Friedrich der Weise beschützt Luther (Reformationsserie Teil 7): Und die Reformation erobert Europa

Friedrich der Weise beschützt Luther (Reformationsserie Teil 7): Und die Reformation erobert Europa
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Briefe, Vorlesungen, Schriften verändern den Lauf der Geschichte … Von Ellen White

Die Nachricht von Luthers Flucht überraschte den Gesandten derart, dass er vor Wut schäumte. Er hatte sich große Ehren aufgrund seiner Weisheit und Festigkeit im Umgang mit dem Störenfried der Kirche versprochen. Doch seine Hoffnung war enttäuscht worden. Er ließ seiner Wut in einem Brief an Friedrich den Weisen, Kurfürst von Sachsen, freien Lauf:

»Man kann Bruder Martin durch väterliche Maßnahmen nicht dazu bewegen, seine Irrtümer zuzugeben und der katholischen Kirche treu zu bleiben. Daher ersuche ich Eure Hoheit, ihn nach Rom zu senden oder aus euren Gebieten zu verbannen. Seid versichert, dass diese komplizierte, böswillige Angelegenheit sich nicht weiter in die Länge ziehen wird. Denn sobald ich unseren heiligsten Herrn von diesen ganzen Schlichen und Boshaftigkeiten informiert habe, wird er sie zu einem raschen Ende bringen.« Unter P.S. bittet er den Kurfürsten noch, seine eigene Ehre und die seiner ruhmreichen Vorväter nicht durch die Sache eines verachtenswerten Mönches mit Schande zu besudeln.

Der Kurfürst ließ Luther eine Kopie dieses Briefes zukommen. Der Reformator antwortete:

»Lasst den ehrwürdigen Legaten oder den Papst selbst die Irrtümer schriftlich auflisten; lasst sie ihre Gründe vorbringen; lasst sie mich unterweisen; denn ich hungere nach Unterweisung, bitte darum und sehne mich so sehr danach, dass selbst ein Türke dieser Bitte nicht widerstehen könnte. Sollten sie mir beweisen, dass die von mir zitierten Schriftstellen anders zu verstehen sind, als ich sie verstehe, und ich widerrufe nicht oder verurteile mich selbst nicht, dann, vortrefflichster Kurfürst, sollte Eure Hoheit der erste sein, der mich verfolgt und verbannt. Dann lasst auch die Universität mich entlassen und mit Empörung überschütten. Ich gehe sogar noch weiter und rufe Himmel und Erde als Zeugen an: Lasst den Herrn Jesus Christus selbst mich ablehnen und verdammen! Diese Worte sind keine leere Anmaßung, sondern feste Überzeugung. Der Herr möge mich seiner Gnade berauben, und jedes Geschöpf Gottes möge seinen Blick von mir abwenden, wenn ich, nachdem man mir eine bessere Lehre gezeigt hat, diese nicht annehme.«

Abschließend sagt er: »Ich bin, Gott sei Dank, immer noch voller Freude und preise ihn, dass Christus, der Sohn Gottes, mich für würdig erachtet, für so eine heilige Sache zu leiden. Möge er für immer Eure glorreiche Hoheit bewahren! Amen.«

Unter dem Schutz des Kurfürsten

Dieser Brief machte einen tiefen Eindruck auf den Kurfürsten. Er hatte nie vorgehabt, Luther, einen Unschuldigen, nach Rom in den Tod zu schicken. Aber jetzt entschloss er sich, ihn auch unerschrocken zu verteidigen. So schrieb er als Antwort auf die Forderung des Gesandten:

»Da Dr. Martin vor Euch in Augsburg erschienen ist, solltet Ihr zufrieden sein. Wir waren überrascht, dass Ihr ihn zum Widerruf drängen würdet, ohne ihn von seinen Irrtümern zu überzeugen. Kein Gelehrter in unserem Fürstentum hat mich wissen lassen, dass Martins Lehren gottlos, unchristlich oder ketzerisch seien.«

Der Fürst weigerte sich außerdem, Luther nach Rom zu senden oder ihn ins Exil zu schicken. Nachdem Luther diesen Brief zu Gesicht bekam, rief er aus: »Mit was für einer Freude lese ich ihn immer wieder. Denn ich weiß, wie sehr ich mich auf diese Worte verlassen kann. Sie sind sowohl überzeugend als auch taktvoll.« Gott hatte in seiner Vorsehung einen Mann aufstehen lassen in hoher Position, der seinen Diener verteidigte.

