Luthers Reise nach Worms (Reformationsserie Teil 11): Komme ich um, so komme ich um!

Luthers Reise nach Worms (Reformationsserie Teil 11): Komme ich um, so komme ich um!
Luther Memorial in Worms Pixabay - Tobias Albers-Heinemann

Mut, Würde, Ernst und ein freundlich-fröhliches Wesen. Von Ellen White

Luther in Wittenberg hört von den spannenden Szenen auf dem Reichstag. Bald erhält er Nachricht über die Dinge, die er widerrufen soll. Aber, wie Daniel einst, nimmt er sich in seinem Herzen vor, Gott treu zu bleiben. Er schreibt an Spalatin: »Keine Angst! Ich werde keine einzige Silbe widerrufen; denn ihr einziges Argument gegen mich ist, dass meine Schriften im Widerspruch zu den Anordnungen der Institution stehen, die sie als Kirche bezeichnen. Wenn unser Kaiser Karl mich nur zum Widerruf vorlädt, werde ich ihm antworten, dass ich hier bleibe, und alles wird genauso sein, als wäre ich nach Worms gefahren und wieder zurück. Wenn aber der Kaiser nach mir schickt, um mich als Reichsfeind zu töten, werde ich seiner Vorladung bereitwillig folgen; denn mit Jesu Hilfe werde ich sein Wort in der Stunde des Kampfes niemals aufgeben. Ich weiß, dass diese blutgierigen Männer erst ruhen, wenn sie mir das Leben genommen haben. Gott gebe, dass mein Tod allein den Papstanhängern zur Last gelegt werden kann!«

Ungeachtet der Bitten, Proteste und Drohungen Aleanders beschloss der Kaiser schließlich, dass Luther vor dem Reichstag erscheinen müsse. Also verfasste er ein Schriftstück, das Luther vorlud und sicheres Geleit an einen geschützten Ort zusicherte. Diese wurde von einem Herold nach Wittenberg gebracht, der damit beauftragt war, den Reformator nach Worms zu geleiten.

Eine dunkle und bedrohliche Stunde für die Reformation! Die Freunde von Luther waren entsetzt und verzweifelt. Aber der Reformator blieb ruhig und fest. Man bat ihn inständig, nicht sein Leben aufs Spiel zu setzen. Seine Freunde, die die Vorurteile und den Hass gegen ihn kannten, befürchteten, selbst sein sicheres Geleit würde nicht respektiert werden. Man sagte, das sichere Geleit von Ketzern sei ohnehin ungültig.

Luther antwortete: »Die Papstanhänger haben wenig Lust, mich in Worms zu sehen; aber sie sehnen sich nach meiner Verurteilung und meinem Tod. Egal. Betet nicht für mich, sondern für Gottes Wort. Mein Blut wird kaum erkalten, da werden schon Tausende und Zehntausende in jedem Land dafür einstehen. Jesu ›heiligster‹ Gegner, der Vater, Meister und Häuptling aller Menschenmörder, will mich unbedingt umbringen. So sei es denn! Der Wille Gottes geschehe. Jesus wird mir seinen Geist geben, um diese Diener Satans zu überwinden. Ich verachte sie, solange ich lebe und werde selbst im Tod noch über sie triumphieren. Sie tun in Worms alles dafür, um mich zum Widerruf zu zwingen. Mein Widerruf wird wie folgt lauten: ›Ich sagte früher, dass der Papst der Stellvertreter Jesu ist; jetzt sage ich: Er ist der Gegner des HERRN und der Gesandte des Teufels.‹«

Abfahrt aus Wittenberg: Tränenreicher Abschied

Luther musste seine gefährliche Reise nicht allein antreten. Neben dem kaiserlichen Botschafter entschlossen sich drei seiner engsten Freunde, ihn zu begleiten. Tief bewegt verabschiedete sich der Reformator von seinen Mitarbeitern. Er wandte sich Melanchthon zu und sagte: »Wenn ich nicht zurückkehre und meine Feinde nehmen mir das Leben, höre nicht auf, lieber Bruder, die Wahrheit zu lehren und in ihr zu bleiben. Setze meine Arbeit fort, wenn ich nicht mehr arbeiten kann. Wenn dein Leben verschont wird, wird mein Tod kaum ins Gewicht fallen.«

Eine große Schar von Studenten und Bürgern, denen das Evangelium sehr am Herzen lag, verabschiedete sich von ihm unter Tränen. Der Herold des Kaisers ritt in voller Tracht und mit dem kaiserlichen Adler voran, gefolgt von seinem Diener. Dann kam die Kutsche, in der Luther und seine Freunde fuhren. So machte sich der Reformator von Wittenberg aus auf den Weg.

