Apostelkonzil von Jerusalem: Ein Plädoyer für Beliebigkeit?

Apostelkonzil von Jerusalem: Ein Plädoyer für Beliebigkeit?
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Erfahre, wie die Debatte über die Beschneidung nichtjüdischer Christen das Verständnis von Gesetz und Freiheit prägte. Entdecke die Bedeutung der biblischen Gebote im Licht des Neuen Testaments. Von Kai Mester

Lesezeit: 5 Minuten

Jerusalem. Paulus und Barnabas auf dem Apostelkonzil. Hauptfrage: Müssen sich nichtjüdische Christen dem Ritus der Beschneidung unterziehen?

Nachdem die verschiedenen Standpunkte vorgetragen worden sind, hält Petrus ein Plädoyer für die nichtjüdischen Konvertiten, und Jakobus urteilt, »dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, … nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten.« (Apostelgeschichte 15,19-20)

Ist hieraus zu schließen, dass alle anderen Gebote aus der Torah nur den Juden galten? Zum Beispiel das Verbot von Diebstahl, Lüge und Mord? Dem widerspricht das Neue Testament an vielen Stellen.

Auf dem Apostelkonzil ging es um Riten und Zeremonien, die entweder wie bei den Opfern in Jesus ihre Erfüllung fanden oder wie bei der Beschneidung stark an die jüdische Identität und Geschichte gebunden waren.

Die Zehn Gebote des Dekalogs, vom göttlichen Finger geschrieben, blieben unangetastet (2. Mose 31,18).

Frei vom Gesetz?

In den Briefen des Paulus gibt es zahlreiche Aussagen, die betonen, dass Menschen, die Jesus nachfolgen, frei vom Gesetz sind (Römer 7,6), nicht mehr unter dem Gesetz (Galater 5,18), sondern unter der Gnade (Römer 6,15), vom Geist erfüllt und dem Gesetz gestorben (Apostelgeschichte 4,31; Galater 2,19), denn der Buchstabe tötet (2. Korinther 3,6).

Jesus habe das Gesetz der Gebote in Satzungen beseitigt (Epheser 2,15), es ans Kreuz geheftet (Kolosser 2,14) und vom Fluch des Gesetzes losgekauft (Galater 3,13). Kein Mensch werde durch Gesetzeswerke gerecht (Galater 2,16).

Daher fragen viele, indem sie Paulus zitieren: »Wieso wendet ihr euch wiederum den schwachen und armseligen Grundsätzen zu, denen ihr von Neuem dienen wollt? Ihr beachtet Tage und Monate und Zeiten und Jahre.« (Galater 4,9-10) »Dieser hält einen Tag höher als den anderen, jener hält alle Tage gleich; jeder sei seiner Meinung gewiss! … Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder?« (Römer 14,5-10)

Des Rätsels Lösung

Wer Paulus verstehen will, muss sich Grundkenntnisse des biblischen Erlösungsplanes aneignen. Denn er war ein jüdischer Schriftgelehrter, der das Alte Testament (Torah, Propheten und Schriften) und die Evangelien erklärte.

Kurz skizziert: Das Urproblem des Menschen ist nach Aussage des Alten Testaments sein Misstrauen gegenüber Gott, das sich in Unmoral und Sünde äußert. Das Neue Testament definiert: »Sündigen heißt: Gottes Gebote missachten.« (1. Johannes 3,4 Hfa) Paulus erklärt: »Alle haben gesündigt.« (Römer 3,23)

Von Jesus heißt es nun: »Er wird sein Volk von allen Sünden befreien.« (Matthäus 1,21 NL) Das ist das Thema, das Paulus in allen seinen Briefen behandelt. Der jüdisch-pharisäische Weg befreite den Menschen nicht von Sünde, denn Sünde geht tiefer als äußerliche Handlung, sie beginnt schon im Herzen.

Wer unter der Gnade und von Jesu Geist erfüllt ist, hält Gottes Gebote nicht nur äußerlich aus eigener Kraft, sondern von innen heraus, getrieben von einer göttlichen Kraft. Das Gesetz kann ihn nicht mehr verurteilen, weil Jesus in ihm lebt und er es nicht bricht (Galater 2,20). Er ist frei vom Gesetz, von seinem Fluch. Das Verdammungsurteil des Gesetzes hat ihn nicht mehr im Griff. Er achtet nicht auf den Buchstaben, um nur ja gerade noch untadelig zu sein, sondern ist von innen her bestrebt, im Zentrum von Gottes Willen zu stehen.

Beseitigt und ans Kreuz geheftet sind die zahlreichen Satzungen und Detailvorschriften, die den jüdischen Ritus regelten, der auf den Messias hinwies. Denn dieser hatte alles erfüllt. Doch auch die Moralgebote haben seit dem Kreuz auf Golgatha einen anderen Stellenwert. Sie sind dem Gläubigen nicht mehr auf Steintafeln geschrieben, um ihn zu verurteilen, sondern ins Herz, um ihn zu verändern (2. Korinther 3,3; Hebräer 10,16-18).

Hätte Jesus die Zehn Gebote am Kreuz abgeschafft, hätte er erst gar nicht für die Sünden der Menschen sterben müssen, denn ohne Gesetz gibt es auch keine Sünde (Römer 7,8). Durch sein Liebesopfer befähigt er aber den Menschen zu einer Gottes- und Nächstenliebe, für die Gesetzesübertretung keine Option ist (1. Johannes 3,6).

Und was ist nun mit der Beliebigkeit der Feiertage? Ob es sich um religiöse Fast- oder Festtage handelte, der wöchentliche Sabbat kann damit nicht gemeint sein. »Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf!« (Römer 3,31)

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