Stärkerer Einfluss gegen Werteverfall

Der Kurfürst hatte gesehen, dass sich die moralischen Zügel der Gesellschaft immer mehr lösten. Die weitläufige und ausgeklügelte Organisation der Römischen Kirche und ihr ungeheuerlicher Einsatz von Geld, Zeit und Arbeit, um für Ordnung und Harmonie zu sorgen, waren weder ein Hinweis auf echte Tugend noch auf Rechtschaffenheit ihrer Mitglieder. Eine tiefgreifende Reformation war nötig. Würden die Kirchenglieder ganz persönlich Gottes Forderungen und die Gebote eines aufgeklärten Gewissens anerkennen und beachten, wären alle komplizierten und teuren Vorkehrungen unnötig, mit denen man das Verbrechen einzudämmen und zu ahnden sucht.

Der Kurfürst sah, dass Luther auf dieses Ziel hinarbeitete, und freute sich insgeheim, dass sich in der Kirche ein besserer Einfluss bemerkbar machte.

Internationaler akademischer Erfolg

Er sah auch, dass Luther als Professor an der Universität außerordentlich erfolgreich war. Alle seine Kollegen und Mitarbeiter sprachen herzlich und positiv von ihm. Aus allen Teilen Deutschlands kamen Studenten in Scharen, um seinen Vorlesungen beizuwohnen. Junge Männer, die bei ihrer Anreise die Kirchtürme von Wittenberg erblickten, hielten inne, hoben die Hände zum Himmel und priesen Gott, dass er das Licht der Wahrheit von Wittenberg aus scheinen ließ wie in alten Zeiten vom Berg Zion, damit es die entferntesten Länder erleuchtete.

Luther hatte sich bis jetzt nur teilweise von den Irrtümern des römischen Katholizismus abgewandt. Doch ständig war er gezwungen, die Wahrheit, die er schon angenommen hatte, zu verteidigen. Dieser Kampf trieb ihn zu Jesus und seinem Wort, um dort Trost und Halt zu finden. Doch als er die Aussagen der Heiligen Schrift mit den päpstlichen Erlassen und Satzungen verglich, staunte er nicht schlecht.

»Ich lese«, schrieb er, »die Erlasse des Papstes und flüstere dir ins Ohr, dass ich nicht weiß, ob der Papst der Antichrist selbst ist oder sein Apostel, so stark wird Jesus dort verdreht und gekreuzigt.« Dennoch unterstützte Luther zu dieser Zeit immer noch die Römische Kirche und dachte nicht im Traum daran, sich aus ihrer Gemeinschaft herauszulösen.

Der Reformator forschte weiter in der Heiligen Schrift, betete, predigte und schrieb. Er wusste nicht, wie schnell seine Arbeit zu Ende sein und man ihn der Freiheit oder sogar des Lebens berauben würde; doch er war fest entschlossen, Jesu Reich so lange zu bauen, wie Gott es zuließ. Zu wissen, dass wertvolle Seelen überall die Wahrheit annahmen, erfüllte ihn mit Freude.

Es war seine Aufgabe, am Tempel des HERRN mitzubauen. Lebendige Steine lagen unter dem päpstlichen Müll falscher Lehren, Formen und Zeremonien vergraben. Er wollte sie ausgraben und auf das richtige Fundament setzen. Jesu Nachfolger waren damals nicht von der Welt getrennt und als besonderes und heiliges Volk geeint. Sie waren unter die Söhne Belials zerstreut. Es galt, sie durch die Macht der göttlichen Wahrheit herauszulösen.

Luther war nicht blind für die Gefahr, in der er und seine Konvertiten schwebten. Er wusste, dass die Untertanen des Fürsten Immanuel nicht zu einem bequemen und vergnüglichen Leben in Ehre und Reichtum, mit Titeln und Besitztümern berufen waren, sondern zum Kampf mit dem Fürsten der Finsternis; sie würden gegen Mächtige und Gewaltige kämpfen und müssten die ganze göttliche Waffenrüstung tragen, wollten sie standhalten. Sie waren gerufen Entbehrung, Not, Gefängnis, Folter und Tod zu ertragen wie schon der Feldherr ihrer Erlösung vor ihnen. Wenn es seinem Willen entspräche, wären selbst die Reichtümer und die Unterstützung der Bösen seinem Befehl untertan; doch er erklärt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.« Und weiter: »Es kommt der Fürst dieser Welt, und in mir hat er nichts.« (Johannes 18,36; 14,30) Genauso haben Jesu Diener hier kein Zuhause, keinen Schatz. Nur weil Jesus regiert, bleiben sie vor der grausamen Macht des bösen Fürsten bewahrt.