Durchfahrt durch Naumburg und Weimar

Auf der Reise sahen sie, dass das Volk von düsteren Vorahnungen bedrückt wurde. In einigen Städten wurden ihnen keine Ehrungen zuteil. Als sie für die Nacht in Naumburg einkehrten, drückte ein freundlicher Priester seine Befürchtungen aus, indem er Luther das Porträt eines italienischen Reformators entgegenhielt, der um der Wahrheit willen zum Märtyrer wurde. Mit zitternder Stimme bat der Priester Luther: »Steh fest in der Wahrheit, und dein Gott wird dich nie im Stich lassen.«

Als sie am nächsten Tag in Weimar ankamen, erfuhren sie, dass Luthers Schriften in Worms offiziell geächtet worden waren. In den Straßen der Stadt verkündeten die kaiserlichen Boten das Dekret des Kaisers und drängten alle Menschen, die verbotenen Werke zu den Magistraten zu bringen. Als der alarmierte Herold Luther fragte, ob er unter den gegebenen Umständen noch weiterreisen wolle, antwortete er: »Ich werde weiterreisen, auch wenn ich in jeder Stadt in den Bann gestellt werden sollte.«

Empfang in Erfurt: Jubel und Aufmerksamkeit

In Erfurt wurde Luther mit Ehren empfangen. Mehrere Bünde der Stadt, der Rektor der Universität, Senatoren, Studenten und Bürger, ritten ihm zu Pferd entgegen und begrüßten ihn mit freudigem Beifall. Große Menschenmengen säumten die Straße und jubelten ihm zu, als er in die Stadt einfuhr. Alle wollten den unerschrockenen Mönch sehen, der es gewagt hatte, dem Papst zu trotzen. So fuhr er, umgeben von ihn bewundernden Menschenmassen, in die Stadt ein, in der er in seinen früheren Jahren oft um ein Stück Brot gebeten hatte.

Er wurde zum Predigen aufgefordert. Das war ihm zwar verboten; aber der Herold gab seine Zustimmung, und der Mönch, dessen Aufgabe es einst war, die Tore zu öffnen und die Gänge zu fegen, stieg nun auf die Kanzel, während das Volk wie gebannt seinen Worten lauschte. Er brach diesen hungrigen Seelen das Lebensbrot und erhöhte Jesus über die Päpste, Gesandten, Kaiser und Könige: »Jesus, unser Mittler, hat überwunden. Das ist die große Nachricht! Durch sein Werk werden wir gerettet, nicht durch unser Werk.«

«Einige werden vielleicht sagen: Du sprichst viel vom Glauben zu uns; dann sag uns, wie wir ihn erlangen können. Einverstanden. Ich will euch zeigen, wie es geht. Unser Herr Jesus Christus sagte: ›Friede sei mit euch. Seht meine Hände!‹ Das heißt: ›Schau, o Mensch, ich allein bin es, der deine Sünde weggenommen und dich erlöst hat, und jetzt hast du Frieden‹, spricht der Herr. »Glaubt dem Evangelium, glaubt dem heiligen Paulus und nicht den Briefen und Verordnungen der Päpste.«

Luther erwähnt mit keinem Wort seine eigene gefährliche Lage. Er macht sich nicht selbst zum Thema, sucht kein Mitgefühl. Im Schauen auf Jesus hat er sich selbst völlig aus den Augen verloren. Er versteckt sich hinter dem Mann von Golgatha. Ihm geht es nur darum, Jesus als Sündenerlöser zu präsentieren.

