt es auf dieser Konferenz noch keinerlei Anzeichen dafür. Ich bete und bete, dass Gott dies bewirkt. Er ist der Einzige, der dazu in der Lage ist. Wenn wir nach dieser Konferenz, nach dieser Krise in Gottes Werk, nach Hause gehen, ohne tiefgreifende Umkehr erlebt zu haben, dann Gnade Gott!
Vielleicht findet ihr, dass ich übertreibe, liebe Geschwister. Doch das Ganze liegt mir so am Herzen, dass ich es so sagen muss. Ich glaube, dass Gottes Botschaften in seinem Wort und durch seine Dienerin bei uns die Alarmglocken schrillen lassen müssten. Wenn uns das nicht bußfertig und demütig macht, was kann uns dann noch helfen? Aber zwei Drittel der Konferenz liegen schon hinter uns. Werden wir bis zum Abschluss der Konferenz ohne Buße bleiben? Werden wir ohne Kraft, ohne neues Licht nach Hause fahren? Müssen wir diese Erfahrungen noch einmal machen? Ich glaube nicht, dass Gott dies zulassen wird.
AM SCHEIDEWEG
Ich glaube, wir sind am Scheideweg angekommen, es muss eine Sichtung geben. Die Geschichte kann sich nicht unendliche Male wiederholen. Wer lange konsumiert, aber nichts produziert, dem wird Gott entweder durch Reue eine Bekehrung schenken oder er wird ihn aus seinem Werk entfernen. Eins von beiden wird geschehen: eine Bekehrung des Herzens, eine neue Erfahrung in dieser Botschaft oder eine Trennung von dem bloßen Versuch, der Form nach die Botschaft zu verkünden, die dem Herzen doch unbekannt geblieben ist.
PREDIGEN UND SELBST VERWERFLICH WERDEN?
Warum, meine Brüder, versuchen wir, den Menschen draußen die Botschaft zu verkünden, sie von ihren Sünden und aus Babylon zu erretten und auf das Kommen des HERRN vorzubereiten, wenn wir die Botschaft selbst nicht erkannt haben? Gott bewahre! Die Botschaft ist ganz einfach: »Der Gerechte wird durch den Glauben leben.« (Habakuk 2,4) »So sei euch nun kundgetan, liebe Brüder, dass euch durch ihn Vergebung der Sünden verkündigt wird; und in all dem, worin ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht werden konntet, ist der gerecht gemacht, der an ihn glaubt.« (Apostelgeschichte 13,38,39 Luther 84)
WER STEHT AUF UND FÜHRT UNS HERAUS?
Das ist die Botschaft, die vor 13 Jahren verkündigt wurde. Ihr wurde Einhalt geboten, als wäre es nicht die gegenwärtige Wahrheit. Alle, die ihre Augen die ganzen Jahre vor ihr verschlossen haben, werden sie, so fürchte ich, nie ganz begreifen. Vielleicht haben manche ihr Unterscheidungsvermögen schon verloren und können die Wahrheit nicht mehr erkennen. Doch kann dieses Werk, kann dieses Volk aus seinem gegenwärtigen verwirrten, finsteren und entmutigten Zustand durch solches Leiten und Lehren herausgeführt werden? Gewiss nicht! Nur wenn Gott jemanden mit Kraft erfüllt, der bereit ist, jemand, der aufsteht und die Botschaft klar und vollmächtig gibt, können wir aus Verwirrung und Finsternis herausgeführt werden.
NICHT DURCH ORGANISATION ODER METHODEN
Es wird nicht durch eine äußere Form der Organisation geschehen. In der vergangenen Woche haben wir eifrig Pläne für die Organisation geschmiedet. Doch bilden wir uns nicht ein, dass wir durch geänderte Pläne, geänderte Verwaltungsstrukturen und neue Methoden zum Erfolg gelangen. Wir brauchen vielmehr ein verändertes Herz. Nur ein völlig verwandeltes Herz wird Gottes Diener mit Kraft erfüllen. Alles Äußerliche ist wie Spreu. Jesus hat seinem Volk nicht erklärt, dass sie neue Organisationsmethoden und Arbeitspläne brauchten. Seine Verkündigung war durch die Wahrheit vollmächtig. Die Macht der Wahrheit blies alles fort. Natürlich ist es in Ordnung, wenn Formen und Methoden geändert werden. Doch wenn wir uns nur darauf konzentrieren, wird das Werk nie vollendet.
Wozu ruft Gott dich und mich auf? Warum sind wir verwirrt; schwach, wo wir stark sein sollten; ohne Geld, wo in der Welt doch Unmengen Geld vorhanden sind; schwankend? Nur Gottes heilende Botschaft kann uns zurechtbringen. Was können wir tun?
WERDE LICHT!
Wenn jeder der Sache selbst ins Auge sieht, kann Gott uns seinen Geist geben und uns helfen! Gottes Wahrheit wird triumphieren und mit Macht die ganze Erde erreichen. Es ist eine einfache und klare Botschaft. Ich sehne mich danach, dass dieses Volk sich aufmacht und Licht wird, dass Gottes Diener ihre Führungsplätze an der Front einnehmen. Dann kann Gott heilen und helfen. Doch der Geist der trägen Zufriedenheit, der Geist der Ja-Sager, die doch unverändert in der alten Spur weiterlaufen, wird definitiv nie das Werk für diese Zeit vollenden. Wenn Gott uns nicht hilft, wer dann? Wenn er uns nicht seinen Geist der wahren Buße und Umkehr gibt, wer dann? Sollten wir nicht vorbildlich dem Volk auf dem richtigen Weg vorangehen? Ist es nicht höchste Zeit für uns, Gottes Botschaft zu verinnerlichen, damit wir wissen, dass er zu uns spricht und uns meint und auf unsere Antwort wartet? Möge Gott uns Gnade geben, auf diese Botschaft zu reagieren. Dann können wir seine Sehnsucht stillen, und er kann uns aus der misslichen Lage befreien, in die wir geraten sind. Dann kann er uns mit starkem Arm herausführen, sieghaft und um zu siegen, und der Tag seines Kommens kann schneller kommen. Dann werden wir ihn sehen, wie er ist, um in sein ewiges Friedensreich einzugehen.
Verdichtet aus: WILLIAM PRESCOTT, General Conference Bulletin, 15.+18. April 1901, 302-304.320-322
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