Europa liest Luther

Luthers Stimme als Reformator blieb nun nicht länger auf Deutschland begrenzt. Seine Schriften und seine Lehre reichten bis in jede christliche Nation. Sein Werk breitete sich in die Schweiz und nach Holland aus. Zahlreiche Kopien seiner Schriften hatten ihren Weg nach Frankreich und Spanien gefunden, und die Wahrheit wirkte an vielen Herzen, reformierte das Leben und weckte das Verständnis, sodass das Volk die katholische Korruption wahrnahm. In England wurden die Lehren des Reformators als Wort des Lebens willkommen geheißen. Auch nach Belgien und Italien breitete sich das Werk aus. Tausende erwachten aus ihrem Todesschlaf zur Freude und Hoffnung eines Lebens im Glauben.

In diesem kurzen ruhigen Moment wirkte Luther mit neuer Hoffnung und Beherztheit. Seine Freunde drängten ihn, mit den Siegen, die er bereits errungen hatte, zufrieden zu sein und mit dem Kämpfen aufzuhören. Doch er antwortete: »Gott führt mich nicht nur, er drängt mich vorwärts. Ich bin nicht der Herr meiner eigenen Taten. Gerne würde ich in Frieden leben; doch ich werde mitten hineingeworfen in den Tumult und den Wandel.«

Der Reformator drängte voran auf dem Weg, den Gott ihn führte. Während er die Wahrheit weiter verteidigte, wurde sie für ihn immer verständlicher und die päpstliche Arroganz ihm immer bewusster. Er sagte:

»Wie schwer ist es doch, die Irrtümer zu verlernen, die die ganze Welt durch ihr Beispiel verstärkt. Durch ihren langen Gebrauch sind sie uns in Fleisch und Blut übergegangen. Sieben Jahre lang legte ich die Heilige Schrift stündlich mit großem Eifer aus. Ich konnte sie fast völlig auswendig. Die Erstlingsfrüchte der Erkenntnis und des Glaubens meines Herrn Jesus Christus hatte ich ebenfalls. Das heißt, ich wusste, dass wir nicht durch unsere Werke, sondern durch den Glauben an Jesus Christus gerecht und gerettet werden; ich vertrat sogar öffentlich, dass der Papst nicht durch göttliches Recht der Vorsteher der christlichen Kirche ist. Dennoch … konnte ich nicht den Schluss aus alledem ziehen; nämlich, dass der Papst zwangsläufig und ohne jeden Zweifel vom Teufel ist; denn was nicht von Gott kommt, muss vom Teufel sein.«

Auch sagte er: »Ich lasse meiner Empörung nicht freien Lauf gegen die, die immer noch dem Papst anhängen. Denn ich selbst habe so viele Jahre die Heilige Schrift sorgfältig gelesen und trotzdem unbeirrbar zum Papsttum gehalten.«

Mordpläne

Die Schlacht tobte weiter. Rom wurde immer ungeduldiger gegenüber Luthers Angriffen. Einige seiner leidenschaftlichsten Gegner, darunter Doktoren katholischer Universitäten, ließen hinter vorgehaltener Hand verlauten: Wer diesen Rebellenmönch umbringe, bliebe ohne Sünde. Eines Tages näherte sich dem Reformator ein Fremder mit einer Pistole unter dem Mantel und fragte ihn, warum er so allein laufe. »Ich bin in Gottes Händen«, antwortete Luther. »Er ist meine Stärke und mein Schild. Was können mir Menschen tun?« Als er diese Worte hörte, wurde der Fremde bleich und floh, als müsse er der Gegenwart himmlischer Engel entkommen.

Rom war entschlossen, Luther zu vernichten. Doch Gott war seine Schutzwehr. Seine Lehren waren überall zu hören – in Klöstern und einfachen Hütten, in den Schlössern der Adeligen, an Hochschulen und in Königspalästen. Überall standen Adelige auf, um seine Bemühungen zu unterstützen.

Signs of the Times, 19. Juli 1883

Lies weiter: Reformationsserie Teil 8: Luthers Aufruf an Deutschland: Kampf um die Freiheit

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