Zwischen Erfurt und Worms: Weiter trotz Warnungen und Fallen

Auf Luthers Weiterreise finden sich überall Schaulustige. Eine begeisterte Menge begleitet ihn ständig. Freundliche Stimmen warnen ihn vor der Absicht der Anhänger Roms. »Man wird dich lebendig verbrennen«, sagen sie, »dein Körper wird zu Asche zerfallen, wie bei Jan Hus.« Luther erwidert: »Auch wenn sie ein Feuer entzündeten, dessen Flammen von Worms bis Wittenberg reichten und zum Himmel aufstiegen, würde ich es im Namen des HERRN durchschreiten und vor ihnen stehen; ich würde den Rachen Behemots betreten, seine Zähne zerbrechen und den Herrn Jesus Christus bekennen.«

Die Nachricht, dass Luther sich Worms näherte, sorgte bei den Anhängern des Papstes für große Unruhe. Seine Ankunft könnte zur Niederlage ihrer Sache führen. Sofort wurde ein geschickter Plan geschmiedet, um ihn daran zu hindern, am Ziel anzukommen. Eine Truppe von Reitern ritt ihm mit der Nachricht entgegen, ein freundlicher Ritter habe ihn direkt in seine Festung eingeladen. Der Beichtvater des Kaisers sei dort und warte auf eine Zusammenkunft. Er habe grenzenlosen Einfluss auf Karl, und alles könnte harmonisch geregelt werden.

Der Herold drängte auf Eile. Luthers Freunde wussten nicht, was sie davon halten sollten. Doch er zögerte keinen Augenblick. »Ich fahre weiter«, antwortete er. »Falls der Beichtvater des Kaisers mir etwas zu sagen hat, wird er mich in Worms finden. Ich begebe mich an den Ort meiner Vorladung.«

Schließlich machte sich Spalatin selbst große Sorgen um den Reformator. Er hörte, dass die Papstanhänger in Worms das sichere Geleit Luthers nicht respektieren würden. So sandte er ihm eine Nachricht, um ihn zu warnen. Als Luther sich der Stadt näherte, wurde ihm die Nachricht von Spalatin ausgehändigt, in der stand: »Betrete Worms nicht!« Doch Luther schaute den Boten ungerührt an und sagte: »Sag deinem Meister: Wenn auch in Worms so viele Teufel wären wie Dachziegel, will ich es dennoch betreten.« Der Bote kehrte um und überbrachte auch diese erstaunliche Botschaft.

Empfang in Worms: Gott wird mich verteidigen

Schillernd war der Empfang, der Luther bei seiner Ankunft in Worms geboten wurde. Die Menschenmasse, die zu den Toren strömte, um ihn willkommen zu heißen, war noch größer als die bei der Ankunft des Kaisers selbst. »Gott wird mich verteidigen«, sagte der Reformator, als er aus seiner Kutsche ausstieg.

Doch die Nachricht von seiner Ankunft wurde sowohl von seinen Freunden als auch von seinen Feinden mit Schrecken aufgenommen. Der Kurfürst fürchtete um Luthers Leben. Aleander um den Erfolg seiner eigenen bösen Pläne. Der Kaiser berief sofort seinen Rat ein: »Luther ist gekommen«, sagte er, »was ist zu tun?« Einer der Bischöfe, ein eingefleischter Papstanhänger, erwiderte: »Wir haben lange darüber nachgedacht. Entledigt euch umgehend dieses Mannes, eure Majestät. Hat nicht einst Kaiser Sigismund den Jan Hus auf den Scheiterhaufen gebracht? Niemand ist verpflichtet einem Ketzer sicheres Geleit zu geben oder zu gewähren.« »Nein«, sagte der Kaiser, »was wir zusagen, halten wir auch.« Es wurde beschlossen, dass Luther gehört werden sollte.

Die ganze Stadt wollte den Reformator sehen. Kaum hatte er ein paar Stunden geruht, als Grafen, Herzöge, Ritter, Ehrenmänner und Bürger zu ihm strömten. Sogar seinen Feinden fiel sein mutiges Auftreten, sein freundlicher, ja fröhlicher Gesichtsausdruck auf, die feierliche Würde und der tiefe Ernst, wodurch seine Worte eine unwiderstehliche Macht hatten. Einige ließen sich von dem göttlichen Einfluss überzeugen, der ihn umgab. Andere erklärten wie die Pharisäer über Jesus: »Er ist vom Teufel besessen.«

Aus Signs of the Times, 16. August 1883

Lies weiter: Reformationsserie Teil 12: Luther vor dem Reichstag: Die Welt hielt den Atem an

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